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Erschienen in: Hebammen Wissen 1/2022

01.02.2022 | Thema

Immer mehr Mehrlinge

verfasst von: Dorothee von Haugwitz

Erschienen in: Hebammen Wissen | Ausgabe 1/2022

Betreuung und Begleitung von Mehrlingsschwangerschaften Zwillings- und Mehrlingsschwangerschaften sind Schwangerschaften, die die werdenden Eltern vor Herausforderungen stellen und von Hebammen und Geburtshelfer*innen eine besondere Aufmerksamkeit erfordern. Das Wissen um erhöhte mütterliche und kindliche Risiken bestimmt die Betreuung und Begleitung.
Es ist gängige Praxis alle Schwangere, die Mehrlinge austragen, als Risikoschwangere einzustufen und zu behandeln -unabhängig von der Anamnese und dem Schwangerschaftsverlauf. Engmaschige ärztliche Kontrollen und häufige Ultraschalluntersuchungen bestimmen die Schwangerschaft, obwohl zweieiige Zwillinge meist reif auf die Welt kommen und vaginal geboren werden können. Umso wichtiger ist es als Beitrag zur Gesundheitsförderung und -fürsorge von Mutter und Kindern, Zwillings- und Mehrlingsschwangere individueller zu betrachten.

Kinderwunschbehandlung: Emotionen pur

Der Wunsch nach einem Kind ist ein sehr emotionales Thema für Menschen, die nicht ohne Weiteres Eltern werden können. Nach einem meist langjährigen Leidensweg mit vielen die Intimsphäre verletzenden Untersuchungen, empfinden sie sich oft als unzulänglich. Tickt bei den Wunsch-Eltern zudem die biologische Uhr, wird Hormontherapien oder komplizierten Reproduktionsverfahren umso risikofreudiger zugestimmt.
Wegen des strengen Embryonenschutzgesetzes in Deutschland, das u.a. die Eizellspende im Gegensatz zur Spermienspende verbietet, lassen sich viele Paare im Ausland behandeln. Doch auch dort arbeiten Kinderwunschkliniken unter Erfolgs- und Konkurrenzdruck: Behandlungen sollen schnell zur Schwangerschaft führen. Dabei stehen dann rasch medizintechnische Verfahren im Vordergrund. Die psychische Belastung durch frustrierende Fehlversuche und die angespannte Paarsituationen findet kaum professionelle Unterstützung. Und bei einer folgenden höhergradigen Mehrlingsschwangerschaft stehen die Eltern vor einer schwierigen Entscheidung: Schon bei Drillingen wird die Möglichkeit einer iatrogenen Mehrlingsreduktion erwogen, um Risiken für die Schwangere und die verbleibenden Feten zu minimieren. Eine kräftezehrende Kinderwunschbehandlung und erst recht eine traumatisierende Reduktion von Feten bleiben meist ein Geheimnis, das die Eltern kaum teilen können. Eine offene Trauer um verlorene oder reduzierte Kinder kann selten gelebt werden und Verständnis oder Trost sind nicht zu erwarten. Unbearbeitet kann sich das Erlebte zu einer Lebenskrise für beide Partner entwickeln. Das Vertrauen in eigene Fähigkeiten kann auch in anderen Lebensbereichen verloren gehen.

Sensible Begleitung der Schwangerschaft

Die individuelle Begleitung durch eine Hebamme bietet den werdenden Eltern die Möglichkeit, alle Fragen und Sorgen anzusprechen, für die es während der Behandlung wenig Raum gibt. Hebammen können Eltern ganz nach den Empfehlungen des Beraternetzwerks Kinderwunsch Deutschland (BKiD) bestärken Selbstzweifel, Misstrauen und Unsicherheiten zuzulassen, und verletzende Kommentare aus dem privaten Umfeld relativieren. Insbesondere Frühschwangeren sollten Hebammen Sicherheit vermitteln, solange diese die Babys noch nicht spüren können. Sie können ermutigen und damit Lebensqualität zurückgeben.
Wie beschwerlich der Weg zur Schwangerschaft auch gewesen sein mag, die werdenden Eltern sollen die weitere Schwangerschaft genießen: Hebammenvorsorge wahrnehmen, einen Geburtsvorbereitungskurs besuchen und sich mit anderen Eltern austauschen. In der späteren Betreuung können Hebammen Eltern ermutigen, mit ihren Kindern das Thema Kinderwunschbehandlung offen anzusprechen. Altersgerechte Literatur kann helfen, schon kleine Kinder damit vertraut zu machen.

Die Zwillings- und Mehrlingsschwangerschaft

Mit Feststellen der Mehrlingsschwangerschaft werden Frauen als Risikoschwangere engmaschig ärztlich-medizintechnisch betreut. Im Mai 2020 sind zu deren Überwachung neue Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe DGGG veröffentlicht worden. Diese regeln vornehmlich den Einsatz bildgebender Diagnostik zur Wachstums- und Versorgungskontrolle der Föten. Umso wichtiger ist eine gleichzeitige Betreuung von Risikoschwangeren durch eine aufsuchende Hebamme, vor allem in Bezug auf die Förderung und Unterstützung der Autonomie und Selbstbestimmung der Schwangeren. Dörpinghaus und Schröter (2005) definieren "Betreuung" und "Begleitung" mit einer deutlichen Trennschärfe im Hinblick auf das Tätigkeitsfeld der Hebamme wie folgt:
"Begleitung bedeutet für uns, den gesamten komplexen physiologischen Vorgang in den jeweiligen Phasen von Seiten der Hebamme zuzulassen, auszuhalten und einfühlend zu verstehen. Einfühlendes Verstehen ist die Voraussetzung dafür, dass die Schwangere sich anerkannt und gestärkt fühlt, um eigene Belange selbstverantwortlich zu übernehmen, und gewährt darüber hinaus Unterstützung zur Übernahme von Verantwortung in Elternschaft. "Betreuung bedeutet in Phasen von Familienplanung, Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett sowohl alle Handlungen wie Beratung, Anleitung und Förderung als auch regelrechte von regelwidrigen Verläufen durch Überwachung und Untersuchung abzugrenzen, zu behandeln, zu pflegen und Maßnahmen durchzuführen."
Bei Feststellen der Mehrlingsschwangerschaft ist für die Intensität der Betreuung die Klärung der Chorionizität ausschlaggebend. Dies sollte sonographisch zwischen der 12. und 14. Schwangerschaftswoche (Lambda- oder T-Zeichen) erfolgen. Zwei Drittel aller Zwillingsschwangerschaften sind zweieiig (dizygot) und immer dichorial diamnial, ein Drittel ist eineiig (monozygot). Die einiigen Zwillinge werden dabei in dichorial diamnial, monochorial diamnial oder monochorial monoamnial differenziert. Letztere sind mit 1% der monozygoten Zwillinge am seltensten. Teilen sich Zwillinge eine Plazenta (monochorial), kommt es bei 15 % zu einem feto-fetalen Transfusionssyndrom (FFTS), Twin-to-Twin-Transfusion-Syndrom (TTTS).

Tipps für die Hebammenbetreuung und -begleitung

Zwillings- und Mehrlingsschwangere tragen ihre Kinder selten beiläufig aus. Die Mehrbelastung durch zwei oder mehr Kinder führt zu deutlich früher auftretenden und stärkeren Beschwerden. Dies erfordert mehr Achtsamkeit und Entlastung im Alltag. Dennoch gibt es viele unkompliziert verlaufende Zwillingsschwangerschaften, die wie Einlingsschwangerschaften begleitet werden können.
Erstes Trimenon - 1.-13. SSW: Im ersten Trimenon überwiegt die durch die hohe Ausschüttung von HCG ausgelöste besonders starke Übelkeit, die bis weit über die 16. SSW hinaus anhalten kann. Auch eine starke Geruchs- und Geschmackssensibilität sowie große Müdigkeit bestimmen die ersten Wochen. Hilfreich sind neben körperlicher auch psychische Entlastung (Krankschreibung, Teil-Beschäftigungsverbot, Haushaltshilfe), milde, gut verträgliche Speisen in häufigen kleinen Mengen, lauwarme Getränke (z.B. Koriander- und Ingwertee), Akupunktur (vor allem Pe 6) oder ein HOP-Akupressur-Armband. Weitere naturheilkundliche Mittel sind Nausyn® Tabletten (strikte regelmäßige Einnahme) oder Homöopathie nach guter Anamnese (bewährte Mittel sind Arsenicum album, Colchicum, Ipecacuanha, Nux vomica). Schulmedizinisch sehr gut verträglich ist Agyrax®.
Die psychische Belastung verstärkt die körperlichen Symptome. Die meisten werdenden Mehrlingseltern müssen die Nachricht, es werden zwei oder mehrere Kinder, erst einmal verarbeiten. Die Bandbreite an Reaktionen reicht von totalem Schock und Überforderung bis zu überschäumender Freude und Stolz. Die Eltern sollten wissen, dass alle Gefühle ihre Berechtigung haben. Oft ist die Sorge vor Erkrankung oder Behinderung eines oder aller Kinder groß. Eine sensible Begleitung und das Aufzeigen von Hilfen (z.B. Haushaltshilfe, erweiterte Hebammenbetreuung, Kontakt zu Mehrlingsfamilien, Klärung der finanziellen Hilfen über Beratungsstellen) können die Eltern in dieser Phase gut unterstützen.
Zweites Trimenon - 14.-27. SSW: Ist die Übelkeit abgeklungen, beginnt die stabile mittlere Zeit, der Bauch wächst und die Kinder sortieren sich. Die werdenden Eltern können sich nun auf die Ankunft der Kinder vorbereiten. Größere Anschaffungen, Umräumen und Einrichten zuhause sind ab der 20. SSW gut zu schaffen. Dennoch schwingt die Sorge mit, die Kinder zu verlieren.
Ein wichtiges Datum ist das Erreichen der 24. SSW. Viele werdende Eltern fühlen sich erst dann sicher und erwarten die Lebensfähigkeit ihrer Kinder. Mögliche Belastungen sind Ischialgien, Sodbrennen, Symphysen Beschwerden, Wachstumsschübe der Babys oder Übungskontraktionen. Natürlich können sich vorzeitige Wehen, Cervix-Insuffizienz oder Wachstumsdiskrepanzen auch jetzt schon zeigen. Für die Schwangere ist es wichtig, sich regelmäßig Ruhezeiten zu nehmen, um durch Atem- und Entspannungsübungen psychisch und physisch stabil zu bleiben. Zudem fördern Körperwahrnehmungsübungen die Durchblutung im Becken- und Bauchraum, was bei einer Wachstumsretardierung sinnvoll ist. Sind eine oder zwei Plazenten an der Vorderwand eingenistet, spüren die Schwangeren die Kindsbewegungen unter Umständen erst nach der 20. SSW. Das Wissen darum entstresst zusätzlich.
Ein Lumbo-Ischialgürtel kann bei Rückenschmerzen und zur Entlastung der Symphyse helfen. Gebärmutter-entspannendes Öl nach Stadelmann und Bryophyllum 50% von Weleda beruhigen nicht nur den Bauch, sondern wirken auch psychisch ausgleichend. Bei Sodbrennen hilft neben den üblichen Ernährungsempfehlungen das Umstellen auf ein Hydrogencarbonat-haltiges mildes Mineralwasser (z.B. Fachinger). Je weiter die Schwangerschaft ausgetragen wird, desto geringer wird die Gefahr, dass bei eineiigen Zwillingen ein FFTS entsteht.
Zum Übergang in das letzte Trimenon bietet sich die Teilnahme an einem speziellen Geburtsvorbereitungskurs für werdende Zwillings- und Mehrlingseltern an. Es gibt mittlerweile zahlreiche Angebote für Präsenz- und Onlinekurse (z.B.: www.schwanger-mit-zwillingen.de). Der Kontakt zu anderen Mehrlingseltern ist ungemein hilfreich und stärkend, denn Einlingsschwangere können die Besonderheiten nicht immer nachvollziehen und deren Geburtsvorbereitungskurse thematisieren Mehrlingsschwangerschaften eher als risikobehaftet.
Drittes Trimenon - 28.-40. SSW: Vor allem geht es jetzt um das möglichst lange Ausbrüten der Babys, jeder Tag zählt! Gegebenenfalls kann die Schwangere zeitig in den Mutterschutz starten (Resturlaub, Krankschreibung, Beschäftigungsverbot). Da es für Mehrlingsschwangere keine Sonderregelung zum Mutterschutz gibt, die Babys aber meist zwei bis vier Wochen vor dem errechneten Termin (ET) geboren werden, fehlt den Schwangeren die nötige Ruhezeit vor der Geburt, um sich mental und emotional auf alles Kommende einzustellen. Kommen die Babys vor der 34. SSW auf die Welt, wird der Mutterschutz, der nicht genommen werden konnte, nach der Geburt möglich, so dass die Mutter auf jeden Fall insgesamt 18 Wochen in bezahltem Mutterschutz sein wird.
Wichtig zur Geburtsvorbereitung ist die Stärkung des Vertrauens in die eigenen körperlichen Fähigkeiten. Sind Paare nur mit Unterstützung schwanger geworden oder konnte die Schwangerschaft überhaupt nur unter engmaschiger medizinischer Betreuung gelingen, mangelt es an Zuversicht, die Kinder vaginal zu gebären oder zu stillen. Gerade zweieiige Zwillingsschwangere sollten hier ermutigt und bestärkt werden. Denn auch die betreuenden Ärzt*innen erwarten aus einem großen Sicherheitsbedürfnis heraus kaum die Möglichkeit einer normalen Geburt. Laut der 2013 veröffentlichten englischen Twin Birth Studie führen elektive Sectiones allerdings nicht zur Verbesserung der Morbidität oder Mortalität von Müttern und Babys. Fällt die Entscheidung zur elektiven Sectio, sollten Paare auch darauf vorbereitet werden. In den meisten Geburtskliniken ist eine Kaiserschnittgeburt bei Zwillingen möglich.
Zwillingsschwangere können mit geburtsvorbereitender Akupunktur auf die vaginale Geburt vorbereitet werden. Als positiver Nebeneffekt mildert die Akupunktur Ödeme in den Extremitäten und wirkt regulierend auf den Nierenstoffwechsel. Meistens schlafen die Schwangeren nach der Behandlung deutlich besser. Ein Carpaltunnelsyndrom lässt sich ebenfalls effektiv akupunktieren. Maisbart-Tee reguliert zusätzlich bei Ödemen und grenzwertiger Hypertonie. Kompressionsstrümpfe können mit einer Anziehhilfe schonender angezogen werden. Weitere Empfehlungen bietet die Präeklampsie Arbeitsgemeinschaft Gestose-Betroffenen e.V.
In der Begleitung von Mehrlingsschwangeren bleibt es besonders wichtig, sich auf das Verstehen zu konzentrieren und nicht zu bewerten. Entscheidungen der Eltern, wie die Anzahl der ausgetragenen Kinder, die Art ihrer Geburt oder das Stillen, müssen respektiert werden. Es gilt, sich professionell abzugrenzen und die Paare im besten Sinne zu begleiten.

Litera'tur

  • Barrett JFR, Hannah ME, Hutton EK et al. (2013) A randomizes trial of planned cesarean or vaginal delivery for twin pregnancy. N Engl J Med 369:1295-305. DOI: 10.1056 / NEjMoa1214939
  • Seit 3/21 werden auch in Bonn für das vom BMBF geförderte internationale multizentrische Verbundprojekt "Pretwinscreen - Entwicklung eines multidisziplinären Ansatzes zur personalisierten Schwangerschaftsdiagnostik und Versorgung von Zwillingsschwangerschaften" in insgesamt sechs Ländern, Daten von Zwillingsschwangeren erhoben.
  • Wippermann C (2014) Kinderlose Frauen und Männer: Ungewollte und gewollte Kinderlosigkeit im Lebenslauf und Nutzung von Unterstützungsangeboten. In: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.). Bonifatius GmbH Paderborn.
  • Statistisches Bundesamt. https://www.destatis.de/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Haushalte-Familien/Publikationen/Download-HAushalte/geburtentrends-tabellenband-5122203189014.pdf?_blob=publikationFile (Zugriff am 10.12.2021)
  • Deutsches IVF-Register e.V. (D·I·R)®. https://www.deutsches-ivf-register.de/perch/resources/dir-jahrbuch-2018-deutsch-4.pdf (Zugriff am 10.12.2021)
  • https://www.deutsches-ivf-register.de/perch/resources/dir-jahrbuch-2019-de.pdf (Zugriff am 10.12.2021)
  • Beraternetzwerk Kinderwunsch Deutschland (BKiD). www.bkid.de
  • von Kaisenberg CS*, Klaritsch P*, Ochsenbein-Kölble N, Hodel M, Nothacker M, Hecher K. (*geteilte Erstautorenschaft) (2020) Überwachung und Betreuung von Zwillingsschwangerschaften. AWMF LL 015-087, S. 24
  • Dörpinghaus S, Schröter B (2005) Welchen Namen soll die "Hebammenwissenschaft" tragen? Die Hebamme 18:206-210
  • Siehe auch neue Elternzeitregelungen ab 1.9.2021: https://www.familien-wegweiser.de
  • Arbeitsgemeinschaft Gestose-Betroffene e.V. http://präeklampsie-hellp.de/start.
  • Verband der Ersatzkassen (VDEK) (2018) Anlage 1.3 Vergütungsverzeichnis https://www.vdek.com/vertragspartner/hebammen/_jcr_content/par/download_1693182019/file.res/10_Lesefassung_Hebammen-Verguetungsverzeichnis_ab_2018-07-15.pdf.

Kinderbuch-Tipps:

  • Schulze R (2020) Ich bin ein Kinderwunsch-Wunschkind. Stadelmann Verlag, ISBN 978-3-943793-83-3 (stadelmann-natur.de)
  • Thorn P (2011) Woher manche Babys kommen. Ein Erklärungs- und Aufklärungsbuch für Kinder, die mit medizinischer Unterstützung gezeugt wurden. FamART, ISBN 978-3-9811-4102-3.

Zahlen und Fakten

Die Zahl an Mehrlingsschwangerschaften steigt in Deutschland stetig. Allein 2020 wurden 13.867 Mehrlinge (davon 13.663 Zwillinge) geboren (2011: 11.490 Mehrlinge, davon 11.254 Zwillinge). Maßgeblich hierfür sind sich verändernde Lebensumstände: Frauen und Männer entschließen sich vergleichsweise spät zur Familiengründung. Frauen über 30 sind dann hormonell näher am Ende ihrer fruchtbaren Phase. Die Eierstöcke produzieren in der Übergangsphase zum Klimakterium weniger Sexualhormone. Darauf reagiert der Körper automatisch mit einer erhöhten FSH-Ausschüttung und regt damit die Östrogen- und Progesteron-Produktion an. Es werden Mehrfach-Eisprünge pro Zyklus ausgelöst, die zu Zwillings- und Mehrlingsschwangerschaften werden können. Deutschland zählt in Europa zu den Ländern mit der höchsten ungewollten Kinderlosigkeit. Dies führte in den letzten 20 Jahren zur Verdreifachung der durch Kinderwunschbehandlung entstandenen Schwangerschaften. Seit 2019 werden zudem Kinderwunschbehandlungen von lesbischen Paaren und Single-Frauen dokumentiert. Von den Schwangeren meiner Zwillingsgeburtsvorbereitungskurse (seit 1999 ca. 1.000 Frauen) sind etwa zwei Drittel spontan und ein Drittel nach Kinderwunschbehandlung schwanger geworden.

Abrechnung

Laut Hebammengebührenverordnung nach § 134a SGB V werden Hebammenleistungen in der Schwangerschaft unabhängig von der Anzahl der ausgetragenen Babys vergütet. Besuche zur Hilfe bei Beschwerden sind nicht begrenzt, bedürfen aber einer Begründung, wenn diese am Tag einer Vorsorge stattfinden. In der Wochenbettbetreuung und Stillberatung wird ein Mehrlingszuschlag von 12,81 Euro ab dem zweiten Baby für jeden weiteren Mehrling gezahlt. Einzelgeburtsvorbereitung oder -rückbildungsgymnastik auf ärztliche Anordnung wird mit 10,33 Euro vergütet.

Fazit

Die Betreuung und Begleitung von Mehrlingsschwangerschaften ist eine bereichernde Herausforderung für die freiberufliche Hebammenarbeit und gehört zum Hebammenalltag.
Gerade Risikoschwangere, insbesondere nach anstrengender Kinderwunschbehandlung, verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit im Sinne der Gesundheitsförderung für Mutter und Kinder.
Für mich als Hebamme bleibt es einfach fantastisch, dass Schwangere, auch nach "kleiner" Initialzündung, mehrere Babys gleichzeitig aus eigener Kraft in sich wachsen lassen können - und das verdient unsere volle Unterstützung!
Metadaten
Titel
Immer mehr Mehrlinge
verfasst von
Dorothee von Haugwitz
Publikationsdatum
01.02.2022
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Hebammen Wissen / Ausgabe 1/2022
Print ISSN: 2730-7247
Elektronische ISSN: 2730-7255
DOI
https://doi.org/10.1007/s43877-021-0149-8

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