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10.11.2017 | Schmerz | Online-Artikel

Schmerz in der Pflege: Ursachen, Messung, Hintergründe

verfasst von: Dr. Yvette Zwick

Schmerz (althochdeutsch: smerzo, griechisch: algos, Synonym: Algesie) ist ein subjektiv empfundenes unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis. Er tritt als komplexes Symptom bei vielen Erkrankungen auf. Dabei gilt: Schmerz ist, was der Patient empfindet.

Jeder nimmt Schmerzen anders wahr und verarbeitet sie auf eigene Art und Weise. Schmerzskalen sollen helfen, den Schmerz messbar zu machen. Doch was passiert, wenn ein Patient seine Schmerzen nicht mehr adäquat kommunizieren kann? Das gilt zum Beispiel für Komapatienten, Demenzkranke, Heimbeatmete oder aber auch Säuglinge und Kleinkinder. Dann sind Pflegefachkräfte und Ärzte mehr denn je angehalten, neben Vitalparametern, Mimik und Gestik ihres Gegenübers zu interpretieren und gegebenenfalls Schmerzmittel zu verabreichen. Auch für diese Situation gibt es Instrumente zur Schmerzeinschätzung. Denn Ziel bleibt die Schmerzfreiheit beziehungsweise der Zustand, der vom Patienten angestrebt wird.

Schmerzen: Ursachen

Schmerz entsteht durch Reizung von Schmerzrezeptoren an der Hautoberfläche. Diese reagieren auf Temperaturreize, also Hitze und Kälte, Verletzung, Druck und Zug. Körpereigene Substanzen werden ausgeschüttet und elektrische Impulse an das zentrale Nervensystem (ZNS) weitergeleitet. 

Im Gehirn lässt sich nicht nur ein einziges Gebiet für die Schmerzwahrnehmung und -bewertung ausfindig machen. Am Schmerzerleben ist ein ganzes Netzwerk von  Strukturen beteiligt. Man kann Schmerzen in akute und chronische Schmerzen unterteilen.

Akute Schmerzen: postoperative Schmerzen und Wundschmerzen

Akuter Schmerz ist ein Warnsignal des Körpers. Daraufhin werden Schutzreaktionen auslöst, um  die Schmerzursachen zu beseitigen oder auszuschalten. Akuter Schmerz ist ein Symptom, jedoch keine eigenständige Krankheit.

Auch postoperative Schmerzen und Wundschmerzen sind akute unangenehme Sinneserlebnisse, die gegebenenfalls eine Bedarfsmedikation erforderlich machen. Pflegende sollten jede Schmerzäußerung von Patienten ernstnehmen. Ihre Befragung darf nicht durch Voreingenommenheit beeinträchtigt sein, auch wenn medizinisches Personal manchmal am Wahrheitsgehalt von Schmerzäußerungen Betroffener zweifelt. Schmerz ist das, was der Patient darüber äußert.

Chronische Schmerzen: Ursachen und Abgrenzung

In Deutschland leiden circa zwölf Millionen Menschen unter chronischen beziehungsweise tumorbedingten Schmerzen.

Während akuter Schmerz ein physiologisches Warnsignal bei einer Gewebeschädigung ist, hat chronischer Schmerz seine Warnfunktion längst verloren. Er hat sich zu einem eigenständigen Krankheitsbild entwickelt. Werden akute Schmerzen nicht ausreichend behandelt, können sie in chronische Schmerzen übergehen. Das kann beispielsweise dann geschehen, wenn ein Patient Medikamente nicht wie vereinbart einnimmt, wenn die Schmerzursachen nicht klar sind oder die Schmerzen immer wieder neu auftreten.

Wegen der zahlreichen Gründe für chronische Schmerzen schwankt auch die Dauer der Chronifizierung - in der Regel zwischen vier und zwölf Wochen. Der Übergang (zwischen akutem und chronischem Schmerz) ist fließend und orientiert sich am individuellen Schmerzerleben. Das erschwert Pflegefachkräften häufig die Unterscheidung zwischen den Schmerzzuständen.

Schmerzgedächtnis: Wenn es weh tut, obwohl die Ursache nicht mehr vorhanden ist

Dauerhafte Schmerzzustände verursachen Veränderungen an Nerven in Gehirn und Rückenmark. Es kommt zu Veränderungen an den Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren), beim Schmerzempfinden und schließlich zur Ausprägung eines sogenannten "Schmerzgedächtnisses", das sich an den Schmerz erinnert.

Der Schmerz wird deutlich wahrgenommen, selbst wenn die auslösende Schmerzursache längst nicht mehr vorhanden ist (zum Beispiel Phantomschmerz nach Amputation). Mit der Zeit wird es immer schwieriger, einen Zusammenhang zwischen dem Auslöser und dem Auftreten des Schmerzes auszumachen.

Bei der Chronifizierung von Schmerzen, die nicht selten zur drastischen Einschränkung der Lebensqualität führt, spielen zudem psychosoziale Faktoren eine Rolle. Dazu zählen zum Beispiel Stress und Unzufriedenheit.

Schmerzmessung: Die wichtigsten Skalen und Instrumente

Schmerzmessung © MAY / BSIP / mauritius images

Zur Schmerzanalyse muss zunächst ermittelt werden, ob und welche (akute beziehungsweise chronische) Schmerzen vorliegen. Bei chronischen Schmerzen unterscheidet man zudem, ob eine stabile oder instabile Schmerzsituation vorliegt.

Die initiale Bewertung (Anfangsbewertung/Ersteinschätzung) umfasst Ursache, zeitlichen Verlauf, Intensität, Qualität, Lokalisation und individuell akzeptables Ausmaß der Schmerzen.

Für die Schmerzmessung existieren verschiedene Schmerzskalen und Instrumente. Manche eignen sich zur Selbsteinschätzung, andere zur Schmerzbeurteilung durch die Pflegekraft. Bei der Selbsteinschätzung wird die Schmerzstärke anhand von Zahlenwerten, Gesichterskalen oder Wortbeschreibungen angegeben. Bei der Fremdeinschätzung achtet die Pflegekraft beispielsweise auf Atmung, Lautäußerungen, Mimik und Körpersprache des Patienten.  

Wichtige Skalen sind:

  • Smiley Analog Skala (SAS); erleichtert es Patienten, ihren Zustand anhand der Gesichtsausdrücke von Smileys festzumachen
  • Faces Pain Scale Revised (FPS-R)
  • Schmerzskala nach Wong Baker
  • Visuelle Analog-Skala (VAS)
  • Verbale Rating Skala (VRS); mit definierten Begriffen zur Beschreibung der Schmerzstärke (keine, leichte, mäßige, starke, sehr starke unerträgliche Schmerzen)
  • Numerische Rating Skala (NRS); Patienten geben ihre subjektiv empfundene Schmerzstärke als genauen Wert zwischen 0 (kein Schmerz) und 10 (stärkste vorstellbare Schmerzen) an

Für die Schmerzbeurteilung im häuslichen Umfeld werden Patienten häufig Schmerztagebücher an die Hand gegeben.

Expertenstandards zu akuten und chronischen Schmerzen

Sowohl zu akuten als auch zu chronischen Schmerzen existieren Expertenstandards des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP). Sie dienen als Handlungsrichtlinien für die Pflegepraxis.

Literatur

Frank Schneider, Gereon R. Fink (2007): Funktionelle MRT in Psychiatrie und Neurologie. Heidelberg: Springer Medizin Verlag. DOI: 10.1007/978-3-540-68558-6

Simone Schmidt (2015): Expertenstandards in der Pflege - eine Gebrauchsanleitung. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag. DOI: 10.1007/978-3-662-47727-4

Boris Luban-Plozza, Hansjakob Mattern, Wolfgang Wesiack (1983): Der Zugang zum psychosomatischen Denken. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag. DOI: 10.1007/978-3-642-69055-6

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