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2018 | Pharmakologie | Buch | 1. Auflage

Basiswissen Pharmakologie

verfasst von: Prof. Dr. med. Roland Seifert

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Buchreihe : Springer-Lehrbuch

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Über dieses Buch

Übersichtlich und kompakt bietet Ihnen dieses Lehrbuch einen vollständigen Überblick über alle prüfungsrelevanten Inhalte der Pharmakologie. Es leitet Sie leicht verständlich und GK-, sowie NKLM-orientiert durch das gesamte Basiswissen von den Grundlagen bis hin zu den wichtigsten Krankheitsbildern. Profitieren Sie von der langjährigen Erfahrung des Dozenten, der sorgfältig das Wesentliche für Sie ausgewählt und aufbereitet hat.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

I Allgemeine Prinzipien

Frontmatter
1. Pharmakodynamik
Zusammenfassung
Die Pharmakodynamik analysiert Effekte von Wirkstoffen auf den menschlichen Organismus. Wirkstoffe umfassen Arzneistoffe und Gifte. Arzneistoffe haben nützliche, Gifte schädliche Wirkungen. Arzneimittel sind pharmazeutische Zubereitungen von Arzneistoffen zur Anwendung beim Menschen. Die Entwicklung eines Wirkstoffs zum Arzneimittel umfasst eine präklinische Phase und eine klinische Phase, die in drei Stadien unterteilt wird. Rezeptoren, Enzyme, Ionenkanäle und Transporter sind die wichtigsten Zielstrukturen für Arzneistoffe. Rezeptoren werden in GPCR, Ligand-gesteuerte Ionenkanäle, TK-gekoppelte Rezeptoren und nukleäre Rezeptoren unterteilt. Rezeptoren werden durch Agonisten aktiviert; Antagonisten blockieren die Wirkungen von Agonisten. Enzyme und Transporter werden durch Inhibitoren in ihrer Funktion gehemmt; Ionenkanäle werden durch Blocker gehemmt und Aktivatoren stimuliert. Vollständige Konzentrations-Wirkungs-Beziehungen sind erforderlich, um die Wirkungen von Arzneistoffen durch die Parameter EC50, IC50 sowie intrinsische Aktivität zu bestimmen. Die therapeutische Breite ist ein Maß für die Sicherheit eines Arzneistoffs.
Roland Seifert
2. Pharmakokinetik
Zusammenfassung
Die Pharmakokinetik analysiert den Weg von Arzneistoffen im Organismus und die Wirkungen des Organismus auf Arzneistoffe. Die pharmakokinetischen Eigenschaften eines Arzneistoffs werden durch die ADME-Parameter beschrieben. Zur Sicherstellung einer guten intestinalen Resorption sowie BHS-Passage muss ein Arzneistoff niedermolekular, ungeladen und lipophil sein. Unter dem first-pass-Effekt versteht man die Inaktivierung eines Arzneistoffs bei der ersten Leberpassage. CYP-Hemmung verstärkt die Wirkung von Arzneistoffen, die über dasselbe CYP inaktiviert werden, während CYP-Induktion die Wirkung von Arzneistoffen abschwächt. Ein großes Verteilungsvolumen weist auf ein tiefes Kompartiment hin, in dem ein Arzneistoff akkumuliert. Prodrugs sind inaktive Vorstufen eines Arzneistoffs, die durch Metabolismus in den aktiven Arzneistoff umgewandelt werden. Der enterohepatische Kreislauf ist ein zyklischer Prozess der Abgabe eines Arzneistoffs in die Galle mit anschließender intestinaler Reabsorption. Ein Arzneistoff zur p.o.-Anwendung sollte i. d. R. eine gute Bioverfügbarkeit besitzen, nicht mit CYP interferieren, keinen first-pass-Effekt, keine hohe Plasmaproteinbindung und kein zu großes Verteilungsvolumen aufweisen, keinen enterohepatischen Kreislauf besitzen und eine HWZ haben, die gute Steuerbarkeit ermöglicht. Zur Behandlung von ZNS-Erkrankungen müssen Arzneistoffe die BHS gut durchdringen können, während zur Behandlung anderer Erkrankungen eine fehlende ZNS-Penetration wünschenswert ist.
Roland Seifert
3. Arzneimittelallergie
Zusammenfassung
Arzneimittel können über die darin enthaltenen Arznei- und Hilfsstoffe allergische Reaktionen auslösen, die potenziell lebensbedrohlich verlaufen. Typ-I-Reaktionen beruhen auf einer Mastzelldegranulation und können innerhalb kürzester Zeit über anaphylaktischen Schock zum Tod führen. Wichtigste Maßnahme bei Typ-I-Allergien ist die i.v.-Gabe von Epinephrin (EPI, Adrenalin) durch den Arzt bzw. die i.m.-Gabe durch den Patienten mittels EPI-Autoinjektor. Bei Typ-II-Reaktionen kommt es zu immunologisch vermittelter Zerstörung von Blutzellen, bei Typ-III-Reaktionen zu Immunkomplexablagerungen, die sich in rheumatischen Symptomen manifestieren. Bei Typ-IV-Reaktionen kommt es zu HLA-Fehlsteuerung, die eine autoimmunologische Reaktion auslöst. Besonders gefährlich sind SJS und TEN. Bestimmte HLA-Polymorphismen prädisponieren zu Typ-IV-Reaktionen.
Roland Seifert
4. Behandlung von Arzneimittelvergiftungen
Zusammenfassung
Arzneimittelvergiftungen sind häufig und erfolgen meist oral. Bei Erwachsenen dominieren suizidale Absichten, bei Kindern Unfälle. Nach Anamnese unter Berücksichtigung der „7W“ sollte eine primäre Giftelimination mittels Gabe von Adsorbenzien durchgeführt werden. Ist das Gift bereits resorbiert worden, erfolgt eine sekundäre Giftelimination. Repetitive Gabe von Adsorbenzien, forcierte Diurese, Dialyse und Plasmapherese kommen zur Anwendung, wobei die Wirksamkeit für verschiedene Arzneistoffe sehr unterschiedlich ist. Für einige Arzneistoffe gibt es Antidote. In den meisten Fällen bleibt die Therapie von Vergiftungen symptomatisch. Wegen der Häufigkeit von Arzneimittelvergiftungen spielen präventive Maßnahmen wie Polypharmazievermeidung, Einhaltung von Dosierungsschemata und das Erkennen suizidaler Tendenzen bei depressiven Patienten eine entscheidende Rolle.
Roland Seifert

II Pharmakologie integrativer Systeme

Frontmatter
5. Cholinerges und adrenerges System
Zusammenfassung
Die Neurotransmitter ACh und NE sowie das Hormon EPI regulieren über das autonome Nervensystem eine Vielzahl von Organfunktionen. ACh spielt darüber hinaus eine wichtige Rolle als Neurotransmitter an der neuromuskulären Endplatte. ACh wirkt entweder über Ligand-gesteuerte Ionenkanäle oder GPCR; NE und EPI über GPCR. Durch Agonisten und Antagonisten an diesen Rezeptoren lassen sich verschiedene Erkrankungen behandeln. Auch die Hemmung der ACh-Freisetzung durch Botulinum-Neurotoxin ist therapeutisch bedeutsam. Weitere pharmakologische Eingriffsmöglichkeiten in diese Systeme sind die Hemmung des Neurotransmitterabbaus, die Hemmung der Wiederaufnahme von Neurotransmittern sowie die Stimulation der Freisetzung von Neurotransmittern aus Speichervesikeln.
Roland Seifert
6. Serotonerges System
Zusammenfassung
5-HT (5-Hydroxytryptamin) ist ein Neurotransmitter sowie lokaler Mediator und reguliert viele Zellfunktionen. 5-HT vermittelt seine Wirkungen über 5-HT1-7R. 5-HT1DR-Agonisten werden beim akuten Migräneanfall eingesetzt, 5-HT2AR-Antagonisten wirken antipsychotisch. 5-HT3R-Antagonisten wirken antiemetisch und haben die Verträglichkeit der Zytostatikatherapie deutlich erhöht. SSRI, NSMRI sowie MAOI werden in der Therapie der Depression verwendet. Eine Überdosierung von SSRI oder MAOI bzw. die Kombination der beiden Arzneistoffgruppen kann ein Serotoninsyndrom auslösen. In diesem Kapitel werden auch die Konzepte zur Behandlung der Migräne und des Erbrechens diskutiert. Diese Konzepte zeigen die integrative Rolle von 5-HT bei Erkrankungen auf.
Roland Seifert
7. Histaminerges System
Zusammenfassung
HA ist ein Neurotransmitter und lokaler Mediator. HA vermittelt seine Wirkungen über H1-4R. HA wird aus Mastzellen freigesetzt und löst über den H1R Ödeme, Urtikaria, Erytheme und Juckreiz aus. Die Mastzelldegranulation wird effektiv über den β2AR gehemmt. An Parietalzellen aktiviert der H2R die Protonensekretion. Der H2R hat eine hemmende Wirkung auf myeloische Zellen. Im ZNS wird über den H1R und den H3R der Wachheitszustand reguliert. Der H4R vermittelt Juckreiz und die Aktivierung eosinophiler Granulozyten. ZNS-gängige H1R-Antagonisten der 1. Generation werden als Hypnotika, in der Prämedikation, bei schweren Typ-I-Allergien und starkem Juckreiz, Kinetosen sowie Schwangerschaftserbrechen eingesetzt. Wichtigste UAW ist die Sedation. H1R-Antagonisten der 2. Generation sind weniger ZNS-gängig und werden gegen Urtikaria, Konjunktivitis und Rhinitis bei Typ-I-Allergien eingesetzt. H2R-Antagonisten finden in der Therapie von GERD sowie PUD Anwendung, sind jedoch weitgehend von PPI abgelöst worden. HA wird bei akuter myeloischer Leukämie als Immunmodulator eingesetzt, H3R-Antagonisten bei Narkolepsie.
Roland Seifert
8. Dopaminerges System
Zusammenfassung
DA ist ein Neurotransmitter, der eine Vielzahl von Körperfunktionen in der Peripherie und im ZNS reguliert. DA vermittelt seine Wirkungen über D1-5R und wird als Arzneistoff in der Intensivmedizin zur Steigerung der Nierendurchblutung, Herzfunktion und Vasokonstriktion eingesetzt. Bei M. Parkinson liegt ein Funktionsverlust dopaminerger nigrostriataler Neurone mit einem Überwiegen cholinerger Neurone vor. Dies führt zu Rigor, Tremor und Akinese. Durch Stimulation des dopaminergen Systems mit dem Prodrug Levodopa, das zu DA umgewandelt wird, sowie dem peripher wirksamen Dopadecarboxylaseinhibitor Carbidopa, DxR-Agonisten, Inhibitoren der MAO-B sowie COMT und MxR-Antagonisten können die Symptome des M. Parkinson gelindert werden. Halluzinationen, Verwirrung, Spielsucht, Sexsucht und Kaufrausch sind wichtige UAW dopaminerger Arzneistoffe. Peripher wirkende D2R-Antagonisten werden als Antiemetika eingesetzt. Der im ZNS wirkende D2R-Antagonist Haloperidol ist ein typisches Antipsychotikum, der D4R-Antagonist Clozapin ein atypisches Antipsychotikum. Bei ADHS liegt eine Unterfunktion des dopaminergen frontostriatalen Systems vor, die durch das indirekte Dopamimetikum Methylphenidat positiv beeinflusst werden kann. Der Einsatz von Methylphenidat beim ADHS darf nur nach Diagnosestellung durch einen Psychiater erfolgen; es besteht Missbrauchsgefahr von Methylphenidat zur Leistungssteigerung („Gehirndoping“).
Roland Seifert
9. NO-cGMP-System
Zusammenfassung
NO wird in Endothelzellen synthetisiert und aktiviert in glatten Muskelzellen die sGC, die den second messenger cGMP produziert. Die wichtigste Funktion von cGMP ist die Relaxation glatter Muskelzellen. cGMP wird über die PDE5 abgebaut. Der NO-Donator GTN aktiviert die sGC und relaxiert Muskelzellen. Diese Wirkung wird bei Angina pectoris, hypertensiver Krise und Kolikschmerzen genutzt. Der NO-Donator NNP wird bei therapierefraktärer hypertensiver Krise eingesetzt. Die Dauertherapie mit NO-Donatoren ist wegen Wirkungsverlust problematisch. Allosterische NO-abhängige sGC-Stimulatoren hingegen sind für eine Dauertherapie geeignet. Ihre muskelrelaxierende Wirkung wird bei PAH genutzt. Bei ED kommt es aufgrund kardiovaskulärer, urologischer oder neurologischer Erkrankungen oder UAW zu verminderter NO-Produktion im Corpus cavernosum. Die Erektion kann durch Hemmung des cGMP-Abbaus mit PDE5-Inhibitoren verbessert werden. Bei Überdosierung von PDE5-Inhibitoren können aufgrund von PDE6-Hemmung Blausehstörungen auftreten. Die Kombination von NO-Donatoren + PDE5-Inhibitoren kann einen lebensbedrohlichen BD-Abfall verursachen.
Roland Seifert
10. Schmerzpharmakologie
Zusammenfassung
Schmerzen sind unangenehme Empfindungen, die höchste therapeutische Priorität besitzen. Eine Analgesie kann durch Analgetika und Koanalgetika erzielt werden und ist abhängig von der Schmerzursache. Analgetika werden in Opioidanalgetika und Nicht-Opioidanalgetika unterteilt. Zu den Nicht-Opioidanalgetika gehören die COX-Inhibitoren Ibuprofen und Diclofenac, die auch antiinflammatorisch wirken. Letztere Wirkkomponente fehlt Paracetamol und Metamizol. Opioidanalgetika können entsprechend ihrer maximalen Wirkstärke in schwach wirksame MOR-Agonisten (Beispiel Tramadol), mittelstark wirkende MOR-Agonisten (Beispiel Buprenorphin) und stark wirksame MOR-Agonisten (Beispiele Morphin und Fentanyl) unterteilt werden. Die Schmerztherapie erfolgt entsprechend dem WHO-Stufenplan. In jeder Stufe dieses Plans können Koanalgetika eingesetzt werden; dazu gehören Antiepileptika, Ketamin, α2AR-Agonisten, Benzodiazepine, Antidepressiva, Antipsychotika, Muskelrelaxanzien sowie Antiosteoporotika. Die verschiedenen Analgetika und Koanalgetika haben unterschiedliche UAW-Profile. Dies erleichtert die Kombination von Analgetika bei Patienten mit schweren Schmerzen.
Roland Seifert
11. Immunpharmakologie
Zusammenfassung
Bei Autoimmunerkrankungen kommt es zum Verlust der immunologischen Toleranz gegen den eigenen Körper. Bei Transplantatabstoßung entsteht eine Immunreaktion gegen das Transplantat, das dadurch seine Funktion verlieren kann. Therapieziel ist, Symptome der Immunprozesse so weit wie möglich zu unterdrücken, ohne die Funktionen des Immunsystems bei der Infektabwehr und Zerstörung von Tumorzellen zu stark in Mitleidenschaft zu ziehen. Diese Ziele werden bei vielen Patienten inzwischen befriedigend erreicht. Eine wichtige Strategie zur Optimierung der Wirkung und Reduktion von UAW ist die Kombination verschiedener Wirkprinzipien. Die wichtigsten Arzneistoffe sind nach wie vor GC, die über multiple Mechanismen immunsuppressiv wirken. Immunophilin-Liganden hemmen vor allem die T-Zell-Proliferation. Durch Zytostatika in niedriger Dosierung lassen sich Immunreaktionen ebenfalls unterdrücken. In den letzten Jahren ist es zu einer explosionsartigen Entwicklung von therapeutischen Antikörpern und Fusionsproteinen gekommen. Dabei handelt es sich um gentechnisch hergestellte Arzneistoffe, die Zytokine, Zytokinrezeptoren, Integrine oder Lymphozytenantigene funktionell ausschalten. Die hohen Kosten einer Therapie mit diesen Arzneistoffen stellen ein großes pharmakoökonomisches Problem dar.
Roland Seifert
12. Pharmakologie der Niere
Zusammenfassung
Die CKD (chronic kidney disease) ist eine sehr häufige Erkrankung, die durch Diabetes, Hypertonie, Autoimmunerkrankungen und hereditäre Ursachen hervorgerufen wird. Die Behandlung der Grunderkrankungen ist die Basis der CKD-Therapie. CKD führt zu zahlreichen Komplikationen, die ohne Behandlung in Urämie und Tod münden. Das aktive Vitamin D3 Calcitriol wird substituiert. Zur Behandlung der Hyperphosphatämie werden Phosphatbinder eingesetzt, zur Therapie des sekundären Hyperparathyreoidismus Calcimimetika, für die renale Anämie Epoetin oder Darbepoetin und für die ADPKD (Autosomal-Dominante Polyzystische Nierenerkrankung) der V2R-Antagonist Tolvaptan. Viele Arzneistoffe, darunter Lithium, MTX, Aciclovir, Gentamicin, Vancomycin, Metformin und Atenolol, werden überwiegend renal eliminiert. Die Dosis dieser Arzneistoffe muss bei CKD an die reduzierte Kreatininclearance angepasst werden, um UAW zu verhindern. Alternativ können, falls verfügbar, Arzneistoffe mit vorwiegend extrarenaler Elimination eingesetzt werden. Etliche Arzneistoffe, darunter Cisplatin, Amphotericin B, iodhaltige Kontrastmittel, COX-Inhibitoren und Calcineurininhibitoren sind nephrotoxisch und sollten daher nicht oder nur mit größter Vorsicht bei CKD eingesetzt werden. Kaliumsparende Diuretika und RAAS-Inhibitoren können eine Hyperkaliämie bei CKD verschlechtern. Thiaziddiuretika und Schleifendiuretika können Hypokaliämie und Hypovolämie verursachen.
Roland Seifert

III Pharmakotherapie

Frontmatter
13. Arzneistoffe zur Behandlung von Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes
Zusammenfassung
Bei GERD (gastroesophageal reflux disease) gelangt saurer Mageninhalt in den unteren Ösophagus und führt zu Erosionen, die karzinomatös entarten können. Entscheidend bei der GERD-Therapie sind das Ausschalten auslösender Faktoren und die Erhöhung des pH-Wertes durch PPI. Bei PUD (peptic ulcer disease) steht die Eradikation von Helicobacter pylori mit der Tripeltherapie (PPI + Clarithromycin + Amoxicillin bzw. Metronidazol) im Vordergrund. TAI, VKA, NOAK, COX-Inhibitoren und GC können eine PUD-Entstehung begünstigen. Diarrhoen haben vielfältige Ursachen, darunter eine Antibiotikatherapie. Die wichtigste Maßnahme ist Wasser- und Elektrolytersatz. In schweren Fällen wird Loperamid eingesetzt. Eine chronische Obstipation stellt insbesondere bei Frauen ein großes Problem dar. Der Obstipation wird durch Laxanzienabusus und körperliche Inaktivität Vorschub geleistet. Entscheidend ist eine Lebensumstellung. Kurzfristig können antiresorptiv und sekretagog wirkendes Bisacodyl oder das Osmolaxans Macrogol eingesetzt werden. MxR-Antagonisten wirken obstipierend. Einer Obstipation unter MOR-Agonisten kann durch Osmolaxanzien oder den peripheren MOR-Antagonisten Methylnaltrexon begegnet werden. Colitis ulcerosa und M. Crohn sind chronische Darmentzündungen mit unvollständig verstandener Pathogenese. Bei der Colitis ulcerosa steht die Lokaltherapie mit 5-ASA und GC im Vordergrund. Bei schweren Verläufen werden GC und Immunsuppressiva systemisch gegeben. Die Therapie des M. Crohn beinhaltet GC, Salazosulfapyridin, Antibiotika, Immunsuppressiva sowie TNF-Inhibitoren.
Roland Seifert
14. Arzneistoffe zur Behandlung von Atemwegserkrankungen
Zusammenfassung
Bei Asthma liegt eine Entzündung der Bronchien und eine Hyperreagibilität der glatten Atemwegsmuskulatur vor. Dies führt zur Erhöhung des Atemwegwiderstandes. Therapieziel ist, die pathophysiologischen Veränderungen zu normalisieren. Bei intermittierendem Asthma werden bei Bedarf SABA (short-acting β2-adrenoceptor agonists) gegeben. Bei leichtem Asthma werden ICS (inhalative Corticosteroide) als Dauermedikation hinzugefügt. Bei mittelgradigem Asthma werden LABA (long-acting β2-adrenoceptor agonists) hinzugefügt, bei schwerem Asthma kommen zusätzlich LTRA zum Einsatz, bei Status asthmaticus Theophyllin. Bei sehr schwerem Asthma können systemische GC sowie IgE- und IL-5-Inhibitoren verabreicht werden. Bei einer COPD entsteht meist als Folge von Tabakkonsum eine irreversible Atemwegsobstruktion mit Emphysem und Entzündung. Initial erfolgt eine Therapie mit LABA und/oder LAMA. Bei Therapieresistenz werden PDE4-Inhibitoren oder der nichtselektive PDE-Inhibitor Theophyllin hinzugefügt. ICS sollten nur zurückhaltend gegeben werden, da das Pneumonie-Risiko erhöht ist. Die Mukoviszidose ist eine autosomal-rezessive Erkrankung, bei der es durch genetisch heterogene CFTR-Defekte zu Bildung zäher Sekrete kommt, die chronische Pneumonien mit Problemkeimen sowie Funktionsstörungen multipler Organe zur Folge haben. Mit CFTR-Potentiatoren und CFTR-Korrektoren stehen erstmals spezifische Arzneistoffe zur Normalisierung der CFTR-Funktion zur Verfügung.
Roland Seifert
15. Antihypertensiva
Zusammenfassung
Die Hypertonie ist die häufigste Volkserkrankung. Diabetes ist der wichtigste Risikofaktor für Hypertonie. Unbehandelt führt Hypertonie zu gravierenden Folgeerkrankungen wie KHK, CHF, Schlaganfall und CKD. Die Hypertonie ist eine sehr gut und preiswert behandelbare Erkrankung. Der Schlüssel zum Therapieerfolg ist ein früher Behandlungsbeginn, der neben gesundem Lebensstil den Einsatz verschiedener Arzneistoffklassen beinhaltet. Der BD kann über TPW- oder HMV-Senkung reduziert werden. ACEI sowie AT1R-Antagonisten (Klasse A), β1AR-Antagonisten (Klasse B), Calciumkanalblocker aus der Gruppe der Dihydropyridine (Klasse C) sowie Thiaziddiuretika (Klasse D) stellen die Basis der Hypertonietherapie dar. Alle Klassen lassen sich kombinieren und die meisten Patienten sind damit gut einstellbar. Durch Kombination der Klassen A + D können Auswirkungen auf den Kaliumhaushalt minimiert werden. Antihypertensiva aller Klassen sind in der Regel gut verträglich. Es gibt außerdem Reserveantihypertensiva sowie Arzneistoffe zur Behandlung der hypertensiven Krise.
Roland Seifert
16. Arzneistoffe zur Behandlung der Herzinsuffizienz und koronaren Herzerkrankung
Zusammenfassung
Bei einer CHF (chronischen Herzinsuffizienz) liegt ein Unvermögen des Herzens vor, ein dem metabolischen Bedarf entsprechendes Blutvolumen zu pumpen. Sympathikus- und RAAS-Aktivierung stellen nur kurzfristig eine sinnvolle Anpassung dar. Langfristig kommt es zum remodelling der Gefäße, der Niere und des Herzens und einer CHF-Verschlechterung. Basierend auf der Pathophysiologie und klinischen Studien stellen β1AR-Antagonisten, ACEI, AT1R-Antagonisten und MCRA die wichtigsten Arzneistoffgruppen zur CHF-Behandlung dar. Thiazid- und Schleifendiuretika unterstützen die Therapie und reduzieren das Risiko von Hyperkaliämie in Kombination mit RAAS-Inhibitoren. HCN-Kanalblockade und NEP-Hemmung stellen neue Therapieprinzipien dar. Bei KHK senken β1AR-Antagonisten, HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren sowie TAI die Mortalität. Die Risikofaktoren Hypertonie, Diabetes und Tabakkonsum müssen behandelt werden. Die MI-Therapie erfolgt nach dem MONA-Schema (Morphin, O2, Nitroglyzerin, ASS) sowie Rekanalisation von Koronararterien mittels Stentinsertion oder Fibrinolyse mit Plasminogenaktivatoren. Eine schwer behandelbare MI-Komplikation sind VT; hier kommt am ehesten das Klasse-I-IV-Antiarrhythmikum Amiodaron zum Einsatz.
Roland Seifert
17. Antiarrhythmika
Zusammenfassung
Die normale Erregung des Herzens geht vom Sinusknoten aus und wird über den Vorhof und AV-Knoten an die Ventrikel weitergeleitet. Ursachen für Arrhythmien sind u. a. Veränderungen im Elektrolythaushalt, Arzneistoffe, genetische Erkrankungen, KHK und CHF. Arrhythmien können zum plötzlichen Herztod oder zu thromboembolischen Komplikationen führen. Beim VHF kommt es über Blutstase in den Vorhöfen zu Thrombusbildung mit dem Risiko von Lungenembolie und Schlaganfall. VT sind häufig eine MI-Folge. Da die pharmakologische Therapie von Arrhythmien unbefriedigend ist, treten zunehmend nicht-pharmakologische Behandlungsmethoden wie Herzschrittmacher, Ablationen von erkranktem Erregungsleitungsgewebe sowie implantierte Defibrillatoren in den Vordergrund. Insgesamt ist Amiodaron bei VHF und VT das wirksamste Antiarrhythmikum, aber wegen gravierender UAW und ungünstiger Pharmakokinetik muss die Indikation sehr sorgfältig gestellt werden. Die Anwendung von Antiarrhythmika gehört in die Hände des Kardiologen. Arzneistoffe aus den unterschiedlichsten Indikationsgebieten wie Psychopharmaka und Antibiotika können über eine Blockade repolarisierender Kaliumkanäle TdP auslösen. Risikofaktoren für TdP-Auslösung sind rasche i.v.-Injektion, Elektrolyt- und Essstörungen, Komedikation mit CYP-Inhibitoren sowie Leber- und Nierenerkrankungen.
Roland Seifert
18. Arzneistoffe zur Behandlung von Blutgerinnungsstörungen
Zusammenfassung
Thromboembolien entstehen, wenn der Blutfluss reduziert, das Endothel verletzt und/oder die Blutkoagubilität gesteigert ist oder Blut in Kontakt mit Fremdmaterial kommt. COX-2-Inhibitoren, orale Kontrazeptiva, EPO und bestimmte Tumortherapeutika können Thromboembolien begünstigen. Ziel ist es, Thromboembolien zu verhindern bzw. Thromben aufzulösen. Arzneistoffe zur Behandlung von Blutgerinnungsstörungen können Blutungen und Anämie hervorrufen. UFH (unfraktionierte Heparine) hemmen den Faktor Xa und Thrombin über eine Komplexbildung mit Antithrombin II, NMH (niedermolekulare Heparine) hemmen nur den Faktor Xa. Heparine werden in vielen Akutsituationen eingesetzt, z. B. Thromboseprophylaxe bei Operationen. VKA hemmen die Carboxylierung verschiedener Gerinnungsfaktoren und werden zur Dauertherapie eingesetzt, z. B. zur Schlaganfallprophylaxe bei VHF. VKA (Vitamin-K-Antagonisten) haben zahlreiche UAW und Arzneistoffinteraktionen, sind aber sehr preiswert. Reversible Faktor Xa- und Thrombininhibitoren gehören zu den NOAK und umfassen Indikationsgebiete der Heparine und VKA. NOAK haben weniger UAW und Interaktionen als VKA, sind aber viel teurer. Plasminogenaktivatoren werden in der Akuttherapie des MI und nicht-hämorrhagischem Schlaganfall eingesetzt. ASS in niedriger Dosierung (ca. 100 mg/Tag) hemmt die Thrombozytenaggregation über eine irreversible Hemmung der über COX-1 katalysierten TXA2-Bildung, Clopidogrel über irreversible Bindung an P2Y12R. Beide Arzneistoffe werden in der Sekundärprophylaxe des MI und Schlaganfalls eingesetzt.
Roland Seifert
19. Antidiabetika
Zusammenfassung
Diabetes ist charakterisiert durch eine chronische Hyperglykämie mit Folgeschäden an vielen Organen und beruht auf absolutem Insulinmangel (Typ-1) oder Insulinresistenz (Typ-2). Typ-1-Diabetes wird durch dem Energieverbrauch angemessene Insulinsubstitution behandelt. Dazu gehören kurzwirkende Insuline und Verzögerungsinsuline. In der Therapie des Typ-2-Diabetes stehen die Beseitigung der Insulinresistenz durch Kalorienreduktion und körperliche Bewegung im Vordergrund. Metformin ist der am besten untersuchte und wirksamste Arzneistoff zur Behandlung des Typ-2-Diabetes. Metformin erhöht die Insulinempfindlichkeit. Weitere Möglichkeiten zur Pharmakotherapie des Typ-2-Diabetes sind Stimulation der Insulinsekretion durch Sulfonylharnstoffe, GLP-1R-Agonisten und DPP4-Inhibitoren, Steigerung der renalen Glucoseelimination durch SGLT-2-Inhibitoren und Verzögerung der intestinalen Glucoseresorption durch Acarbose. Wichtig in der Diabetestherapie ist die Behandlung von Begleiterkrankungen wie Hypertonie, KHK, Hypercholesterinämie, Nephropathie und Polyneuropathie. Eine Hypoglykämie wird mit Glucose oder Glucagon behandelt, ein Coma diabeticum mit Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution sowie Insulin.
Roland Seifert
20. Antiosteoporotika
Zusammenfassung
Osteoporose entsteht durch eine Überaktivität von Osteoklasten in Relation zu den Osteoblasten. Therapieziel ist die Korrektur des Ungleichgewichtes. Dies erfolgt durch präventive Maßnahmen wie Exposition gegenüber Sonnenlicht, Reduktion von Nikotin und Alkohol, Zufuhr von Calcium und Vitamin D3 sowie angemessene körperliche Aktivität. Zahlreiche Arzneistoffgruppen, darunter Zytostatika, Schilddrüsenhormone, PPI und GC fördern Osteoporose. Die Osteoporosetherapie erfolgt mit Bisphosphonaten, die Osteoklasten hemmen. Zur Therapie der postmenopausalen Osteoporose werden SERM (selective estrogen receptor modulators) und Inhibitoren der RANK/RANKL-Interaktion eingesetzt. Letztere werden auch bei Osteoporose nach Hormonablation beim Prostatakarzinom verwendet. Die Osteoblastenaktivität kann durch das N-terminale PTH-Fragment gesteigert werden.
Roland Seifert
21. Arzneistoffe zur Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen
Zusammenfassung
Die Schilddrüsenhormone T4 und T3 regulieren jede Körperfunktion. Thyreozyten nehmen Iodid auf und bauen es über TPO in Tyrosinreste des Thyreoglobulins ein, aus denen durch Kopplung gebundenes T3 und T4 entstehen. Nach proteolytischer Abspaltung von T3 und T4 werden die Hormone ins Blut sezerniert. In der Leber wird T4 in das biologisch aktive T3 deiodiert. Bei Hyperthyreose kommt es zu verstärkter Synthese von T4 und T3. Eine Hyperthyreoseursache ist die Stimulation des TSH-Rezeptors mit Autoantikörpern. Hyperthyreose wird mit TPO-hemmenden Thionamiden behandelt. Zur Strumaprophylaxe (Hemmung der TSH-Sekretion) wird neben Iodid niedrig dosiertes T4 gegeben. Alternativ kann eine Hyperthyreose mit 131Iodid behandelt werden. 131Iodid zerstört selektiv Thyreozyten durch energiereiche β-Strahlung. Kardiovaskuläre Symptome der Hyperthyreose (Tachykardie und Hypertonie) können mit β1AR-Antagonisten, Erregungszustände mit Benzodiazepinen und Diarrhoe mit Loperamid behandelt werden. Bei einer Hypothyreose ist die Synthese von T4 und T3 vermindert. Häufige Ursachen der Hypothyreose sind Hashimoto-Autoimmunthyreoiditis und Iodmangelstruma. Die Hypothyreosetherapie erfolgt mit T4, da es eine gleichmäßigere Wirkung im Körper als T3 entfaltet. Bei Iodidmangel wird Kaliumiodid substituiert.
Roland Seifert
22. Arzneistoffe zur Behandlung von Lipidstoffwechselstörungen
Zusammenfassung
Eine Hypercholesterinämie ist ein wesentlicher Faktor in der Pathogenese der Arteriosklerose, die wiederum eine wichtige Ursache von MI, Schlaganfall und peripherer arterieller Verschlusserkrankung ist. Die LDL-Cholesterinsenkung hat daher große Bedeutung in der Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen. Basis der Therapie und Prävention der Arteriosklerose sind ausgewogene Ernährung, normales Körpergewicht, viel Bewegung und Rauchverzicht. Therapeutisch am wichtigsten und sehr gut validiert ist die Senkung des LDL-Cholesterins durch HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren (Statine). Sie hemmen die Cholesterinsynthese in der Leber. Haupt-UAW der HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren ist eine Myopathie, die durch eine erhöhte Bioverfügbarkeit zustande kommt. Diese wird durch gleichzeitige Gabe von CYP3A4- und/oder OATPB1-Inhibitoren weiter gesteigert. Komplementäre Ansätze zur Senkung des LDL-Cholesterins sind Hemmung der Cholesterinresorption, Bindung von Gallensäure im Darm, PPAR-α-Aktivierung und PCSK9-Hemmung.
Roland Seifert
23. Arzneistoffe zur Behandlung der Gicht
Zusammenfassung
Bei der Gicht kommt es zur Ausfällung von Harnsäure, dem Endprodukt des Purinstoffwechsels, in Gelenken, Weichteilgeweben und harnableitenden Organen. Bei einer akuten Gicht liegt eine Monoarthritis mit massiven Schmerzen, Bewegungseinschränkung und Überwärmung vor. Die akute Arthritis kann effektiv mit COX-Inhibitoren, GC, Mikrotubuli- und IL-1-Inhibitoren behandelt werden. Bei einer chronischen Gicht kommt es zu fortschreitender Polyarthritis mit Ruheschmerz und Bewegungseinschränkung. Die Basis der Gichtdauertherapie ist eine kalorienreduzierte und purinarme Ernährung. In der Pharmakotherapie werden Urikostatika (XO-Inhibitoren) und Urikosurika (Inhibitoren von URAT1), ggf. in Kombination, eingesetzt. Bei konsequenter Diät und Pharmakotherapie hat die Gicht eine gute Prognose.
Roland Seifert
24. Sexualhormone
Zusammenfassung
Die wichtigsten Sexualhormone sind das Gestagen Progesteron, das Estrogen Estradiol und das Androgen 5α-Dihydrotestosteron. Estradiol wird durch die Aromatase aus Progesteronmetaboliten und Testosteron gebildet. Estradiol und Testosteron regulieren multiple Organfunktionen, während Progesteron vor allem die weiblichen Geschlechtsorgane beeinflusst. Sexualhormone werden bei Mangelzuständen substituiert. Synthetische Gestagene und Estrogene finden vor allem in der hormonellen Kontrazeption Anwendung. Die Mikropille enthält niedrig dosiertes Ethinylestradiol und z. B. Levonorgestrel bzw. Desogestrel, die Minipille z. B. Levonorgestrel oder Desogestrel und die Hormonspirale Levonorgestrel. Die Pille danach enthält hochdosiertes Levonorgestrel. Gestagene hemmen die Ovulation, erhöhen die Viskosität des Zervixsekretes und verändern die Beschaffenheit des Endometriums. Estrogene hemmen die Ovulation und erhöhen die Expression von Progesteronrezeptoren. Hormonelle Kontrazeptiva unterscheiden sich in ihrer Sicherheit und können zahlreiche UAW haben. Der Progesteronrezeptorantagonist Mifepriston wird als Abortivum eingesetzt. Inhibitoren der Steroid-5α-Reduktase hemmen die Synthese von 5α-Dihydrotestosteron und werden in der Therapie der Alopezia androgenica sowie der BPH (benignen Prostatahyperplasie) eingesetzt. Der ER-Antagonist Clomifen wird zur Ovulationsauslösung verwendet, der Androgenrezeptorantagonist Cyproteron bei Hypersexualität, schwerer Akne und Transsexualität; Flutamid bei inoperablem Prostatakarzinom.
Roland Seifert
25. Antiepileptika und Benzodiazepine
Zusammenfassung
Bei Epilepsien liegt eine pathologische neuronale Aktivität vor, die zu generalisierten oder fokalen Anfällen führt. Ziel der Pharmakotherapie von Epilepsien ist es, Anfallsfreiheit durch Hemmung erregender und Aktivierung hemmender Neurone zu erreichen. Zum Einsatz kommen Natriumkanalblocker, Calciumkanalblocker, allosterische GABAAR-Modulatoren und Inhibitoren glutamaterger Neurotransmission. Die Anwendung von Antiepileptika muss in ein Gesamtkonzept eingebettet sein, das TDM, geregelte Lebensführung sowie Vermeidung epileptogener Arzneistoffe und Stimuli beinhaltet. Antiepileptika bewirken Sedation und besitzen Arzneistoff-spezifische Indikationen und UAW. Die Verschreibung von Antiepileptika gehört in die Hand des Neurologen. Benzodiazepine wirken nicht nur antiepileptisch, sondern auch sedativ-hypnotisch, anxiolytisch und muskelrelaxierend. Diese Arzneistoffe unterscheiden sich in der Pharmakokinetik und Pharmakodynamik, woraus sich unterschiedliche Indikationsgebiete ergeben. Benzodiazepine und Z-Substanzen können physische und psychische Abhängigkeit sowie Entzugserscheinungen hervorrufen, weshalb die Indikationen kritisch zu stellen sind. Die Langzeitanwendung dieser beiden Arzneistoffgruppen sollte vermieden werden.
Roland Seifert
26. Lokalanästhetika
Zusammenfassung
Lokalanästhetika sind schwache Basen mit einem kationischen und einem hydrophoben Anteil. Sie diffundieren in der ungeladenen Form über die Plasmamembran und blockieren spannungsabhängige Natriumkanäle und damit die Schmerzweiterleitung in der geladenen Form. Bei erniedrigtem pH, der bei Entzündungen und im traumatisierten Gewebe vorliegt, ist die Lokalanästhetikawirkung abgeschwächt. Lokalanästhetika unterscheiden sich in der Wirkdauer. EPI verlängert die Wirkung von Lokalanästhetika und reduziert die Toxizität am Herzen und im ZNS. Ester-Lokalanästhetika induzieren Paragruppenallergien und sollten daher nicht mehr eingesetzt werden, sondern nur noch die weit weniger allergenen Amid-Lokalanästhetika. Anwendungsformen von Lokalanästhetika sind Oberflächen-, Infiltrations-, Leitungs-, Spinal- und Epiduralanästhesie.
Roland Seifert
27. Inhalations- und Injektionsnarkotika
Zusammenfassung
Inhalations- und Injektionsnarkotika werden zur Durchführung von Narkosen, in der Notfallmedizin und in der Intensivmedizin eingesetzt. Die Eigenschaften der verfügbaren Narkotika sind unterschiedlich. Narkotika können untereinander und mit verschiedenen anderen Arzneistoffklassen wie Muskelrelaxanzien und MOR-Agonisten kombiniert werden, um für jeden Patienten eine optimale Narkose zu erzielen. Inhalationsnarkotika beeinflussen generell Membraneigenschaften. Moderne Inhalationsnarkotika sind gut steuerbar. N2O zeichnet sich durch niedrige Potenz und gute Analgesie aus. Sevofluran besitzt eine hohe Potenz, gute hypnotische Wirkung und reizt keine Schleimhäute. Desfluran ist ein Standard-Inhalationsnarkotikum, das sich aber nicht zur Narkoseeinleitung eignet. Dazu wird bei unkomplizierten Fällen häufig Thiopental verwendet. Midazolam wird in der Anästhesie vor allem wegen seiner sedativ-hypnotischen und anxiolytischen Wirkung eingesetzt. Ketamin wird wegen seiner dissoziativ-anästhetischen Wirkung verwendet. Propofol wird breit angewendet wirkt gut sedativ-hypnotisch, aber nicht analgetisch.
Roland Seifert
28. Antidepressiva und Stimmungsstabilisatoren
Zusammenfassung
Die Depression ist eine sehr häufige psychiatrische Erkrankung, die durch Stress, frühkindliche Traumata, (epi-)genetische Faktoren und Persönlichkeitseigenschaften ausgelöst werden kann. Es besteht ein funktionelles Defizit der Neurotransmitter NE und 5-HT sowie eine gestörte hippocampale Neurogenese. Die Therapie der Depression umfasst psychotherapeutische und pharmakologische Ansätze. Ziel der Pharmakotherapie ist es, das Neurotransmitterdefizit mit NSMRI, SSRI, SSNRI, α2AR-Antagonisten und MAOI zu korrigieren. Zwischen Therapiebeginn und Wirkungseintritt besteht eine mehrwöchige Latenz, in der die Suizidgefahr groß ist. Antidepressiva haben gruppenspezifische UAW, die bei Überdosierung zu schweren Vergiftungen führen können. Die bipolare Störung ist durch den Wechsel zwischen depressiven und manischen Phasen charakterisiert. Lithium, Valproinsäure und Lamotrigin wirken stimmungsstabilisierend. Für eine erfolgreiche Therapie von Depression und bipolarer Störung sind eine frühzeitige Diagnose, früher Therapiebeginn, ausreichende Arzneistoffdosierung und Dauer sowie die Aufklärung über die Latenzzeit zwischen Therapiebeginn und Wirkung entscheidend. Die Qualität klinischer Studien zur Wirksamkeit von Antidepressiva ist Gegenstand kritischer Diskussionen.
Roland Seifert
29. Antipsychotika
Zusammenfassung
Die Schizophrenie ist eine psychiatrische Erkrankung mit einer weltweiten Prävalenz von 1 %, die häufig im jungen Erwachsenenalter auftritt. Durch ihre massiven Positiv- und vor allem Negativsymptome wird es den Patienten sehr erschwert, den Lebensanforderungen gerecht zu werden und den Realitätsbezug zu behalten. Bei einer Schizophrenie liegt eine Überaktivität des dopaminergen und serotonergen Systems vor. Typische Antipsychotika antagonisieren vor allem den D2R, atypische Antipsychotika insbesondere den D4R und 5-HT2AR. Typische Antipsychotika beeinflussen in erster Linie Positivsymptome; atypische Antipsychotika auch Negativsymptome. Dank der Antipsychotika können heutzutage viel mehr Schizophreniepatienten ambulant behandelt werden als früher. Typische Antipsychotika verursachen vor allem EPMS, atypische Antipsychotika vorwiegend ein metabolisches Syndrom. Die Auswahl des Antipsychotikums erfolgt für jeden Patienten individuell und hat eine optimale Balance zwischen antipsychotischer Wirkung und möglichst geringen UAW bei hoher Compliance und Lebensqualität zum Ziel.
Roland Seifert
30. Antidementiva
Zusammenfassung
Demenzerkrankungen stellen weltweit ein zunehmendes Problem dar. Die häufigste Demenz ist die AD (Alzheimer-Demenz), bei der es zur Bildung von Proteinaggregaten in Form von Amyloid-Plaques und Tau-tangles kommt. Eine kausale AD-Therapie ist derzeit nicht möglich. AChE-Inhibitoren, allosterische Verstärker der nAChR-Funktion sowie allosterische NMDAR-Antagonisten wirken moderat symptomatisch, beeinflussen jedoch nicht den AD-Verlauf. Neue Therapiestrategien zielen darauf ab, eine Tau-Aggregation zu verhindern, Mikrotubuli zu stabilisieren und Amyloid-Plaquebildung zu verhindern. Gesunde Ernährung und aktive Lebensführung sowie eine effiziente Behandlung von Hypertonie, Hyperlipidämie und Diabetes können eine Demenzentwicklung verzögern oder verhindern.
Roland Seifert
31. Ophthalmika
Zusammenfassung
Durch den demographischen Wandel nimmt die Prävalenz degenerativer Augenerkrankungen, die Erblindung und damit Einschränkung der Selbstständigkeit zur Folge haben, stetig zu. Zu den wichtigsten Augenerkrankungen, die zur Erblindung führen, gehören das Glaukom und die AMD. Beim primären Offenwinkelglaukom ist der Kammerwasserabfluss in Relation zur Kammerwasserproduktion erniedrigt. Durch eine IOD-Senkung um 30–50 % kann das Fortschreiten der Erkrankung verhindert werden. Die effektivste Therapie ist die Erhöhung des uveoskleralen Kammerwasserabflusses mit PGA. Bei unzureichender Wirkung können weitere Arzneistoffgruppen eingesetzt werden, die den Kammerabfluss steigern oder die Kammerwasserproduktion hemmen. Bei einer AMD unterscheidet man die häufigere und schleichend verlaufende trockene Form von der weniger häufigeren aber gefährlicheren feuchten Form, bei der es über Freisetzung des Wachstumsfaktors VEGF zu Choroidea-Neovaskularisierung mit anschließenden Blutungen und Vernarbungen kommt. Durch regelmäßige intravitreale Injektion von VEGF-Inhibitoren lässt sich das Fortschreiten feuchter AMD aufhalten. Allerdings sind die derzeit hohen Therapiekosten problematisch. Für den Therapieerfolg bei Glaukom und AMD ist die Compliance entscheidend.
Roland Seifert
32. Arzneistoffe zur Behandlung von malignen Tumorerkrankungen
Zusammenfassung
Bei malignen Tumorerkrankungen kommt es zu einem Ungleichgewicht zwischen Proliferation und Apoptose/Zelldifferenzierung zugunsten der Proliferation. Am Checkpoint zwischen der G1-Phase und der S-Phase des Zellzyklus konvergieren viele Signalwege, die bei Tumoren die Proliferation stimulieren. Pharmakologische Ansätze zur Tumortherapie beruhen auf Zellzyklushemmung durch klassische Zytostatika sowie der Apoptoseförderung, Stimulation von Immunvorgängen, Angiogenesehemmung und Hemmung proliferationsfördernder Signalwege durch targeted therapeutics. Klassische Zytostatika haben gemeinsame UAW (z. B. Übelkeit und Erbrechen, Fatigue-Syndrom, Knochenmarksuppression, Hemmung des Wachstums von Epithelzellen, Teratogenität, Karzinogenität) und arzneistoffspezifische UAW. Auch targeted therapeutics haben gravierende UAW, die arzneistoffspezifisch sind. Zur Vermeidung von einer Resistenzentwicklung sowie für verbesserte Wirksamkeit und verringerte Toxizität werden Zytostatika und targeted therapeutics häufig kombiniert. Eine große Bedeutung in der Tumortherapie hat die palliative Behandlung von Schmerzen, Erbrechen sowie Störungen der Hämatopoese. Ein wesentliches gesundheitspolitisches Problem in der Tumortherapie sind die derzeit rasant ansteigenden Kosten für targeted therapeutics.
Roland Seifert
33. Antibakterielle Chemotherapeutika
Zusammenfassung
Bakterielle Infektionen können ernste Erkrankungen auslösen. Da sich Bakterien von menschlichen Zellen stark unterscheiden, lassen sich bakterielle Infektionen prinzipiell sehr gut mit Antibiotika behandeln. Hauptproblem sind Antibiotikaresistenzen u. a. als Folge eines unkritischen Einsatzes dieser Arzneistoffe. Dies hat zur Entwicklung multiresistenter Stämme (z. B. MRSA) geführt, die schwerwiegende Krankenhausinfektionen verursachen können. β-Laktamantibiotika (Penicilline, Cephalosporine und Carbapeneme) sowie Vancomycin hemmen die Zellwandsynthese und wirken bakterizid. Chinolone sind Inhibitoren der bakterieller Gyrase und wirken ebenfalls bakterizid wie auch Nitroimidazole über die Bildung von DNA-Addukten. Aminoglykoside wirken über eine Proteinbiosynthesehemmung bakterizid, Makrolidantibiotika, Lincosamide und Tetrazykline wirken bakteriostatisch. Die Antituberkulotika INH, RMP, PZA, SM und Bedaquilin sind bakterizid, EMB ist bakteriostatisch. Der Dihydrolfolatreduktaseinhibitor TMP ist bakteriostatisch. Zur erfolgreichen Behandlung bakterieller Infektionen ist eine ausreichend lange und hoch dosierte Gabe von Antibiotika erforderlich. Sie können Störungen der GI-Bakterienflora und Allergien hervorrufen sowie Arzneistoff-spezifische UAW auslösen.
Roland Seifert
34. Antivirale Chemotherapeutika
Zusammenfassung
Viren besitzen ein DNA- oder ein RNA-kodiertes Genom und sind für ihre Vermehrung auf den Wirtszellstoffwechsel angewiesen. Virustatikaangriffspunkte sind die Hemmung der Virusaufnahme, Hemmung von DNA- und RNA-Replikation, Integration von Virus-DNA in das Wirtsgenom und die proteolytische Prozessierung von Virusproteinen sowie die Stärkung der körpereigenen Virusabwehr. Wichtige humanpathogene Viren sind HSV, VZV, HIV und HCV. Aciclovir hemmt die virale DNA-Polymerase und wird zur Therapie von HSV- und VZV-Infektionen eingesetzt. Die Therapie der HIV-Infektion erfolgt mit Arzneistoffkombinationen. Am wichtigsten sind NRTI, NNRTI, INI und PI. Die Kombinationstherapie ist sehr gut wirksam, aber die metabolischen Wirkungen der PI sind gravierend. Die HCV-Therapie erfolgt ebenfalls mit Arzneistoffkombinationen. Die Wirksamkeit der HCV-Therapie hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, aber die derzeit hohen Therapiekosten haben zu Diskussionen über die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems geführt. Wichtigste Arzneistoffgruppen zur HCV-Therapie sind die Inhibitoren der viralen RNA-Polymerase NS5B, des viralen Phosphoproteins NS5A, von viralen Proteasen sowie IFN, die die Immunabwehr stärken.
Roland Seifert
35. Antimykotika
Zusammenfassung
Mykosen werden durch Dermatophyten, Hefen, Schimmelpilze und Schlauchpilze hervorgerufen. Einer Mykose liegt eine Schwächung des Immunsystems zugrunde, die ein Überwuchern mit Pilzen ermöglicht. Die biochemische Ähnlichkeit von Pilzen mit menschlichen Zellen erschwert die selektive Abtötung von Pilzzellen. Azolantimykotika hemmen die Ergosterolsynthese und stören die Funktion der Pilzmembran. Azole wirken fungistatisch bei lokaler und systemischer Kandidose sowie Kryptokokkose. Sie hemmen CYP3A4 und verursachen dadurch Arzneistoffinteraktionen. Amphotericin B bildet mit Ergosterol einen Komplex, erhöht die Membranpermeabilität und ist daher sehr toxisch. Es wirkt bei vielen systemischen Mykosen fungizid. Caspofungin hemmt die Biosynthese von Zellwandbestandteilen und ist weniger toxisch als Amphotericin B. Es wirkt fungistatisch oder fungizid bei systemischen Mykosen einschließlich Pneumocystis jirovecii.
Roland Seifert

IV Prüfungsteil

Frontmatter
36. MC-Fragen und Antworten
Zusammenfassung
Das Ziel dieses Kapitel besteht darin, dem Studenten die Möglichkeit zu geben, das in den Kapitel 1–35 dargestellte Wissen exemplarisch zu überprüfen. Zu jedem Kapitel wird eine MC-Frage (ausschließlich im Einfachfragenformat) gestellt. Zu jeder Aussage (zutreffend und nichtzutreffend) wird eine kurze Erläuterung gegeben. Die Fragen prüfen wichtige pathophysiologische und pharmakotherapeutische Konzepte. Außerdem basieren viele Fragen auf den Tabellen der einzelnen Kapitel und der Arzneistoffliste (Anhang). Dies bedeutet, dass es in den MC-Fragen in verschiedenen Variationen um Zuordnungen von Arzneistoffgruppen zu prototypischen Arzneistoffen, den Wirkmechanismen, wichtigen Wirkungen, Indikationen und UAW geht. Es ist davon auszugehen, dass sich das derzeitige Format der Prüfungsfragen des IMPP ändern wird und den NKLM berücksichtigt. Da sich das vorliegende Lehrbuch am NKLM orientiert, haben die hier vorgestellten MC-Fragen möglicherweise Modellcharakter für zukünftige Examina.
Roland Seifert
37. Klinische Fälle
Zusammenfassung
Ein wichtiges Ziel des NKLM besteht darin, dass der Medizinstudent sein Fachwissen praktisch anwenden kann. Dazu gehört auch die Kommunikation mit Patienten, Kollegen und Angehörigen anderer Berufsgruppen (z. B. Apotheker). Der Student sollte nach dem Studium des vorliegenden Lehrbuches ein Grundverständnis für die Pharmakotherapie häufiger Erkrankungen aus allen Bereichen der Medizin besitzen. Der Student sollte dieses Wissen auf den verschiedenen Ebenen kommunizieren können und eine kritische Grundeinstellung für die Anwendung von Arzneistoffen sowie deren Risiken besitzen. Die hier dargestellten Fälle sind nicht auf ein bestimmtes Kapitel fokussiert, sondern erfordern Wissen aus verschiedenen Kapiteln. Es ist davon auszugehen, dass zukünftige Prüfungsfragen des IMPP entsprechend dem NKLM zunehmend interdisziplinär und fallorientiert sind. Die Fragen dieses Kapitels sind als Freitextfragen formuliert, lassen sich aber leicht in MC-Fragen umwandeln.
Roland Seifert
38. Antworten zu den Fallbeispielen
Zusammenfassung
Fallbeispiele sind gut dazu geeignet zu überprüfen, ob der Student nach der Lektüre eines Kapitels dazu in der Lage ist, sein neu erworbenes Wissen in konkreten klinischen Situationen anzuwenden. Die Fallbeispiele in den Kapiteln 1–35 beziehen sich schwerpunktmäßig auf das jeweilige Kapitel und sollen verdeutlichen, dass Pharmakologie ein praktisches Fach mit hoher Interdisziplinarität ist. Ein wesentliches Ziel der Fragen ist es zu überprüfen, ob der Student pharmakologische Inhalte auf verschiedenen Ebenen gut kommunizieren kann. Eine breite Wissensbasis im Fach Pharmakologie ist eine wichtige Grundlage für eine sichere, effektive und preiswerte Pharmakotherapie. Es ist davon auszugehen, dass zukünftige Prüfungsfragen des IMPP pharmakologisches Wissen verstärkt in Form von konkreten Fällen prüfen.
Roland Seifert
Backmatter
Metadaten
Titel
Basiswissen Pharmakologie
verfasst von
Prof. Dr. med. Roland Seifert
Copyright-Jahr
2018
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-56303-8
Print ISBN
978-3-662-56302-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56303-8