Dieser Fallbericht wurde im Rahmen der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin im September 2022 in Bregenz, Österreich, vorgestellt.
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Notfallgeschehen
Gemeinsam mit einem Rettungswagen wurde eine bodengebundene Notärztin in eine Wohnung zu einer Mitte 70-jährigen Patientin aufgrund einer akuten Bewusstseinstrübung gerufen. Bei Eintreffen der gesamten Rettungsmannschaft zeigte sich eine auf dem Rücken liegende, bewusstseinsgetrübte Patientin mit einem Glasgow Coma Score von 7 (E:1, V:2, M:4).
Klinische Untersuchung und Fremdanamnese
In der klinischen Untersuchung konnte bei potenziell gefährdetem Atemweg eine suffiziente Atmung mit einer Atemfrequenz von 18/min und einer peripheren Sauerstoffsättigung von 97 % bei Raumluft festgestellt werden. Hämodynamisch präsentierte sich die Patientin stabil mit einem regelmäßigen Puls von 55/min und einem Blutdruck von 100/65 mm Hg. Das 12-Kanal-EKG zeigte einen Sinusrhythmus und keine ST-Strecken-Veränderungen. Im Rahmen einer groben neurologischen Untersuchung wurde durch die Notärztin eine Pupillendifferenz und eine linksseitige Hemiparese festgestellt. Die Blutzuckermessung ergab 80 mg/dl.
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Aus der Fremdanamnese der Umstehenden konnte eruiert werden, dass die Patientin bei ihren Freundinnen zu Besuch war. Unmittelbar nach dem Aufstehen aus dem Sessel war die Patientin zusammengebrochen, ohne jeglichen Hinweis auf Beschwerden sowie Schmerzen. Chronische Erkrankungen und eine regelmäßige Medikamenteneinnahme wurden von den Umstehenden verneint.
Initiale Verdachtsdiagnose und weiterer Verlauf
Auf Basis der Bewusstseinstrübung, der Hemiparese und der Pupillendifferenz hatte das Rettungsteam vor Ort den Verdacht auf ein intrazerebrales Ereignis. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse in der Wohnung wurde im Team ein rascher Transport in den Rettungswagen priorisiert. Als Basismaßnahme zum Freihalten des Atemwegs wurde der Kopf der Patientin überstreckt und als weiterer Schritt eine endotracheale Atemwegssicherung diskutiert. Im Rettungswagen entschied die Notärztin, vor Einleitung einer Notfallnarkose eine präklinische Notfallsonographie durchzuführen (LumifyTM, Philips Ultrasound, Inc., 22100 Bothell-Everett Hwy. Bothell, WA, USA). Aufgrund laufender Studien am Notarztstützpunkt mit Fragestellungen rund um den präklinischen Ultraschall, die Möglichkeit theoretische Inhalte zu wiederholen sowie Praxiseinheiten am Simulator zu absolvieren und der Nutzungsmöglichkeit von POCUS mit der Option von Tele-Support bei unklaren Fragestellungen, entschied sich die Notärztin für diese Notfallsonographie bei der Patientin. Am Notarztstützpunkt obliegt den behandelnden Notärzt:innen die Indikationsstellung von POCUS in Abhängigkeit des individuellen Nutzens für die Patient:innen vor allem in Hinblick auf einen zeitkritischen Transport und die eigene Expertise der Durchführung und Interpretation der Notfallsonographie. Aufgrund der anatomischen Gegebenheiten konnte die Notärztin nur einen apikalen 4‑Kammer-Blick von der geplanten fokussierten transthorakalen Echokardiographie (FATE) durchführen, welcher einen hämorrhagischen (echoreichen) Perikarderguss zeigte (Abb. 1). Ein suprasternales Schallfenster war in der von der Notärztin mit maximal 2 min vorgesehenen Zeitdauer für die gesamte Ultraschalluntersuchung nicht einstellbar.
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Der echoreiche Perikarderguss in Kombination mit den klinischen Symptomen führte zu einer Änderung der primären Hypothese und durch die Notärztin wurde nun die Verdachtsdiagnose einer akuten Aortendissektion gestellt. Dies führte zu einer Änderung des initial geplanten Prozederes. Anstelle der Einleitung einer Notfallnarkose, der endotrachealen Intubation und eines Transports in das für diesen Einsatz zugewiesene Krankenhaus zur neurochirurgischen Versorgung (ca. 15 min Fahrzeit) wurde telefonisch Kontakt mit der nächstgelegenen Herzchirurgie aufgenommen (ca. 6 min Fahrzeit) und ein rascher Transport durchgeführt. Durch diesen direkten Transport konnte ein Sekundärtransport vermieden werden. Die Patientin zeigte sich hämodynamisch adäquat, sodass keine weiteren Maßnahmen zum Blutdruckmanagement erforderlich waren.
Innerklinisch zeigte die prompt durchgeführte Computertomographie eine akute Aortendissektion vom Typ A. Die Patientin wurde unmittelbar nach der Bildgebung operativ mit einem Aszendensersatz versorgt. Am ersten postoperativen Tag konnte die Patientin erfolgreich extubiert werden und zeigte keine neurologischen Auffälligkeiten. Während des Krankenhausaufenthalts kam es allerdings am achten postoperativen Tag auf der Normalstation zu einem Kreislaufstillstand, welcher rasch durch das Herzalarmteam erfolgreich therapiert wurde. Die Patientin konnte im Verlauf aus dem Krankenhaus entlassen werden, allerdings mit deutlichen neurologischen Einschränkungen.
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Diskussion
Dieser Fallbericht aus der präklinischen Notfallmedizin präsentiert eine Patientin mit atypischen Symptomen einer akuten Aortendissektion. Aufgrund der klinischen Beschwerdesymptomatik stellte die Rettungsmannschaft initial den Verdacht eines intrazerebralen Geschehens. Die atypische, schmerzlose Präsentation einer Aortendissektion ist ein eher seltenes Ereignis und stellt für behandelnde Notärzt:innen eine Herausforderung dar [4]. In der Literatur finden sich Hinweise, dass etwa 6 % aller Patient:innen mit akuten Aortendissektionen keine Schmerzen angeben. Als Symptome findet man in diesem Kollektiv vor allem neurologische Defizite auf der linken Seite mit oder ohne Bewusstseinstrübung [7]. Neurologische Defizite in Zusammenschau mit dem Alter von Patient:innen können zusätzlich die Hypothese eines intrazerebralen Geschehens verstärken. Dies kann zu einer Verzögerung der Behandlung einer akuten Aortendissektion maßgeblich beitragen. Vor dem Hintergrund, dass eine akute Aortendissektion eine lebensbedrohliche Situation darstellt und mit einem hohen Prozentsatz an Mortalität einhergeht, ist eine rasche Diagnosestellung für den weiteren Verlauf der Notfallpatient:innen wesentlich [2]. Einfache Maßnahmen wie eine standardmäßig durchgeführte beidseitige Blutdruckmessung oder die Anwendung von Skalen zur Erfassung eines akuten Aortendissektionssyndroms können Notärzt:innen bei der Diagnosefindung unterstützen [6].
Innerklinisch wird der „point-of-care ultrasound“ (POCUS) bereits standardmäßig im Rahmen der notfallmedizinischen Versorgung angewendet. Dadurch können Patient:innen mit einer akuten Aortendissektion vom Typ A rasch diagnostiziert werden [5]. Im Gegensatz zur innerklinischen Notfallmedizin hat sich eine routinemäßige und flächendeckende Anwendung von POCUS in der Präklinik bis dato nicht etabliert. Der Faktor Zeit spielt in der präklinischen Notfallmedizin eine erhebliche Rolle. Jegliche Zeitverzögerung durch eine diagnostische Maßnahme wie POCUS muss immer mit den möglichen Vorteilen eines raschen Transports in ein geeignetes Krankenhaus in Abhängigkeit von der Fahrzeit abgewogen werden. Um die Effekte von differenziert ausgewählter Notfallsonographie in der präklinischen Notfallmedizin im Hinblick auf das Outcome von Patient:innen zu evaluieren, sind wissenschaftliche Studien erforderlich [1].
Neben einer ausgewählten Indikation von POCUS ist für eine sichere Durchführung und vor allem für die korrekte Interpretation der Ultraschallbilder eine adäquate Ausbildung erforderlich. Speziell für die Notfallsonographie in der präklinischen Notfallmedizin existieren bis dato keine einheitlichen Ausbildungsstandards. Bei ausreichender Kenntnis der Einstellung der Ultraschallschnitte kann die Verwendung von Telemedizin eine Option für Notärzt:innen darstellen. Dadurch können präklinische Ultraschallbilder in Echtzeit zu innerklinischen Expert:innen übertragen werden und Notärzt:innen erhalten am Notfallort die Möglichkeit einer Expert:innen- bzw. Zweitmeinung [3].
Fazit für die Praxis
Dieser Fallbericht veranschaulicht die Bedeutung einer gemeinsamen Betrachtung von Anamnese, klinischen Symptomen und der Anwendung von POCUS in der präklinischen Notfallmedizin. Dank des technischen Fortschritts spielt die Notfallsonographie nicht nur innerklinisch eine Rolle, sondern unterstützt Notärzt:innen auch in der präklinischen Notfallmedizin bei der Diagnosefindung und letztendlich bei Therapieentscheidungen von akuten Krankheitsbildern.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
J. Kramer, H. Willschke, C. Hafner, M. Krammel und T. Hamp geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Die schriftliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters der Patientin wurde für die Veröffentlichung dieses Fallberichts und der dazugehörigen Bilder eingeholt.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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