16.1 Einleitung
Der Fortschritt der modernen Medizin führt zu einem enormen Wissenszuwachs und einer zunehmenden Spezialisierung in allen Disziplinen des Gesundheitswesens (Densen
2011; Weisz
2006). Dies ermöglicht zwar einerseits eine immer hochwertigere und spezialisiertere Versorgung, führt aber andererseits zu einem vermehrten Abstimmungsbedarf zwischen den verschiedenen Leistungserbringern im Gesundheitssystem (SVR
2007; RBS
2011).
Die zukünftige Gesundheitsversorgung sieht sich mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert (WR
2012; RKI
2015; RBS
2011). Dazu gehört das sich insbesondere in der westlichen Welt wandelnde Krankheitsspektrum: weg von akutem hin zu komplexem, chronischem Krankheitsgeschehen. Durch die zunehmende Lebenserwartung der Bevölkerung steigt das Risiko, an verschiedenen Zivilisationskrankheiten zu erkranken, die eine lange und aufwändige Versorgung durch verschiedene, miteinander kooperierende Gesundheitsberufe
(u. a. Medizin, Pflege- und Therapieberufe) erfordern (RKI
2015; RBS
2011). Die Patientinnen und Patienten von morgen, die durch die zunehmende Digitalisierung einen verbesserten Zugang zu umfangreichen Informationen zu ihren jeweiligen Krankheitsbildern haben (werden), werden als Experten ihrer eigenen Erkrankung andersartige Rollenerwartungen an die jeweiligen Gesundheitsprofessionen richten. Dadurch wird der Wunsch nach partizipativer Einbeziehung in den Gesundheitsprozess zunehmen, was die traditionelle Rolle zwischen Patienten und Versorgenden verändern wird (Longtin et al.
2010). Hierbei ist zum Beispiel eine patientengerechte Kommunikation
wichtig. So sollten Informationen in verständlicher Sprache übermittelt werden und Fachsprache vermieden werden (Kulbe
2009). Dabei gilt es, die Diversität der Patientinnen und Patienten z. B. durch unterschiedliches Wissen, kulturelle Hintergründe und Bedürfnisse zu berücksichtigen (KBV
2017). Die Digitalisierung der Arbeitswelt führt zudem zu einer drastischen Veränderung der Anforderungen an die jeweiligen Gesundheitsprofessionen und ihrer Kooperation (Bräutigam et al.
2017; BGW
2017).
Nur durch die Bewältigung der oben beschriebenen Herausforderungen und eine verstärkt kooperative Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe kann eine effektive patientenorientierte Versorgung gewährleistet werden (WR
2012). Die Pflege ist die Berufsgruppe, die die meiste Zeit mit den Patienten verbringt und ist somit eine wichtige Ansprechpartnerin für sie. Dadurch ist sie als Wissens- und Informationspool für andere Berufsgruppen besonders bedeutsam (Hoefert und Härter
2010). Durch den engen Patientenkontakt kann die Pflege vielen Professionen wichtige Informationen liefern, zum Beispiel, welche Folgen medizinische Behandlungen auf das tägliche Leben des Patienten haben oder welche Ressourcen des Patienten für die Behandlung gefördert werden können. In einer Untersuchung von Meyer-Kühling und Kollegen wurden Pflegende und Ärzte zu ihren Erwartungen bezüglich der Kommunikation und Kooperation miteinander befragt. 92 % der Ärztinnen und Ärzte benannten dabei die Pflegekräfte als die wichtigsten Kooperationspartner in der Versorgung demenziell erkrankter Pflegeheimbewohner (Meyer-Kühling et al.
2015).
Die kooperative Zusammenarbeit der verschiedenen Gesundheitsprofessionen wird demnach zur Grundvoraussetzung für eine patientenorientierte Versorgung (WR
2012). Um die Gesundheitsberufe auf die Arbeit in interprofessionellen Teams bestmöglich vorzubereiten, ist eine Anpassung der Aus- und Weiterbildungen
notwendig, die den Berufsangehörigen die notwendigen Kompetenzen zum Umgang mit diesen Herausforderungen vermittelt (WR
2012; SVR
2007; HRK
2017).
16.2 Hintergrund
16.2.1 Begriff: interprofessionelle Zusammenarbeit
Unter dem Begriff interprofessionelle Zusammenarbeit
versteht man die Zusammenarbeit verschiedener Professionen, Patienten, Klienten, Angehörigen, aber auch Gesellschaften, um interprofessionelles Arbeiten zu ermöglichen und so optimale Gesundheitsversorgung zu gewährleisten (WHO
2010)
1.
16.2.2 Expertenempfehlungen
Zahlreiche Versorgungs- und Bildungsexperten empfehlen die kooperative Zusammenarbeit der verschiedenen Gesundheitsberufe
, um den Versorgungsanforderungen gerecht zu werden (WR
2012, SVR
2007; RBS
2011). Bereits 1991 betonte die Bundesärztekammer, dass die Kooperation aller Gesundheitsberufe für eine patientenorientierte Versorgung notwendig sei (vgl. Bundesärztekammer
1991). Die flächendeckende Umsetzung lässt jedoch auf sich warten, sodass die Forderung nach wie vor Bestand hat. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen benennt den „Mangel an interdisziplinären und flexiblen Versorgungsangeboten“ als Problem und empfiehlt, an intakter Kommunikation und flachen Teamstrukturen zu arbeiten (SVR
2007). Die ziel- und teamorientierte Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe soll dabei die Effizienz und Effektivität der Gesundheitsversorgung verbessern (SVR
2009). Die Forderungen der Expertinnen und Experten beziehen sich einerseits auf die strukturellen Bedingungen, die Zusammenarbeit ermöglichen oder erleichtern. In diesem Kontext werden häufig innovative Versorgungsmodelle wie die Integrierte Versorgung oder Disease-Management-Programme genannt, die auf koordinierte und schnittstellenübergreifende Versorgung ausgerichtet sind (vgl. Simon
2013). Andererseits steht die Kompetenz der einzelnen Gesundheitsberufe, im Team arbeiten zu können, im Fokus. Daraus folgend wird eine sogenannte „interprofessionelle Kompetenz
“, bzw. die Fähigkeit, im interprofessionellen Team zu agieren, als essentielle Kernkompetenz der Gesundheitsprofessionen bewertet (Frank
2005; ZVK
2011; ICN
2008). Entsprechende Qualifizierungsmöglichkeiten in Aus- und Weiterbildung werden vermehrt gefordert (WR
2012; RBS
2011; Walkenhorst et al.
2015).
16.3 Interprofessionelle Kompetenzen
Damit die Patientenversorgung im interprofessionellen Team gelingt, bedarf es einer positiven Einstellung zur Teamarbeit und verschiedener Kompetenzen auf Seiten der Gesundheitsprofessionen. Dazu zählen, neben einer im Vordergrund stehenden patientenorientierten Versorgung, die Rollenklarheit
der eigenen und der anderen beruflichen Rollen, die Fähigkeit zur Zusammenarbeit im Team, die gemeinsame Führung, die Fähigkeit zur interprofessionellen Kommunikation
und der professionelle Umgang mit Konflikten (CIHC
2010). Um diese Kompetenzen an die Angehörigen der Gesundheitsberufe zu vermitteln, wird das gemeinsame Lernen verschiedener Professionen von-, mit- und übereinander empfohlen (HRK
2017; WR
2012; SVR
2007; Walkenhorst et al.
2015). Durch den persönlichen Kontakt beim gemeinsamen Lernen sollen u. a. Vorurteile abgebaut, die Anerkennung der Expertise der anderen Professionen erhöht und das gemeinsame übergeordnete Ziel, die Patientenorientierung
, gestärkt werden.
16.3.1 Vermittlung interprofessioneller Kompetenzen
Interprofessionelle Kompetenzen können in Aus- und Weiterbildung sowie im täglichen Arbeitsumfeld erworben werden. Um diese Fähigkeiten gezielt zu fördern, bedarf es entsprechender Strukturen und didaktischer Konzepte zur Vermittlung. Jedoch sind die Aus- und Weiterbildungen
im Gesundheitsbereich bislang monoprofessionell in sogenannten „Professionssilos“ organisiert (Sottas et al.
2013). Schnittstellen sind in den bestehenden Strukturen nicht vorgesehen, sodass gemeinsames Lernen schwer zu realisieren ist. Zu den Schwierigkeiten im Ausbildungsbereich gehört, dass die Gesundheitsberufe an unterschiedlichen Orten und unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen ausgebildet werden. Während die überwiegende Anzahl Pflegender eine dreijährige Ausbildung absolviert, studieren angehende Ärztinnen und Ärzte an Universitäten und die Therapieberufe absolvieren eine Ausbildung an einer Berufsfachschule. Die Akademisierung
der Gesundheitsfachberufe ermöglicht die Berufszulassung für angehende Pflegende sowie Therapeutinnen und Therapeuten alternativ auch durch entsprechende Bachelorstudiengänge. Diese heterogenen Ausbildungen mit verschiedenen Studien- und Prüfungsordnungen sehen keinen Raum für gemeinsamen Unterricht vor. Dennoch wurde die Notwendigkeit für Reformen erkannt und die Forderung nach interprofessioneller Ausbildung wird auch von politischer Seite lauter. In dem 2017 veröffentlichten „Masterplan Medizinstudium 2020
“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie des Bundesministeriums für Gesundheit wird folgende Maßnahme formuliert: „Wir erwarten, dass die Hochschulen aufbauend auf den gemachten Erfahrungen gemeinsame Lehrveranstaltungen mit Auszubildenden bzw. Studierenden anderer Gesundheitsfachberufe verstärkt in ihre Curricula aufnehmen“ (BMBF/BMG
2017). Dies ist eine klare Aufforderung an die medizinischen Fakultäten, sich dieses Themas anzunehmen und an angehende Pflegende sowie Therapeuten adressierte Angebote zu schaffen. Die Maßnahme knüpft an ein Gutachten des Wissenschaftsrats an, das bereits 2012 die Komplexität der Aufgaben für Pflegekräfte und Therapeuten betont und die Fähigkeit zur interprofessionellen Zusammenarbeit für alle Gesundheitsberufe fordert. Der Wissenschaftsrat schlägt vor, dass sich die Medizinischen Fakultäten öffnen und Pflege- sowie Therapiestudiengänge
unter universitärem Dach schaffen, um interprofessionelle Ausbildung zu ermöglichen (vgl. WR
2012).
In verschiedenen Pilotprojekten wurden in den vergangenen Jahren interprofessionelle Lehr- und Lernformate entwickelt, umgesetzt und in den bestehenden Rahmenbedingungen erprobt. Dabei wurden Erfahrungen bezüglich der inhaltlich-didaktischen Gestaltung der Lehre gesammelt und Chancen, aber auch Hindernisse bei der Umsetzung identifiziert (Nock
2016a). Das 2013 initiierte Förderprogramm „Operation Team
“ der Robert Bosch Stiftung (RBS) war impulsgebend und hat in den letzten Jahren insgesamt 17 interprofessionelle Ausbildungsprojekte an medizinischen Fakultäten ermöglicht (RBS
2018). Ein Beispiel für eine erfolgreiche Umsetzung interprofessioneller Lehre in Curricula ist das Projekt „INTER-M-E-P-P – Interprofessionelles Lehren und Lernen in Medizin, Ergotherapie, Physiotherapie und Pflege“ (Bohrer et al.
2016). In einer professions-, institutions- und statusgruppenübergreifenden Planungsgruppe wurde u. a. die Veranstaltung „Interprofessionelle Zusammenarbeit“ entwickelt und in die Curricula eines Pflege-, eines Medizin- und eines Physiotherapie/Ergotherapie-Curriculums integriert. Die Studierenden lernen in dieser Lehrveranstaltung die Rollen und Aufgaben verschiedener Gesundheitsprofessionen kennen, diskutieren die unterschiedlichen Blickwinkel der Professionen in der Patientenversorgung und erstellen gemeinsam einen Behandlungsplan.
Ein weiteres Beispiel ist die Einrichtung einer interprofessionellen Ausbildungsstation in Mannheim (MIA). Unter der Supervision mehrerer Anleitender aus verschiedenen Berufsgruppen lernen angehende Pflegende, Mediziner sowie Physiotherapeuten die Versorgung von Patientinnen und Patienten im Stationsalltag. Bei der möglichst selbstbestimmten Versorgung von zwölf Patienten auf der Ausbildungsstation lernen die Studierenden, Auszubildenden und Schüler die interprofessionelle Patientenversorgung in einem realen Setting. In regelmäßigen gemeinsamen Visiten und Besprechungen lernen die angehenden Fachkräfte u. a. die verschiedenen Tätigkeiten und Perspektiven der Berufe kennen (Mette
2018).
Immer mehr Zuspruch findet die Entwicklung interprofessioneller Simulationstrainings
in der Ausbildung in speziellen Settings, wie in der präklinischen und klinischen Notfallversorgung (Eisenmann et al.
2018) oder im Kreißsaal (Tauscher et al.
2017).
16.3.1.1 Interprofessionelles Lernen in Fort- und Weiterbildung
Auch der Fort- und Weiterbildungsbereich der Gesundheitsberufe eignet sich zur Vermittlung interprofessioneller Kompetenzen. So werden vermehrt Fortbildungen zu diesem Thema angeboten (Fragemann et al.
2012; Schmenger et al.
2018). Gemeinsame Fortbildungen für verschiedene Berufe sind eine Möglichkeit, gemeinsames Lernen verschiedener Professionen zu ermöglichen. Themen wie Demenz, Rehabilitation, Palliativmedizin oder auch Herausforderungen in der interkulturellen Versorgung sind geeignete Themen, die in interprofessionellen Fortbildungen
behandelt werden können. Einzelne Beispiele zeigen eine hohe Zufriedenheit der Teilnehmenden bei thematischen Fortbildungen, die mehrere Berufsgruppen einbeziehen (Egidi et al.
2011). Der geschützte Rahmen einer Fort- oder Weiterbildung bietet die Möglichkeit, die verschiedenen beruflichen Perspektiven zu thematisieren. Ein Beispiel für eine interprofessionelle Fortbildung ist die webbasierte Weiterbildung für kompetenzorientierte Bewegungstherapie aus dem Department für Sportwissenschaften und Sport der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Hier wurde eine „webbasierte Lernplattform entwickelt und erprobt, die aktuelle Inhalte, Methoden und Materialien zum Thema der Bewegungsförderung bereithält“ (Streber und Pfeifer
2018). Neben der Handlungskompetenz der einzelnen Therapeutinnen und Therapeuten standen gut organisierte Abstimmungsprozesse und interprofessionelle Zusammenarbeit sowie der Austausch zwischen den Professionen Medizin, Psychologie und Bewegungstherapie im Fokus.
Neben den vorgestellten Projekten gibt es zahlreiche weitere Aktivitäten, um Interprofessionalität stärker in den Ausbildungen und Studiengängen der Gesundheitsberufe zu verankern. Insgesamt lässt sich jedoch schlussfolgern, dass das Verstetigen von interprofessioneller Lehre in bestehende Strukturen viele Herausforderungen birgt (Nock
2016b). Daher werden interprofessionelle Angebote in der Aus- und Weiterbildung bislang nur punktuell angeboten.
16.3.1.2 Interprofessionelles Lernen am Arbeitsplatz
Die innovativen Bildungsprogramme und -projekte zur Stärkung der interprofessionellen Ausbildung sind nur dann gänzlich erfolgreich, wenn die Arbeitsplatzkultur diesen Ansatz unterstützt und das in der Ausbildung erlernte Wissen und die gewonnenen Fähigkeiten am Arbeitsplatz übernommen und ausgebaut werden können.
So kann von positiven Beispielen oder Rollenvorbildern gelernt und Erkenntnisse können ins eigene Arbeitsumfeld übertragen werden. Vorteilhaft für das Erlernen erfolgreicher Teamarbeit am eigenen Arbeitsplatz ist, dass der Effekt sofort im eigenen Arbeitsumfeld sichtbar wird. Zudem bieten bestehende Teams die Möglichkeit, die Stärken und Schwächen der Kolleginnen und Kollegen zu erkennen und Routinen in der Zusammenarbeit zu etablieren. Häufige Personalwechsel, z. B. durch den Einsatz von Leasing-Kräften oder Ad-hoc-Team-Building, stellen größere Herausforderungen für die erfolgreiche Teamarbeit dar (Mosser und Begun
2014).
Den Bedarf an strukturierter und gelernter interprofessioneller Zusammenarbeit zeigt u. a. eine Untersuchung aus den USA von Arnett et al. (
2017), die 118 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Gesundheitsteams verschiedener Versorgungseinrichtungen online zur Pflegevorbereitung (advanced care planning) befragten, um eine Bewertung von klinischen Routinen, Arbeitsabläufen und Richtlinien vorzunehmen. Es zeigte sich, dass mehrere Teammitglieder bei der Pflegevorbereitung beteiligt sind und diese Tätigkeit als wichtig erachten. Dennoch fehle es in der klinischen Umgebung an systematischen Routinen bei der interprofessionellen Ausübung der Pflegevorbereitung.
Im Rahmen einer US-amerikanischen Studie wurden mehrere Berufe des Gesundheitssystems (Mitarbeitende aus der Medizin, Pflege, Pharmazie und Sozialen Arbeit) in interaktivem Lernen und klinisch relevanten Problemlösungen gefördert, um eine qualitativ hochwertige patientenorientierte Versorgung zu erreichen. Es wurden interprofessionelle Workshops von allen genannten Berufsgruppen gemeinsam konzipiert und diese im Anschluss von Mitarbeitenden für Mitarbeitende durchgeführt. Die Intervention ermöglichte einen Anstieg des Wissens, des Vertrauens in die Qualifikationsleistung und des Engagements des Teams, die Praxismuster zu ändern, um die Gesundheit und Sicherheit älterer Erwachsener zu unterstützen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass gemeinsames Lernen die Zusammenarbeit interprofessioneller Teams unterstützen kann und dass entsprechende Trainings zu verbesserten Pflegeprozessen und -ergebnissen für ältere Erwachsene führen können (McKenzie et al.
2017).
Weitere Untersuchungen zeigen auf, dass die erfolgreiche Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Pflegenden, Ärzten und weiteren Gesundheitsberufen die Patientensicherheit verbessern kann (Leonard et al.
2004).
Kliniken oder auch Gesetzgeber könnten förderliche Strukturen für Teamarbeit schaffen, indem z. B. Anreize und auch Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit geschaffen werden. Dies kann durch strukturelle Maßnahmen wie die Einführung einer regelmäßigen gemeinsamen Dienstbesprechung oder gemeinsamer Visiten erreicht werden. Gemeinsame Aufenthaltsräume fördern die Begegnungen und den persönlichen Kontakt, was sich positiv auf die Teamarbeit auswirken kann. Zudem ist eine offene Fehlerkultur, aber auch das allgemeine Arbeitsklima wesentlich und kann zum Beispiel durch Team-Building
verbessert werden (St. Pierre et al.
2011).
16.4 Bedeutung für die Pflege
In Hinblick auf die skizzierten Versorgungsbedarfe und den Fachkräftemangel in der Pflege sind einerseits angemessene Rahmenbedingungen für die Berufsausübung und andererseits die bedarfsgerechte Qualifikation der Pflegenden notwendig. Die Anforderungen für die Pflege gehen schon lange über die reine Ausführung angeordneter Tätigkeiten hinaus, aber dennoch wird vielerorts an tradierten Strukturen in der Versorgung festgehalten. Der Ansatz einer interprofessionellen Versorgung stellt die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt. Um die beste Versorgung zu gewährleisten, arbeiten die verschiedenen Gesundheitsexperten zusammen und vereinen die jeweiligen beruflichen Perspektiven und Expertisen. Dieser Ansatz stärkt die Position der Pflege und Gesundheitsfachberufe als Partner in der Versorgung.
Eine verstärkt interprofessionell ausgerichtete Versorgung bietet demnach die Chance, dass Pflegende deutlicher als Partner in der Versorgung in Erscheinung treten, um mit ihrer Expertise einen Beitrag für die Versorgung zu leisten (Fragemann
2017). Dies kann das Ansehen und die Attraktivität des Berufs vergrößern und die persönliche Zufriedenheit der Pflegenden im Beruf steigern (Chang et al.
2009). Chancen und Risiken einer interprofessionellen Zusammenarbeit in (teil-)stationären Kliniken in Deutschland hat Lüdeking (
2016) mittels Fragebogen erfasst. Befragt wurden 115 Ärzte, Psychologen, Pflegepersonal, Ergo- und Physiotherapeuten, Logopäden sowie Sozialarbeiter, die an verschiedenen deutschen Kliniken arbeiteten. Sie gaben Auskunft zu ihren Erfahrungen in der Zusammenarbeit. Sie bewerteten ihr eigenes Verhalten im interprofessionellen Team bezüglich Hilfsbereitschaft, Gewissenhaftigkeit, Unkompliziertheit, Eigeninitiative und gefordertem Arbeitsverhalten. Außerdem wurden Daten über den Gesundheitszustand der Teilnehmenden und ihre Fehltage erhoben und wie sie Effektivität und Produktivität der Teamarbeit einschätzten. Bei positiv bewerteter Zusammenarbeit ließ sich eine erhöhte Hilfsbereitschaft und Gewissenhaftigkeit sowie eine erhöhte Eigeninitiative nachweisen. Bewerteten die Befragten die Zusammenarbeit negativ, hatten sie mehr Fehltage. Dies lässt auf einen insgesamt schlechteren Gesundheitszustand schließen. Das heißt, je besser die Zusammenarbeit im interprofessionellen Team funktioniert und wahrgenommen wird, umso positiver ist der Effekt auf den Gesundheitszustand und auf das Arbeitsverhalten. Die Forscherin empfiehlt, die Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen gut zu strukturieren und eine gemeinsame Kommunikationsbasis zu schaffen, zum Beispiel auf Grundlage der „International Classification of Functioning, Disability and Health“ (ICF) der WHO (Lüdeking
2016).
16.5 Fazit
Die Versorgungsbedarfe sind in den letzten Jahren gestiegen und deutlich komplexer geworden. Die Herausforderungen für die Gesundheitsversorgung lassen sich nur in Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen meistern. Um dem Anspruch einer patientenzentrierten Gesundheitsversorgung zu genügen, muss daher die Kooperation der verschiedenen Gesundheitsprofessionen verbessert werden. Dafür müssen einerseits Rahmenbedingungen verändert werden und andererseits sollte das Thema Kooperation der Gesundheitsberufe in Aus- und Weiterbildung eine stärkere Bedeutung erfahren. Dies kann durch die Integration von interprofessioneller Lehre für Pflegende, Ärztinnen und Ärzte und weitere Gesundheitsberufe in die Aus- und Weiterbildungen erfolgen. Für die erfolgreiche Zusammenarbeit im beruflichen Alltag sollten Versorgungseinrichtungen Wert auf kooperationsfördernde Strukturen legen, wie zum Beispiel professionsübergreifende Dienst- oder Fallbesprechungen. Neben den strukturellen Maßnahmen sind auch der persönliche Kontakt und die gegenseitige Wertschätzung der verschiedenen Professionen wesentlich für gelungene Kooperation, was zum Beispiel durch Team-Building zu erreichen ist. Insbesondere die Anerkennung von Expertise und die kollegiale Zusammenarbeit führt zu einer höheren Arbeitszufriedenheit im Beruf, was in Zeiten des Fachkräftemangels von großer Bedeutung ist. Da die Pflege eine zentrale Berufsgruppe ist und den häufigsten und engsten Kontakt zu den Patientinnen und Patienten hat, kommt der Zusammenarbeit zwischen der Pflege und den anderen Professionen eine Schlüsselrolle für eine erfolgreiche und patientenorientierte Versorgung zu.
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