Skip to main content

12.07.2023 | Politik | Nachrichten

Krankenhausreform

Verbände zu Eckpunktepapier: Pflege wurde „ausradiert“

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Pflegeverbände äußern scharfe Kritik am Eckpunktepapier zur Krankenhausstrukturreform. Sie sehen den Stellenwert der professionellen Pflege komplett ignoriert und fordern Nachbesserungen beim Gesetzentwurf.

© mikefahnestock / iStockPflegeverbände kritisieren, dass die Profession im Eckpunktepapier quasi "ausradiert" wurde.  

Nach wochenlangem Ringen haben sich am Montag Bund und Länder auf die Eckpunkte für die Krankenhausstrukturreform geeinigt. Beschlossen wurde u.a. die Einführung von Vorhaltepauschalen. Sie sollen 60 % Prozent der Kosten abdecken, die Krankenhäuser für das Erbringen einer Leistung aufwenden. 

Zudem sollen künftig bundeseinheitliche Qualitätskriterien für die Leistungsgruppen die Qualität der medizinischen Versorgung stärken. Die Leistungsgruppen, die die medizinische Leistungen abbilden, sind wiederum Voraussetzung für die Zuordnung einer Vorhaltepauschale. Weiter soll den Level Ii-Kliniken eine „zentrale Rolle“ auf dem Weg zu einer sektorenübergreifenden und integrierten Gesundheitsversorgung zukommen.

Die Eckpunkte bilden die Grundlage für die Erarbeitung des Gesetzentwurfs, die über den Sommer erfolgt. 

Profession Pflege kommt nicht vor

Pflegeverbände äußerten sich am Dienstag von den vorgelegten Eckpunkten mehr als enttäuscht. In einer gemeinsamen Erklärung übten der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK), der Bundesverband Pflegemanagement sowie der Verband der Schwesternschaften vom Deutschen Roten Kreuz scharfe Kritik an dem von Bund und Ländern erarbeiteten Kompromiss-Papier.  

„Im vorliegenden Eckpunktepapier kommt die Profession Pflege nicht vor“, stellte DBfK-Präsidentin Christel Bienstein fest. „Im Vergleich zu den Vorschlägen der Regierungskommission wurde die Pflege geradezu ausradiert.“

Die beruflich Pflegenden erwarteten von Bundesgesundheitsminister Lauterbach eine wirksame Krankenhausreform, die weitsichtig ist und bestehende wie zukünftige Probleme angehe. Zwingend dazu gehöre die Anerkennung der Kompetenzen von Pflegefachpersonen und deren Nutzung.

Heilkundeübertragung muss kommen

Die Verbände forderten den Gesundheitsminister auf, den Verantwortungsbereich für Pflegefachpersonen wie versprochen auszuweiten. Dazu sei eine Heilkundeübertragung im Sinne einer Substitution erforderlich. Zudem müsse die Pflegequalität, wie technische und medizinische Anforderungen auch, ein Kriterium für die Zuordnung zu Leistungsgruppen werden.

Generaloberin Gabriele Müller-Stutzer, Präsidentin des Verbandes der Schwesternschaften vom DRK, machte deutlich, dass zur Sicherung der Gesundheitsversorgung auch eine Abkehr von „überholten Narrativen“ notwendig ist: „Berufsgruppen müssen im Rahmen ihrer Fachlichkeit auf Augenhöhe die Verantwortung für Patientinnen und Patienten tragen. Die Herausforderungen, vor denen wir alle stehen, lassen keinen Raum für Ängste oder Eitelkeiten.“ Daher sei die Leitung von Level-Ii- Kliniken durch hierfür qualifizierte Pflegefachkräfte zu ermöglichen. 

Daneben sorgt auch die Formulierung zum Pflegebudget aus dem Eckpunktepapier für Kritik. Aus Sicht der Verbände läuft diese auf eine Verrechnung des Pflegebudgets mit den Vorhaltekosten hinaus. Damit werde schon wieder der falschen Anreiz gesetzt, an der Pflege zu sparen, analysierte Sarah Lukuc, Vorsitzende des Bundesverbands Pflegemanagement. „Wir stecken in dieser Pflegekrise, weil die politisch Verantwortlichen Pflege immer nur als Kostenfaktor betrachten, statt ihren Stellenwert für die Genesung, die Wahrung der Würde, das Wohlbefinden trotz Krankheit zu sehen.“

Chance auf eine Verbesserung der Versorgungsqualität wird verschenkt

DPR-Präsidentin Christine Vogler erkennt im Eckpunktepapier in erster Linie eine Struktur- und Finanzierungsreform. Die „genauso wichtige fachliche Neuausrichtung“ der Krankenhäuser mit einer neuen Kompetenzverteilung der Gesundheitsfachberufe finde sich darin nicht.

„Die Politik zementiert die Pflege nach wie vor in den ärztlich dominierten Arbeits-, Befehls- und Verantwortungsstrukturen des 19. Jahrhunderts“, erklärte Vogler am Dienstag. Die Chance für eine bessere Pflege- und Gesundheitsversorgung und damit für eine Verbesserung der Versorgungsqualität werde damit verschenkt.

„Um ihren Namen als Reform gerecht zu werden, muss es zur Heilkundeausübung durch die Profession Pflege kommen“, mahnte die DPR-Präsidentin dringende Nachbesserungen im Gesetzentwurf an. Die Aufgaben der Pflege- und Gesundheitsversorgung seien künftig nur gemeinsam und in enger Zusammenarbeit mit der Profession Pflege zu lösen.

Weiter kritisierte Vogler in den Eckpunkten abwertende „kann“-Einschränkungen, wenn es um die pflegerische Leitung eines Level Ii-Krankenhauses geht. „Aus der Zeit gefallen“ seien auch Formulierungen, die fachlich-medizinische Entscheidungen ausschließlich in der Verantwortung der Ärzte sehen und der pflegerischen Leitung keine fachliche Weisungsbefugnis gegenüber dem ärztlichen Personal einräumten. Diese seien ersatzlos zu streichen.

Angesichts der „nebulösen“ Formulierungen zur Finanzierung von Pflegestellen bekräftigte auch Vogler, dass es keinerlei betriebswirtschaftliche Anreize für einen Abbau von Pflegestellen im Krankenhaus geben dürfe. Dies würde zu einer massiven Verschlechterung der Patientenversorgung führen.

Um kontinuierlich im Krankenhaus-Leistungsgruppen-Ausschuss mitarbeiten zu können, brauche es zudem die Zusage, den DPR auch über die Legislatur hinaus finanziell zu unterstützen. Das gelte auch für den Aufbau einer Selbstverwaltung.

Vogler betonte: „Die Krankenhausreform wirkt erst dann richtig, wenn die Profession Pflege auf Augenhöhe mit anderen Professionen des Gesundheitswesens im Sinne einer interprofessionellen Versorgungsstruktur aktiv werden kann.“

Bereits Ende Juni hatten die Pflegeverbände in einem Policy Brief die Einbindung des pflegefachlichen Potenzials als zwingende Notwendigkeit bei der Krankenhausstrukturreform angemahnt. (ne)

print
DRUCKEN

Weiterführende Themen