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24.05.2023 | Versorgungsforschung | Nachrichten

Anschlussversorgung: Noch viel Luft nach oben

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Bei der Organisation von Pflege und Unterstützung nach einem Klinikaufenthalt sind Senioren und Angehörige in Deutschland weitgehend auf sich gestellt. Verglichen mit anderen Ländern fehlen funktionierende Strukturen, so eine aktuelle Studie.

© IGHTFIELD STUDIOS / stock.adobe.comWie geht es weiter nach dem Krankenhausaufenthalt? Trotz Entlassungsmanagement ist in Deutschland bei der Organisation der Anschlussversorgung noch viel Luft nach oben. 

Nach einem Krankenhausaufenthalt können gerade ältere Menschen häufig nicht in die Selbstständigkeit entlassen werden. Innerhalb kürzester Zeit muss das Alltagsleben neu organisiert werden. Wie viel Unterstützung Patient*innen und ihre Angehörigen dabei erfahren, fällt international unterschiedlich aus. Gerade in Deutschland zeigen sich laut einer Studie beim Übergang von der Krankenhausversorgung zur Anschlussversorgung große Lücken. 

Wissenschaftler*innen der Universität Siegen und des Mannheimer Zentrums für europäische Sozialforschung hatten die Versorgungssituation in Deutschland, Schweden, den Niederlanden und der Schweiz verglichen. Ergebnis: Wenn es um die Koordinierung von Gesundheitsversorgung und Pflege geht, schneidet Deutschland am schlechtesten ab. In keinem der drei Vergleichsländer seien Patient*innen und ihre Familien so sehr auf sich gestellt, wie hierzulande, heißt es in einer Mitteilung der Uni Siegen vom Dienstag. 

„Für alle Beteiligten eine Zumutung“

„In Deutschland ist es in erster Linie Aufgabe der Patientinnen und Patienten sowie ihrer Angehörigen, notwendige Pflegeleistungen nach einem Krankenhausaufenthalt zu organisieren“, erklärt der Siegener Gesundheitssoziologe und Leiter der Studie, Professor Claus Wendt. 
Die einzige Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Versorgung sei das Entlass-Management der Krankenhäuser. Angesichts der immer kürzeren Verweildauer von Patient*innen bleibe dafür aber häufig zu wenig Zeit. Unter den aktuellen Bedingungen sei das deutsche System „für alle Beteiligten eine Zumutung“, kritisiert Wendt. Es fehle an funktionierenden Strukturen, qualifiziertem Personal und klaren Zuständigkeiten.

Vom Hausarzt-System bis zum Nurse Practioner

Die Vergleichsländer sind da aus Sicht der Wissenschaftler*innen deutlich besser aufgestellt: So gebe es in den Niederlanden und in Schweden „ein klares Hausarzt-System“. Jeder Patient sei in die Liste eines Hausarztes oder einer Hausärztin eingetragen. Diese sind bei einer anstehenden Entlassung automatisch in die Organisation der notwendigen Pflegeleistungen eingebunden und übernehmen die Koordination mit dem Krankenhaus.
In der Schweiz unterstützen darüber hinaus die Kommunen ältere Menschen umfassend. „In Deutschland könnten sich die Kommunen zum Beispiel über die Pflegestützpunkte stärker einbringen, die aktuell in einigen Bundesländern aufgebaut werden“, sagt Wendt.  

Auch an qualifiziertem Personal mangelt es aus Sicht des Gesundheitssoziologen hierzulande. So gebe es in Schweden und in den Niederlanden so genannte „Nurse Practitioner“ – hochqualifizierte Pflege-Expert*innen. Diese übernehmen in Schweden als Angestellte der Kommunen, in den Niederlanden im Auftrag der Sozialversicherungen wichtige Koordinationsleistungen. Wendt stellte fest: „In Deutschland hinken wir bei der Akademisierung der Pflege weit hinterher. Dabei ist der Druck schon jetzt hoch und wird angesichts des demografischen Wandels noch steigen."

Größere Zentren, mehr qualifiziertes Personal, übergreifende Finanzierung

Um die Situation für Patient*innen und ihre Angehörigen in Deutschland zu verbessern, empfehlen die Wissenschaftler*innen der Studie den Aufbau größerer Strukturen: So könnten ambulante Medizinische Versorgungszentren und große Krankenhauszentren mehr Aufgaben bei der Koordination von Pflegeleistungen übernehmen. Auch die Kommunen müssten stärker eingebunden und an der Finanzierung beteiligt werden. 

Daneben bräuchte es in Deutschland mehr qualifiziertes Pflegepersonal und eine bessere digitale Infrastruktur. Um eine kontinuierliche Versorgung zu erleichtern, sei nicht zuletzt die finanzielle Trennung zwischen den Sektoren durch „übergreifende Finanzierungselemente“ aufzuheben.

Für die von der DFG geförderte Studie hatten die Wissenschaftler*innen in den vier Ländern Organisationen und Akteure interviewt, die für die Organisation und Durchführung von Pflege verantwortlich sind. Zudem wurden die jeweiligen institutionellen Voraussetzungen erhoben. (ne)

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