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2022 | Medizin allgemein | Buch

Praxis der Funktionalen Stimmtherapie

3+1 Konzept©

verfasst von: Wiltrud Föcking, Marco Parrino

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Dieses Praxisbuch bietet eine Anleitung zum Einsatz der Funktionalen Stimmtherapie. Die 2. Auflage wurde komplett überarbeitet und um das 3+1© Konzept von Föcking und Parrino erweitert. Ein Verfahren, bei dem die Stimme mit ihren Teilfunktionen Dynamik, Kontakt, Pitch und Schwingen betrachtet wird. Sie lernen die Basis- und Add-on-Funktionen der Stimme kennen und erfahren, wie sie gezielt trainiert werden können. Ein umfangreicher Übungsteil mit zahlreichen Audio- und Videofiles ergänzt die Theorie ideal. Tätige in der Logopädie, Sprech- und Sprachtherapie, Unterrichtende in Gesang und in der Stimmbildung finden hier alle notwendigen Grundlagen für Unterricht und Praxis. Plus: Audiofiles, Videos für Theorie und Praxis sowie Vorlagen für Anamnese und Diagnostik zum Download.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Theorie

Frontmatter
Kapitel 1. Aufbau des Buches
Zusammenfassung
Die hier dargestellte Funktionale Stimmtherapie (FST) verknüpft die relevanten funktionalen Aspekte der Stimmgebung mit einer therapeutischen Haltung, die sowohl in der Stimmtherapie als auch im Gesangsunterricht effektiv einsetzbar ist. Dabei wird weniger eine in sich geschlossene Methode als vielmehr eine in höchstem Maße flexible und daher praxistaugliche Herangehensweise beschrieben. Im Zentrum steht die Tätigkeit des Stimmorgans, das mit Hilfe der Stimmklanganalyse und Kenntnis der funktionalen Vorgänge auf Glottisebene immer Ausgangspunkt des Vorgehens ist. Die hierzu notwendigen theoretischen Hintergründe und Voraussetzungen werden im ersten Teil des Buches (Kap. 1–8) dargestellt. Der zweite Teil (Kap. 9–26) ist der Praxis gewidmet. Der Vorteil dieses Praxisbuchs besteht für die Therapeutin darin, effektiv an der Aktivität auf Glottisebene anzusetzen, eine funktionale Stimmentwicklung zu gewährleisten und die ablaufenden Prozesse zu reflektieren. Das umfangreiche Angebot an Übungen in den (Kap. 10–26) soll eine abwechslungsreiche und situationsadäquate Umsetzung der FST im therapeutischen Alltag ermöglichen. Dieses Einführungskapitel beschreibt in groben Zügen, welche Inhalte in den einzelnen Kapiteln des Buches vermittelt werden.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 2. Grundsätzliche Überlegungen zum Vorgehen
Zusammenfassung
Die Ursprünge der Funktionalen Stimmtherapie (FST) liegen in verschiedenen Strömungen der funktionalen Gesangspädagogik, die die selbstregulierte Stimmgebung und den funktionalen Klang in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellt. Diese nicht primär leistungsorientierten, sondern physiologisch ausgerichteten Ansätze lassen sich sehr gut für den therapeutischen Einsatz weiterentwickeln. Das Tönen als vorrangiger Arbeitsmodus bildet einen Brückenschlag zwischen Sprechen und Singen. Es arbeitet deren funktionale Ressourcen heraus und fördert eine ganzheitlich kräftige Stimmfunktion, die dann gleichermaßen beim Sprechen wie auch beim Singen einsetzbar ist. Gleichwohl lässt sich die therapeutische Grundhaltung der FST auch in der Gesangspädagogik erfolgreich einsetzen. Die Hintergründe des humanistischen Menschenbilds dienen sowohl der Therapeutin als auch der Gesangspädagogin, die Stimmarbeit an den individuellen Anforderungen der Stimme der Patientin bzw. der Schülerin zu orientieren. Dies aktiviert außerdem deren Eigenverantwortung und sichert nachhaltig den Transfer.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 3. Stimmfunktion als System
Zusammenfassung
Ein System ist ein zusammenhängendes Gefüge von Elementen, die in ihrer jeweiligen Tätigkeit miteinander in Beziehung stehen. Die Stimmfunktion lässt sich als System beschreiben, weil die an ihr beteiligten Strukturen aufeinander bezogen arbeiten. Durch die systemische Herangehensweise können die prozessualen Abläufe der Stimmentwicklung in der Therapie, die oft unplanbar sind, besser erfasst werden. Dies gelingt vor allem durch den Einsatz der Funktionalen Schleife. Als hilfreiches Werkzeug verleiht sie den chaotisch scheinenden Abläufen Struktur. Die Stimmfunktion kann nur aus ihrer selbstregulierten Aktivität heraus entwickelt werden. Auch ihre anatomischen Strukturen lassen sich durch gezielte Stimulation modifizieren. Daher können auch pathologische organische Veränderungen wie Stimmlippenknötchen gut behandelt werden. Es lassen sich Ordner benennen, die die Stimmfunktion in ihrer Selbstorganisation fördern. Durch die Mustererkennung lassen sich Störungen oder Blockaden in der Selbstorganisation beschreiben. Viele Muster sind Kompensationsmuster, die in der FST blockiert werden, um die Selbstorganisation des Stimmsystems wieder zu aktivieren. Die Rolle der Therapeutin in der Stimmtherapie ist paradox, da sie sowohl Teil des Prozesses ist, gleichzeitig aber eine Beobachterposition außerhalb des Systems einnimmt. Nur in der Reflexion dieser Paradoxie lässt sich diese auflösen.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 4. Das 3 + 1© Konzept: Die Teilfunktionen der Stimmgebung
Zusammenfassung
Die Stimmgebung lässt sich als Funktion beschreiben, die aus verschiedenen Teilfunktionen besteht. Die anatomischen und physiologischen Zusammenhänge der Stimmgebung werden aus der Perspektive ihrer verschiedenen Funktionen betrachtet. Im Zentrum stehen die 3 + 1© Basisfunktionen Pitch, Dynamik, Kontakt und das Schwingen. Sie werden ausführlich beschrieben und ihre unmittelbare Relevanz für einen funktionalen Stimmklang und eine flexible, belastbare Stimmgebung dargestellt. Im weiteren Verlauf werden diese zentralen Funktionen in weitere funktionale Zusammenhänge der Stimme gestellt. Diese sind die Add-Ons Unterdruck, Resonanz und Konzept. Das in der evolutionären Entwicklung des Kehlkopfs entstandene Doppelventil im Kehlkopf ist Ausgangspunkt der Beschreibung des für die therapeutische Arbeit unumgängliche Prinzip des Unterdrucks. Der differenzierte Ventilmechanismus verdeutlicht, inwiefern die Stimmfunktion in weitere Funktionszusammenhänge des menschlichen Organismus eingebunden ist. Wichtigste Voraussetzung einer kraftvollen und dennoch leichten Klangbildung ist die Resonanz. Das Konzept ist der übergeordnete, zentrale Regulator, der jede Stimmgebung vorbereitet, kontrolliert und in ihren Abläufen reguliert. Die Ordner, die die Stimmfunktion regulieren können, werden im Kontext der Erläuterung der Stimmfunktion hergeleitet und beschrieben. Das im Text erwähnte Online-Material können Sie unter folgender Adresse herunterladen und ausdrucken: https://​link.​springer.​com/​book/​10.​1007/​978-3-662-64579-6_​4.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 5. Rhythmus
Zusammenfassung
Rhythmus durchdringt alle Bereiche und Ebenen der Funktionalen Stimmtherapie (FST) und gibt ihnen Struktur. Bereits der Verlauf einer Therapiestunde ist eine rhythmische Interaktion zwischen Patientin und Therapeutin. Eine klangvolle Stimme entsteht nur, wenn die Abfolge der Öffnungs- und Schließphasen der Stimmlippenschwingung rhythmisch ist. Das Glottisventil setzt sich aus den 3 + 1© Teilfunktionen, Kontakt, Dynamik, Pitch und Schwingen zusammen. Bei einer funktionalen Stimmgebung sind diese Teilfunktionen rhythmisch miteinander koordiniert. Das hieraus sich entwickelnde Vibrato im Stimmklang entsteht durch rhythmische Veränderungen von Pitch und Dynamik. Die Einatmung bildet in rhythmischer Koordination mit der Aktivierung des Glottisventils den Phonationsauftakt. Aufgrund der aufgezeigten Bedeutung des Rhythmus für die Stimmgebung haben alle in der FST eingesetzten Tonfolgen, wie Eintonketten, Dreiklänge oder Sprünge, eine rhythmische Struktur.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 6. Stimmdialog
Zusammenfassung
Der Stimmdialog ist die kommunikative Interaktion zwischen Therapeutin und Patientin in der Funktionalen Stimmtherapie (FST). Er findet vor allem in der aktiven Stimmarbeit statt. Das dialogische Setting der FST fördert per se die Stimmentwicklung der Patienten, indem es die Stimmfunktion in ihren rhythmischen Abläufen trainiert. Außerdem sind patientenzentrierte Reflexionsgespräche und der Einsatz von Reflexionsfragen Teil des Stimmdialogs. Durch das grundlegend dialogische Prinzip (Buber 1997) des Stimmdialogs mit den fließenden Übergängen zwischen dem Tönen, rhythmischen Variationen sowie dem Sing- und Sprechmodus wird auch der Transfer in den Alltag berücksichtigt.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 7. Wahrnehmung und Sensorik der Stimme
Zusammenfassung
Die starke Selektion der Wahrnehmung und die individuelle Art und Weise der Verarbeitung von wahrgenommenen Informationen zeigen, wie wichtig ein patientenzentriertes Vorgehen mit unmittelbaren Reflexionsphasen ist. Nur wenn die Patientin ihre persönlichen Erfahrungen macht, die mit ihr, ihrem Leben und ihren Anforderungen an die Stimme zu tun haben, wenn sie sie als relevant selektiert, wird sie eine erfolgreiche Stimmentwicklung einleiten. Indem sie diese Erfahrungen der Therapeutin durch ihre Reflexion mitteilt, kann ein gemeinsamer Erlebnisraum und ein wirklicher Dialog über diese Wahrnehmungen entstehen. Da die Wahrnehmungsselektion oft gefühls- und bedürfnisgesteuert ist, sind emotionale und bildliche Klangvorstellungen hilfreich, um die Wahrnehmung der Patientin anzusprechen und zu locken. Diese offene, aufnehmende Haltung, die „auf Empfang“ steht, kann man auch als aktive Wahrnehmung bezeichnen. Während Wahrnehmung die tatsächliche Aufnahme von äußeren oder inneren Reizen oder mentalen Aktivitäten ist, ist Sensorik die übergeordnete Schaltzentrale, die alle Wahrnehmungsvorgänge aufnimmt, verarbeitet und reguliert.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 8. Psyche und ICF in der Funktionalen Stimmtherapie
Zusammenfassung
Der Stimmklang ist Ausdruck der Person, so auch jede Stimmstörung. Sie ist Teil des selbstregulierten Systems der Patientin, dient diesem und eine Lösung kann auch nur aus dieser systemimmanenten Dynamik heraus entwickelt werden. Dies kann nur die Patientin selbst leisten. Die Therapeutin kann die Stimmstörungen nicht „heilen“, sondern die Selbstregulationsprozesse der Stimmfunktion der Patientin anregen. Dies geschieht in der Funktionalen Stimmtherapie (FST) in der aktiven Stimmarbeit. Nur indem die Patientin ihre funktionale Stimme erlebt, kann sie neue Wege bahnen, zulassen und in ihren Alltag transferieren. Ein anschließendes Gespräch über die Entwicklungen ist oft förderlich, um den Transfer einzuleiten. In der Therapie gibt es Phasen, in denen die Psyche und ihr Zusammenhang zur Stimmfunktion direkt thematisch sind.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino

Praxis

Frontmatter
Kapitel 9. Allgemeine Hinweise zum Praxisteil
Zusammenfassung
Der Praxisteil enthält eine umfangreiche Sammlung an Übungen. Diese sind so aufgebaut, dass die Leserin sie gut im eigenen Praxisalltag umsetzen kann. Die allgemeinen Hinweise beschreiben den einheitlichen Aufbau aller Übungen des Buches, deren Durchführung genau beschrieben und mit Hinweisen, Hilfen, Variationen und Anregungen zu weiterem Vorgehen versehen wurden. Darüber hinaus wird Hintergrundwissen, das für das Verständnis funktionaler Stimmarbeit notwendig ist, vermittelt. Hierzu zählen die Arbeit im Komfortbereich, der Umgang mit Atmung, Artikulation, Durchlässigkeit und die Bedeutung der Stimmklanganalyse. Die Übungskategorien, in die der Praxisteil eingeteilt ist, werden hier bereits im Überblick vorgestellt.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 10. Reflexionsfragen
Zusammenfassung
In der FST ist die Frage die vorrangige Form therapeutischer Kommunikation. Durch ihren Angebotscharakter und ihre offene Form unterstützt sie das patientenzentrierte Vorgehen. Die Patientin wird motiviert und aktiviert, eigenverantwortlich zu handeln. Dennoch ist keine Frage ganz offen, sie enthält immer eine Information und kann als Botschaft die Wahrnehmung der Patientin fördern, anregen und erweitern. Grundsätzlich lassen sich inhaltlich-themenbezogene Fragen von den Frageformen, die sich aus systemtheoretischen Ansätzen entwickelt haben, differenzieren. Inhaltliche Fragen beziehen sich auf konkret inhaltliche Aspekte, die den Prozess der Stimmentwicklung in Richtung Selbstorganisation anregen, auslösen, unterstützen und bereichern können. Die Formen der Reflexionsfragen stammen größtenteils aus der systemischen Arbeit. Sie dienen der Therapeutin dazu, Angebote zu machen, neue Wege der Wahrnehmung und Wertung aufzuzeigen und Informationen zu sammeln, um das Stimmsystem in Bewegung zu bringen.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 11. Musikalische Grundlagen
Zusammenfassung
Die für den therapeutischen Einsatz in der FST notwendigen musikalischen Zusammenhänge werden erläutert und vereinfacht dargestellt. Sie sollen den Einsatz im therapeutischen Alltag erleichtern und der Therapeutin einen möglichst großen Handlungsspielraum bezüglich individueller Modifikationen der Übungen ermöglichen.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 12. Das 3 + 1© Konzept – Erarbeitung der Teilfunktionen der Stimme
Zusammenfassung
Die 3 + 1© Teilfunktionen der Stimme sind bei einer funktionalen Stimmgebung stets und ausnahmslos aktiv.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 13. Koordination der 3 + 1© Basisfunktionen der Stimme
Zusammenfassung
Die Arbeit an der Koordination der 3 + 1© Basisfunktionen setzt voraus, dass bei einer physiologischen Stimmfunktion stets alle Teilfunktionen gleichzeitig aktiv sind. Die Kontaktfunktion ermöglicht die Initiierung eines Tons, indem sie die Stimmlippen aus der Respirations- in die Phonationsstellung bringt. Die Dynamikfunktion reguliert die Lautstärke und stellt eine an die individuellen Erfordernisse angepasste Stimmkraft bereit. Die Pitchfunktion reguliert die Tonhöhe und somit die Flexibilität der Stimme. Die + 1 Funktion: Schwingen setzt sich aus der Rand- und der Vollschwingung zusammen. Im Allgemeinen ist im TTB die Voll- und im HTB die Randschwingung dominant aktiv. Bei der Arbeit an der Koordination der Basisfunktionen geht es darum, einen ausgewogenen Ausgleich durch rhythmische Koordination zu schaffen. Diese regt durch Variationen der Parameter Vokal, Dynamik, Tonhöhe und Rhythmus die Selbstregulation der Stimme an.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 14. Ventilverlagerung
Zusammenfassung
Durch die Verlagerung der Aufmerksamkeit von dem Ventil der Stimmlippen z. B. auf die willkürlich beeinflussbaren Lippen wird eine Veränderung am unwillkürlichen Schwingungsablauf auf Stimmlippenebene bewirkt. Bei den Übungen wahrnehmbare Phänomene im orofazialen Bereich lassen ähnliche Wirkungen auf Glottisebene vermuten. Kommt es beispielsweise zu Stauungen hinter den Lippen, kann auf eine falsche Ventileinstellung der Stimmlippen und somit auf eine unökonomische Umwandlung der Exspirationsluft in Stimmenergie hinweisen. Stimulationen im orofazialen Bereich können also sowohl hier als auch auf Glottisebene eine Funktions- und eine Strukturveränderung bewirken.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 15. Verengungsübungen
Zusammenfassung
Durch die aktive Verengung bestimmter Teile der Ansatzräume beim Tönen können andere, weniger zugängliche Bereiche eine Weitung und Entspannung erfahren. Die Beweglichkeit des Kehlkopfs wird erhöht und die Selbstregulation der Stimmlippenschwingung verbessert. Beim Einsatz der Verengungsübungen erfährt auch die Zunge eine Aufrichtung und Tonusdifferenzierung. Dieser während der Phonation sonst häufig inaktiven Struktur wird die für sie neue Funktion der Klangausdifferenzierung zuteil. Es kommt zu einer Bildung von Obertönen, die der Stimme Tragfähigkeit geben. Kompensatorische Artikulationsmuster können erkannt und aufgelöst werden.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 16. Sogübungen
Zusammenfassung
Das Saugen ist eine angeborene Fähigkeit des Menschen, die aus einer Entwicklungsphase stammt, in der er als Säugling noch gleichzeitig saugen und atmen konnte. Die Funktionen, die später durch Tiefertreten des Kehlkopfs getrennt werden, sind noch gleichzeitig möglich gewesen. Durch die Wahrnehmung des Saugens soll zunächst die unterdruckstimulierende Wirkung für die Stimmgebung nutzbar gemacht werden. Über den Einsatz des willentlich steuerbaren Sogs wird auf Glottisebene unwillkürlich ein Unterdruck stimuliert. Orofaziale Kompensationsmuster lösen sich auf und ungünstige Spannungsverhältnisse in den Ansatzräumen werden modifiziert. Der Zungengrund ist aufgerichtet, Rachen und Kehlkopfeingang sind weit und spannungsfrei. Der Kehlkopf kann sich nach unten entspannen.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 17. Das Konzept für die Stimmgebung: Arbeit an einer funktionalen Klangvorstellung
Zusammenfassung
Bei der Betrachtung der Stimmfunktion als eigenständiges Organ wird ein übergeordnetes Kontrollsystem zur Regulierung aller Systemvorgänge vorausgesetzt. Hier entsteht das Konzept für Ablauf und Qualität des stimmlichen Ereignisses.Durch verschiedene Stimulationen kann dieses Kontrollsystem angeregt und in seinen Selbstorganisationsprozessen unterstützt werden. Im Vordergrund stehen wahrnehmungsorientierte Fragestellungen, die die Sensorik aktivieren und bei ihren Verarbeitungsprozessen unterstützen.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 18. Kompensationsblockaden
Zusammenfassung
Vor allem in der Artikulations- und Atemmuskulatur finden sich bei vielen Patientinnen Kompensationsmuster, die unbewusst eingesetzt werden, um fehlende Kraft auf Glottisebene auszugleichen. Bei den Kompensationsblockaden geht es darum, zunächst einmal eine funktionale Unabhängigkeit zwischen den vorliegenden Kompensationen und der Stimmfunktion herzustellen. Gewohnte Bewegungsmuster werden von der Stimmfunktion entkoppelt. Es kann zu einer freien, klangorientierten und fokussierteren Stimmgebung kommen.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 19. Glottisfokussierung
Zusammenfassung
Um eine möglichst differenzierte Arbeit an den Funktionen des Kehlkopfs zu ermöglichen, bedarf es einer geschulten Wahrnehmung für die Vorgänge, die sich bei der Phonation abspielen. Konkrete Beobachtungsaufträge sollen diese Vorgänge für die Patientin erfahrbar machen. Dazu zählen z. B. die Wahrnehmung räumlicher Verhältnisse, der Enge und Weite im Kehlkopf und in den Ansatzräumen und die Aktivität beim Öffnen und Schließen der Glottis. Diese aktiven Wahrnehmungsvorgänge stärken das phonatorische Kontrollsystem im Bereich Kinästhetik und erleichtern den Transfer in den Sprech- bzw. Singmodus. Besonders für Patientinnen in Sprechberufen, Schauspielerinnen und Sängerinnen kann eine alleinige Kontrolle über den auditiven Kanal trügerisch sein, da Umgebungsgeräusche, Störschall oder ein ganzes Orchester den eigenen Stimmklang überdecken können. Für sie stellt die Eigenkontrolle über die Glottisfokussierung eine große Erleichterung dar.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 20. Phonationsübungen mit Körperaktivität
Zusammenfassung
Durch spezifische Bewegungen auf den Körper zu wird das Unterdruckventil der Glottis aktiviert und gestärkt. Supraglottischer Überdruck kann abgebaut werden. Durch Öffnen des Brustkorbs, Schwingen und Balancieren des Körpers werden die Gelenke flexibilisiert und die UDVF wird angesteuert. Der Kehlkopf geht in eine funktionale Tiefstellung. Durch die intensive phonatorische Tätigkeit werden Innervation und Kontraktion des Vokalis und die Bernoulli-Sogkräfte der Schleimhaut verstärkt. Es kommt zu einer verbesserten Durchblutung der Stimmlippen. Grundsätzlich ist körperliche Durchlässigkeit für die Phonation von Bedeutung, denn Vibrationsempfindungen durch den Klang der Stimme, die über den Körper weitergeleitet werden, fördern sowohl die Selbstregulation der Stimme als auch die Nutzspannung des Gesamtorganismus. Im Zusammenhang mit den Regelkreisen der selbstorganisierten Stimmlippenschwingung wird in der FST die Arbeit der Dehnungsrezeptoren in den Muskelspindeln unterstützt. Im Blickpunkt liegt vor allem deren Elastizität sowie deren Eigenschaft, nach Beendigung der Aktivität in ihre Ursprungsposition zurückzufinden.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 21. Nutzung nonkommunikativer Phonation
Zusammenfassung
Nonkommunikative Phonation ist aufgrund ihrer lebenserhaltenden Primärfunktion stabiler und weniger störungsanfällig. Darüber hinaus kann sie in der Therapie spielerisch eingesetzt werden, ist nicht leistungsorientiert, sondern weckt die Experimentierfreude mit der Stimme. Eine Patientin, die Sprechanstrengung gewohnt ist, kann plötzlich neue Ressourcen ihrer Stimmgebung entdecken.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 22. Animalismen
Zusammenfassung
Durch die Imitation von Tierlauten werden ursprüngliche, unverfälschte und oftmals verkümmerte Kraftpotenziale der Stimme angesprochen. Der Vokalis wird in seiner ganzen muskulären Masse eingesetzt und trainiert. Schonhaltungen und Fehlfunktionen, die sich durch soziale, psychische oder physische Einflüsse etabliert haben, werden aufgehoben. Die Randkanten der Stimmlippen arbeiten mit großer Sensibilität und in sonst ungewohnten und unbekannten Höhen. Die den Tierlauten immanente rhythmische Komponente erleichtert die Koordination der glottalen Unterdruckventilfunktion, insbesondere der Schwingungsdominanzen.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 23. Schleimhautsensibilisierung
Zusammenfassung
Wichtiges Anliegen in der FST ist, die Patientinnen mit ihrer Stimmfunktion in Kontakt zu bringen. Dieser Kontakt soll durch konkrete Wahrnehmungsaufträge intensiviert werden. Die Schleimhautsensibilisierung dient dazu, die Patientin mit der Beschaffenheit und Bewegungsfähigkeit der Schleimhaut der Stimmlippen zu konfrontieren.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 24. Einsatz von Körperrhythmen
Zusammenfassung
Ein rhythmischer Ablauf ist grundlegende Bedingung für eine funktionale Stimmgebung. (s. auch Kap 5, Rhythmus). Diese wahrnehmungsorientierten Übungen bewirken eine Koordination der Rhythmen der Stimmlippenschwingung und des Stimmklangs mit dem Pulsschlag und der Atmung. Zunehmend stellt sich eine synergetische Wirkung im Sinne einer Rhythmisierung des gesamten Organismus ein.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 25. Inhalatorische Phonationsübungen
Zusammenfassung
Inhalatorische Phonation bedeutet, dass nicht wie gewohnt bei der Ausatmung, sondern bei der Einatmung phoniert wird. Durch die paradoxe Luftzufuhr auf Glottisebene kommt es zu einer Destabilisierung der Stimmlippenschwingung, wahrnehmbar in einem instabilen Klangbild auch bei anschließender Phonation auf der Ausatemluft. Im Übungsverlauf lösen sich durch die Stimulierung der Unterdruckventilfunktion unphysiologische Phonationsmuster sowie kompensatorische Bewegungsmuster auf. Es bildet sich ein neues Ordnungssystem heraus, das zu einer harmonisierten Stimmlippenschwingung und somit zu einem ausgeglicheneren Klangbild führt. Es kommt zu einer die Formantbildung begünstigenden Ausformung der Ansatzräume. Die meist eintretende deutliche Verlängerung der Phonationsdauer bei gleichzeitig geringerer Phonationsanstrengung verweist auf ein effizienter arbeitendes Glottisventil.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Kapitel 26. Transfer
Zusammenfassung
Durch die aktive Stimmarbeit auf Vokalebene kann sich die Stimmfunktion entwickeln. Gewohnte Kompensationsmuster, die die selbstorganisierte Stimmgebung behindern, können reduziert oder aufgelöst werden. Bei der Arbeit am Transfer sollen die erreichten stimmlichen Erfolge der aktiven Stimmarbeit gemäß den individuellen Anforderungen der Patientinnen in deren Alltag übertragen werden. Wichtigster Aspekt ist, die Artikulation unter dem funktionalen Gesichtspunkt der Klangorientierung in die Stimmgebung zurückzuführen. Häufig zeigt sich in der Therapiesituation spontan, sobald sich ein Entwicklungsschritt vollzogen hat, eine neue Klangqualität, die der Patientin in Form des spontanen Transfers bewusstgemacht werden sollte. Er fördert die Eigenwahrnehmung und steigert die Therapiemotivation. In der Arbeit am direkten Transfer soll die Übertragung in den Alltag Schritt für Schritt erfolgen, damit die Patientin die Unterschiede in der Stimmgebung nachvollziehen und schließlich auch in anspruchsvollen Sprechsituationen oder beim Singen abrufen kann.
Wiltrud Föcking, Marco Parrino
Backmatter
Metadaten
Titel
Praxis der Funktionalen Stimmtherapie
verfasst von
Wiltrud Föcking
Marco Parrino
Copyright-Jahr
2022
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-64579-6
Print ISBN
978-3-662-64578-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-64579-6