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Erschienen in:

01.04.2023 | Klima | Pflege Management

Klimawandel - Hitze - Kindergesundheit

verfasst von: Dr. Julia Schoierer, Hannah Lehmann

Erschienen in: Pflegezeitschrift | Ausgabe 4/2023

Zusammenfassung

In Deutschland sind die Auswirkungen des Klimawandels vor allem durch eine Zunahme von Hitzewellen spürbar. Diese beeinflusst unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit quer durch die Bevölkerungsgruppen, wobei Ungeborene und Kleinkinder (0 bis 4 Jahre) besonders vulnerabel gegenüber hitzebedingten Erkrankungen sind. Dennoch sind Gesundheits- und Pflegeberufe insbesondere im Hinblick auf die Kindergesundheit bisher unzureichend auf die neuen Herausforderungen von Hitze und Gesundheitsschutz vorbereitet. Die Sensibilisierung der relevanten Berufsgruppen durch die Vermittlung konkreter und im Akutfall leicht umsetzbarer Maßnahmen zur Hitzereduktion ist erforderlich.
Neue Herausforderungen für die Pflege Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet den Klimawandel als die größte Herausforderung für die menschliche Gesundheit. Sind Gesundheits- und Pflegeberufe in Deutschland ausreichend vorbereitet, um vulnerable Personengruppen wie Kinder ausreichend zu schützen?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet den Klimawandel als die größte Herausforderung für die menschliche Gesundheit. Der Anstieg der mittleren globalen Jahrestemperatur seit Beginn der Industrialisierung liegt bereits heute bei 1,2 °C, und die Folgen des menschengemachten Klimawandels sind sowohl global als auch national in Form von Hitze und Dürren, Unwettern und Naturkatastrophen, Belastungen durch Ozon, Feinstaub, Allergien und Infektionskrankheiten sowie Auswirkungen auf die psychische Gesundheit deutlich spürbar (Umweltbundesamt 2021). In Deutschland stieg die Durchschnittstemperatur sogar um 1,5 °C und liegt damit über dem globalen Niveau (BMUV 2020). Ohne massive Reduktionen der Treibhausgasemissionen wird ein heute geborenes Kind im Erwachsenenalter eine Welt erleben, die 4 °C wärmer als der vorindustrielle Durchschnitt ist (Watts et al. 2019). Die mit der Klimakrise einhergehende Vielzahl gesundheitlicher Bedrohungen und der Umgang damit ist für die Gesundheitssysteme bereits heute eine große Herausforderung und wird in Zukunft weiter zunehmen (Mertes et al. 2021).

Hitze als zunehmendes Gesundheitsproblem

Die Auswirkungen des Klimawandels sind in Deutschland vor allem durch eine Zunahme von Hitzewellen spürbar (Wolf et al. 2021). Hitze betrifft alle Menschen quer durch die Bevölkerung und wird zunehmend als Gesundheitsbelastung wahrgenommen. Dabei reicht die Spanne von leichten Einschränkungen im Wohlbefinden, über die Verringerung der Leistungsfähigkeit bis hin zu massiven Hitzeerkrankungen. Wie stark jeder Mensch von Hitze betroffen und in seiner Gesundheit belastet ist, hängt von individuellen Faktoren ab, physiologischen (z.B. Alter, Gesundheitszustand, Akklimatisierungszustand), sozialen (z.B. Tätigkeit, Arbeits- und Wohnumfeld, soziales Netzwerk) sowie von umgesetzten Maßnahmen zum eigenen Hitzeschutz.
Neben älteren und hochaltrigen Menschen gehören Kleinkinder (0 bis 4 Jahre) zu den vulnerabelsten Gruppen für Krankenhauseinweisungen und Notaufnahmen während Hitzewellen, wie eine kalifornische Studie von 2006 darstellt (Knowlton et al. 2009).

Hitze und Kindergesundheit

Kinder sind in ihrer Thermoregulation noch nicht voll ausgereift und können sich weniger gut an Hitze anpassen als Erwachsene. Gründe hierfür sind im Vergleich zum Erwachsenen ein höheres Oberflächen-Massen-Verhältnis, ein höherer metabolischer Umsatz und Stoffwechsel, sowie eine geringere Schweißbildung. Des Weiteren sind Kinder körperlich aktiver und können auch die Gefahr von Hitze nicht adäquat einschätzen. Abbildung 1 zeigt die Gesundheitsgefahren und Symptome durch Hitzebelastung bei Kindern.
Die Datenlage zur Krankheitslast durch Hitze unter Kindern ist bisher unzureichend. Eine rein deskriptive Analyse aus dem Dr. von Haunersches Kinderspital in München zeigte bei der Diagnose Dehydratationen (ICD-10: E86) während der Sommermonate (Mai-September) ab 2003 mehrmals eine markante Häufung (Abb. 2) (Böse-O'Reilly et al. 2023; Stiftung Kindergesundheit 2022). Betrachtet man die Jahre mit besonders vielen diagnostizierten Dehydratationen so lässt sich erkennen, dass diese Jahre laut Deutschem Wetterdienst auch besonders heiß waren (DWD 2017).
Hitze kann jedoch auch bereits im Mutterleib ein Gesundheitsrisiko darstellen. Eine Analyse aus den USA aus dem Jahr 2020 beschreibt die Verkürzung der Schwangerschaftsdauer aufgrund von Hitzewellen um bis zu zwei Wochen im Vergleich zu Normaltemperaturen. An Hitzetagen sowie am Folgetag beobachten die Forschenden einen Anstieg der Entbindungen (Bareca & Schaller 2020).

Hitze in der (pädiatrischen) Pflege: Präventionsmaßnahmen

Der Schutz der Kinder vor Hitze sollte also bereits bei der passenden Betreuung der schwangeren Mutter beginnen und zudem in der pädiatrischen Versorgung verankert werden. Im Hinblick auf den gesundheitlichen Hitzeschutz kommt den Gesundheits- und Pflegeberufen eine Schlüsselrolle zu. Das gilt für den ambulanten wie stationären Bereich. Beschäftigte dieser Berufsgruppen müssen auf das zunehmende Gesundheitsrisiko für Kinder vorbereitet sein und sowohl organisatorische wie pflegerische Hitzeschutzmaßnahmen kennen.
Betrachtet man vorangegangene Projekte zum Hitzeschutz wie den vom Klinikum der LMU entwickelten Hitzemaßnahmenplan für stationäre Einrichtungen der Altenpflege oder auch kommunale Hitzeaktionspläne, so lässt sich erkennen, dass häufig eine zeitliche Strukturierung von Maßnahmen zum gesundheitlichen Hitzeschutz gewählt wird und die Maßnahmen in kurzfristige (Akutfall der Hitzeperiode), mittelfristige (vor den Sommermonaten) bis langfristige (ganzjährig) angelegt werden (LMU Klinikum 2020).
Ein wichtiger, aber zeitlich übergreifender Aspekt ist das Sensibilisieren aller Berufsgruppen mit Zugang zu den zu pflegenden bzw. betreuenden Personen sowie der vulnerablen Gruppen selbst. So können beispielweise speziell an die Einrichtung und Berufsgruppe angepasste interne Schulungen und Aktionstage zum Thema Hitze, (Kinder-)Gesundheit und Prävention organisiert werden. Insbesondere die Bewusstseinsstärkung für die Gefahren von Hitze für (ungeborene) Kinder, die Unterschiede in der Thermoregulation von Kindern und Erwachsenen sowie konkrete Handlungsmaßnahmen sind von Bedeutung, da diese Thematiken in Aus-, Weiter- und Fortbildungen bislang häufig unterrepräsentiert sind. Flankiert werden können diese Schulungen beispielsweise von Informationsbroschüren, Handreichungen, weiteren Printmaterialien oder auch videogestützten Informationen. Dabei sollte die Wahl der Informationsformate und der Ansprache stets an Einrichtung und Zielgruppe orientiert sein. Schlagworte wie Niedrigschwelligkeit, einfache Handhabung und Akzeptanz spielen hierbei eine entscheidende Rolle.
Wie kann Hitzeschutz in der pädiatrischen Versorgung aber konkret aussehen? Im Hinblick auf langfristige Maßnahmen zum gesundheitlichen Hitzeschutz sollte Hitzereduktion in den Innenräumen zum einen bereits vorsorglich bei Neubauten, Umbau- oder Renovierungsmaßnahmen durch eine Anpassung der baulichen Gegebenheiten (z. B. Verschattungssysteme, Kühlsysteme der Innenräume) berücksichtigt werden. Zum anderen können regelmäßige Schulungen für Beschäftige in Gesundheits- und Pflegeberufen langfristig und nachhaltig für das Thema sensibilisieren. Auch die Planung der Implementierung mittel- und kurzfristiger Maßnahmen sollte mit Blick auf den kommenden Sommer möglichst früh stattfinden. Nach dem Sommer sind eine Evaluation und Überprüfung der umgesetzten Maßnahmen sinnvoll.
Mittelfristig, also im Frühsommer, sollte der Fokus verstärkt auf die Sensibilisierung aller Beschäftigten sowie von Eltern/An- und Zugehörigen für den nahenden Sommer gelegt werden. Auch die frühzeitige Identifizierung besonders vulnerabler Kinder, beispielsweise solche mit chronischen Erkrankungen, spielt bereits vor den Sommermonaten eine wichtige Rolle, um im Akutfall zielgruppenspezifisch reagieren zu können.
Während eines akuten Hitzeereignisses steht zum einen die Anpassung der pflegerischen Maßnahmen sowie intensive Betreuung besonders vulnerabler Kinder und Beachtung von Hitzesymptomen im Vordergrund. Da Hitze sich auf die Aufnahme, die Verteilung, den Abbau und die Ausscheidung von Arzneimitteln im Körper auswirkt, ist ggf. eine Anpassung der Medikation erforderlich. Zum anderen ist die Hitzereduktion in den Innenräumen ein weiterer wichtiger Aspekt, bei dem verschiedene einrichtungsinterne Arbeitsbereiche miteinbezogen werden können, um in den jeweiligen Bereichen entsprechende Maßnahmen zu ergreifen (z.B. früh morgens oder nachts während der Reinigung lüften).

Literatur

Fazit

Bisher sind Gesundheits- und Pflegeberufe unzureichend auf die neuen Herausforderungen von Hitze und Gesundheitsschutz vorbereitet.
Insbesondere Kinder als vulnerable Gruppen werden beim gesundheitlichen Hitzeschutz bisher kaum berücksichtigt.
Ein ganz entscheidender Faktor in der Pflege ist die Zusammenarbeit und Kommunikation aller Beschäftigten. Dazu zählt die Vorbereitung aller Mitarbeitenden auf Hitzeereignisse, um im Akutfall passgenau handeln zu können.
Die Vorbereitungen auf Hitzeereignisse reichen von der Etablierung organisatorischer Maßnahmen bis hin zu pflegerischen Maßnahmen.

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Metadaten
Titel
Klimawandel - Hitze - Kindergesundheit
verfasst von
Dr. Julia Schoierer
Hannah Lehmann
Publikationsdatum
01.04.2023
Verlag
Springer Medizin
Schlagwort
Klima
Erschienen in
Pflegezeitschrift / Ausgabe 4/2023
Print ISSN: 0945-1129
Elektronische ISSN: 2520-1816
DOI
https://doi.org/10.1007/s41906-023-2040-7

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