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Erschienen in: Hebammen Wissen 1/2022

01.02.2022 | Hebammen Praxis

Menstruation: Alles andere als peinlich!

verfasst von: Dr. med. Nadine Sutter, Prof. Dr. med. Christian Gnoth

Erschienen in: Hebammen Wissen | Ausgabe 1/2022

Hinweise

Supplementary Information

Zusatzmaterial online: Zu diesem Beitrag sind unter https://​doi.​org/​10.​1007/​s43877-021-0147-x für autorisierte Leser zusätzliche Dateien abrufbar.
Cup, Tampon & Free Bleeding: Aufklärung ist entscheidend Obwohl viele verschiedene Hygieneartikel für die Menstruation beinah überall und jederzeit erhältlich sind, wird darüber noch immer kaum gesprochen, oft kursieren falsche Vorstellungen in den Köpfen. Doch gerade Aufklärung verhindert Vorurteile und trägt maßgeblich zur Gesundheit, nicht nur von Frauen, bei. Hebammen können hier eine wichtige Rolle übernehmen
Warum menstruieren Frauen? Die meisten Säugetiere (98 %) tun dies nicht. Nur bei wenigen wild lebende Primaten kann man eine Menstruation beobachten. Welchen evolutionären Vorteil bietet also die Menstruation? Mit dem Eisprung kommt es in jedem Zyklus zu einer neuen Besiedlung des Endometriums mit massenhaft immunkompetenten Zellen, sodass wir von einer immunologischen Konditionierung mit jedem neuen Zyklus ausgehen können. Dies schafft optimale Voraussetzungen zur semiallogenen Implantation [1, 2].
Nach Daten der Abteilung für Bevölkerungsfragen der Vereinten Nationen befanden sich 2017 weltweit ungefähr 1,9 Milliarden Frauen (26 % der Weltbevölkerung) im menstruationsfähigen Alter. Durchschnittlich menstruiert jede dieser Frauen 65 Tage im Jahr [3]. Dies zeigt die Größe des möglichen Absatzmarktes mit großem wirtschaftlichem Potenzial und damit die Relevanz von Menstruationshygieneartikeln (MHA). Umso unverständlicher ist es, dass die wissenschaftliche Forschung im Bereich Menstruationshygiene und MHA unterrepräsentiert ist. Warum sind MHA mittlerweile in gut ausgeleuchteten Regalen in den Super- und Drogeriemärkten zu finden, aber jeder zehnten Frau ist der Kauf dieser Artikel unangenehm [4]? Zumindest wurde im Januar 2020 vom deutschen Gesetzgeber der Anfang für ein Umdenken gemacht und anerkannt, dass diese Artikel keine "Luxusgüter" sind, sondern eine monatliche Notwendigkeit für viele Frauen. Dementsprechend wurde die Besteuerung von MHA (die "Tamponsteuer") von 19 % auf 7 % gesenkt. Jedoch wird weiterhin (zu) wenig über das Thema Menstruation und Menstruationshygiene gesprochen.

Die Geschichte der MHA

In fast allen Kulturen gibt es Beschreibungen von MHA. Intravaginal angewendete Hilfsmittel findet man bereits bei den Ägyptern, Babyloniern und Assyrern, in Bithynien waren Binden gebräuchlicher. Das verwendete Material passte sich den örtlichen Gegebenheiten an, von Papyrus über Wolle bis hin zu Leinen.
Im Rückblick der jüngeren deutschen Geschichte war bis zum 19. Jahrhundert das Tragen von Unterwäsche nicht üblich und so ließ die Mehrheit der Frauen das Menstruationsblut einfach abfließen [6]. Durch eine Änderung der Einstellung zu Hygiene und Sauberkeit sowie ein verändertes Frauenbild wurde jedoch seitdem die Nutzung von MHA propagiert. Carl Credé beschrieb 1884 als erster eine Binde, die an einem Beckengurt (Abb. 1, e-only) befestigt wurde [7]. Dies war auch der Beginn der industriell hergestellten Binde in Deutschland ("Marwede´s Moos-Binden" oder "Mulpa Damenbinde"). Bis in die 1950er-Jahre waren aber auch selbst angefertigte Binden sehr verbreitet [6]. Mit der Erfindung der "Camelia" im Jahr 1926, als erste industrielle Wegwerfbinde, begann das Zeitalter der Einmalartikel. Bereits seit 1933 war der industriell hergestellte Tampon unter dem Namen "Tampax" erhältlich. In Deutschland brachte Carl Hahn 1950 "o.b." als ersten Tampon auf den Markt [8].
Nach einer 2019 durchgeführten repräsentativen Studie von Frauen zwischen 15 und 49 Jahren wird in Deutschland vor allem auf die "bekannten" MHA zurückgegriffen. Knapp 80 % aller Frauen benutzen Tampons, zwei Drittel greifen auf Binden zurück. Die Menstruationstasse wird von circa 13 % verwendet [4].
Die Methode der Menstruationshygiene wird beeinflusst durch kulturelle Normen, durch Eltern und/oder die Peergroup, persönliche Präferenzen, den ökonomischen Status und sozioökonomischen Druck. Insbesondere für Mädchen und junge Frauen ist das Wissen um die verschiedenen Formen und Anwendungsweisen der MHA, auch der weniger verbreiteten, unabdingbar. Aufklärung schafft Vorurteile aus der Welt. So lässt es sich zum Beispiel wissenschaftlich nicht halten, dass richtig angewendete MHA dauerhaft die Scheidenflora beeinflussen und Pilzinfektionen fördern [9].

Extravaginal anzuwendende MHA

Binden: Die Binde (Abb. 2, e-only) dient dem extravaginalen Auffangen des Menstruationsflusses. Einmalbinden sind häufig vierlagig und bestehen aus synthetischem Material mit einem stark absorbierenden Zellulosekern. In anderen Ländern wie Indien findet man auch industriell hergestellte Binden aus Bambus- oder Bananenfasern ("Saathi") oder Wasserhyazinthen ("Jani") [10]. Der Vorteil dieser Binden liegt in Ländern mit schlechtem Sanitärstandard unter anderem in der besseren Kompostierbarkeit (z. B. bei der Entsorgung in Toiletten ohne Wasserspülung) und den niedrigeren Kosten. Die Angabe der Absorptionsstärke bei Binden ist, im Gegensatz zu Tampons, nicht normiert und liegt bei maximal circa 15 g. Seitdem das Thema Nachhaltigkeit an Popularität gewinnt, sind auch wieder vermehrt Binden aus (Bio-)Baumwolle auf dem Markt vertreten, die gewaschen und wiederverwendet werden können.
Als eine Unterform der Binden sind die dünneren und weniger saugstarken Slipeinlagen (Abb. 3, e-only) zu nennen. Deshalb werden sie meist ergänzend zu intravaginalen Systemen, an schwächeren Menstruationstagen oder zum täglichen Schutz der Kleidung verwendet.
Menstruationsunterwäsche: Diese spezielle Unterwäsche (Abb. 4, e-only), auch Monatshöschen, "period pant", "period panty" genannt, ist im Schritt mit feuchtigkeitsundurchlässigem Material gearbeitet. Sie kann gewaschen und mehrfach verwendet werden. Laut Herstellerangaben können sie den Inhalt von bis zu drei Tampons aufnehmen. Sie werden als Alternative zu Binden oder als zusätzlicher Schutz bei Nutzung von intravaginalen MHA verwendet.

Intravaginal anzuwendende MHA

Tampons: Der Tampon (Abb. 5, e-only) nimmt den Menstruationsfluss intravaginal auf. Nach dem "Edana Code of Practice for tampons placed on the European market", einer Vereinbarung zur Standardisierung der Tamponhersteller, besteht der einzuführende Anteil aus Baumwoll- oder Zellwoll-/Viskosefasern oder einer Mischung aus beiden. Daneben hat der Tampon ein Rückholbändchen, um eine sichere Entfernung zu ermöglichen [11]. Die Saugstärke eines Tampons ist normiert und wird in Tröpfchen angegeben, die die Menge der aufgenommenen Flüssigkeit nach dem Syngina-Protokoll angeben (Tab. 1). Mittlerweile gibt es eine große Anzahl verschiedener Absorptionsstärken, Größen und Inhaltsstoffe. Tampons werden mit oder ohne Einführhilfe, dem sogenannten Applikator, angeboten. Auch beim Tampon sind im Sinne des Nachhaltigkeitsgedankens wiederverwendbare Modelle aus Baumwolle oder Stoff erhältlich.
Menstruationsschwamm/Softtampon: Menstruationsschwämme sind Naturschwämme (Abb. 6, e-only), die ohne Rückholfaden in die Scheide eingeführt werden. Sie sind nach dem Auswaschen auch mehrfach anzuwenden. Die synthetische Form dieser intravaginal anzuwendenden MHA sind die Softtampons (Abb. 7, e-only), die aus saugfähigem Kunststoff hergestellt werden. Softtampons sind Einmalartikel. Die Entfernung erfolgt entweder mit einer Rückhollasche oder durch das Greifen des Schwammes mit Daumen und Zeigefinger. Die Besonderheit dieser Artikel ist, dass sie beim Geschlechtsverkehr in der Scheide verbleiben können.
Menstruationstasse (Menstruations-Cup): Dieser MHA erfreut sich in den letzten Jahren einer immer größer werdenden Beliebtheit, insbesondere bei Mädchen und jungen Frauen. Der kleine Becher besteht aus medizinischem Silikon, Gummi, Latex oder Elastomer (Abb. 8, e-only). Er wird zusammengedrückt in die Scheide eingeführt, nach der Anwendung ausgewaschen und bei Bedarf erneut verwendet. Aktuell gibt es eine Vielzahl von verschiedenen Anbietern und Formen. Als digitale Weiterentwicklung gibt es mittlerweile an eine App gekoppelte Modelle, die die Nutzerin über die aktuelle Füllmenge, die gesamte Blutmenge und -farbe sowie die Basaltemperatur informiert [12].
Studien zeigen, dass die Anwendung einer Menstruationstasse in Bezug auf den Auslaufschutz gleich gut oder besser als bei Binden und Tampons ist. Auch das Infektionsrisiko scheint trotz des Mehrfachgebrauches von Menstruationstassen nicht zu steigen [3], manche Studien fanden im Vergleich zu Tampons und Binden sogar ein vermindertes Risiko [13, 14, 15]. Unklar dagegen ist, ob eine Anwendung bei Intrauterinpessar(IUP)-Trägerinnen empfohlen werden kann. Es gibt einige Fallberichte über Dislokationen von IUPs nach Anwendung von Menstruationstassen, aber auch Studien, die dem widersprechen [3]. Hier gibt es weiteren Forschungsbedarf.
Softcup/Zervixtasse: Der der Menstruationstasse ähnliche, aber nicht wiederverwendbare Softcup/-ring (Abb. 9, e-only) besteht aus einem Plastikring, an dem als Auffangbehälter eine dünne Polymerfolie gespannt ist. Er wird vaginal eingeführt und vor der Zervix platziert. Auch dieser MHA kann beim Geschlechtsverkehr intravaginal belassen werden.

Free bleeding

Ein vollkommen anderer Ansatz der Menstruationshygiene ist die "free bleeding"-Bewegung. Sie postuliert durch gezielten Einsatz der Beckenbodenmuskulatur die bewusste "Steuerung" des Menstruationsflusses, auch ohne den Einsatz von MHA.

Menstruationshygiene - Bedeutung für die Gesundheit

Augenscheinlich ist das Angebot an MHA zumindest in Industriestaaten groß. Nichtsdestotrotz können Unwissenheit, Vorurteile, Kosten und Sicherheitsbedenken dazu führen, dass MHA nicht oder falsch genutzt werden.
Die Monatsblutung gilt teilweise auch heutzutage noch als schmutzig, verunreinigend und beschämend. In einigen Teilen der Welt erfahren Frauen während ihrer Menstruation weiterhin deutliche Restriktionen. Beispielsweise ist es in ländlicheren Gebieten von Nepal noch üblich, menstruierende Frauen in abseits gelegenen Hütten, sogenannten Chhaugoth oder Chhaupadi, unterzubringen [16]. Aber auch in anderen (Entwicklungs-)Ländern nehmen menstruierende Mädchen weniger am Unterricht teil, was auf die Bildung und damit die Höhe des späteren Einkommens sowie auf die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern einen entscheidenden Einfluss hat.
Aktuell betreiben mehr als 50 % aller Mädchen aus Entwicklungsländern inadäquate Menstruationshygiene, vor allem in ländlichen Gegenden [17, 18, 19, 20]. Durch minderwertige Materialqualität steigt das Risiko für Frauen an urogenitalen Infektionen zu erkranken, einschließlich der bakteriellen Vaginose [21]. So ist die richtige Menstruationshygiene ein wichtiger Gesichtspunkt, vor allem in Ländern mit mittleren und niedrigen Einkommen den Standard des Gesundheitswesens ("public health") zu erhöhen. Aus diesem Grund gewinnt das Thema Menstruationshygiene auch in der Entwicklungshilfe an Gewicht. In den letzten zehn Jahren wurden hier bereits große Fortschritte gemacht.
In Deutschland haben sich 25 NGOs im "WASH"-Netzwerk (WASH steht für Wasser, Sanitärversorgung, Hygiene) zusammengeschlossen, um die Grundvoraussetzungen für Menstruationshygiene festzuhalten. 2013 wurde von dieser Organisation der "Menstrual Hygiene Day" ins Leben gerufen, der seitdem jährlich am 28. Mai zelebriert wird. Er hat das Ziel, die Menstruation zu enttabuisieren, das Bewusstsein zu steigern und negative soziale Normen zu verändern. Mittlerweile wird dieser Tag weltweit von über 500 Partnerorganisationen mit umgesetzt [22]. Mit einer Verbesserung der Menstruationshygiene erreicht man bei mehr als der Hälfte der Weltbevölkerung eine Verbesserung des allgemeinen Hygienestandards und der Gesundheit. Zudem wird durch ein neues Selbstverständnis der Menstruation als "natürlichen" Vorgang des Körpers, Frauen ein neues Selbstbewusstsein gegeben und so auch die Gleichberechtigung gefördert.

Toxisches Schocksyndrom (TSS)

Eine Erkrankung, die immer wieder mit dem Tampon in Verbindung gebracht wird, ist das menstruelle toxische Schocksyndrom (mTSS). Es ist mit einer Inzidenz von drei bis sechs Fällen auf 100.000 Frauen im sexuell aktiven Alter [23] eine seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Erkrankung mit den Kardinalsymptomen Fieber, Hypotension, schneller Multiorganbeteiligung und nachfolgendem Exanthem [24]. Es wurde erstmals 1978 durch den Kinderarzt James Todd beschrieben [25]. Man definiert das mTSS in Abgrenzung vom TSS, mit einem Krankheitsbeginn innerhalb von vier Tagen nach der Menstruation [26]. Pathophysiologisch wird das mTSS meist durch Staphylokokkus aureus (seltener Streptokokkus pyogenes) verursacht, der perimenstruell die Vagina besiedelt. Dieser bildet das Toxic-Shock-Syndrom-Toxin 1 (TSST-1), ein Enterotoxin mit Superantigenwirkung, das zu einer massiven T-Lymphozyten-Aktivierung führt. Der dadurch ausgelöste Zytokin-Sturm kann zu einem Multiorganversagen führen.
Der Grund für die - in Anbetracht des ubiquitären Erregers - niedrige Inzidenz des mTSS liegt in einer hohen Antiköperdurchseuchung gegen TSST-1, die mit dem Alter steigt. 81 % aller Teenager weisen positive Antikörper gegen TSST-1 auf [27]. In Studien konnte gezeigt werden, dass Tampons, insbesondere mit einem hohen Absorptionspotenzial und/oder längerer Liegedauer, die TSST-1-Produktion unterstützen können [28]. Auch Menstruationstassen [29] und andere vaginale Hilfsmittel (Diaphragma, vaginaler Kontrazeptionsschwamm etc.) können das Risiko, an einem mTSS zu erkranken, erhöhen.
Das Wiederholungsrisiko für ein mTSS ist hoch (bis zu 60 %) [30], deshalb sollte eine Patientin nach durchgestandener Erkrankung die Nutzung intravaginaler Hilfsmittel unbedingt vermeiden. Ein generelles Abraten intravaginaler MHA ist aber nach Studienlage unter anderem aufgrund der hohen Durchseuchungsrate mit TSST-1-AK und der niedrigen Krankheitsinzidenz jedoch nicht notwendig. Wichtig ist es, intravaginale MHA regelmäßig zu wechseln (alle 4-8 Stunden) und die passende Absorptionsstärke zu wählen.

MHA unter ökologischen Gesichtspunkten

Immer mehr Menschen wollen nachhaltig leben und achten auch bei der Menstruationshygiene auf Abfallvermeidung. Bei den gängigsten MHA scheinen auf den ersten Blick die wiederverwertbaren Artikel bei der Ökobilanz im Vorteil zu sein und werden auch als besonders nachhaltig beworben. Doch bei der Begutachtung der Nachhaltigkeit ist es wichtig, nicht nur einzelne Teilaspekte (wie Abfallvermeidung), sondern die Mehrdimensionalität zu betrachten. So gehört zu einem Produktlebenszyklus neben der Herstellung und dem Vertrieb, auch die Nutzung und gegebenenfalls das Recycling. Die Datenlage zur ökologischen Bilanz von Hygieneartikeln ist bemerkenswert gering [3]. Eine 2019 durchgeführte (nicht veröffentlichte) Vergleichsstudie zwischen Tampons und Menstruationstasse zeigte eine gleichwertige Ökobilanz. Der Nachteil des Tampons liegt im Einwegsystem (Vielfaches an Produktion, Verpackung, Transport und Entsorgung), bei der Menstruationstasse liegt dieser dagegen im Ressourcenverbrauch bei der Reinigung (Wasser, Energie, Reinigungsmittel) [31]. Eine andere Studie dagegen sieht die Menstruationstasse unter ökologischen Gesichtspunkten vorne [32]. So ist eine abschließende Beurteilung nicht möglich.

MHA in der Forschung

Menstruationsfluss ("menstrual effluent") beinhaltet abgeschilfertes Endometrium, bestehend aus endometrialen Epithelzellen, Stromazellen, endothelialen Zellen und andere nicht immunologische und Immunzellen, zusammen mit dem uterinen und vaginalen Mikrobiom inklusive einer riesigen Anzahl von Proteinen, RNA, DNA und Metaboliten [2]. So kann dieser uns eine Menge über den Gesundheitszustand des Uterus und der Vagina sagen. Seit der Erfindung der Menstruationstasse ist es nun möglich, eine nicht invasiv gewonnene Probe zu erhalten und das mit großem Stichprobenvolumen, mit der zusätzlichen Möglichkeit einer rezidivierenden Gewinnung sowohl intra- als auch interzyklisch [2]. Die Akzeptanz insbesondere der Menstruationstasse steigt und - da auch im Alltag genutzt - ist die Anwendung sicher und geübt.
Ein Gebiet, in dem MHA zum Einsatz kommen, ist die Endometriose-Forschung. Bei dieser Erkrankung mit hoher Inzidenz vergehen bis zur endgültigen Diagnosestellung oft Jahre und der Goldstandard ist aktuell die invasive Diagnostik mittels Laparoskopie mit intraoperativer Probenentnahme [33]. Neben allgemeinen Bestrebungen, den Menstruationsfluss als Informationsquelle zu nutzen [24, 25, 36], suchen Forschungsgruppen auch nach grundlegenden Möglichkeiten der nicht invasiven Diagnostik [37] und einer individualisierten Endometriosetherapie [38, 39]. Bei all diesen Fragestellungen wurden Menstruationstassen zur nicht invasiven Probengewinnung verwendet. Da gerade Endometriosepatientinnen Schmerzen bei der Einlage von meist wenig flexiblen intravaginalen Systemen haben, wird an der Erforschung eines diagnostischen Schwammes für die externe Anwendung gearbeitet [2].
Ein weiteres Forschungsgebiet ist die reproduktive Gesundheit von Frauen. Hier wurde durch das US-Unternehmen NextGen Jane bereits ein Smart-Tampon entwickelt. In der Zukunft hofft man, sowohl an Blutungs- wie Nicht-Blutungstagen die Analyse von Genetik, Epigenetik, Mikrobiom und Transkriptom zu ermöglichen - und das einfach und sicher für die Frau zu Hause anwendbar [2].Die weitere Digitalisierung wie die Kopplung von MHA an eine App, wird auch in der gynäkologischen Praxis eine Objektivierung von Menstruationsbeschwerden ermöglichen, etwas bei der Diagnostik einer Hypermenorrhö und der Anämieabklärung.
Wenn auch noch in den Kinderschuhen, ist die Nutzung von MHA in der Forschung angekommen und verspricht vor allem in der nicht invasiven und einfachen Probegewinnung ein großes Potenzial. Durch Nutzung von modernen Technologien der genetischen und zellulären Analyse des Menstruationsflusses wird es neue Sichtweisen und Erkenntnisse geben. Dies eröffnet ein neues Spektrum für die Diagnostik und Therapie von uterinen und reproduktionsmindernden Erkrankungen wie Endometriose, Leiomyomen, Adenomyose und uterin-bedingter Sterilität.

Fazit

Das Thema Menstruationshygiene ist weiterhin, auch in unserer vermeintlich aufgeklärten Gesellschaft, tabuisiert und das trotz seines wirtschaftlichen Potenzials sowie seiner Bedeutung für die allgemeine Gesundheit und für die Emanzipation der Frauen. Nur durch konsequente Aufklärung und aktive Thematisierung werden Vorurteile ausgeräumt.
Das Angebot an MHA ist sehr mannigfaltig und neben den bekannten Artikeln wie Tampons und Binden gibt es auch eine Reihe von Nischenprodukten, zum Beispiel den Menstruationsschwamm oder den Softcup.
Die Vermittlung von Wissen über Menstruationshygiene verbessert die allgemeine Gesundheit von Frauen. Dies wird auch in der Entwicklungshilfe genutzt.
MHA sind grundsätzlich sicher. Das mTSS ist eine seltene, aber potenziell tödliche Erkrankung. Von intravaginalen MHA sollte nach einem durchgemachten mTSS jedoch abgeraten werden.
Metadaten
Titel
Menstruation: Alles andere als peinlich!
verfasst von
Dr. med. Nadine Sutter
Prof. Dr. med. Christian Gnoth
Publikationsdatum
01.02.2022
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Hebammen Wissen / Ausgabe 1/2022
Print ISSN: 2730-7247
Elektronische ISSN: 2730-7255
DOI
https://doi.org/10.1007/s43877-021-0147-x

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