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Erschienen in: Pflegezeitschrift 8/2018

01.07.2018 | Pflegepraxis Zur Zeit gratis

Kinder und Jugendliche mit Chronischen Erkrankungen

Rehabilitation: Pflege auf Augenhöhe

verfasst von: Dr. sportwiss. Robert Jaeschke, Birgit Outzen

Erschienen in: Pflegezeitschrift | Ausgabe 8/2018

Zusammenfassung

Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen können eine mehrwöchige Rehabilitation erhalten, um vor dem Hintergrund ihrer lebensbegleitenden Erkrankung eine bestmögliche entwicklungsgerechte Teilhabe in allen Lebensbereichen zu erlangen. Dafür werden vielfältige erkrankungsspezifische medizinisch-ärztliche, pflegerische, psychologische, pädagogische, bewegungs-, ergo- oder ernährungstherapeutische Maßnahmen sowie strukturierte Patientenschulungen durch ein interdisziplinäres Team durchgeführt. Innerhalb dieses Teams nimmt der Pflegedienst eine zentrale und wichtige Rolle ein, die durch eine große Vielfalt an Tätigkeiten und Aufgaben geprägt ist. Neben „klassischen“ und teilweise hochspezialisierten medizinisch-pflegerischen Aufgaben tragen sie eine große Verantwortung für die Anleitung, Versorgung, Strukturierung, Begleitung und Betreuung der Patienten bei ihrer Umsetzung aller krankheitsspezifischen Techniken und Verhaltensweisen. Dabei sind sie oft erster Ansprechpartner für alle Bedürfnisse und wichtigster Unterstützer der Kinder und Jugendlichen.
Fachleute der Pflege sind nicht nur in Akutkliniken tätig, sondern finden sich auch mit einem breit gefächerten Aufgabengebiet in Rehabilitationskliniken für Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen. Welches sind die Ziele und Inhalte von Rehabilitationsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen und wie sehen die wesentlichen Tätigkeiten der Pflegefachkräfte dabei aus? Ein Überblick.
Kinder und Jugendliche mit gesundheitlichen Einschränkungen wie beispielsweise chronischen Erkrankungen können eine mehrwöchige stationäre Rehabilitation erhalten. Vor dem Hintergrund, dass ihre Erkrankung sie eventuell ein Leben lang begleiten wird, soll eine bestmögliche entwicklungsgerechte Teilhabe in allen Lebensbereichen der Betroffenen ermöglicht werden. Ziel ist es, durch vielfältige medizinische, pflegerische, schulische, psychosoziale, pädagogische oder berufsfördernde Maßnahmen Benachteiligungen — insbesondere in Schule, Ausbildung oder Beruf — zu vermeiden oder entgegenzuwirken. Dazu müssen sie lernen, eigenverantwortlich mit sich und ihrer Erkrankung und den damit zusammenhängenden Behandlungsanforderungen im Alltag umzugehen. Neben der Entwicklung eines entsprechenden Krankheitsverständnisses und einer adäquaten Krankheitseinsicht spielen hier krankheitsspezifische Techniken und Verhaltensweisen, das Einhalten von Therapien sowie der Umgang mit erkrankungsspezifischen psychosozialen Belastungen und Herausforderungen eine entscheidende Rolle im Sinne der Krankheitsbewältigung und der Ermöglichung einer adäquaten Teilhabe.

Interdisziplinäres Konzept und Begleitpersonen

Das Konzept der Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen ist grundlegend interdisziplinär aufgebaut. Damit die Teilhabe in allen Lebensbereichen Berücksichtigung findet, umfasst die mehrwöchige Rehabilitation vielfältige medizinisch-ärztliche, psychologische, pflegerische, pädagogische, bewegungstherapeutische, ergotherapeutische, ernährungstherapeutische und logopädische Maßnahmen sowie strukturierte Patientenschulungen. Dabei erhalten die Patienten grundsätzlich auch Schulunterricht und altersabhängig Maßnahmen der Berufsorientierung und Berufsförderung. Alle Behandlungsmaßnahmen werden aufeinander abgestimmt und individuell an die Bedürfnisse jedes Patienten angepasst. Die Fachleute des Reha-Teams begleiten die Kinder und Jugendlichen über den Tag und alle Behandlungsmaßnahmen hinweg, initiieren, reflektieren und fördern entsprechend individuell gesundheitsförderliche Verhaltensweisen und unterstützen so den Rehabilitationsprozess.
Im Mittelpunkt der Rehabilitation steht immer das betroffene Kind oder der betroffene Jugendliche, wobei eine Begleitung durch eine enge Bezugsperson (i. d. R. ein Elternteil) unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll ist. Auch bei Kindern, welche alleine die Reha antreten, werden die Bezugspersonen oder Eltern von Anfang an, beispielsweise bei der Formulierung individueller Reha-Ziele und der Planung fortlaufender Maßnahmen, in den Reha-Prozess mit einbezogen.

Pflege ist zentraler Bestandteil im Reha-Team

Die Fachpflegekräfte, bzw. die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflege sind ein fester und zentraler Teil des multidisziplinär aufgestellten und interdisziplinär auf Augenhöhe arbeitenden Rehabilitationsteams. Der Stellenwert des Pflegedienstes in der Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen ergibt sich durch die zahlreichen Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Tätigkeiten der betreffenden Fachpflegekräfte. Einerseits tragen sie Verantwortung für pflegerische Tätigkeiten wie die Unterstützung von Ärzten bei der Diagnostik und Behandlung bzw. Versorgung der Patienten. Da diese in der Rehabilitation jedoch über mehrere Wochen in der Einrichtung leben, tragen die Pflegekräfte einen hohen Anteil an der Begleitung der Kinder und Jugendlichen und ggf. der Begleitpersonen über den Tag und alle Behandlungsmaßnahmen hinweg. Häufig liegt es sogar im Aufgabenbereich der Pflege im Sinne einer „zentralen Schaltstelle“ die zahlreichen Maßnahmen zu koordinieren, die Patienten darauf vorzubereiten, die Termine ggf. nachzubereiten und die Kinder und Jugendlichen dabei eng zu begleiten. Insofern sind ihre Aufgaben sehr vielfältig und gehen weit über „klassisch pflegerische“ Tätigkeiten hinaus.

Vielfältige Aufgaben der Pflege in der Rehabilitation

Pflege als Anleiter: Die Mitarbeitenden des Pflegedienstes übernehmen zahlreiche Aufgaben im Rahmen der täglichen Versorgung in medizinischen Belangen. Dazu gehören beispielsweise auch die Pflege von sauerstoffpflichtigen Patienten, von ZVK, VVK und Portsystemen, intravenöse Therapien, Versorgung von PEG-Sonden, die Gaben von Diäten und Sonderkost, u. a. Ebenso übernehmen sie Aufgaben der Anleitung und Instruktion der Patienten wie etwa der Hautpflege oder Dermatotherapie, den Inhalationstechniken, der Medikamenteneinnahme, der Hygiene bis hin zur Anleitung bei medizinischen Bädern (z.B. bei Neurodermitis). Dabei setzen sie einerseits ärztlich angeordnete Therapien um, andererseits leiten Sie den Patienten zur eigenständigen selbst-verantwortlichen Umsetzung an. Gleichzeitig unterstützen sie bei dia-gnostischen Maßnahmen (z.B. Hautprotokolle, Eincremeprotokolle, Halbseitenversuche, Lebensmittelprovokationen, Schmerztagebücher, Peak-Flow-Meter-Protokolle, Erhebung von Blutdiagnostik, Lungenfunktionsdiagnostik etc.) sowie bei medizinisch-pflegerischen Testungen.
Ziel ist es, die Therapien zur Behandlung der chronischen Erkrankung als Selbstverständlichkeit in den täglichen Ablauf zu integrieren, ein adäquates Medikamentenmanagement zu etablieren und nicht zuletzt die Begleitperson also „Co- Therapeuten“ zu qualifizieren. So können die Kinder und Jugendlichen trotz ihrer chronischen Erkrankung eine möglichst belastungsfreie Kindheit bzw. Jugend mit einer altersentsprechenden Teilhabe in allen Lebensbereichen erleben.
Pflege als Ansprechpartner und „Vertrauter“: Die Fachpflegekräfte, welche in der Regel über den gesamten Tag hinweg für die Kinder und Jugendlichen schnell und unkompliziert erreichbar sind, sind erste Ansprechpartner für alle akuten gesundheitlichen Belange der Patienten. Einen Großteil dieser täglich anfallenden niederschwelligen Behandlungen erledigen Sie mit oder ohne kurze Rücksprache mit dem Arzt selbstständig, zeitnah und bedürfnisgerecht.
Doch neben diesen medizinisch-somatischen Belangen sind sie häufig auch erster Ansprechpartner für eher psychosoziale Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen. Im Tagesverlauf unterstützen sie die Mitarbeiter der Pädagogik beim Schlichten von Streit, Trösten, Aufmuntern, Motivieren, Reglementieren oder einfach nur beim Zuhören. Somit ist auch die Alltagsbegleitung und die Alltagsstrukturierung eine ihrer wesentlichen Aufgaben. Die Mitarbeitenden der Pflege genießen daher ein großes Vertrauen der Patienten und füllen nicht selten die Rolle eines immer ansprechbaren „Vertrauten“ für die Kinder und ihre Begleitpersonen aus.
Pflege als Schnittstelle zwischen Arzt und Patient: Vor dem Hintergrund ihrer Nähe zum Patienten und des Vertrauens der Patienten in die Fachpflegekräfte, sind sie die wichtigste Schnittstelle zwischen Ärzten, anderen Fachleuten und den Kindern und Jugendlichen. In dieser Funktion werden sie nicht selten auch zum Vermittler zwischen diesen.
Einerseits vermitteln Sie die Aussagen, Verordnungen, Auffassungen und Vorstellungen des Arztes den Kindern und Jugendlichen. Häufig wird erst im Reha-Alltag klar, was die Patienten von den Aussagen und Vorstellungen des verantwortlichen Arztes verstanden und behalten haben, wozu sie fähig sind und was sie bereit sind, umzusetzen. So erfolgen diese Gespräche auf der Grundlage der genannten persönlichen vertrauensvollen Beziehung in der Regel außerhalb strukturierter Visitenzeiten eher im Reha-Alltag bis hin zu kurzen „Tür- und Angel-Gesprächen“.
Andersherum vermitteln die Pflegenden jedoch auch die im Alltag erlebten Wünsche, Bedürfnisse, Gedanken, Probleme, Erfolge und Belange der Kinder und Jugendlichen dem verantwortlichen Arzt und anderen Fachleuten, welche die Patienten deutlich weniger erleben und seltener sprechen. So erhalten die Verordner über die Pflegekräfte wichtige Informationen und Eindrücke über den Reha-Fortschritt, den Umgang mit neuen Verhaltensweisen und die Wirkung angeordneter Behandlungen als Grundlage für die Planung weitere Behandlungsmaßnahmen und Rehabilitationsprozesse.
Pflege als Schuler: Curricular aufgebaute und alters- bzw. entwicklungsgemäß strukturierte, erkrankungsspezifische Patientenschulungen sind ein „Herzstück“ der Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen und tragen deutlich zur Verbesserung des Selbstmanagements und der Teilhabe bei. Die Schulungsinhalte werden dabei in spezifischen Schulungsstunden im Gruppensetting didaktisch und methodisch aufbereitet vermittelt, begründet, angebahnt und erstmals erprobt. Nachfolgend werden die erlernten Techniken, Verhaltensweisen und Kompetenzen im Reha-Alltag über den gesamten Rehabilitationsaufenthalt praktisch eingeübt und verstetigt, um so die Teilhabe während und vor allem nach der Rehabilitation am Wohnort nachhaltig zu verbessern. Durchgeführt werden diese Schulungen von einem interdisziplinären „auf Augenhöhe“ arbeitenden Team, in dem die Pflegekräfte eine zentrale Rolle spielen. Sie nehmen sowohl Aufgaben und Schulungsstunden mit den Patienten im Rahmen der spezifischen Gruppentermine wahr, als auch in der Begleitung und Strukturierung der Patienten bei der Umsetzung im Reha-Alltag.
Pflege als Koordinator der Behandlungsmaßnahmen: Als zentrales Bindeglied zwischen den verschiedenen an der Behandlung beteiligten Fachleuten und den Patienten nehmen die Pflegekräfte in der Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen die Rolle eines Koordinators aller angeordneten Maßnahmen, Behandlungen und Termine ein. Die Behandlungsmaßnahmen werden in der Regel durch den verantwortlichen Arzt oder Therapeuten angeordnet, und dann in Rücksprache mit den Stationen und Pflegekräften von einem Terminplanungsbüro disponiert und termininert. Für die Wahrnehmung dieser Termine tragen dann die Mitarbeitenden des Pflegedienstes eine hohe Verantwortung. Sie wissen wann welcher Patient wo erscheinen muss und was er zu welchen Terminen mitbringen muss. Gerade jüngere Kinder benötigen hier eine strukturierende Hilfe und Orientierung. Falls die geplante Terminierung nicht realisierbar ist, ist es Aufgabe der Fachpflegekraft, in Zusammenarbeit mit der Terminplanung unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und Besonderheiten des Patienten Alternativen zu finden.
Gerade für diese Patientenorientierung in der Koordination der Behandlungsmaßnahmen ist die Mitarbeit der Pflegekräfte unabdingbar, da sie doch häufig den engsten und kontinuierlichsten Kontakt zum Patienten haben und ihn und seine individuellen Besonderheiten am besten kennen. Nicht zuletzt sind die Pflegekräfte dadurch auch für alle an der Therapie und Behandlung Beteiligten meist erster Ansprechpartner bei allen Fragen zu den jeweiligen Patienten.
Pflege als Begleiter und Unterstützer: Aufgrund der Nähe der Pflegekräfte zum Patienten sind sie gemeinsam mit den pädagogischen MitarbeiterInnen die Begleiter der Patienten über den gesamten Rehabilitationsaufenthalt hinweg. Sie sind teilweise bereits bei der Begrüßung und der Aufnahmeuntersuchung präsent bis hin zur Abschlussuntersuchung und zum Entlassgespräch. Über den Verlauf hinweg wissen sie über die Rehabilitationsziele, die Behandlungsmaßnahmen, den Verlauf und Behandlungsfortschritt, mögliche Schwierigkeiten oder Komplikationen, die sozialen Kontakte, die persönliche Befindlichkeit, die Stimmung eines jeden Kindes oder Jugendlichen ihrer Station Bescheid. Über den Tag hinweg — vom Wecken über die Körperhygiene, die Mahlzeiten, die Schule, die geplanten Behandlungen und Anwendungen, die eigenständig vom Patienten durchzuführenden Behandlungs- oder Verhaltensmaßnahmen, das Freizeitprogramm bis hin zum Schlafengehen oder auch die nächtliche Betreuung begleiten die Pflegekräfte die Patienten und übernehmen so die wichtige Rolle des engsten Unterstützers und Ansprechpartners. Bei Jugendlichen, die alleine ihre Rehabilitation antreten, sind sie darüber hinaus wichtige Ansprechpartner für die Eltern in Bezug auf alle Belange ihrer Kinder.

Fazit: Pflege mit großer Verantwortung

Der Pflegedienst spielt in der Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen eine zentrale Rolle. Neben dem Schwerpunkt „klassisch medizinisch-pflegerischer“ Tätigkeiten tragen sie eine große Verantwortung für die Anleitung, Versorgung, Strukturierung, Begleitung und Betreuung der Patienten bei ihrer Umsetzung aller krankheitsspezifischen Techniken und Verhaltensweisen im Rehabilitationsalltag. Dementsprechend sind die Tätigkeiten äußerst vielfältig und facettenreich von Einzelbehandlungen bis hin zu strukturierten Gruppenschulungen und der Begleitung der Patienten bei alltäglichen krankheitsspezifischen Maßnahmen oder Verhaltensweisen. Dabei arbeiten sie in einem interdisziplinären Team auf Augenhöhe mit Ärzten, Therapeuten und Fachkräften bzw. Fachleuten zahlreicher anderer Disziplinen zusammen und es kommt ihnen häufig die Rolle eines Koordinators und Vermittlers zu. Wertschätzung und Respekt unter den verschiedenen Fachleuten und Berufsgruppen sind hier grundlegende Werte, auf denen diese Form der Zusammenarbeit begründet ist.
Um die Pflegenden vor dem Hintergrund der Vielfältigkeit und Komplexität der Aufgaben in der Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen adäquat vorzubereiten, müssen sie entsprechend aus- und fortgebildet sein.

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Metadaten
Titel
Kinder und Jugendliche mit Chronischen Erkrankungen
Rehabilitation: Pflege auf Augenhöhe
verfasst von
Dr. sportwiss. Robert Jaeschke
Birgit Outzen
Publikationsdatum
01.07.2018
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Pflegezeitschrift / Ausgabe 8/2018
Print ISSN: 0945-1129
Elektronische ISSN: 2520-1816
DOI
https://doi.org/10.1007/s41906-018-0630-6

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