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05.12.2023 | Online-Artikel

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

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Multimorbidität bezeichnet laut S3-Leitlinie [1] das gleichzeitige Vorliegen von drei oder mehr chronischen Erkrankungen, wobei nicht nur eine einzelne Erkrankung besonders im Fokus steht und Zusammenhänge zwischen den Krankheiten zwar vorliegen können, aber nicht müssen [1]. Besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen den einzelnen Krankheiten, spricht man von unabhängiger Multimorbidität. Im Gegensatz dazu handelt es sich um eine abhängige Multimorbidität, wenn eine Wechselwirkung zwischen den Krankheiten existiert, das heißt ein bestimmtes Symptom ein anderes begünstigt oder es sogar hervorgerufen hat [2].

Multimorbidität nimmt mit höherem Lebensalter zu [1]. Ungefähr zwei Drittel der über 65-Jährigen leiden an mindestens zwei chronischen Erkrankungen. Am häufigsten vertreten sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, Morbus Parkinson, Gicht, Rheuma, Multiple Sklerose, Allergien und Demenzerkrankungen [3].

Polypharmazie lässt sich nicht verhindern

Multimorbidität bedeutet auch, dass verschiedene Symptome gleichzeitig behandelt werden müssen. Dazu werden mehrere Medikamente verabreicht, die zu Wechselwirkungen führen und wiederum weitere Beschwerden hervorrufen können. Polypharmazie kann bei Multimorbidität nicht vermieden werden, jedoch sollte sie optimal abgestimmt und regelmäßig überprüft werden [3].

Bedeutung für die Pflege

Multimorbide Patientinnen und Patienten in Langzeitpflegeeinrichtungen sind keine Ausnahme, sondern die Regel. Daher gehört der Umgang mit ihnen zum Alltag in der medizinischen und pflegerischen Versorgung von Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeeinrichtungen. Eine besonders herausfordernde Aufgabe, denn nicht nur der Medikamentenplan, sondern die individuelle und ganzheitliche Betrachtung der Erkrankten steht im Fokus der Versorgung. Neben den einzelnen Krankheiten und deren Wechselwirkung miteinander, sind Resilienzfähigkeit, Wertvorstellungen und Prioritäten mit in die Behandlungs- und Versorgungsentscheidungen im Sinne einer „patientenzentrierten Versorgung“ mit einzubeziehen [1]. Die Einschätzung der Ist-Situation, eine gelungene interprofessionelle Zusammenarbeit und vorausschauendes Pflegehandeln sind elementar, um multimorbide Patientinnen und Patienten möglichst stabil zu halten und ihnen langfristige Lebensqualität zu ermöglichen [4]. Dies erfordert einen vertrauensvollen Umgang, um Themen wie Lebensqualität und Lebenslänge, Ziele und Erwartungen der Menschen im Arzt-Patienten-Gespräch anzusprechen [1]. Doch dafür fehlt häufig die Zeit, weshalb der Pflege hier eine wichtige Aufgabe zuteilwird. 

Ältere und vorerkrankte Menschen haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf [5,6,7]. Im Hinblick auf die pflegerische Versorgung von SARS-CoV-2-Infektionen bei überwiegend Bewohnerinnen und Bewohnern in Langzeitpflegeeinrichtungen bedeutet das, dass neben dem medizinisch Möglichen von vornherein in enger Zusammenarbeit mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt entschieden werden muss, was dem Willen der Betroffenen (gegebenenfalls im Gespräch mit den Angehörigen) entspricht und welche Behandlungsstrategie verfolgt werden soll. Dazu zählt auch die Entscheidung für oder gegen eine Krankenhauseinweisung und einer möglicherweise palliativen Begleitung vor Ort [8].

Fazit: Multimorbidität in der Langzeitpflege ist keine Ausnahme, sondern die Norm. Das Pflegepersonal muss auf mögliche Komplikationen und Herausforderungen gut vorbereitet sein und sowohl körperliche als auch psychische Veränderungen schnell wahrnehmen [3]. Neben der individuellen Krankengeschichte sollten Pflegefachpersonen auch den Medikationsplan ihrer Bewohnerinnen und Bewohner im Blick haben. Dieser kann in Absprache mit der behandelnden Hausärztin oder dem behandelnden Hausarzt - ggfs. auch mittels Video-Konsultation - im Falle eines positiven SARS-CoV-2 Point-of-Care (PoC)-Antigentests angepasst werden, um zum Beispiel mit einer antiviralen Therapie frühzeitig zu beginnen [9]. Die Ist-Situation der Betroffenen richtig einzuschätzen und ihrem Willen entsprechend zu handeln, ist im Umgang mit multimorbiden Patientinnen und Patienten entscheidend [4,8]. 
 

Fallbeispiele

Fallbeispiele zu SARS-CoV-2-Infektionen im Pflegealltag

SARS-CoV-2-Infektionen zeigen sich im Pflegealltag auf unterschiedliche Art und Weise, wie die folgenden Beispiele aus verschiedenen Versorgungsettings deutlich machen [10:

Fallbeispiel 1:

Risikopatient, 75 Jahre, stationäres Versorgungssetting

Vorgeschichte
COPD-Stadium 4 bei weiterem Nikotinkonsum
Adipositas permagna (180 kg), Diabetes mellitus, Depression und zunehmende Immobilität

COVID-19-Infektion und -behandlung

  • Dezember 2020 – Infektion mit schwerem intensivpflichtigem Verlauf mit 7-tägiger Beatmung 
  • Zerebrale Mikroangiopathie und erhebliche kognitive Beeinträchtigungen aufgrund einer respiratorischen Insuffizienz bei COPD-Stadium 4 und einer COVID-19-Infektion  
  • Aufbau eines Infektionsschutzes nicht möglich 
  • Plötzlich ansteigendes Fieber, Luftnot und Panikanfall, Absinken der Sauerstoffsättigung unter 80 %
  • COVID-19-Testung durch die Pflegefachperson der stationären Pflegereinrichtung mit positivem COVID-19-Befund

Fallbeispiel 2:

Risikopatient, 45 Jahre, stationäres Versorgungssetting, Eingliederungssetting

Vorgeschichte
Zustand bei teiloperativem Glioblastom mit Wesensveränderungen und zunehmenden Ausfallerscheinungen in der Kognition, Mobilität und Lebensführung.

COVID-19-Infektion und -behandlung

  • Klient ist müde, antriebslos und zunehmend immer schläfriger
  • COVID-19-Testung durch die Pflegefachperson der stationären Pflegereinrichtung mit positivem COVID-19-Befund
  • Nach 3 Tagen ansteigendem Fieber Verschlechterung des Allgemeinzustands
  • Zum Abend deutliche VerschlechterungKrankenhauseinlieferung, verstorben in der Nacht

Fallbeispiel 3:

Risikopatientin, 83 Jahre, ambulantes Versorgungssetting

Vorgeschichte
Zustand nach Darmresektion bei Darmkarzinom mit Krebsanschlusstherapie im Jahr 2021, kein nachweisbarer Titeraufbau durch Impfungen im Jahr 2021/2022.

COVID-19-Infektion und -behandlung

  • COVID-19-Infektion mit Fieber, schweren Grippesymptomen mit antiviraler Therapie
  • Rebound-Effekt, weiterhin schwerer Erschöpfungszustand mit zunehmender Atemnot 
  • Anfang 2022 – Erneute antivirale Therapie mit einem anderen Präparat und stationäre Behandlung 
  • 2022 – Aufbau eines Impfschutzes
  • Mai 2023 – Erneute COVID-19-Infektion
  • Zunehmende Grippesymptome mit Erschöpfung, mit ansteigendem Fieber
  • COVID-19-Testung durch die Pflegefachperson des ambulanten Pflegedienstes mit positivem COVID-19-Befund

Autorin: Birke Dikken

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Literatur

[1] S3-Leitlinie Multimorbidität (2017); AWMF-Register-Nr. 053-047; DEGAM-Leitlinie Nr. 20; https://register.awmf.org/assets/guidelines/053-047l_S3_Multimorbiditaet_2018-01.pdf. Zuletzt abgerufen am: 24.11.2023
[2] https://www.axa.de/pk/gesundheit/a/multimorbiditaet#anker24468704_multimorbiditaet_formen. Zuletzt abgerufen am: 26.11.2023
[3] https://medwing.com/de/de/magazine/artikel/multimorbiditat-im-alter. Zuletzt abgerufen am: 26.11.2023
[4] Steudter E. Langfristig gut versorgt trotz Multimorbidität. Pflegezeitschrift (2022); 75(4): 32-34
[5] https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/JoHM_S2_2021_Risikogruppen_COVID_19.html. Zuletzt abgerufen am: 24.11.2023
[6] España PP, Bilbao A, García-Gutiérrez S et al (2021) Predictors of mortality of COVID-19 in the general population and nursing homes. Intern Emerg Med 16:1487–1496.
[7] Said D et al. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2023; 66(3): 248–255. Published online 2023 Feb 7. German. doi: 10.1007/s00103-023-03657-9
[8] Hindrichs S und Rommel U. Pflegerische Versorgung bei COVID-19 in der Langzeitpflege. Vincentz Network, Hannover, 2020
[9] AWMF S3-Leitlinie, Empfehlungen zur Therapie von Patienten mit COVID-19 (in der bis zum 11.09.2023 gültigen Fassung, derzeit in Überarbeitung). https://register.awmf.org/assets/guidelines/113-001LGl_S3_Empfehlungen-zur-stationaeren-Therapie-von-Patienten-mit-COVID-19_2023-03.pdf. Zuletzt abgerufen am 28.11.2023
[10] Erfahrungsberichte modifiziert nach: Hindrichs S und Rommel U. Pflegerische Versorgung bei COVID-19 in der Langzeitpflege. Vincentz Network, Hannover, 2020

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