Skip to main content
Erschienen in: Hebammen Wissen 1/2024

01.01.2024 | Wissenschaft in 5 Minuten

Wissenschaft in 5 Minuten

Erschienen in: Hebammen Wissen | Ausgabe 1/2024

Neugeborenes mit Riesennabelschnur

Bei einem iranischen Neugeborenen wurde nach unproblematischem Schwangerschaftsverlauf und vaginaler Entbindung eine übergroße Nabelschnur entdeckt. Postnatal waren die Apgar-Werte des Kindes gut. Der Verlauf war regelrecht ohne Komplikationen, auch die Ultraschallbefunde von Nieren, Harnleiter und Blase waren unauffällig. Die Nabelschnur war auf 6 cm im Durchmesser vergrößert mit vermehrter gelartiger Wharton-Sulze ohne Anhalt für einen Tumor; auch die Nabelschnurgefäße waren regelrecht und es zeigte sich keine pathologische Sekretion aus dem Nabelstumpf. Dieser fiel verspätet nach einem Monat ab .
Hemmati F et al. Giant umbilical cord in a normal preterm infant. J Med Case Rep. 2023;17:14
Kommentar: Die durchschnittliche Länge der Nabelschnur beträgt 50-60 cm, der Durchmesser 2 cm. Eine Riesennabelschnur (giant umbilical cord, GUC) liegt bei einem Nabelschnurdurchmesser von > 5 cm vor; die häufigste gleichzeitig bestehende Anomalie ist ein offener Urachus. Gelegentlich finden sich auch bei aneuploiden Föten übergroße Nabelschnüre. Weitere Ursachen könnten Ödeme oder Pseudozysten, vaskuläre Fehlbildungen, Reste des Ductus omphalomesentericus sowie ein Nabelbruch sein. Ödeme beziehungsweise Pseudozysten entstehen über eine Verflüssigung und Vermehrung der Wharton-Sulze, echte Nabelschnurzysten aus embryonalen Überresten der Allantois.
Werden bei einer Zystenpunktion erhöhte Kreatininwerte festgestellt, besteht der Verdacht auf einen persistierenden Urachus. Durch eine Leckage könnte intrauterin Urin in die Wharton-Sulze austreten, wodurch zystische oder ödematöse Nabelschnurveränderungen entstehenden. Bei der vorliegenden GUC handelte es sich um eine isolierte Vermehrung der Wharton-Sulze ohne weitere Anomalien.

TENS vermindert Einnahme von Opioiden

In den USA nehmen über 80 % der Frauen nach einem Kaiserschnitt mindestens ein Opioid gegen Schmerzen ein, davon kommt es bei 3-6 % zu einem chronischen Gebrauch über mehr als 90 Tage postoperativ. Forscher*innen haben sich deshalb auf die Suche nach einer adäquateren Methode zur Kontrolle postoperativer Schmerzen nach Sectio gemacht.
134 Patientinnen wurden nach einer Kaiserschnittentbindung im Verhältnis 1 : 1 entweder einer Behandlung mittels transkutaner elektrischer Nervenstimulation (TENS) oder einer Attrappe zugeteilt. Alle Teilnehmerinnen erhielten drei Anwendungen plus nicht opioide Analgetika und erst nach Bedarf Opioide.
Patientinnen unter der TENS-Behandlung nahmen vor der Krankenhausentlassung signifikant weniger Opioide ein als Probandinnen, die eine Scheinbehandlung erhielten (medianes Morphin-Milligramm-Äquivalent [MME]: 19,75 vs. 37,50). In der Behandlungsgruppe wurden um 47 % weniger Opioid-Analgetika verabreicht als in der Gruppe mit Attrappe. Ebenso wurden nach der TENS-Anwendung signifikant weniger orale Opioide verschrieben als nach Scheinbehandlung (medianes MME: 82,5 vs. 90,0). Auch war es wahrscheinlicher, dass die jungen Mütter ganz ohne Verschreibung entlassen wurden (25 % vs. 10 %)
Grasch JL et al. Noninvasive Bioelectronic Treatment of Postcesarean Pain. A Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open 2023;6(10):e2338188

Gestationshypertonie durch Energydrinks?

Energydrinks enthalten Substanzen wie Koffein, Taurin oder Guarana, die potenziell Folgen für die Gesundheit haben können. Welche Auswirkungen ein Konsum während der Schwangerschaft hat, wurde in einer prospektiven Kohortenstudie untersucht. Die Teilnehmerinnen stammten aus der Nurses' Health Study 3 (NHS3; n = 3.045) und der Growing Up Today Study (GUTS; n = 1.691). Von den NHS3-Teilnehmerinnen hatten 283 (9 %) Energydrinks zu sich genommen, und zwar im Median 0,2 Drinks pro Tag. In der GUTS-Gruppe waren es 230 Konsumentinnen (14 %) mit median einem halben Drink pro Tag.
Bei den Energydrink-Konsumentinnen aus der NHS3-Studie zeigte sich ein um 65 % höheres Risiko, einen Schwangerschaftshypertonus zu entwickeln, in der GUTS-Gruppe ließ sich dagegen kein solcher Zusammenhang nachweisen. Wenn man beide Studien gemeinsam auswertete, ergab sich ein um 60 % höheres Risiko für einen Gestationshypertonus bei Konsum von Energydrinks. Auf den Schwangerschaftsverlauf und die Gesundheit des Fötus schienen Energydrinks allerdings keinen nennenswerten Einfluss zu haben. Trotz der uneindeutigen Ergebnisse der Studie rät das Forschungsteam, bei geplanter Schwangerschaft vorsichtig beim Konsum von Energy-Drinks zu sein.
Ding M et al. Intake of Energy Drinks Before and During Pregnancy and Adverse Pregnancy Outcomes. JAMA Netw Open 2023;6(11):e2344023

Keine Aborte durch COVID-19-Impfung

Noch immer gibt es Frauen, die schwanger werden wollen, aber Vorbehalte gegen eine COVID-19-Impfung haben, weil sie Berichte über dadurch verursachte Aborte gelesen haben. Um letzte Zweifel zu beseitigen, hat eine Forschungsgruppe aus den USA jetzt prospektiv erhobene Daten von Schwangeren vorgelegt, die bereits vor der Konzeption zweimonatlich Fragebögen zum Eintritt der Schwangerschaft beziehungsweise deren Ende beantworteten.
Von den 1.815 Schwangeren hatten 75 % mindestens eine Impfung gegen COVID-19 erhalten, 65 % waren vollständig geimpft. Jede vierte Schwangerschaft endete mit einer Fehlgeburt, in drei von vier Fällen ereignete sie sich vor der achten Schwangerschaftswoche. Die Abortraten im Einzelnen betrugen 26,6 % ohne Impfung, 23,9 % nach mindestens einer Impfung und 24,5 % nach vollständiger Grundimmunisierung. Wurden Eigenschaften wie Bildung oder Einkommen berücksichtigt, hatten geimpfte Frauen numerisch sogar niedrigere Abortraten, die Unterschiede waren aber nicht signifikant.
Auch wenn spezielle Gruppen von Frauen separat betrachtet wurden, war kein Einfluss der Impfung auf Aborte zu erkennen. So spielte es etwa keine Rolle, ob die Frauen eine Fertilitätsbehandlung in Anspruch genommen hatten, früher schon eine Fehlgeburt gehabt hatten oder mit welcher Vakzine sie geimpft worden waren. Außerdem war weder zu frühen noch mit späten Aborten eine Verbindung zu erkennen. Auch eine COVID-Impfung der Väter der ungeborenen Kinder hatte keinerlei Auswirkung.
Yland JJ et al. A prospective cohort study of preconception COVID-19 vaccination and miscarriage. Hum Reprod 2023;38(12):2362-2372

Ist Fencheltee für Kinder sicher?

Die europäische Arzneimittelagentur (EMA) warnt in einer aktuellen Richtline vor Produkten, die Estragol enthalten - zum Beispiel Fencheltee. Für Kinder unter vier Jahren werden deshalb Tee-Zubereitungen mit Fenchel nicht empfohlen, da für die sichere Anwendung in dieser Altersgruppe keine ausreichenden Informationen vorliegen. Zudem wird auch stillenden Müttern abgeraten, fenchelhaltige Produkte zu konsumieren. Dies hat für Verunsicherung bei denjenigen gesorgt, die auf die langjährige Anwendung von Fencheltee als „natürliche“ Therapie hinweisen.

Hohe Estragol-Dosen schaden der Leber

Bei der Veröffentlichung handelt es sich um eine wissenschaftliche Richtlinie vom Mai 2023 des Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) der EMA. In dieser Aufarbeitung speziell zu Estragol, wurde anhand von Tierversuchen mit sehr hohen Dosen von Estragol eine Hepatokanzerogenität in zahlreichen Studien nachgewiesen. Dies ist trotz der ungewöhnlich hohen Dosen von Bedeutung, da der tatsächliche Estragol-Gehalt in Fencheltees außerordentlich stark schwanken kann.
So wurde in einer österreichischen Übersichtsarbeit von Mihats et al. (Int J Food Sci Nutr 2017;68(5):569-76) teilweise ein besonders hoher Gehalt von Estragol (78,0-4.633,5 µg/l) in Fencheltees gemessen. Bei Säuglingen schwankte die verabreichte Tagesdosis dementsprechend zwischen 0,008 µg/kg Körpergewicht (KG)/Tag und 20,78 µg/kg KG/Tag. Bedenkt man zusätzlich, dass Fenchel auch in einzelnen Babynahrungsmitteln in Breiform enthalten ist, bleibt die tatsächlich erreichbare Tagesdosis ungewiss und kann möglicherweise dem hepatotoxischen Bereich durchaus nahekommen.
EMA Committee on Herbal Medicinal Products (2023) Public statement on the use of herbal medicinal products containing estragole. EMA/HMPC/137212/2005 Rev 1 Corr 1
Kommentar: In Summe muss empfohlen werden, estragolhaltige Produkte so wenig wie möglich anzuwenden und die Gabe auf ein kurzes Zeitintervall zu beschränken. Entscheidend ist vor allem die korrekte pharmakologische Zubereitung, die einen standardisierten Gehalt von Estragol in einem sicheren Dosisbereich in den Tees garantiert. Selbstverständlich sollte die Zubereitung auch kindgerecht erfolgen, also ohne Zucker und Alkohol.
Es darf dabei nicht übersehen werden, dass es sich bei der Unruhe von Babys häufig gar nicht um Blähungen, bei denen die Verabreichung von Fencheltee weit verbreitet ist, handelt, sondern auch eine Interaktionsproblematik im Vordergrund stehen kann. Dann ist der Einsatz von Fencheltee ohnehin fragwürdig und trägt mitunter dazu bei, dass die tatsächliche Ursache verschleiert wird und sich die Therapie verzögert. Zudem ist auch die Wirksamkeit von Fencheltee bei unruhigen Säuglingen nicht ausreichend belegt. Bei starken Beschwerden jeder Art, die tendenziell nicht besser werden, sollte neben einer kinderärztlichen Abklärung professionelle psychologische Unterstützung in Anspruch genommen werden.
Fencheltee wird seitens der EMA jedenfalls als „natürliches Kanzerogen“ für Kinder unter vier Jahren nicht und für Kinder unter elf Jahren nur sehr zurückhaltend empfohlen.
Metadaten
Titel
Wissenschaft in 5 Minuten
Publikationsdatum
01.01.2024
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Hebammen Wissen / Ausgabe 1/2024
Print ISSN: 2730-7247
Elektronische ISSN: 2730-7255
DOI
https://doi.org/10.1007/s43877-023-0850-x

Weitere Artikel der Ausgabe 1/2024

Hebammen Wissen 1/2024 Zur Ausgabe

Schon gewusst?

Schon gewusst?

Service Industrie

Service Industrie

Schon gehört?

Schon gehört?