Die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung hat in ihrer neunten Stellungnahme Empfehlungen zur Reform des Rettungsdiensts veröffentlicht [
1]. Hierin wird unter anderem die Akademisierung des Berufs der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters empfohlen, mit dem Ziel, den Notarztdienst durch Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter zu substituieren. Notärztinnen und Notärzte sollen nur in besonders komplexen Fällen und überwiegend per Rettungshubschrauber oder unterstützend als Telenotärztin bzw. Telenotarzt eingesetzt werden [
1]. Entsprechend ausgebildete Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter sollen hierfür eine „fachgebundene Heilkundebefugnis“ erhalten. Die Regierungskommission nennt hierbei explizit andere Staaten (Australien, Vereinigtes Königreich, USA, Kanada, Norwegen und Finnland) als Vorbild.
Insbesondere bei hochinvasiven Maßnahmen stellt sich die Frage, welche Anforderungen an das eingesetzte Personal zu stellen sind und welche Grenzen für die Substitution ärztlicher Maßnahmen durch nichtärztliches Rettungsdienstpersonal bestehen.
Um die Behandlungsergebnisse hochinvasiver Maßnahmen von Notärztinnen und Notärzten und Paramedics in verschiedenen Rettungsdienstsystemen miteinander zu vergleichen, bietet sich die endotracheale Intubation an, da hier klare Endpunkte existieren, wie die Erfolgsrate im ersten Versuch („first pass success“), die Gesamterfolgsrate oder die Zahl unerkannter ösophagealer Fehlintubationen. Zudem existieren Studiendaten aus verschiedenen Ländern mit verschiedenen Rettungsdienstsystemen.
Wir führten daher eine systematische Literaturrecherche zur Erfolgsrate präklinisch durchgeführter endotrachealer Intubationen durch und verglichen die Erfolgsraten von ärztlichem und nichtärztlichem Personal. Ziel war eine Evaluation der Praxis und des Outcomes endotrachealer Intubationen durch ärztliches und nichtärztliches Rettungsdienstpersonal verschiedener Rettungsdienstsysteme und der Grenzen einer Substitution ärztlicher Maßnahmen durch nichtärztliches Rettungsdienstpersonal.
Ergebnisse
Mithilfe der angewendeten Suchstrategie erhielten wir insgesamt 523 Ergebnisse, von denen 8 Studien die Einschlusskriterien erfüllten. Bei 7 der 8 eingeschlossenen Studien handelt es sich um Publikationen aus Paramedic-basierten Rettungsdienstsystemen [
6‐
12].
Der Einsatz der Videolaryngoskopie war in den untersuchten Studien uneinheitlich. Mehrheitlich wurde die direkte Laryngoskopie als Standard beschrieben [
5,
6,
9]. In einer Studie wurde die Videolaryngoskopie nicht genutzt [
7] und in drei Studien wurden hierzu keine Angaben gemacht [
8,
11,
12]. In einer Studie wurde die Videolaryngoskopie als Standardvorgehen beschrieben [
10].
In der Mehrheit der Studien waren die Intubationsbedingungen (Verwendung von Hypnotika und Relaxanzien) für ärztliches und nichtärztliches Personal identisch [
6‐
9,
12]. In der Mehrzahl dieser Studien wurden die Indikationsstellung zur Intubation und die Einleitung einer Narkose durch ein notarztgeführtes Team durchgeführt [
6‐
8,
12]. In einer Studie wurden die Indikationsstellung zur Intubation und die Narkoseeinleitung auch durch nichtärztliches Personal ohne Anwesenheit eines Arztes durchgeführt [
9]. In zwei Studien wurde die Indikation zur Intubation durch das nichtärztliche Personal gestellt, wobei diese ohne Einsatz von Medikamenten erfolgte [
10,
11]. Für eine Studie [
5] kann nicht nachvollzogen werden, ob die Intubationen durch Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter unter Supervision durch Notärztinnen oder Notärzte stattfanden, wer die Indikation hierzu stellte und ob Medikamente eingesetzt wurden.
Notarztgeführte Rettungsmittel hatten einen hohen „first pass success“ sowie eine hohe Gesamterfolgsrate, auch wenn die Intubation durch nichtärztliches Rettungsdienstpersonal erfolgte [
6,
8,
12]. Der Intubationserfolg von nicht notarztgeführten Rettungsmitteln war deutlich schlechter [
10,
11]. Die Qualifikation des eingesetzten notärztlichen Personals hatte einen deutlichen Einfluss auf den Intubationserfolg in den untersuchten Studien. Bei den untersuchten Notärzten handelte es sich überwiegend um Fachärzte aus den Bereichen Anästhesie oder klinische Notfallmedizin [
6‐
12]. Tab.
2 gibt einen Überblick über die Rahmenbedingungen und Ergebnisse dieser Studien.
Tab. 2
Ergebnisse der eingeschlossenen Studien
Reinert et al. (2022) [ 5] | Deutschland | 308 | Notfallsanitäter und Notärzte. | Retrospektive Datenauswertung aus Register für Atemwegsmanagement (Intubationsregister). Videolaryngoskopie verfügbar. Nutzung nur in 18 Fällen. Unklar, ob eine Intubation durch Notfallsanitäter unter notärztlicher Supervision und unter Verwendung von Medikamenten erfolgte. | 20 Intubationen durch Notfallsanitäter FPS 75 % | 271 Intubationen durch Notärzte FPS 77,49 % |
| England | 674 | Paramedic-basiertes System. Team aus Notärzten und „critical care paramedics“ auf Rettungshubschraubern an wenigen Standorten. | Retrospektive Datenauswertung zweier Luftrettungsstandorte. Videolaryngoskopie im Verlauf der Studie verfügbar. Direkte Laryngoskopie als First-line-Strategie. Intubationsbedingungen (Medikamentengabe) für „critical care paramedics“ und Notärzte gleich. | 100 Intubationen durch „critical care paramedics“ FPS 87,4 % | 563 Intubationen durch Notärzte FPS 90,2 % Kein signifikanter Unterschied |
| Niederlande | 1399 | Paramedic-basiertes System. Notärzte in der Luftrettung an wenigen Standorten. | Retrospektive Datenauswertung. Keine Nutzung von Videolaryngoskopen. Intubationsbedingungen (Medikamentengabe) für Paramedics und Notärzte gleich. | 571 Intubationen durch Paramedic des Rettungswagens unter Supervision durch Notarzt FPS 46,4 % 56 Intubationen durch „HEMS nurse“ FPS 58,3 % | 732 Intubationen durch Notärzte FPS 84,5 % Signifikanter Unterschied zwischen Notärzten und Paramedic des Rettungswagens (p < 0,0001) und zwischen Notärzten und „HEMS nurse“ (p = 0,034) |
Vopelius-Feldt et al. (2013) [ 8] | England | 150 | Paramedic-basiertes System. Team aus Notärzten und „critical care paramedics“ auf Rettungshubschraubern an wenigen Standorten. | Retrospektive Datenauswertung. Keine Angaben zur Nutzung von Videolaryngoskopie. Intubationsbedingungen (Medikamentengabe) für „critical care paramedics“ und Notärzte gleich. | 82 Intubationen durch „critical care paramedics“ FPS 78 % | 68 Intubationen durch Notärzte FPS 85 % |
Gellerfors et al. (2018) [ 9] | Schweden, Dänemark, Finnland, Norwegen | 2028 | Paramedics-basiertes System. „critical care teams“ an wenigen Standorten bestehend aus Anästhesist oder „nurse anaesthetist“ | Prospektive Multicenterstudie. 6 Luftrettungsstandorte und 6 „rapid-response-vehicle“-Standorte. Vorhandensein von Videolaryngoskopen uneinheitlich. Intubationsbedingungen (Medikamentengabe) für „nurse anaesthetist“ und Notärzte gleich. | 507 Intubationen durch „nurse anaesthetist“ Gesamterfolgsrate 97,6 % | 1518 Intubationen durch Notärzte Gesamterfolgsrate 99 % Signifikanter Unterschied (p = 0,03) |
Garner et al. (2019) [ 10] | Australien | 64 | Paramedic-basiertes System. Notarztbesetzte Rettungshubschrauber. | Retrospektive Studie. Pädiatrische Patienten. Videolaryngoskopie als Standard auf Hubschrauber. Für Paramedics auf Rettungswagen ist die Intubation nur ohne Medikamente freigegeben. | 7 Intubationen durch Paramedic des Rettungswagens Gesamterfolgsrate 29 % 2 unerkannte ösophageale Intubationen | 62 Intubationen durch Notärzte FPS 95 % Gesamterfolgsrate 100 % |
Lockey et al. (2014) [ 11] | England | 472 | Paramedic-basiertes System. Team aus Notärzten und Paramedics auf Rettungshubschraubern an wenigen Standorten. | Prospektive Studie an einem Luftrettungsstandort. Keine Angaben zur Nutzung von Videolaryngoskopie. Für Paramedics auf Rettungswagen ist die Intubation nur ohne Medikamente freigegeben. | 45 Intubationen durch Paramedics des Rettungswagens Gesamterfolgsrate 64 % In 5 Fällen unerkannte ösophageale Intubation | 443 Intubationen Gesamterfolgsrate 100 % |
McQueen et al. (2013) [ 12] | England | 142 | Paramedic-basiertes System. Team aus Notärzten und „critical care paramedics“ auf Rettungshubschraubern oder Einsatzfahrzeugen an wenigen Standorten. | Retrospektive Datenauswertung an einem Luftrettungsstandort. Keine Angaben zur Nutzung von Videolaryngoskopie. Intubationsbedingungen (Medikamentengabe) für „critical care paramedics“ und Notärzte gleich. | 53 Intubationen durch „critical care paramedics“ FPS 94,34 % | 82 Intubationen durch Notärzte FPS 87,95 % |
Diskussion
Die Hauptergebnisse der systematischen Literaturrecherche sind:
1.
Der Einsatz von Notärzten ist weit verbreitet. Auch in grundsätzlich Paramedic-basierten Rettungsdienstsystemen werden Notärzte eingesetzt, wie 7 der untersuchten Studien zeigen.
2.
Notarztgeführte Rettungsmittel hatten einen hohen „first pass success“ und eine hohe Gesamterfolgsrate. Dies galt auch, wenn die Intubation von einem nichtärztlichen Teammitglied durchgeführt wurde.
3.
Die Erfolgsrate bei Intubationen durch nichtärztliches Personal auf nicht arztbesetzten Rettungsmitteln (Rettungswagen) war deutlich schlechter und unerkannte ösophageale Fehlintubationen waren bei diesen Anwendern häufig.
Die Ergebnisse unserer Untersuchung decken sich mit bereits publizierten Daten zu höheren Intubationserfolgen durch notärztliches Personal [
13‐
16], allerdings wurde in den bisher hierzu publizierten Metaanalysen ein Vergleich über die Grenzen verschiedener Rettungsdienstsysteme hinweg durchgeführt. Ein Vergleich verschiedener Rettungsdienstsysteme ist aufgrund der Vielzahl von Variablen (Unterschiede in der Auswahl der Hypnotika, zum Teil fehlende Relaxanziengabe, Unterschiede in der Ausbildung) schwierig und die Bedeutung der Ergebnisse daher unklar. In der vorliegenden Untersuchung beschränkten wir den Vergleich daher auf Arbeiten zu Intubationserfolgen von nichtärztlichem Rettungsdienstpersonal und Notärzten, die im selben Rettungsdienstsystem tätig waren. Auch hier konnten wir Arbeiten identifizieren, bei denen der Intubationserfolg von nichtärztlichem Rettungsdienstpersonal ohne Nutzung von Medikamenten mit der Intubation durch ärztliches Personal unter Nutzung einer entsprechenden Medikation (Hypnotika, Relaxanzien) verglichen wurde [
10,
11]. Aufgrund unterschiedlicher Rahmen- bzw. Intubationsbedingungen in den untersuchten Studien beschränkten wir uns in der Auswertung der Studien auf eine narrative Synthese der Ergebnisse. Der Einsatz der Videolaryngoskopie war in den untersuchten Studien uneinheitlich. Mehrheitlich wurde die direkte Laryngoskopie als Standard beschrieben [
5,
6,
9]. In einer Studie wurde die Videolaryngoskopie nicht genutzt [
7] und in drei Studien wurden hierzu keine Angaben gemacht [
8,
11,
12]. In einer Studie wurde die Videolaryngoskopie als Standardvorgehen beschrieben [
10].
Die meisten Rettungsdienstsysteme verfügen über eine notärztliche Beteiligung mit allerdings unterschiedlicher Ausprägung bzw. Verfügbarkeit und Rollen [
17,
18]. Wurde früher klassischerweise zwischen dem franko-germanischen Modell (arztgestützt) und dem anglo-amerikanischen Modell unterschieden (Paramedic-gestützt), so überwiegen heute hybride Systeme, in denen Notärzte und Paramedics nebeneinander und in Teams agieren [
6‐
12]. Letztlich bleiben hochinvasive Maßnahmen in der Regel spezialisiertem Personal vorbehalten (Notärzten oder spezialisierten Paramedics), die diese Maßnahmen beherrschen. So zeigen die Arbeiten von Price et al. [
6], Vopelius-Feldt et al. [
8] und McQueen et al. [
12] aus England, Peters et al. [
7] aus den Niederlanden und Gellerfors et al. [
9] aus Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland hohe Erfolgsraten bei den untersuchten Teams aus Paramedics und Notärzten bzw. „nurse anaesthetists“. Für die Studien, die den Intubationserfolg durch Teams aus Notärztinnen bzw. Notärzten und Paramedics untersuchten, beschreiben die Autoren allerdings zum Teil, dass schwierige Intubationen möglicherweise eher durch ärztliche Teampartner erfolgen [
6,
8,
12]. Im Gegensatz dazu zeigten die Arbeiten von Peters et al. [
7] aus den Niederlanden, Garner et al. aus Australien [
10] und Lockey et al. aus England [
11] durchweg, dass die Erfolgsraten bei Paramedics der Rettungswagenbesatzungen deutlich geringer waren. Ebenfalls wurden unerkannte ösophageale Fehlintubationen hier häufig berichtet. Die Studie von Peters et al. [
7] beschreibt dabei, dass die dokumentierten Intubationen durch Paramedics der Rettungswagen unter Supervision des Notarztes und unter Nutzung einer Induktionsmedikation stattfanden. Für die notärztlich geführten Teams aus Paramedics und Notärzten trifft dies ebenfalls zu [
6,
8,
12], und auch in der Studie von Gellerfors et al. bestanden hinsichtlich der Verwendung einer entsprechenden Medikation keine Unterschiede zwischen ärztlichen und nichtärztlichen Anwendern [
9]. Dagegen wurde in den Studien von Garner et al. [
10] und Lockey et al. [
11] die Intubation durch Paramedics ohne Medikamente durchgeführt.
Die Inzidenz invasiver Maßnahmen im Rettungsdienst ist gering [
19], bei einer Verteilung der Maßnahmen auf eine Vielzahl an Anwendern sinkt die Anwendungshäufigkeit für das eingesetzte Personal weiter. Gleichzeitig können fehlende Anwendungen am Patienten bei vielen invasiven Maßnahmen nicht durch Training an Simulatoren ersetzt werden [
20]. Für die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Expertise in der endotrachealen Intubation existieren klare Empfehlungen [
21]. Es stellt sich daher die Frage, wie das eingesetzte Personal die notwendige Expertise aufrechterhalten soll, um hochinvasive Maßnahmen wie die endotracheale Intubation mit ausreichender Qualität durchführen zu können [
22]. Letztlich ist dies nur über eine regelmäßige klinische Tätigkeit abbildbar. Dies zeigen auch die hier untersuchten Studien. Die eingesetzten Notärzte [
6‐
12] waren überwiegend Fachärzte aus den Bereichen Anästhesie oder klinische Notfallmedizin. Im Gegensatz zu diesen Studien zeigte die Studie von Reinert et al. [
5] einen deutlich geringeren „first pass success“ bei einem heterogenen Pool an am Notarztdienst beteiligten Fachdisziplinen. Dies deckt sich mit bekannten Studiendaten [
23,
24]. Notärztliches Personal, welches außerhalb der Anästhesiologie tätig ist, ist nicht durchgehend in der Lage, die erforderliche Anzahl an endotrachealen Intubationen in der Ausbildung zu erreichen [
25], um diese Maßnahme zu beherrschen. Gleichzeitig konnte in Studien gezeigt werden, dass die Erfolgsrate der endotrachealen Intubation sowie die Mortalität maßgeblich von der Erfahrung des notärztlichen Personals in Maßnahmen der Atemwegssicherung abhängig sind [
26]. Für die Qualität der Atemwegssicherung (Indikationsstellung, Durchführung, Erfolgsrate) von nichtärztlichem Rettungsdienstpersonal konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass diese bei Überwachung des Rettungsdiensts durch einen ärztlichen Leiter höher war [
27,
28].
Die Ergebnisse dieser Untersuchung haben signifikante Implikationen, die bei der Planung einer Reform des Rettungs- und Notarztdiensts berücksichtigt werden müssen und zum Teil auch schon Inhalt der Empfehlung der Regierungskommission sind [
1].
Invasive Maßnahmen erfordern die zeitnahe Verfügbarkeit eines Anwenders, der in diesen Maßnahmen über eine ausreichende Expertise verfügt. Eine regelmäßige klinische Tätigkeit mit entsprechend häufiger Anwendung und der Möglichkeit einer Supervision scheint für die erfolgreiche Anwendung hochinvasiver Maßnahmen daher zwingend notwendig, wie oben genannte Studien am Beispiel der endotrachealen Intubation zeigen. Für manuelle Fähigkeiten scheint eine Substitution von Notärzten durch Telenotärzte und/oder nichtärztliches Rettungsdienstpersonal daher nicht ausreichend möglich. Die aktuelle Empfehlung der Regierungskommission sieht vor, auch weiterhin Notärzte „in besonders komplexen Fällen“ einzusetzen [
1]. Aus Sicht der Autoren stellen u. a. Notfalleinsätze mit der Notwendigkeit hochinvasiver, manueller Maßnahmen solche Einsätze dar. Aufgrund von Limitationen in der Verfügbarkeit von Luftrettungsmitteln (u. a. Wetterbedingungen) wird auch weiterhin eine angemessene Anzahl bodengebundener Notärzte notwendig sein, um bei der Notwendigkeit invasiver Maßnahmen in einem vertretbaren Zeitfenster an der Einsatzstelle eintreffen zu können. Gleichzeitig unterstreicht die Studie von Reinert et al. [
5] die Notwendigkeit einer Erhöhung der Qualifikation des eingesetzten notärztlichen Personals.
Der Vorbehalt, die Durchführung hochinvasiver Maßnahmen durch einen Notarzt vorzusehen, widerspricht jedoch nicht grundsätzlich einer Durchführung bestimmter Maßnahmen durch Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter ohne unmittelbare Beteiligung einer Notärztin oder eines Notarztes – im Gegenteil. Die Einsatzzahlen im Rettungsdienst haben in den letzten Jahren immer weiter zugenommen [
29]. Ein Grund ist unter anderem der demografische Wandel [
30], daneben werden aber auch ein sich veränderndes Anspruchsdenken in der Bevölkerung und eine mangelnde Erreichbarkeit hausärztlicher/ambulanter Strukturen als Ursachen angenommen. Bereits 2002 wurde von Wolfgang Friedrich Dick ein Diskussionsbeitrag veröffentlicht, der davon ausging, dass 30–40 % der Notarzteinsätze keine Notfälle zugrunde liegen. Hierin wurde bereits eine Entlastung des Notarztdiensts um 20 % der Einsätze durch die Einführung einer Regelkompetenz für nichtärztliches Rettungsdienstpersonal angenommen [
31]. Die Durchführung bestimmter Maßnahmen, wie z. B. einer Analgesie nach Extremitätentrauma anhand von Standardarbeitsanweisungen, durch Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter, kann notärztliche Ressourcen schonen. Durch den Einsatz von Telenotärzten kann die Anzahl unnötiger Notarzteinsätze mutmaßlich ebenfalls (weiter) reduziert werden [
32,
33]. Durch die Einsparung notärztlicher Einsatzmittel werden planerisch weniger Notärzte benötigt, eine Besetzung der Notarztdienste mit entsprechend qualifizierten Notärztinnen und Notärzten ist leichter möglich und notärztliche Einsatzmittel werden eher dort eingesetzt, wo diese auch benötigt werden. Eine Reduktion der Anzahl nicht indizierter Notarzteinsätze kann daher helfen, das Notarztsystem aufrechtzuerhalten und sogar zu verbessern. Die Bestrebungen der Regierungskommission sind daher aus Sicht der Autoren zu begrüßen, es bestehen jedoch – insbesondere bei invasiven Maßnahmen – Limitationen für die Unterstützung bzw. Substitution des Notarztdiensts durch Paramedics oder Telenotarztsysteme [
32], die berücksichtigt werden müssen. Daneben sind für die flächendeckende Implementierung von Telenotarztsystemen ebenfalls Notärzte notwendig und diese müssen auch über eine entsprechende Einsatzerfahrung verfügen.
Von der Regierungskommission wurde eine flächendeckende Supervision des Rettungs- und Notarztdiensts durch Ärztliche Leiter Rettungsdienst gefordert. Dies deckt sich mit präsentierten Daten zur Verbesserung der Qualität bei Supervision durch einen ärztlichen Leiter [
27,
28]. Unklar ist den Autoren allerdings, wie dies bei einer, von der Regierungskommission vorgeschlagenen, „fachgebundenen Heilkunde“ umgesetzt werden soll [
1]. Vor Ausweitung der Kompetenzen von nichtärztlichem Rettungsdienstpersonal scheint zudem die Umsetzung und Ausschöpfung der bisher konsentierten Maßnahmen dringend erforderlich.
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