Multimorbidität bezeichnet laut S3-Leitlinie [1] das gleichzeitige Vorliegen von drei oder mehr chronischen Erkrankungen, wobei nicht nur eine einzelne Erkrankung besonders im Fokus steht und Zusammenhänge zwischen den Krankheiten zwar vorliegen können, aber nicht müssen [1]. Besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen den einzelnen Krankheiten, spricht man von unabhängiger Multimorbidität. Im Gegensatz dazu handelt es sich um eine abhängige Multimorbidität, wenn eine Wechselwirkung zwischen den Krankheiten existiert, das heißt ein bestimmtes Symptom ein anderes begünstigt oder es sogar hervorgerufen hat [2].
Multimorbidität nimmt mit höherem Lebensalter zu [1]. Ungefähr zwei Drittel der über 65-Jährigen leiden an mindestens zwei chronischen Erkrankungen. Am häufigsten vertreten sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, Morbus Parkinson, Gicht, Rheuma, Multiple Sklerose, Allergien und Demenzerkrankungen [3].
Polypharmazie lässt sich nicht verhindern
Multimorbidität bedeutet auch, dass verschiedene Symptome gleichzeitig behandelt werden müssen. Dazu werden mehrere Medikamente verabreicht, die zu Wechselwirkungen führen und wiederum weitere Beschwerden hervorrufen können. Polypharmazie kann bei Multimorbidität nicht vermieden werden, jedoch sollte sie optimal abgestimmt und regelmäßig überprüft werden [3].
Bedeutung für die Pflege
Multimorbide Patientinnen und Patienten in Langzeitpflegeeinrichtungen sind keine Ausnahme, sondern die Regel. Daher gehört der Umgang mit ihnen zum Alltag in der medizinischen und pflegerischen Versorgung von Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeeinrichtungen. Eine besonders herausfordernde Aufgabe, denn nicht nur der Medikamentenplan, sondern die individuelle und ganzheitliche Betrachtung der Erkrankten steht im Fokus der Versorgung. Neben den einzelnen Krankheiten und deren Wechselwirkung miteinander, sind Resilienzfähigkeit, Wertvorstellungen und Prioritäten mit in die Behandlungs- und Versorgungsentscheidungen im Sinne einer „patientenzentrierten Versorgung“ mit einzubeziehen [1]. Die Einschätzung der Ist-Situation, eine gelungene interprofessionelle Zusammenarbeit und vorausschauendes Pflegehandeln sind elementar, um multimorbide Patientinnen und Patienten möglichst stabil zu halten und ihnen langfristige Lebensqualität zu ermöglichen [4]. Dies erfordert einen vertrauensvollen Umgang, um Themen wie Lebensqualität und Lebenslänge, Ziele und Erwartungen der Menschen im Arzt-Patienten-Gespräch anzusprechen [1]. Doch dafür fehlt häufig die Zeit, weshalb der Pflege hier eine wichtige Aufgabe zuteilwird.
Ältere und vorerkrankte Menschen haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf [5,6,7]. Im Hinblick auf die pflegerische Versorgung von SARS-CoV-2-Infektionen bei überwiegend Bewohnerinnen und Bewohnern in Langzeitpflegeeinrichtungen bedeutet das, dass neben dem medizinisch Möglichen von vornherein in enger Zusammenarbeit mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt entschieden werden muss, was dem Willen der Betroffenen (gegebenenfalls im Gespräch mit den Angehörigen) entspricht und welche Behandlungsstrategie verfolgt werden soll. Dazu zählt auch die Entscheidung für oder gegen eine Krankenhauseinweisung und einer möglicherweise palliativen Begleitung vor Ort [8].
Fazit: Multimorbidität in der Langzeitpflege ist keine Ausnahme, sondern die Norm. Das Pflegepersonal muss auf mögliche Komplikationen und Herausforderungen gut vorbereitet sein und sowohl körperliche als auch psychische Veränderungen schnell wahrnehmen [3]. Neben der individuellen Krankengeschichte sollten Pflegefachpersonen auch den Medikationsplan ihrer Bewohnerinnen und Bewohner im Blick haben. Dieser kann in Absprache mit der behandelnden Hausärztin oder dem behandelnden Hausarzt - ggfs. auch mittels Video-Konsultation - im Falle eines positiven SARS-CoV-2 Point-of-Care (PoC)-Antigentests angepasst werden, um zum Beispiel mit einer antiviralen Therapie frühzeitig zu beginnen [9]. Die Ist-Situation der Betroffenen richtig einzuschätzen und ihrem Willen entsprechend zu handeln, ist im Umgang mit multimorbiden Patientinnen und Patienten entscheidend [4,8].
Fallbeispiele
Fallbeispiele zu SARS-CoV-2-Infektionen im Pflegealltag
SARS-CoV-2-Infektionen zeigen sich im Pflegealltag auf unterschiedliche Art und Weise, wie die folgenden Beispiele aus verschiedenen Versorgungsettings deutlich machen [10:
Fallbeispiel 1: |
Risikopatient, 75 Jahre, stationäres Versorgungssetting |
Vorgeschichte |
COVID-19-Infektion und -behandlung
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Fallbeispiel 2: |
Risikopatient, 45 Jahre, stationäres Versorgungssetting, Eingliederungssetting |
Vorgeschichte |
COVID-19-Infektion und -behandlung
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Fallbeispiel 3: |
Risikopatientin, 83 Jahre, ambulantes Versorgungssetting |
Vorgeschichte |
COVID-19-Infektion und -behandlung
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Autorin: Birke Dikken