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2016 | Buch

Die Geburtshilfe

herausgegeben von: Henning Schneider, Peter Husslein, Karl-Theo M. Schneider

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Buchreihe : Springer Reference Medizin

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Über dieses Buch

Das Standardwerk für alle in der Geburtshilfe und Perinatologie tätigen Ärzte wurde in der 5. Auflage grundlegend überarbeitet und aktualisiert sowie an vielen Stellen neu konzipiert.

Viele Neuerungen sind zu finden in den Kapiteln zu

- Physiologie des mütterlichen Organismus

- Erkrankungen in der Schwangerschaft inkl. onkologischer Erkrankungen

- Risikostratifizierung im 1. Trimenon

- Vorabklärung zum Risiko einer Präeklampsie sowie einer spontanen Frühgeburt

- Fehlbildungsdiagnostik während des gesamten Schwangerschaftsverlaufs

- Physiologie und Pathologie der Geburtsbeginns

- Komplementäre Medizin

Bewährtes bleibt erhalten

- Anerkanntes Expertenwissen zusammengetragen von erfahrenen Herausgebern und Autoren

- Umfassend und übersichtlich

- Leitlinienbasiert und anwendungsorientiert

- Für die Weiterbildung zum Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

- PLUS: Sämtliche Inhalte für die fakultative Weiterbildung „Spezielle Geburtshilfe und Perinatologie“

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Frühschwangerschaft

Frontmatter
1. Präimplantation, Implantation und Plazentation
Zusammenfassung
4–5 Tage nach der Ovulation erreicht die Zygote die Uterushöhle, nachdem die Zellteilung bereits während der Passage durch die Tube begonnen hat. Am Anfang der Plazentation verschmelzen die Trophoblastepithelien zu einem Synzytium, und durch den Kontakt mit der Dezidua beginnt eine starke Proliferation des Zytotrophoblasten mit Bildung von Primärzotten, die sich über Sekundär- in Stroma- und gefäßhaltige Tertiärzotten entwickeln. Das Vordringen des extravillösen Trophoblasten in die Dezidua ist für die Verankerung der Plazenta sowie die Umwandlung der Endarterien des uterinen Kreislaufes, der Spiralarterien, in weite Gefäßschläuche von entscheidender Bedeutung. Das Verzweigungswachstum der Plazentazotten und die begleitende Angiogenese in den Zotten vervollständigen die frühe Entwicklung der Plazenta. Störungen können eine Reihe von Schwangerschaftskomplikationen wie Fehlgeburt, Präeklampsie, vorzeitige Plazentalösung, Placenta accreta und Störung des fetalen Wachstums verursachen.
Henning Schneider, Luigi Raio, Jürgen Pollheimer, Martin Knöfler
2. Frühschwangerschaft: klinische Aspekte und Abortgeschehen
Zusammenfassung
Klinische, laborchemische und sonographische Methoden erlauben die frühe und zuverlässige Diagnose und Beurteilung einer intakten Schwangerschaft (z. B. serielle HCG-Bestimmungen) und von Schwangerschaftsrisiken. Mit der transvaginalen Sonographie können Informationen über den Implantationsort, die Vitalität des Embryos und das Vorliegen einer Mehrlingsschwangerschaft gewonnen und das Gestationsalter zuverlässig bestimmt werden.
Unter dem Begriff Abort wird im deutschsprachigen Raum ein (nichtartifizieller) Verlust der Schwangerschaft vor Eintritt der Lebensfähigkeit des Kindes verstanden. Es wird zwischen sporadischen und habituellen Aborten unterschieden; Letztere liegen vor bei ≥3 aufeinanderfolgenden Fehlgeburten. Das Kapitel geht auf die klinischen Stadien und die vielfältigen Ursachen von sporadischen und habituellen Aborten ein und gibt eine kritische Bestandsaufnahme von speziellen diagnostischen und therapeutischen Interventionen bei Paaren mit habituellem Abortgeschehen.
Stephanie Pildner von Steinburg
3. Extrauteringravidiät
Zusammenfassung
Jede außerhalb des Cavum uteri lokalisierte Schwangerschaft ist eine Extrauteringravidität (EUG), die in >90 % der Fälle im Bereich der Tube stattfindet (Tubargravidität, Tubaria). Die Inzidenz beträgt etwa 1–2 % angegeben.
Das klinische Bild erstreckt sich von der völlig asymptomatischen Patientin über Unterbauchschmerzen mit vaginalen Schmierblutungen und einem akutem Abdomen bis hin zum hämorrhagischen Schock nach Tubarruptur. Die Vaginosonographie bildet die Grundlage der Diagnostik und wird bei nicht gesichertem Befund durch den quantitativer Serum β-HCG-Verlauf ergänzt.
Neben der operativen Therapie – laparoskopische Salpingotomie und Salpingektomie – haben sich konservative Therapiealternativen wie die systemische Gabe von Methotrexat etabliert. Ein rein abwartendes Verhalten, bei dem auf eine eventuelle Spontanresorption gewartet wird, gewinnt zunehmend an Bedeutung, zeigen doch Studien eine Erfolgsquote von 30 %.
Samir Helmy, Elisabeth Kucera-Sliutz
4. Trophoblasterkrankung
Zusammenfassung
Trophoblasterkrankungen gehören zur Gruppe schwangerschaftsassoziierter Neoplasien, die sich v. a. hinsichtlich ihrer Tendenz zur lokalen Invasion und Metastasierung unterscheiden:
  • benigne, komplette und partielle hydatiforme Mole (Mola hydatidosa); die Unterscheidung wird anhand morphologischer und histopathologischer Kriterien sowie aufgrund des Karyotyps getroffen;
  • destruierende invasive Mole;
  • Plazentabetttumor;
  • Chorionkarzinom (malignes Chorionepitheliom).
Die Behandlung sollte entsprechend den Prognosefaktoren individuell angepasst werden. Bei Patientinnen mit nicht metastasierter Erkrankung oder metastasierter Erkrankung mit geringem prognostischem Risiko erfolgt die Monotherapie mit Methotrexat oder Dactinomycin, ansonsten darüber hinaus besteht die Therapie aus Kürettage oder Hysterektomie.
Paul Speiser, Nina Pecha
5. Ungewollte Schwangerschaft
Zusammenfassung
Sehr häufig werden Frauen ungewollt schwanger oder möchten eine primär gewollte Schwangerschaft beenden. Ein chirurgischer Schwangerschaftsabbruch ist der häufigste chirurgische Eingriff in der Gynäkologie/Geburtshilfe. Für viele betroffene Frauen/Paare stellt die Beendigung der ungewollten Schwangerschaft eine Lösung einer akut schwierigen Lebenssituation dar. Mehr als die Hälfte der Frauen hat bereits eines oder mehrere Kinder und trifft die Entscheidung für den Abbruch auf der konkreten Erfahrung von einem Leben mit Kind. Für einige wenige Frauen ist die Abgabe des Kindes nach der Geburt eine Lösung, z. B. im Rahmen einer anonymen Geburt.
Die gute Betreuung dieser Patientinnen stellt besondere emotionale Herausforderungen an das Fachpersonal und findet in einem angespannten Klima öffentlicher Wahrnehmung statt. Trotzdem ist die bestmögliche Betreuung und Behandlung von Frauen mit einer ungewollten Schwangerschaft ein integraler Bestandteil des Faches Gynäkologie und Geburtshilfe.
Christian Fiala, Wolfgang Eppel
6. Embryologie und Teratologie
Zusammenfassung
Im Verlauf der intrauterinen Entwicklung durchläuft die Frucht Stadien unterschiedlicher Empfindlichkeit gegenüber äußeren Einflüssen. Während sich die Reaktion auf schädigende Agenzien in den ersten beiden Wochen nach Konzeption weitgehend auf die Alternativen vollständige Heilung des Defekts oder Absterben beschränkt, können Einflüsse von Woche 3–8 nach Konzeption zu Störungen der Organdifferenzierung und damit zu Fehlbildungen führen.
In der Fetalperiode stehen Wachstums- und Funktionsstörungen durch exogene Noxen im Vordergrund.
Seit nach Einnahme von Thalidomid ca. 10.000 Kinder mit schweren Gliedmaßendefekten geboren wurden, herrscht bei pharmazeutischer Industrie, Ärzten und Patientinnen berechtigte Vorsicht gegenüber dem Einsatz von Arzneimitteln in der Schwangerschaft. Ein therapeutischer Nihilismus bei chronisch kranken Schwangeren kann jedoch zu einer dramatischen Verschlechterung der Grunderkrankung und damit zu einer erheblichen Gefährdung der fetalen Entwicklung führen.
Wolfgang E. Paulus

Abklärung, Beratung und Überwachung während der Schwangerschaft

Frontmatter
7. Pränatale Diagnostik: Molekularbiologische Methoden
Zusammenfassung
Neben der klassischen Chromosomenuntersuchung im Karyogramm – auch heute noch Goldstandard in der invasiven Pränataldiagnostik – gibt es neuere molekularbiologische Methoden wie z. B. die Polymerasekettenreaktion (PCR) und die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH), die die pränatalen diagnostischen Optionen wesentlich erweitert haben und auch in der Präimplantations- und Polkörperchendiagnostik eingesetzt werden, da damit auch monogene Erkrankungen in einzelnen Zellen diagnostiziert werden können.
Durch die Fortschritte bei der Analyse von zellfreier DNA im mütterlichen Blut hat die nichtinvasive pränatale Diagnostik Einzug in den klinischen Alltag gefunden. Mit der massiven parallelen Sequenzierung wird zellfreie DNA von Mutter und Fetus im mütterlichen Blut ohne Risiko für die bestehende Schwangerschaft analysiert. Es ist damit zu rechnen, dass in naher Zukunft neben Chromosomenaberrationen noch viele weitere Erkrankungen mit nichtinvasiven Techniken detektiert werden können.
Gwendolin Manegold-Brauer, Olav Lapaire, Irene Hösli, Sinuhe Hahn
8. Fehlbildungsdiagnostik und Ultraschalluntersuchung im 1. Trimenon
Zusammenfassung
Eines der Ziele der Schwangerenvorsorge ist das frühzeitige Erkennen von fetalen Problemen. Im Alltag kann man solche Störungen in genetische (monogene) Anomalien, numerische und strukturelle Chromosomenanomalien und isolierte Fehlbildungen einteilen. Für alle Gruppen existieren heute Screeningprogramme. Bei den isolierten Fehlbildungen ist es nach wie vor der Ultraschall, der die beste Erfassungsmethode darstellt. Während man bei genetischen Problemen auf einen Indexfall in der Familie angewiesen ist, können Chromosomenanomalien mit invasiven und seit kurzem auch mit nichtinvasiven Methoden relativ zuverlässig erkannt werden. Speziell der nichtinvasive Nachweis von Aneuploidien ist aktuell daran, die Schwangerenberatung komplett neu zu definieren. Diese Änderungen bedingen eine angepasste Beratungsstrategie, damit man ethisch korrekt vorgeht.
Roland Zimmermann
9. Fehlbildungsdiagnostik und Ultraschalluntersuchung im 2. Trimenon
Zusammenfassung
Die Mehrzahl der fetalen Fehlbildungen wird im 2. Trimenon diagnostiziert. Gemäß den Mutterschafts-Richtlinien kann entweder eine „Basis-Ultraschalluntersuchung“ (Biometrie, Ausschluss einer tiefsitzenden Plazenta) erfolgen oder die „erweiterte Basis-Ultraschalluntersuchung“ (zusätzlich die fetalen Organe entsprechend den Kriterien der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin, DEGUM). Bei der Untersuchung des zentralen Nervensystems werden u. a. Ventrikulomegalie, Dandy-Walker-Komplex und Corpus-callosum-Dysgenesie ausgeschlossen. Das Herz wird hinsichtlich des Vorhandenseins eines hypoplastischen Linksherzsyndroms, eines atrioventrikulären Septumdefekts, der Transposition der großen Gefäße und von Arrhythmien beurteilt. Weiters werden Lippen-Kiefer-Gaumen-Bereich (Spaltbildung), Extremitäten, Skelettsystem inkl. Wirbelsäule, Bauchwand, Lunge und Zwerchfell begutachtet, und wir gehen auf die Untersuchung von Fruchtwasser, Nabelschnur, Plazenta und mütterlicher Zervix ein.
Karim Kalache, Eva Ostermayer, Anna Maria Dückelmann
10. Fehlbildungsdiagnostik und Ultraschalluntersuchung im 3. Trimenon
Zusammenfassung
Bei der 3. Screeninguntersuchung (28 + 0 bis 31 + 6 SSW) werden die zeitgerechte Entwicklung, Fruchtwassermenge, Plazentalokalisation und -struktur und fetale Lage kontrolliert. Hinweiszeichen für Entwicklungsstörungen müssen erneut überprüft werden, da pathologische Befunde möglicherweise erst jetzt erkennbar werden (z. B. Hydrozephalus, Mikrozephalus, Herzklappenstenosen, Darmatresien, obstruktive Uropathie, Hydrops, kardiale Dekompensation). Die Indikationen für sonographische/dopplersonographische Untersuchungen sind in den Mutterschaftsrichtlinen festgelegt. In speziellen Leitlinien der International Society of Ultrasound in Obstetrics and Gynecology (ISUOG) werden die Untersuchungen des ZNS und des fetalen Herzens detailliert beschrieben. Die Ergebnisse der Ultraschalluntersuchung und des Aufklärungsgesprächs müssen dokumentiert werden. Bei dringendem Verdacht auf eine Gesundheitsschädigung des Kindes ist eine Beratung gemäß Gendiagnostik- und Schwangerenkonfliktgesetz verpflichtend.
Eva Ostermayer, Marcus Schelling, Kinga Maria Chalubinski
11. Risikostratifizierung im 1. Trimester
Zusammenfassung
Das Ersttrimesterscreening (ETS) zwischen 11 und 13 SSW – zunächst als Screeninguntersuchung auf Chromosomenstörungen konzipiert – umfasst heute weitere Screeninguntersuchungen auf typische Schwangerschaftskomplikationen. Damit wurde die klassische Schwangerenvorsorge revolutioniert, da mit der Etablierung des erweiterten ETS zahlreiche wichtige Fragen bereits in der Frühschwangerschaft beantwortet werden können und eine risikoadaptierte Schwangerenvorsorge möglich wurde.
Im Sinne einer primären Prävention kann so bereits vor klinischer Manifestation einer Schwangerschaftserkrankung das Risikokollektiv auf der Basis von anamnestischen Einflussfaktoren in Kombination mit biochemischen und biophysikalischen Parametern definiert werden, um effektive Maßnahmen zur Verhinderung der entsprechenden Komplikation treffen zu können. Wünschenswerte Konsequenz ist eine deutliche Absenkung der Prävalenz typischer Schwangerschaftskomplikationen, insbesondere der Präeklampsie und der Frühgeburt.
Karl Oliver Kagan, Rainer Kürzl
12. Schwangerschaftsvorsorge
Zusammenfassung
Vorsorgeuntersuchungen sind essenzieller Bestandteil der Schwangerenbetreuung und Geburtsplanung. Ziele der modernen Schwangerenvorsorge sind die Sicherstellung der mütterlichen Gesundheit vor und nach der Geburt und die frühzeitige Diagnose und Therapie maternaler und fetaler Erkrankungen, um einen optimalen Schwangerschaftsausgang zu erreichen. Neben der ausführlichen Anamneseerhebung ist die möglichst exakte Bestimmung des Gestationsalters mittels hochauflösender Sonographie von Bedeutung. Die Beratung zum Lifestyle soll wesentliche Aspekte der optimalen Lebensführung in der Schwangerschaft beinhalten. Von zunehmender Bedeutung ist das Ultraschallscreening, das gemäß den Mutterschafts-Richtlinien zu 3 Zeitpunkten in der Schwangerschaft angeboten wird. Das Screening auf Schwangerschaftsdiabetes ist mittlerweile gut etabliert. Die Screeninguntersuchungen auf Zytomegalie, Streptokokken der Gruppe B und Toxoplasmose werden mangels eindeutiger Datenlage kontrovers diskutiert.
Ralf Schild
13. Lebensführung und Ernährung in der Schwangerschaft
Zusammenfassung
Eine evidenzbasierte Beratung über den Lebensstil in der Schwangerschaft ist nur teilweise möglich. Von erwiesenem Vorteil sind eine kontinuierliche medizinische Basisbetreuung, regelmäßige körperliche Aktivität, Nikotinabstinenz und eine gesunde Ernährung. Eine ausgewogene und gezielte Ernährung kann sowohl zum Wohlbefinden der werdenden Mutter als auch zur Gesundheit des Kindes beitragen. Eine fundierte Information der Schwangeren ist daher ein wichtiger Teil der Schwangerenbetreuung.
Clemens Tempfer, Elisabeth Krampl-Bettelheim
14. Antepartuale Überwachung
Zusammenfassung
Die CTG-Registrierung als das am häufigsten antepartal eingesetzte fetale Überwachungsverfahren hat die in die Methode gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Selbst bei konsequentem Einsatz in Hochrisikokollektiven konnten weder die perinatale Morbidität noch die Mortalität signifikant gesenkt werden.
Der Wehenbelastungstest kann ebenso wie der Non-Stress-Test bei unauffälligem Testresultat sehr viel zuverlässiger eine Gefährdung des Kindes ausschließen als bei auffälligem Ergebnis eine fetale Gefährdung prognostizieren.
Die beste Reproduzierbarkeit bieten dopplersonographische Messungen von arteriellen Blutströmungsgeschwindigkeiten. Allerdings ist die Effizienz dieser Diagnostik wesentlich von der vorherigen Erkennung bzw. Präselektion des Risikokollektivs abhängig. Durch entsprechenden Einsatz dopplersonographischer Untersuchungen in den Hochrisikokollektiven und Anwendung eines geeigneten Behandlungskonzeptes lässt sich die perinatale Mortalität um ca. 30 % senken.
Karl-Theo M. Schneider, Joachim Gnirs, Sven Schiermeier

Pathologie in der Schwangerschaft

Frontmatter
15. Frühgeburt: Pränatale und intrapartale Aspekte
Zusammenfassung
Infektionen, Aktivierung der Inflammationskaskaden, Überdehnung des Uterus, Fehlbildungen des Uterus, mütterlicher Stress sowie verschiedene Formen der Plazentapathologie sind die Hauptursachen von spontanen Frühgeburten. Davon abzugrenzen sind die medizinisch indizierten Frühgeburten nach einer indizierten Schwangerschaftsbeendigung wegen mütterlicher oder fetaler Pathologie.
Die Behandlung einer vorzeitigen Wehentätigkeit mittels der Tokolyse ermöglicht eine kurzfristige Schwangerschaftsverlängerung zur Induktion der Lungenreifung durch Verabreichung von Glukokortikoiden und Verlegung in ein Perinatalzentrum. Für Frühgeborene, insbesondere sehr kleine Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von <1.500 g, hat sich in den letzten Jahren die Prognose stark verbessert. Gründe sind Zentralisierung von Hochrisikogeburten, eine verbesserte interdisziplinäre Zusammenarbeit und Entwicklung der neonatalen Intensivmedizin.
Hanns Helmer, Henning Schneider
16. Früher vorzeitiger Blasensprung
Zusammenfassung
Der frühe vorzeitige Blasensprung (PPROM, „preterm premature rupture of membranes“) wird als Abgang von Fruchtwasser vor der vollendeten 37. SSW definiert. 2–5 % aller Schwangerschaften sind betroffen. Vaginale Infektionen sind ein eindeutiger identifizierbarer Risikofaktor; weitere beschriebene Risikofaktoren sind Blutungen und Rauchen in der Schwangerschaft sowie Amniozenthese. Die Diagnostik erfolgt in erster Linie klinisch durch den Nachweis von Flüssigkeitsabgang aus der Zervix. Für das Management ist das Gestationsalter entscheidend. Zwischen der 22. SSW und der 34. SSW bedarf es der intensiven Zusammenarbeit zwischen Geburtshelfer und Neonatologen, sodass ein intrauteriner Transport in ein Perinatalzentrum erfolgen sollte. Vor 34 SSW sollte ein individuelles Vorgehen geplant, nach der 34. SSW ein aktives Management im Sinne einer Schwangerschaftsbeendigung gewählt werden.
Herbert Kiss, Klaus Reisenberger
17. Der Fetus als Patient - Chirurgische und medikamentöse Therapie
Zusammenfassung
Durch pränatalmedizinische Diagnostik werden zahlreiche Schwangere – meistens viele Wochen vor dem errechneten Geburtstermin – mit dem Vorliegen lebensbedrohlicher oder die nachgeburtliche Lebensqualität ihrer Ungeborenen erheblich beeinträchtigender Erkrankungen konfrontiert. Diese Problematik hat über die letzten Jahrzehnte zahlreiche Wissenschaftler dazu inspiriert, chirurgische und medikamentöse Therapien zur Verbesserung der Prognose betroffener Ungeborener zu entwickeln. Während sich viele der chirurgischen Therapien aufgrund ihrer oft nur seltenen Anwendung sowie des Fehlens geeigneter Interventionsmaterialien oder auch Selektionskriterien noch in frühen Entwicklungsstadien befinden, sind medikamentöse Therapien aufgrund ihrer häufigeren Verwendung, ihrer weiteren Verbreitung und ihres öfter dokumentierten therapeutischen Vorteils schon nahezu als etablierte Verfahren anzusehen. Das Kapitel gibt eine kurze Übersicht über eine Auswahl vorgeburtlicher Behandlungsmöglichkeiten.
Thomas Kohl, Ulrich Gembruch
18. Fetale Wachstumsrestriktion (FGR)
Zusammenfassung
Feten mit restringiertem Wachstumspotenzial können dieses nicht vollständig ausschöpfen. Bei dieser Diagnosestellung spielt die Dopplersonographie, v. a. bei früher („early-onset“) fetaler Wachstumsrestriktion bis zu 34 SSW, eine wichtige Rolle. Mit fortgeschrittenem Schwangerschaftsalter zeigen die meisten SGA-Feten („small for gestational age“) keine Auffälligkeiten im Umbilikalarteriendoppler. Neuere Studien zeigen, dass auch diese „late-onset“ SGA-Feten (>34 SSW) signifikant häufiger Geburtsprobleme, eine suboptimale neurologische Entwicklung und höhere kardiovaskuläre Risiken haben. Im Gegensatz dazu steht die frühe „early-onset“ FGR, die mit den typischen Dopplerveränderungen einhergeht, mit hoher Morbidität und Mortalität vergesellschaftet ist und v. a. vom Schwangerschaftsalter bei Diagnose abhängt.
Die große Herausforderung der frühen FGR ist die Optimierung des Entbindungszeitpunktes, die Schwierigkeit der späten FGR ist bereits die diagnostische Erfassung.
Henning Schneider, Karl-Theo M. Schneider, Silvia M. Lobmaier
19. Fetale Programmierung
Zusammenfassung
Prä- und perinatale Einflüsse spielen neben der genetischen Disposition und verschiedenen Lebensstilfaktoren eine entscheidende Rolle für Gesundheit und Krankheit im späteren Leben. Ein als Fetale Programmierung bezeichneter Prozess während besonders „kritischer“ Entwicklungsphasen ist Ausdruck einer Adaptation an unphysiologische Umwelteinflüsse wie intrauterine Mangel- oder Überversorgung und fetale Stressaktivierung und führt zu einer „Fehlprogrammierung“ von Organfunktionen und Stoffwechselregulationen, auf deren Basis sich später chronische Krankheiten wie Adipositas, Diabetes mellitus, kardiovaskuläre und mentale Erkrankungen, aber auch Krebs entwickeln können. Zunehmend werden die Mechanismen epigenetischer, molekularer, zellulärer und funktionell-regulatorischer Ebene erkannt. Präventionsorientierte Konzepte können bereits während der Schwangerschaft einen ganz wesentlichen Beitrag zur Primärprävention zahlreicher Erkrankungen im späteren Leben des Kindes leisten.
Ekkehard Schleußner
20. Blutungen im 3. Trimenon
Zusammenfassung
Grundsätzlich muss zwischen schwangerschaftsbedingten und nicht schwangerschaftsbedingten Ursachen für Blutungen in der Spätschwangerschaft unterschieden werden. Erstere gehen meist mit einem geringeren Risiko für Mutter und Kind einher. Schwere schwangerschaftsbedingte Blutungen führen meist zu einem Blutverlust von >1000 ml und sind zu 40–70 % durch eine Placenta praevia oder eine vorzeitige Plazentalösung hervorgerufen. Ausschließlich fetale Blutungen – z. B. durch Ruptur der Vasa praevia – sind selten.
Da die Prognose für den weiteren Schwangerschaftsverlauf schwer eingeschätzt werden kann, ist auch bei leichten Blutungen primär eine stationäre Überwachung angezeigt. Die klinische Untersuchung und die Sonographie ermöglichen in den meisten Fällen sehr rasch eine Beurteilung, ob die Beendigung der Schwangerschaft erforderlich ist. Bei schweren Blutungen steht – neben den allgemeinen Richtlinien der Notfallmedizin – die unverzügliche Beendigung der Schwangerschaft im Vordergrund.
Franz Kainer

Erkrankungen in der Schwangerschaft

Frontmatter
21. Physiologie des mütterlichen Organismus und Erkrankungen in der Schwangerschaft
Zusammenfassung
Eine Schwangerschaft führt zu einer Reihe von physiologischen Adaptationsvorgängen in fast allen Organsystemen der Mutter, um das Kind optimal versorgen zu können und den mütterlichen Körper auf die Geburt vorzubereiten. Neben den Genitalorganen sind hier besonders das Herz-Kreislauf-System, Nieren- und Lungenfunktion sowie hämatologische, rheologische und endokrinologische Änderungen hervorzuheben. Diese Anpassungsvorgänge können im Sinne eines Stresstests bisher unerkannte Risikofaktoren oder Erkrankungen der Mutter evident werden lassen, die maternale Reaktion auf bestehende Erkrankungen verändern oder die Grundlage schwangerschaftsspezifischer Erkrankungsrisiken darstellen.
Von der normalen, physiologischen Adaptation müssen die pathologische Adaptation und die Reaktion auf bestehende mütterliche Krankheiten unterschieden werden. Nur bei Kenntnis der physiologischen Veränderungen kann eine Pathologie sicher erkannt und (wenn möglich) behandelt werden.
Maximilian Franz, Franz Kainer, Peter Husslein
22. Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen
Zusammenfassung
Hypertensive Erkrankungen gehören mit ihren verschiedenen klinischen Ausprägungen und Manifestationsarten zu den häufigsten Komplikationen in der Schwangerschaft, und in den industrialisierten Ländern bleibt die Präeklampsie einer der wichtigsten Gründe für die maternale Mortalität. Die meisten Fachgesellschaften fokussieren auf die verschiedenen Hypertoniemanifestationen in der Schwangerschaft als zentrales Kriterium für die Klassifizierung.
Die Prädiktion der Präeklampsie und anderer plazentagebundener Schwangerschaftserkrankungen wurde verfeinert. Die Kombination von Angiogenesefaktoren zusammen mit Anamnese bzw. bestehenden Risikofaktoren, der Dopplersonographie der Aa. uterinae und gewissen klinischen Daten hat die Risikostratifizierung wesentlich verbessert. Nach wie vor ist die einzige kausale Therapie der Präeklampsie die Entbindung. Auch ein Zusammenhang zwischen Präeklampsie und dem späteren Auftreten mütterlicher kardiovaskulärer Erkrankungen gilt als erwiesen.
Luigi Raio, Marc Baumann, Henning Schneider
23. Anämie in der Schwangerschaft
Zusammenfassung
Anämien gehören zu den häufigsten Risikofaktoren in der Geburtshilfe und Perinatalmedizin. Die meisten internationalen Leitlinien empfehlen die zusätzliche Einnahme von 15–30 mg/Tag Eisen, um den im Verlauf der Schwangerschaft zunehmenden Eisenbedarf zu kompensieren.
Voraussetzung für die Abklärung einer Schwangerschaftsanämie ist die Festlegung des richtigen Cut-off-Werts für einen zu niedrigen Hämoglobinwert in Abhängigkeit des Gestationsalters; ein Hb-Wert <10,5 g/dl kann zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft als diagnostischer Hinweis für eine Anämie gewertet werden und bedarf der Abklärung. Weiteres wichtiges Diagnostikum ist die Bestimmung des Ferritinwerts. Die Therapie richtet sich nach der Ursache und Schwere der Anämie. Auch leichtere Formen müssen konsequent behandelt werden, um einer Aggravation und peripartalen Komplikationen bei hohen Blutverlusten vorzubeugen. Sowohl intravenöse als auch orale Eisenpräparate zeigen Vorteile im Bezug auf Hämoglobin- und Ferritinanstieg.
Christian Breymann
24. Thromboembolische Komplikationen in Schwangerschaft und Wochenbett
Zusammenfassung
Thromboembolische Erkrankungen sind in den Industrieländern eine der häufigsten Ursachen mütterlicher Mortalität. Tiefe Venenthrombosen oder Lungenembolien treten in der Schwangerschaft etwa 4–6×, im Wochenbett 20–30× häufiger auf als bei nichtschwangeren Frauen. Das Risiko steigt bereits im 1. Trimenon und bleibt im weiteren Verlauf unverändert. Immobilisation, Trauma, insbesondere operative Traumata, Dehydratation und Infektionen stellen zusätzliche Risikokonstellationen dar.
Das erhöhte Risiko thromboembolischer Komplikationen in Schwangerschaft und Wochenbett rechtfertigen die intensiven Bemühungen, von einer Thrombose bedrohte Schwangere rechtzeitig zu erkennen und prophylaktisch zu behandeln. Mit den niedermolekularen Heparinen hat sich eine Therapieoption durchgesetzt, die bei hoher Effektivität ein günstigeres Nebenwirkungsprofil aufweist. Damit haben sich für viele Frauen Möglichkeiten eröffnet, trotz individuell erhöhter Risikokonstellation eine Schwangerschaft auszutragen.
Ronald Fischer, Thorsten Fischer
25. Infektionen in der Schwangerschaft und bei der Geburt
Zusammenfassung
Infektionen während der Schwangerschaft sind besonders gefürchtet, da nicht nur die Mutter, sondern auch das Kind gefährdet ist. Infektionsbedingte Komplikationen für das Kind beinhalten u. a.:
  • eine direkte fetale Schädigung (Embryopathie, Fetopathie).
  • eine indirekte fetale Schädigung (Frühgeburt, Spontanabort).
  • eine intrapartale Infektion des Kindes mit späteren gesundheitlichen Folgen.
Eine Infektion der Mutter birgt ebenfalls Risiken wie u. a. eine Exazerbation der Infektion, eine Reaktivierung latenter mütterlicher Infektion sowie aszendierende Infektionen. Eine frühe Erkennung einer Infektion in der Schwangerschaft ist unabdingbar, um mögliche Schäden für die Mutter und das Kind frühzeitig zu behandeln. Dementsprechend stellt die maternale und präpartale Diagnose den wichtigsten Schritt einer weiterführenden Therapie dar.
Ioannis Mylonas, Klaus Friese
26. Diabetes mellitus und Schwangerschaft
Zusammenfassung
Die Betreuung einer Schwangeren mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes stellt eine große Herausforderung dar. Durch eine präkonzeptionelle Optimierung der Blutzuckereinstellung und Behandlung von Spätkomplikationen können schwere mütterliche (Progression von Retino- und Nephropathie, Stoffwechselentgleisung in Richtung hyper- oder hypoglykämisches Koma, eine erhöhte Inzidenz von Präeklampsie, Infektionen) wie kindliche Komplikationen (Hyperinsulinismus, der mit Makrosomie, Organomegalie, intrauterinerer Asphyxie; Frühgeburtlichkeit, intrauterine Wachstumsrestriktion/Fruchttod) verringert werden.
Die Probleme beim Gestationsdiabetes (GDM) entsprechen teilweise (diabetische Fetopathie) denen von Schwangerschaften mit vorbestehendem Diabetes mellitus. Sie sind allerdings wegen fehlender diabetischer Spätkomplikationen und geringerer Hyperglykämie weniger ausgeprägt und nicht mit einer diabetischen Embryopathie assoziiert.
Ute M. Schaefer-Graf, Alexandra Kautzky-Willer
27. Alloimmunerkrankungen und Schwangerschaft
Zusammenfassung
Genetische Varianten von Oberflächenantigenen unserer Blutzellen können in einer Schwangerschaft zur Immunisierung der Mutter gegen fetale Erythrozyten, in seltenen Fällen auch Thrombozyten führen. Die wichtigste Alloimmunerkrankung, die Rhesus-D-Immunisierung, konnte durch die Einführung einer Prophylaxe zahlenmäßig stark reduziert werden. Die großen Perinatalzentren sind aber nach wie vor mit transfusionspflichtigen anämen Feten konfrontiert. In erfahrenen Händen ist die Komplikationsrate von Nabelschnurtransfusionen gering. Dieses Kapitel gibt eine Übersicht über die verschiedenen Antigensysteme, die Art der Prophylaxe und Informationen über das Vorgehen im Fall einer fetomaternalen Blutgruppeninkompatibilität.
Roland Zimmermann

Geburt

Frontmatter
28. Physiologie und Pathologie des Geburtsbeginns
Zusammenfassung
Die Geburt ist ein natürliches Geschehen, das durch den fetomaternalen Grenzbereich gesteuert wird. Als Vorbereitung auf die Geburt kommt es neben einer Auflockerung der Zervix sowie dem Verlust der Reißfestigkeit der Eihäute zu einer Zunahme der Kontraktilität des Myometriums. Als Mediatoren kommen dem Neuropeptid CRH, den Steroidhormonen Östrogen und Glukokortikoid sowie Prostaglandinen und Proteasen besondere Bedeutung zu. Mütterlicher Stress, aszendierende oder systemische Infektionen sowie Blutungen in die Dezidua können eine frühzeitige Aktivierung der fetalen HH-NNR-Achse bewirken und durch eine vorzeitige Auslösung des Geburtsgeschehens zu einer Frühgeburt führen.
Einer spontanen Geburt als natürliches Geschehen stehen mehr oder weniger indizierte Interventionen zur Schwangerschaftsbeendigung gegenüber, die unter dem Begriff der Entbindung zusammengefasst werden.
Henning Schneider, Hanns Helmer, Peter Husslein
29. Normale Geburt
Zusammenfassung
Die Geburt ist ein natürlicher Vorgang, und es ist die Aufgabe des Geburtshelfers, unter Berücksichtigung der individuellen geburtsmechanischen, physiologischen und auch psychischen Gegebenheiten eine Begleitung und risikoadaptierte Überwachung der Schwangeren und des Kindes zu gewährleisten. Eine intermittierende kardiotokographische Überwachung des Fetus während der Eröffnungsperiode und ein kontinuierliches Monitoring in der Austreibungsphase der Geburt sind zu empfehlen.
Kinga Maria Chalubinski
30. Geburtshaltungen und Wassergeburt
Zusammenfassung
In früherer Zeit gebaren Frauen üblicherweise in vertikaler Haltung. Zunehmende ärztliche Intervention brachte in der Folge jedoch Veränderungen in der Gebärposition mit sich.
Die Wassergeburt bietet u. a. den Vorteil einer verkürzten ersten Geburtsperiode und konsekutiv ein geringeres Schmerzempfinden und einen reduzierten Schmerzmittelbedarf. Dennoch ist die Bedeutung im europäischen Raum in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.
Johannes Ott
31. Geburtsüberwachung
Zusammenfassung
Die Kardiotokographie (CTG) ist das Standardverfahren für die fetale Geburtsüberwachung. Ihr Vorteil ist die hohe Sensitivität bei der Azidoseerkennung, Nachteile stellen die schlechte Reproduzierbarkeit und die begrenzte Spezifität dar, wenn das CTG ohne flankierende Diagnostik angewandt wird. Für die weitere Abklärung wird die fetale Blutgasanalyse (FBA) empfohlen, wodurch operative Entbindungen aufgrund falsch-pathologischer CTG-Muster reduziert werden können. Der Bedarf für die FBA kann wiederum durch Anwendung der ST-Analyse des fetalen EKG signifikant vermindert werden. Der klinische Nutzen anderer Überwachungsverfahren (Pulsoxymetrie, Nahinfrarotspektrometrie etc.) konnte bislang nicht belegt werden, weshalb diese nicht als Basis für klinische Entscheidungen herangezogen werden sollten. Die „klassische“ Auskultation fetaler Herztöne ist eine personalintensive Alternative zum intrapartalen CTG, die darüber hinaus den medikolegalen Dokumentationsansprüchen nicht genügt.
Joachim Gnirs, Karl-Theo M. Schneider, Sven Schiermeier
32. Geburtseinleitung
Zusammenfassung
Aufgrund verschiedener Gründe, allen voran aufgrund des steigenden mütterlichen Alters und einer entsprechenden Zunahme an Risikoschwangerschaften, ist die Prävalenz der Geburtseinleitung in den letzten 20 Jahren deutlich angestiegen und hat mittlerweile über 20 % laller Schwangerschaften erreicht. Ziel dieser Intervention ist ein besseres perinatales Outcome für Mutter und Kind als bei expektativem Vorgehen. Zur Geburtseinleitung werden heute – je nach Indikation und klinischer Situation – folgende Methoden eingesetzt: intravaginale Prostaglandine, Oxytozininfusion mit Amniotomie und intrazervikale Ballonkathetereinlage. Misoprostol ist ein sehr effizientes Prostaglandin E1-Analogon zur Geburtseinleitung und steht nun als zugelassenes kommerziell erhältliches Präparat zur Verfügung. Die Einleitung nach vorausgegangener Sectio ist eine besondere Herausforderung, da einerseits das Risiko der Uterusruptur steigt und andererseits der Einleitungserfolg abnimmt.
Daniel Surbek, Peter Husslein, Christian Egarter
33. Vorzeitiger Blasensprung am Termin
Zusammenfassung
Ein vorzeitiger Blasensprung am Termin (≥37 SSW) betrifft etwa 8–10 % aller Schwangerschaften. Als Latenzperiode wird das Zeitintervall zwischen Blasensprung und Einsetzen regelmäßiger Wehentätigkeit bezeichnet. Bei 70–80 % der betroffenen Schwangeren setzt die spontane Wehentätigkeit innerhalb von 24 h, bei etwa 95 % innerhalb von 72 h ein. Der vorzeitige Blasensprung kann meist klinisch durch vaginalen Flüssigkeits- bzw. Fruchtwasserabgang festgestellt werden. Im Rahmen der Spekulumuntersuchung ist ein Flüssigkeitsabgang aus der Zervix und eine entsprechende Flüssigkeitsansammlung im hinteren Fornix beweisend. Bei gesichertem Blasensprung sollten folgende Parameter erhoben werden: Gestationsalter, Gesundheitszustand und Lage des Fetus, Reifzustand der Zervix, Hinweise für das Vorliegen einer Infektion und Prüfung der Notwendigkeit einer B-Streptokokken-Prophylaxe. Die Geburtseinleitung nach einem vorzeitigen Blasensprung am Termin weist gegenüber dem abwartenden Verhalten Vorteile auf.
Klaus Reisenberger, Herbert Kiss
34. Terminüberschreitung und Übertragung der Schwangerschaft
Zusammenfassung
Eine Überschreitung der regulären Schwangerschaftsdauer von 280 Tagen post menstruationem kommt in ca. 36 % der Schwangerschaften vor. In Abhängigkeit vom Grad der Überschreitung entstehen hieraus 2 mögliche Risikoszenarien: Bei ausreichender Reservekapazität der Plazenta entwickelt sich bei weiterem Wachstum des Fetus möglicherweise eine Makrosomie mit potenziellen Komplikationen beim Geburtsverlauf für Mutter und Kind. Reichen hingegen die Reserven der Plazenta nicht aus, droht eine intrauterine Hypoxie mit z. T. irreversiblen Folgen bis hin zum intrauterinen Fruchttod.
Eine Schwangerschaftsbeendigung wird deshalb ab einer Terminüberschreitung um 7 Tage empfohlen, wobei das mütterliche Alter, die Parität und der BMI der Mutter mit zu berücksichtigen sind. Ab einer Schwangerschaftsdauer von 294 Tagen besteht wegen des steil ansteigenden Risikos für den Fetus eine Indikation zur Schwangerschaftsbeendigung.
Ein fetales Monitoring wird ab einer Terminüberschreitung von 7 Tagen empfohlen.
Erich Weiss, Harald Abele, Henning Schneider
35. Pathologische Geburt und vaginaloperative Entbindung
Zusammenfassung
Prophylaxe, Diagnose und Therapie von Störungen des Geburtsverlaufes (Dystokie) gehören zu den zentralen geburtsmedizinischen Aufgaben. Das Kapitel gliedert sich nach pathogenetischen wie auch praktisch wichtigen Problemstellungen. Die Störungen des Geburtsverlaufes gruppieren sich um die Faktoren ineffiziente Wehentätigkeit, Anomalie der Geburtswege und Besonderheiten des Kindes.
Eine instrumentelle Entbindung ist zur Beseitigung einer akuten fetalen Bedrohung, eines Geburtsstillstandes oder aus mütterlicher Indikation in der Austreibungsperiode indiziert. Voraussetzung für eine erfolgreiche Durchführung ist die exakte Bestimmung von Haltung, Einstellung und Höhenstand des kindlichen Kopfes. Die zusätzliche sonographische Diagnostik erhöht die Zuverlässigkeit. Die Vakuumextraktion hat die Zangenentbindung weitgehend verdrängt. Die instrumentelle Entbindung bedingt gegenüber der Sectio eine geringere Morbidität der Mutter und führt nicht zu einer zusätzlichen fetalen Risikoerhöhung.
Hartmut Hopp, Karim Kalache
36. Geburt und Beckenboden
Zusammenfassung
Hauptziel der Geburtshilfe ist die Reduktion der maternalen und perinatalen Mortalität und Morbidität. Ein perineales Trauma kann sich spontan oder sekundär trotz Episiotomien ereignen, deren protektiver Wert kontrovers beurteilt wird. Höhergradige Dammrisse erfordern besondere Aufmerksamkeit, weil nicht erkannte oder nicht adäquat versorgte Dammrisse, die den Kontinenzmechanismus einbeziehen, erhebliche Auswirkungen haben.
Vaginaloperative Geburten zeigen schlechtere Resultate hinsichtlich Beckenbodentraumata. Die elektive Sectio hat einen gewissen präventiven Wert, um Urininkontinenz unmittelbar postpartal zu reduzieren, die Langzeitresultate sind allerdings noch unklar. Wassergeburten haben weder einen positiven noch einen negativen Einfluss.
Eine definitive Beurteilung nach postpartalen Beckenbodenproblemen – auch bzgl. eventueller operativer Sanierung – sollte erst nach Abschluss der Stillzeit, wenn die Frau wieder regelmäßige Zyklen hat und hormonell kein Hypoöstrogenismus vorliegt.
Annette Kuhn
37. Sectio caesarea
Zusammenfassung
Die Sectio stellt sowohl für die Schwangere wie auch für den Fetus eine sehr sichere Entbindungsalternative dar. Seit den 1970er-Jahren steigt die Sectiorate kontinuierlich. Wie weit das Entbindungsrisiko bei einer elektiven Sectio mit dem bei einer natürlichen Geburt vergleichbar ist, bleibt ungeklärt. Die Entscheidung einer Schwangeren für die Entbindung durch eine medizinisch nicht indizierte Sectio setzt eine umfassende Aufklärung voraus, zu der auch die Auswirkungen auf Folgeschwangerschaften gehören. Die bei einer sekundären Sectio höhere Komplikationsrate ist durch eine medizinische Indikation gerechtfertigt. Eine präoperative Ultraschalldiagnostik ermöglicht eine sorgfältige Planung des Eingriffs. Die Operationstechnik muss verschiedenen Aspekten wie Gestationsalter, Lage und Größe des Fetus, sowie Einlings- oder Mehrlingsschwangerschaft Rechnung tragen. Eine gewebsschonende Operationstechnik ermöglicht einen Eingriff von kurzer Dauer mit möglichst geringem Blutverlust.
Henning Schneider, Julian Marschalek, Peter Husslein
38. Mehrlingsschwangerschaft und Mehrlingsgeburte
Zusammenfassung
Mehrlingsgeburten stellten aufgrund der assistierten Reproduktion und des steigenden Lebensalters der Gebärenden einen wachsenden Anteil aller Geburten dar, jetzt scheint sich erstmals ein rückläufiger Trend abzuzeichnen.
Essenziell ist die Unterscheidung von mono- und dichorialen Zwillingsschwangerschaften. Monoamniale und siamesische Zwillinge, die TRAP-Sequenz („twin reversed arterial perfusion“), die extreme Wachstumsdiskrepanz, die „twin anemia polycythemia sequence“ (TAPS) und das fetofetale Transfusionssyndrom bei monochorialen Zwillingen sind Konstellationen, die einzigartig bei Mehrlingsschwangerschaften auftreten.
Die perinatale Mortalität wird bei Zwillingen 3–7× höher eingestuft als bei Einlingen und kommt durch das häufigere Auftreten von Frühgeburten, Wachstumsrestriktionen, Fehlbildungen sowie durch zwillingsspezifische Komplikationen bei monochorialen Zwillingen zustande.
Elisabeth Krampl-Bettelheim, Christof Worda
39. Regelwidrigkeiten des Geburtsmechanismus: Poleinstellungsanomalien
Zusammenfassung
Eine Beckenendlage (BEL) ist eine Längslage und daher eine geburtsmögliche Lage. Die Besonderheit gründet sich lediglich auf die verschiedenartige Poleinstellung, bei der entweder der Steiß oder Steiß und Füße gemeinsam den vorangehenden Kindsteil ausmachen. Demzufolge ist die BEL keine Anomalie, sondern eine physiologische Normvariation der Längslage. Auch wenn eine vaginale Beckenendlagengeburt einen physiologischen Vorgang darstellt, sollten die Besonderheiten und möglichen Komplikationen im Gegensatz zur Schädellage bekannt sein. Dies bezieht sich insbesondere auf die Unterschiede in der Geburtsleitung einer vaginalen Geburt.
Axel Feige, Michael Krause
40. Schulterdystokie
Zusammenfassung
Die Schulterdystokie zählt zu den seltenen, aber besonders gefährlichen Geburtskomplikationen. Neben der Geburtsasphyxie stehen Frakturen und Armplexusparesen im Vordergrund. Die fetale Makrosomie ist der wichtigste Risikofaktor; gerade Kindsgewichte >4000 g werden häufig stark unterschätzt. Eine sinnvolle Prävention, z. B. durch frühzeitigere Geburtseinleitung, steht allenfalls bei fetaler Makrosomie in Kombination mit maternalem Diabetes mellitus oder Gestationsdiabetes zur Diskussion. Die klinische wie sonographische Makrosomiediagnostik ist für die Indikationstellung zur Sectio caesarea zu unpräzise. Die Eltern sollten über individuelle Risikofaktoren (z. B. Makrosomieverdacht, Z. n. Schulterdystokie) und Behandlungsalternativen (Einleitung/Sectio caesarea) aufgeklärt werden.
Bei einer manifesten Schulterdystokie sollte zunächst das McRoberts-Manöver genutzt werden, da es wenig traumatisierend ist und häufig schon ohne additive Maßnahmen die Geburt der Schultern ermöglicht.
Joachim Gnirs, Karl-Theo M. Schneider
41. Pathologie der Plazentarperiode
Zusammenfassung
Die Plazentarperiode ist für die Mutter die gefährlichste Phase während der gesamten Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Uterusatonie mit oder ohne Plazentaretention sowie Rissverletzungen der Geburtswege sind die Hauptursachen für hohe Blutverluste, die unverzüglich operative und medikamentöse Maßnahmen erforderlich machen können.
Wesentliche ist die Prävention: Genaue Anamnese, Ultraschalldiagnostik im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge, Einschätzung eines Blutungsrisikos, rechtzeitige Vorbereitung auf einen erhöhten Blutverlust können das Risiko minimieren und überraschenden Blutungsnotfällen vorbeugen.
Eine einfache Maßnahme zur Verringerung des Blutverlustes ist die aktive Leitung der Nachgeburtsperiode mit i.v. Applikation von Oxytozin. Weitere Maßnahmen sind Überwachung von Kreislaufparametern und Lochialfluss der Wöchnerin sowie Bereithaltung von Uterotonika (Oxytozin, Prostaglandine) und einer evtl. notwendigen anästhesiologischen und operativen Interventionsmöglichkeit.
Christoph Brezinka, Wolfgang Henrich
42. Gerinnungsstörungen in der Geburtshilfe
Zusammenfassung
Peripartale Blutungskomplikationen sind seltene, aber möglicherweise letale Komplikationen. Um sie zu beherrschen, sollte das geburtshilfliche Team vorbereitet sein. Das Antizipieren von Risikofaktoren, das rechtzeitige Erkennen einer angeborenen oder erworbenen Blutungsstörung und ihr Management sind zwingende Voraussetzungen. Dieses Kapitel beschreibt die wichtigsten, klinisch relevanten Störungen, die mit schweren Blutungen sub- oder postpartal assoziiert sein können. Hierzu zählen die Verlust- (Verdünnungs-) sowie die Verbrauchskoagulopathie (DIC), die erworbenen Thrombopenien infolge Autoimmunthrombozytopenie oder TTP/HUS (TTP = thrombotisch-thrombozytopenische Purpura, HUS = hämolytisch-urämisches Syndrom) sowie das von-Willebrand-Syndrom (vWS), der Konduktorinnenstatus für die Hämophilie A oder B und der FVII-Mangel.
Werner Rath, Frauke Bergmann
43. Anästhesie und Analgesie in der Geburtshilfe
Zusammenfassung
Die geburtshilfliche anästhesiologische Tätigkeit umfasst heute neben der traditionellen Betreuung von Patientinnen im Kreißsaal durch regionalanästhesiologische Methoden zur Schmerzbehandlung während der Geburt und neben der Durchführung von Anästhesien zur Sectio caesarea im Operationssaal zunehmend die Mitwirkung und Durchführung von interdisziplinären, präpartalen Therapiekonzepten an schwangeren Frauen mit oft erheblichen schwangerschaftsassoziierten und/oder schwangerschaftsunabhängigen Erkrankungen.
Akutsituationen wie z. B. die Notfallsectio oder massive postpartale Blutungen benötigen ein hohes Maß an Fachwissen, aber auch definierte und trainierte Standards sowie eine gute interdisziplinäre Kommunikation. Diese Tatsache macht ein interdisziplinäres Zusammenarbeiten von Geburtshelfern und Anästhesisten zur unverzichtbaren Einheit der modernen Geburtshilfe.
Manfred Georg Moertl, Heidrun Lewald
44. Akupunktur in der Geburtshilfe
Zusammenfassung
Die Akupunktur kann in der Schwangerschaft, unter der Geburt oder im Wochenbett eingesetzt werden und hat eine analgetische, entspannende, psychisch beruhigende und harmonisierende Wirkung. Die Erfolge dieser Methode in der Schmerztherapie sind bekannt. Schwangere wünschen eine alternative Regulationsmöglichkeit neben oder zusätzlich zu den Methoden der modernen Schulmedizin. Bei der Körper- oder Ohrakupunktur können die Akupunkturpunkte mit Metallnadeln, Moxibustion, Laserlicht oder Elektrostimulation unterschiedlich stimuliert oder sediert werden. Die Indikationsliste in der Geburtshilfe beinhaltet z. B. die Behandlung einer Hyperemesis gravidarum, Suchtbehandlung, Schmerzen wie Rücken-, Ischias- oder Kopfschmerzen, Karpaltunnelsyndrom, zur Geburtsvorbereitung oder unter der Geburt, Plazentalösung, Angst, Milchstau. Sie sollte durch ausgebildete Hebammen oder Ärzte durchgeführt werden.
Kirsten Stähler van Amerongen

Postpartum/Wochenbett/Stillzeit

Frontmatter
45. Versorgung des Neugeborenen
Zusammenfassung
Sofort nach der Geburt erfolgt eine Einschätzung des Neugeborenen anhand der Parameter Atmung, Herzschlag und Hautfarbe, um über die Notwendigkeit von Reanimationsmaßnahmen zu entscheiden. Nach 1, 5 und 10 min wird der Apgar-Score erhoben und die Erstuntersuchung U1 durchgeführt; die U2 erfolgt zwischen Tag 3 und 10.
95 % der reifen Neugeborenen passen sich nach Geburt problemlos an. Das anpassungsgestörte Neugeborene wird nach dem Abnabeln abgetrocknet, abgesaugt und stimuliert; bei schwerster Anpassungsstörung oder Asphyxie folgen Reanimationsmaßnahmen nach der ABCD-Regel. Bei drohender Frühgeburt sollte die Schwangere in ein Perinatalzentrum verlegt werden. Frühgeborene sind aufgrund ihrer Organunreife prädisponiert für eine Maladaptation mit Folgeschäden. Beim unreifen Kind müssen Hypoxie, Azidose, Unterkühlung und Hypoglykämie vermieden werden. Bei Untergewicht drohen Trinkschwäche, Hypoglykämie, Hypokalzämie, Hypothermie, verstärkte Gewichtsabnahme und erhöhtes Infektionsrisiko.
Andrea Zimmermann, Henning Schneider
46. Stammzellen und deren Bedeutung in der Geburtshilfe
Zusammenfassung
Hämatopoietische Stammzellen werden mittlerweile erfolgreich bei einer Vielzahl von malignen und nicht malignen Krankheiten transplantiert, in erster Linie Leukämien, schwere Anämien, schwere Immundefizienzen und angeborene Stoffwechselstörungen. Nabelschnurblut erweitert die Möglichkeit für die Gewinnung von hämatopoietischen Stammzellen, v. a. für Patienten, die sonst keinen passenden Spender finden können.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein anonym gespendetes (allogenes) Nabelschnurbluttransplantat von einer öffentlichen Bank gebraucht und transplantiert wird, ist mehr als 100× größer als die Verwendung der eigenen (autologen) hämatopoietischen Nabelschnurblutstammzellen aus einer privaten Bank.
Die Aufgabe des Arztes im Zusammenhang mit der Entscheidung für eine Nabelschnurspende beinhaltet eine ausführliche, möglichst objektive Aufklärung. Grundlagen dazu bilden Empfehlungen nationaler und internationaler Fachgesellschaften.
Anna Margareta Wagner, Daniel Surbek
47. Wochenbett
Zusammenfassung
Im Wochenbett finden Uterusrückbildung mit Wundheilung und Laktationsbeginn statt. Die Subinvolutio uteri kann über eine Endometritis/Endomyometritis zur Puerperalsepsis oder gar zum Toxic-shock-Syndrom (TTS) durch Streptococcus pyogenes oder Staphylococcus aureus führen.
Jedes Fieber, eine plötzlich auftretende Verschlechterung des Allgemeinzustands oder gar ein „systemic inflammatory response syndrome“ (SIRS) müssen abgeklärt und behandelt werden, um nicht zur schweren Sepsis oder septischen Schock zu führen. Auch an eine septische Ovarialvenenthrombose ist zu denken. Bei Sepsismanifestationen sollten großzügig die operative Entfernung des Infektionsherdes, eine hochdosierte antibiotische Kombinationstherapie und ggf. intensivmedizinische Maßnahmen erfolgen.
Auch Harnverhalt, Harnwegsinfektionen, Urininkontinenz oder Hämorrhoidalbeschwerden kommen im Wochenbett vor.
Es ist wichtig, den häufigen „maternity blues“ von der Post-partum-Depressionen und der Puerperalpsychose abzugrenzen.
Nicole Ochsenbein-Kölble
48. Stillen – Laktationsmedizin
Zusammenfassung
Noch Mitte des letzten Jahrhunderts wurde Stillen als überflüssig und die Formulaernährung der Industrie als weitgehend gleichwertig angesehen. Seit Mitte der 1980er-Jahre kommt es jedoch europaweit zu einer deutlichen Renaissance des Stillens. In aktuellen Umfragen geben die meisten werdenden Mütter an, ihre Kinder stillen zu wollen.
Die Muttermilch ist die natürliche Ernährung des Kindes und somit in idealer Weise an die Bedürfnisse des Kindes angepasst. Die artspezifische Zusammensetzung und die Anpassung der Muttermilch an die wachsende Stoffwechselfunktion des Kindes sowie der immunologische Schutz sind trotz großer Fortschritte in der Herstellung von künstlicher Säuglingsernährung weiterhin unnachahmbar und unersetzlich.
Der Artikel beschäftigt sich mit der Physiologie und Pathologie der Laktationszeit. Dargestellt wird übersichtsweise der Umgang mit den typischen Stillproblemen wie Mastitis, Milchstau und Soor der Brust und Erkrankungen der Mutter oder des Kindes.
Michael Abou-Dakn
49. Nachuntersuchung im Wochenbett
Zusammenfassung
Die Bedeutung der Nachuntersuchung nach dem Wochenbett hat sich in den letzten Jahren von einer rein geburtshilflich-gynäkologischen Untersuchung zu einer wichtigen Vorsorgeuntersuchung mit Bedeutung für die Gesundheit der Frau in ihrem weiteren Leben verändert.
Neben der postpartalen gynäkologischen Kontrolle und der postpartalen Kontrazeption (mit Themen wie Pille, IUD, Tubenligatur), die bisher den Schwerpunkt der Nachuntersuchung darstellten, gewinnt v. a. die Nachuntersuchung nach Schwangerschaftserkrankungen wie z. B. dem Gestationsdiabetes und der Präeklampsie zunehmend an Bedeutung. Die Ursache dafür liegt u. a. im zunehmenden Alter der Gebärenden und dem damit verbundenen Anstieg der vorbestehenden Grunderkrankungen. Auch Erkrankungen wie die postpartale Depression nehmen mit ansteigendem mütterlichem Alter und damit in ihrer Bedeutung bei der Nachuntersuchung zu.
Maximilian Franz, Franz Kainer

Qualitätsmanagement/Ethik/Psychosomatik

Frontmatter
50. Psychosomatik in der Geburtshilfe
Zusammenfassung
Psychosomatik hat in der Schwangerenbetreuung und Geburtshilfe hat 2 wesentliche Aufgaben:
Beschreibung der psychischen Abläufe bei der normalen Schwangerschaft und Geburt,
Beschreibung von psychischen Störungen bei Schwangeren sowie von seelischen Reaktionen auf Komplikationen oder medizinische Eingriffe.
Die Schwangerschaft wird als Reifungs- und Entwicklungskrise besprochen. In der psychosomatischen Krankheitslehre werden typische Symptome und Krankheitsbilder in der Schwangerschaft erörtert mit den Wechselwirkungen zwischen körperlichen und seelischen Vorgängen sowie die psychosozialen Risikofaktoren und die Determinanten von Gesundheit und Krankheit, z. B vorzeitige Wehen/Frühgeburt, verleugnete/Scheinschwangerschaft, Verarbeitung von Pränataldiagnostik und Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation. Des Weiteren werden soziokulturelle Aspekte, die Arzt-Patientin-Beziehung einschließlich der Gefühle des Personals sowie die spezifischen Therapieangebote thematisiert.
Martin Langer
50. Komplementäre Medizin in der Geburtshilfe
Zusammenfassung
In Österreich besteht eine beispielhafte Symbiose zwischen evidenzbasierter/etablierter und personalisierter/komplementärer Medizin. 1991 wurde ein eigenes Referat für Komplementäre Medizin an der österreichischen Ärztekammer etabliert. In diesem Kapitel werden nur jene Methoden vorgestellt, die seitens der Ärztekammer eine Anerkennung erfahren haben und nützliche Inhalte zum Thema Fertilität, Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit bieten. Basis der Anerkennung bilden die Lehr- und Lernbarkeit, die Nachvollziehbarkeit und ein einheitliches Curriculum mit Lehrbuch. Im Buch „Das System der Grundregulation nach Pischinger“ (Heine 2004) werden die Wechselwirkungen im Zelle-Milieu-System erklärt, womit es das Basiswerk für das Verständnis der komplementären Methoden darstellt. Im Folgenden werden die Homöopathie, die F.X.-Mayr-Medizin, die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), die Manuelle Medizin, die Neuraltherapie, die Applied Kinesiology und die Orthomolekulare Medizin vorgestellt.
Ivan Ramsak, Harald Stossier, Doris Verena Baustädter
52. Ethische Probleme in der Geburtshilfe
Zusammenfassung
Ethische Probleme in der Geburtshilfe gründen in den technischen Fortschritten von Pränataldiagnostik und neonataler Intensivmedizin einerseits sowie der partnerschaftlicheren Arzt-Patientinnen-Beziehung und dem multikulturellen Hintergrund der Patientinnen andererseits. Als philosophische Methode wird die Diskursethik vorgeschlagen. Es werden die Prinzipien Benefizienz und Patientenautonomie zugrunde gelegt, erweitert um Verfahrensregeln wie Verhältnismäßigkeit, Transparenz, Interdisziplinarität.
Die Diskursethik wird ausgeübt in der Gestaltung der Arzt-Patientinnen-Beziehung, speziell des Informed-consent-Prozesses, dargestellt anhand typischer Beispiele wie Therapieverweigerung, Schwangerschaftsabbruch aus embryopathischer Indikation, Vorgehen bei extremer Frühgeburtlichkeit oder schwerer Begleiterkrankung der Schwangeren. Ethisches Dilemma, Konflikt und Krise werden dargestellt, ein Modell der präventiven Ethik mit entsprechenden Interventionen wird vorgeschlagen.
Martin Langer
53. Patientensicherheit im Krankenhaus
Zusammenfassung
Gerade in der Geburtshilfe kommt dem Fehler- und Risikomanagement eine wachsende Bedeutung zu. Die Fachliteratur sowie alle bisher gemachten Erfahrungen weisen darauf hin, dass der beste Weg darin besteht, sich an den Sicherheitsstrategien der „high reliability organisations“ (HRO: Luftfahrt, Raumfahrt, Petrochemie, Nuklearkraft), die zu den „ultra-safe technologies“ zählen, zu orientieren. Auslöser für die Beschäftigung mit vermeidbaren Fehlern und deren Folgen war das Buch „To Err is Human“ im Jahr 1999. Die wesentlichste Schlüsselbotschaft war, dass sowohl in den HRO als auch in der Medizin 80 % aller Komplikationen auf Team- bzw. Kommunikationsdefizite zurückzuführen sind. Den weitaus größten Effekt in der Vermeidung von Fehlern haben demnach all jene Aktivitäten, die die Kommunikation und Teamarbeit verbessern. Den kritischen Erfolgsfaktor schlechthin bildet dabei die herrschende Fehlerkultur. Ein neuer Wissenszweig „patient safety science“ befindet sich in der Entwicklung.
Norbert Pateisky
53. Perinatale Mortalität
Zusammenfassung
Die perinatale Mortalität gehört untrennbar zur umfassenden Darstellung der Qualität geburtshilflicher Leistungen und hat mittlerweile eine Größenordnung von ca. 5,5‰ erreicht. Mit Etablierung der Perinatalerhebungen war ein stetiger Rückgang der perinatalen Mortalität zu beobachten. Die Analyse der Relation von frühen neonatologischen zu später erfolgten Todesfällen zeigt eine Konzentrierung medizinischen Fortschritts auf die frühe neonatale Periode.
Die wesentlichen direkten Todesursachen sind Fehlbildungen, niedriges Geburtsgewicht, Unreife und Atemstörungen. Bei einem Geburtsgewicht <1000 g verstirbt etwa 1 von 3 Kindern perinatal. Die Hälfte aller perinatalen Todesfälle entfällt auf Geburtsgewichte <1500 g.
Indirekte Todesursachen sind Geschlecht, sozialer Status, Familienstand, Rauchen, Alter der Mutter, saisonale Effekte, Zeitpunkt der Geburt, Körpergewicht der Schwangeren, Mehrlingsschwangerschaft, Intensität der Schwangerenvorsorge sowie allgemeine Umwelteinflüsse.
Nicolas Lack
55. Müttersterblichkeit
Zusammenfassung
In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts konnte die Anzahl der Müttersterbefälle (MSTF) in den Industrienationen – im Gegensatz zu Entwicklungsländern – stark reduziert werden. Unter optimalen Bedingungen erscheint heute eine direkte und indirekte Müttersterblichkeit von 6–12/100.000 Lebendgeborene erreichbar. Tiefere Zahlen sind bezüglich Vollständigkeit und Signierkriterien kritisch zu hinterfragen. Goldstandard zur exakten Abklärung der jeweiligen Landessituation, zur Erkennung von Behandlungsdefiziten, dem Letalitätsrisiko unterschiedlicher Entbindungsverfahren und zur Herausgabe von Leitlinien und Empfehlungen sind landesweite Einzelfalluntersuchungen bei möglichst allen MSTF. Haupttodesursachen bei direkten MSTF sind in wechselnder und länderunterschiedlicher Reihenfolge Thrombo- inklusive Fruchtwasserembolien, Hämorrhagien, hypertensive Erkrankungen und Genitalsepsis. Bei indirekten MSTF stehen Herz-Kreislauf-Erkrankungen an erster Stelle.
Hermann Welsch, Arthur Wischnik, Rainer Lehner
56. Forensik in der Geburtshilfe
Zusammenfassung
Das erhebliche zivil- und strafrechtliche Risiko des Geburtshelfers zeigt sich an der ständig steigenden Zahl der Schadenersatzklagen, der extremen Höhe der Schmerzensgelder und der Steigerung der Haftpflichtprämien. Im Mittelpunkt steht der Behandlungsfehler, als Verstoß gegen den medizinischen Standard definiert, den der Sachverständige im Gutachten darlegen muss. Auch Organisationsmängel (z. B. Delegationsfehler, Einsatz unerfahrener Berufsanfänger, Übernahmeverschulden bei Einrichtung eines fachübergreifenden Bereitschaftsdienstes) gewinnen an Bedeutung. Der Schweregrad des Fehlverhaltens („grober“ Fehler) und Dokumentationsmängel können zur Beweislastumkehr führen. Einwilligungs- und Aufklärungsfragen bilden die dritte, besonders gefürchtete Haftungsquelle, da die Aufklärungsanforderungen sehr hoch sind und den Arzt insoweit die volle Beweislast trifft. Rechtlich vernünftiges Verhalten nach einem Zwischenfall oder Behandlungsmisserfolg ist zur Vermeidung weiterer Nachteile unabdingbar.
Klaus Ulsenheimer, Christoph Brezinka
57. Empfehlungen und Leitlinien (Guidelines)
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden Links zu Leitlinien (Guidelines) renommierter in- und ausländischer Fachgesellschaften für die wichtigsten Handlungsstrategien der Geburtsmedizin angegeben. Insbesondere bei der zunehmenden medikolegalen Prägung der Geburtsmedizin helfen diese Leitlinien dem geburtshilflich tätigen Arzt, rasch die aktuellsten Behandlungsempfehlungen für ein optimales medizinisches Vorgehen zur Hand zu haben und klinisch umzusetzen.
Grundsätzlich geben Leitlinien Behandlungskorridore vor, die auf evidenzbasierter Studienlage beruhen, von denen aber im Individualfall bei schlüssiger Begründung (im Gegensatz zu den einzuhaltenden Mutterschafts-Richtlinien) auch abgewichen werden kann.
Karl-Theo M. Schneider
Backmatter
Metadaten
Titel
Die Geburtshilfe
herausgegeben von
Henning Schneider
Peter Husslein
Karl-Theo M. Schneider
Copyright-Jahr
2016
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-45064-2
Print ISBN
978-3-662-45063-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-45064-2