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Open Access 18.09.2023 | Originalien

Qualitative Analyse von Patientenrückmeldungen zur prähospitalen Analgesie

Patientenzufriedenheit nach Anwendung eines Analgesieverfahrens durch Rettungsfachpersonal

verfasst von: Henning Sander, M. Sc., Nicola Häberle, Dr. med. André Gnirke, Dr. Matthias Nübling

Erschienen in: Notfall + Rettungsmedizin

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Zusammenfassung

Hintergrund

Die Ermittlung der Patientenzufriedenheit ist im Rahmen des Qualitätsmanagements bei der Rettungsdienst-Kooperation in Schleswig-Holstein (RKiSH) gGmbH von großer Bedeutung. Die vorliegende Auswertung ergänzt die Ergebnisse der quantitativen Befragung. Die folgende Auswertung führte zu der Erkenntnis, dass die Medikation keinen signifikanten Einfluss auf die Patientenzufriedenheit hat. Der Fragebogen wurde weiter validiert und die Freitextanalyse hier vorgestellt (siehe Online-Zusatzmaterial des Artikels).

Methode

118 Freitextantworten aus dem ursprünglichen Fragebogen wurden mit zwei Codern und einem selbst definierten Codesystem in die Kategorien positiv, negativ und keine Zuordnung verteilt. Die 515 Codierungen (codierte Freitextantworten) wurden in Bezug auf das Antwortverhalten bewertet.

Ergebnisse

Die positiven Anteile waren mit 61 % (n = 169) am höchsten. Die negativen Anteile hatten einen Wert von 27,1 % (n = 75). Ein Anteil von 11,9 % (n = 33) konnte keiner der beiden Kategorien zugeordnet werden. Die jeweils positiven und negativen Codierungen konnten dem Antwortverhalten im Fragebogen zugeordnet werden und unterscheiden sich voneinander.

Schlussfolgerung

Die Freitextantworten konnten die Ergebnisse weiter untermauern, brachten jedoch keine neuen Aspekte mehr hervor.
Begleitmaterial
Hinweise

Zusatzmaterial online

Die Online-Version dieses Beitrags (https://​doi.​org/​10.​1007/​s10049-023-01199-w) enthält den zugrunde liegenden Fragebogen.
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Einleitung

Die Bedeutung der prähospitalen Analgesie ist hoch und es gibt zahlreiche Publikationen dazu [14]. Die Forschung zu akuten Schmerzen im prähospitalen Kontext ist jedoch noch wenig entwickelt und vor allem im Bereich der Zufriedenheit nicht ausreichend abgebildet [5, 6]. Die reine Zufriedenheit zu erfragen, stellt offenbar keine ausreichende Möglichkeit der Qualitätserfassung dar. Es wird empfohlen, die spezifischen Aspekte, wie z. B. Komfort und emotionale Unterstützung, zu erfassen [7]. Ein Fragebogen zur Messung der Patienten- und Patientinnenzufriedenheit nach Anwendung eines präklinischen Anlagesiekonzepts wurde von der Rettungsdienst-Kooperation in Schleswig-Holstein (RKiSH) gGmbH 2018 entwickelt. Eine Patientenbefragung fand im Zeitraum von Juni 2018 bis Juli 2019 in vier Versorgungsbereichen der RKiSH statt. Es wurden 820 Patienten angeschrieben, 363 Patienten schickten einen gültigen Fragebogen zurück. Es konnten vier Skalen gebildet werden (A: Schmerzbehandlung | B: Fachpersonal | C: Wartezeit | D: Verträglichkeit), ein signifikanter Unterschied in der Medikation in Bezug auf die Skalen konnte nicht gefunden werden [3]. Der Fragebogen wurde weiter reduziert und optimiert.
In der Gesundheitsberichterstattung kommen vor allem quantitative Methoden zum Einsatz. In der Versorgungsforschung werden zusätzlich auch qualitative Methoden angewendet [8]. Kelle und Tempel stellen die qualitative Gesundheitsforschung und die dadurch besonders fokussierte Bedürfnisanalyse der Patient*innen dar [9, 10]. Auch die Pflegewissenschaften bedienen sich beider Methoden [11]. Es ist daher naheliegend, das Thema „Patientenzufriedenheit nach prähospitaler Analgesie“ auch aus der qualitativen Sicht zu beleuchten und die Methode und die Auswertungen der Fachwelt zu präsentieren. Auch wenn die Ergebnisse keine wirklich neuen oder unerwarteten Ergebnisse hervorbrachten, stellen sie eine Absicherung der quantitativen Auswertungen und des Fragebogens an sich dar. Die Darstellung der Freitextauswertung ist somit der letzte Baustein einer vollständigen Analyse aller erhobenen Daten und gibt Einblick in die individuellen Patientenbedürfnisse.

Material und Methoden

Die Befragung wurde von Juni 2018 bis Juli 2019 durchgeführt. Es wurden 820 Patientinnen und Patienten eingeschlossen, die eine Schmerzstärke auf der numerischen Rating-Skala (NRS) von ≥ 5 angegeben haben. Die Vitalparameter mussten stabil sein (AF > 10/min; HF > 50/min; SpO2 > 92; RRsyst. ≥ 100 mmHg) und die GCS musste einen Wert von ≤ 14 haben. Ein Notarzt war bei den erfassten Fällen nicht behandelnd vor Ort beteiligt. Das Rettungsfachpersonal, hier Notfallsanitäterinnen/Notfallsanitäter und Rettungsassistenten/Rettungsassistentinnen (NotSan/RettAss), hatte im Rahmen der Standardarbeitsanweisung (SAA) und unter Zuhilfenahme eines Callback folgende Analgetika zur Verfügung: Morphin bis zu einer max. Dosis von 10 mg und Esketamin mit max. zwei Einzelgaben und einer jeweiligen max. Dosis von 12,5 mg (zusätzlich hier noch 1 mg Midazolam als Einzeldosis). Bei abdominellen Schmerzen konnte das Rettungsfachpersonal ohne Callback 1 g Metamizol in 100 ml-Kurzinfusion und bei kolikartigen Schmerzen zusätzlich noch 20 mg Butylscopolamin verabreichen. Die SAA Analgesie wurde in der RKiSH im Jahr 2014 eingeführt und darf dort nach einer Schulung und einer jährlichen Zertifizierung angewendet werden. Damals waren NotSan und RettAss zur Anwendung der SAA Analgesie berechtigt, ab dem Jahr 2020 ist grundsätzlich die regelhafte Anwendung von invasiven Maßnahmen nur noch für NotSan vorgesehen.
Die Ärztekammer Schleswig-Holstein II hat mit ihrer Ethikkommission die Zustimmung für diese Studie (N° AZ: 032/18 II) erteilt. Der zuständige Datenschutzbeauftragte wurde einbezogen und gehört. Die Anonymisierung erfolgte über eine externe Stelle. Die Patientinnen und Patienten gaben ihre schriftliche Einwilligung zur Teilnahme an der Befragung. Die Fallzahlabschätzung ergab, dass bei angenommenen 40 % Rücklauf gut 800 Patienten und Patientinnen eingeladen werden mussten, um eine Stichprobe von 350 auswertbaren Probanden zu erreichen. Bei einer dann etwas höher realisierten Rückläuferquote von 44 % konnten wir 363 gültige Fälle auswerten. Der ursprüngliche Fragebogen enthielt 22 Fragen (inkl. sozidemografischer Fragen). Die jeweiligen Skalen werden durch die Items A.1 bis D.2 gebildet und stellen die Grundlage der Kategorisierung dar (siehe Tab. 1). Die einzelnen Items wurden nach Sichtung der relevanten validierten Fragebögen zur innerklinischen und außerklinischen Patientenzufriedenheit wie z. B. des Fragebogens aus Innsbruck oder des Freiburger Patientenindex ausgewählt, zusammengestellt und in einem Prätest erprobt [12, 13]. Die vier Skalen selbst wurden auf Basis multivariater Analysen (explorative Faktorenanalyse zur übergeordneten Dimensionsstruktur und nachfolgende Reliabilitätsanalyse der einzelnen Skalen) gebildet und nicht zielführende oder doppelte Items wurden wieder entfernt.
Tab. 1
Darstellung der Skalen mit den jeweiligen Items
Skala A Schmerzbehandlung
A.1. Aufklärung zur Behandlung: Wie zufrieden waren Sie mit der Aufklärung vor der Schmerzbehandlung?
A.2. Fragen: Wurden Ihre Fragen zu Ihrer Schmerzbehandlung vom rettungsdienstlichen Fachpersonal verständlich beantwortet?
A.3. Schmerzbehandlung vor Ort: Wie zufrieden waren Sie mit den Abläufen der Schmerzbehandlung vor Ort (nach dem Eintreffen des Rettungswagens)?
A.4. Schmerzreduktion nach Behandlung: Wie zufrieden waren Sie mit der Schmerzreduktion (Nachlassen des Schmerzes) bei Übergabe im Krankenhaus?
A.5. War die angewendete Schmerzbehandlung aus Ihrer Sicht hilfreich?
Skala B Fachpersonal
B.1.1. Medizinische Kompetenz rettungsdienstliches Fachpersonal
B.1.2. Emotionale Kompetenz rettungsdienstliches Fachpersonal
B.1.3. Zuhören und Ernstnehmen rettungsdienstliches Fachpersonal
B.1.4. Soziale Kompetenz rettungsdienstliches Fachpersonal
B.1.5. Höflichkeit rettungsdienstliches Fachpersonal
B.1.6. Freundlichkeit rettungsdienstliches Fachpersonal
B.1.7. Zusammenarbeit/Führung des Teams rettungsdienstliches Fachpersonal
Skala C Wartezeit
C.1. Wartezeit: Wie lange hat es ab Eintreffen des Rettungswagens nach Ihrer Einschätzung gedauert, bis die schmerzreduzierende Behandlung begonnen wurde?
C.2. Beurteilung Wartezeit: Wie beurteilen Sie die Dauer der Wartezeit in der betreffenden Situation?
Skala D Verträglichkeit
D.1. Verträglichkeit Medikamente: Wie wurden die verabreichten Schmerzmedikamente aus Ihrer Sicht vertragen?
D.2. Nebenwirkungen und Komplikationen: Gab es Nebenwirkungen und/oder Komplikationen?
Die größte Zufriedenheit wurde mit 100 Punkten und die größte Unzufriedenheit mit 0 Punkten bewertet. Die Abstufungen wurden aus bestehenden Systemen wie folgt vorgenommen [12]: Mehr als 89 Punkte wurden als sehr große Zufriedenheit beurteilt, Werte von 81 bis 89 Punkten als große Zufriedenheit, Werte von 61 bis 80 Punkten als mäßige/durchschnittliche Zufriedenheit und Werte mit weniger als 61 Punkten als geringe Zufriedenheit.
Um die 515 Nennungen aus den 118 Freitextangaben zu der Frage nach dem Empfinden der Schmerzbehandlung durch das Rettungsteam zu kategorisieren, wurde das Datenmaterial gesichtet und ein Kategoriensystem nach der Theorie von Mayring entwickelt [14]. Die Kategorien wurden dabei deduktiv entwickelt. Die Codierung fand mittels zwei unabhängiger Coder statt, welche die Software MAXQDA 2022 (VERBI Software. Consult. Sozialforschung GmbH, Berlin, Deutschland) eingesetzt haben. Die erste Ebene der Kategorien bildeten drei Ausprägungen: positive Rückmeldungen (positiv) und negative Rückmeldungen (negativ) sowie Antworten, welche nicht zugeordnet werden konnten (keine Zuordnung). Die zweite Ebene wurde über die vier Skalen des Fragebogens abgebildet und jeweils in positive und negative Aspekte unterteilt (siehe Abb. 1). Da es im ersten Durchlauf der Codierung größere Abweichungen bei der Interrater-Reliabilität gab, wurde eine Ebenenreduzierung der Theorie nach Rädiker und Kuckartz folgend vorgenommen [15]. Somit wurde eine dritte Ebene wieder verlassen. Mit dieser dritten Ebene war zuvor versucht worden, die Skalen noch weiter zu differenzieren. Das übergeordnete Ziel ist es, einen Überblick über die positiven und negativen Rückmeldungen zu bekommen und Verbesserungsvorschläge zu erkennen. Zugleich wurde mittels Kreuztabellen und Varianzanalysen überprüft, ob die Antworten mit den ermittelten Werten aus dem Fragebogen übereinstimmen bzw. dem jeweiligen Antwortverhalten zuzuordnen sind.
Insgesamt stehen 118 Freitextantworten aus dem Fragebogen zur Verfügung. Der Freitext wurde in die Frage A.18 als Rückmeldung des Patienten eingesetzt und lautete:
„A.18. Freitext: Möchten Sie uns noch etwas zur Schmerzbehandlung durch das Rettungsteam mitteilen?“
Die Unterschiede des Zufriedenheitswerts in Bezug zu positiven bzw. negativen Rückmeldungen wurden mittels Varianzanalysen (ANOVA) über alle Gruppen getestet (zweiseitig p-Wert α ≤ 0,05).
Mittels Chi-Quadrat-Test haben wir getestet, ob es Unterschiede in der Zuordnung der Kategorien durch die beiden Coder gibt (zweiseitig p-Wert α ≤ 0,05).

Ergebnisse

Bei der Betrachtung der Behandlungsdaten der Grundgesamtheit (von 820 behandelten Patienten) in Bezug zu den einzelnen Medikamenten zeigt sich eine Reduktion von 3,5 bis 4,46 NRS-Punkten. Der niedrigste Wert wurde in der Gruppe „Metamizol“ gemessen: 3,5 (n = 114). Die größte Reduktion um 4,46 NRS-Punkte (n = 157) konnte in der Gruppe „Esketamin“ gemessen werden.
Bei der Betrachtung der Daten aus der Patientenbefragung (n = 363) zeigte sich zur Skala A „Schmerzbehandlung“ der höchste Mittelwert (MW) der Zufriedenheit bei dem Medikament Morphin mit 90,7 (n = 120, SD ± 13,5). Der kleinste Wert wurde in der Gruppe „Sonstige Analgetika“ mit 80,2 (MW) erreicht (n = 8, SD ± 18,6). In der Varianzanalyse der sechs Gruppen und in den Mittelwertsvergleichen der einzelnen Gruppen traten keine statistisch signifikanten Unterschiede auf (p-Wert α ≤ 0,05).
Bei den Freitextantworten konnten folgende Ergebnisse identifiziert werden:
Insgesamt konnten 515 verschiedene Codierungen von zwei Codern identifiziert werden. Die 515 Codierungen entstammen den Freitextantworten von 118 Personen, d. h., einzelne Personen äußern oftmals mehrere verschiedene Inhalte. Die 118 Freitextantworten wiederum stammen aus den 363 Rückläufern der ursprünglich 820 angeschriebenen Schmerzpatienten.
Zwei Coder ordneten die 515 Codierungen aus den 118 Freitextantworten einerseits den drei Grobkategorien zu (positiv/negativ/keine Zuordnung) und andererseits den inhaltlichen Themen der vier Skalen. Der Chi-Quadrat-Test konnte keine signifikanten Unterschiede in der Zuordnung der Coder aufzeigen, sowohl was die Grobkategorien anbetrifft (Chi2 = 0,985, df = 2, p = 0,611), als auch die thematische Zuordnung betreffend (Chi2: 4,48, df = 10, p = 0,923). Dies bedeutet eine hohe Intercoder-Reliabilität (oder auch Interrater-Reliabilität). Die erste Codierung mit den Kategorien positiv, negativ und keine Zuordnung zeigt: Die positiven Anteile ohne weitere Konkretisierung waren mit einer Anzahl von 169 Codierungen am höchsten (63,7 %, n = 515). Die negativen Anteile ohne weitere Konkretisierung hatten eine Anzahl an 75 Codierungen (29,9 %, n = 515). Insgesamt konnten 33 Codierungen keiner der beiden Kategorien zugeordnet werden (6,4 %, n = 515, siehe Abb. 2).
Die detaillierte Zuordnung der Codierungen erfolgte über die Skalen. Bei dieser Zuordnung auf einer zweiten Ebene der Skalen konnten beim Fachpersonal 113 positive Anteile aus den Freitextantworten mit der höchsten Zahl zugeordnet werden (21,9 %). Gefolgt von 38 positiven Anteilen bei der Schmerzbehandlung (7,4 %). Bei der Zuordnung der negativen Nennung zu den Skalen waren 43 Codierungen bei der Schmerzbehandlung negativ (8,3 %), gefolgt von 23 Codierungen bei der Wartezeit (4,5 %, siehe Abb. 3).
Die Betrachtung des Antwortverhaltens im Fragebogen in Bezug zu den Freitextantworten zeigte in allen Gruppen Unterschiede. Die Unterschiede des Zufriedenheitswerts zwischen positiv und negativ waren in allen Gruppen vorhanden und werden neben der Tab. 2 im weiteren Verlauf detailliert beschrieben. Die Patientinnen und Patienten, die sich positiv in den Freitexten äußerten, hatten sich auch mit einem höheren Mittelwert im Fragebogen in den jeweiligen Fragen, die zu einer Skala zusammengeführt wurden, geäußert. Bei den positiven Freitextantworten konnte ein höherer und bei den negativen Freitextantworten ein niedrigerer Mittelwert im Antwortverhalten beobachtet werden.
Tab. 2
Zufriedenheitsbewertung (Mittelwerte) und Freitextantworten (positiv vs. negativ)
Antworten aller Patienten aus dem Fragebogen in Bezug zu den Skalen
Positive Freitexte nach Skalen
Negative Freitexte nach Skalen
 
Skala A Schmerzbehandlung
Alle Patienten
Positiv Schmerzbehandlung
Negativ Schmerzbehandlung
p < 0,001
89,87
87,85
76,11
Mittelwert
351
36
39
N
14,13
15,35
12,86
Std.-Abweichung
Skala B Fachpersonal
Alle Patienten
Positiv Fachpersonal
Negativ Fachpersonal
p < 0,001
91,47
97,97
86,61
Mittelwert
351
109
11
N
13,37
5,90
17,04
Std.-Abweichung
Skala C Wartezeit
Alle Patienten
Positiv Wartezeit
Negativ Wartezeit
p < 0,001
69,09
77,83
31,11
Mittelwert
358
6
23
N
24,66
8,78
33,47
Std.-Abweichung
Skala D Verträglichkeit
Alle Paienten
Positiv Verträglichkeit
Negativ Verträglichkeit
p < 0,001
91,13
62,50
25,00
Mittelwert
355
2
2
N
21,72
53,03
0,00
Std.-Abweichung
Bei der Skala „Schmerzbehandlung“ konnten ein Zufriedenheitswert im Fragebogen bei den positiven Antworten von 87,85 (Mittelwert) und eine SD von 15,35 (n = 36) beobachtet werden. Bei den negativen Freitextantworten zeigten sich ein Zufriedenheitswert im Fragebogen in der Skala „Schmerzbehandlung“ von 76,11 (Mittelwert) und eine SD von 12,86 (n = 39; ANOVA: p < 0,001).
Bei der hohen Zahl der Codierungen im Bereich Fachpersonal (n = 109) konnten ein hoher Mittelwert der Zufriedenheit von 97,97 Punkten und eine SD von 5,90 in der Skala „Fachpersonal“ beobachtet werden. Im Gegensatz dazu antworteten negativ schreibende Patientinnen und Patienten mit einem Mittelwert der Zufriedenheit von 86,61 und einer SD von 17,04 (n = 11) in dieser Skala (ANOVA: p < 0,001).
Bei der Wartezeit war eine erhöhte Zufriedenheit in dieser Skala bei einem Mittelwert von 77,83 und einer SD von 8,78 bei den positiv schreibenden Patientinnen und Patienten zu beobachten (n = 6). Bei den negativ schreibenden Patientinnen und Patienten konnten wir einen niedrigen Mittelwert in der Zufriedenheit von 31,11 und eine SD von 33,47 in der Skala „Wartezeit“ messen (n = 23; ANOVA: p < 0,001).
Die Skala „Verträglichkeit“ ist mit jeweils zwei Codierungen zu schwach, als dass eine Interpretation möglich wäre. Der Vollständigkeit halber sind die signifikanten Unterschiede bei jeweils zwei Codierungen hier genannt (ANOVA: p < 0,001).
Die Gegenüberstellung ist in Tab. 2 dargestellt.

Diskussion

Die Reduktion der NRS ist nachweisbar, auch die Patientenzufriedenheit ist ausreichend belegt worden. Die Frage nach einer Umsetzbarkeit der Erkenntnisse in die rettungsdienstliche Wirklichkeit schließt sich nun an. Im Anwendungsgebiet der RKiSH kann zumindest die Schlussfolgerung erlaubt sein, dass die Kombination aus nachgewiesener Reduktion der NRS-Punkte und überwiegend positiver Rückmeldung der Patienten eine Veränderung der SAA Analgesie nicht unmittelbar notwendig macht. Die Hinweise auf die etwas geringere Patientenzufriedenheit bei der Morphingabe in Bezug auf die Wartezeit haben uns veranlasst, die Dosis der Einzelgaben von 2 auf 2,5 mg zu erhöhen, um einen etwas schnelleren Wirkeintritt zu erzielen (weiterhin Gesamthöchstdosis 10 mg).
Die Übereinstimmung der Coder konnte im zweiten Schritt und nach Anpassung der Ebenen ohne signifikante Unterschiede realisiert werden. Der Codebaum war nach Anpassung somit für beide Coder verständlich und gut umsetzbar.
Die Ergebnisse zeigen, dass positive Anteile auch in den Freitextantworten überwiegen. Die positiven Anteile waren mehr als doppelt so hoch. Bemerkenswert ist, dass 33 Codierungen (6,4 %) gar keiner Skala oder einer Kategorie zugeordnet werden konnten. Als Beispiel waren hier Beschwerden über die Behandlung in der Klinik genannt worden.
Die Interpretation der Freitextantworten kann helfen, das Ergebnis der quantitativen Messung zu untermauern. In der Befragung wurde von mehr Patienten eine höhere Gesamtzufriedenheit angegeben. Wenn dieses Item (A17) in zwei Bereiche kategorisiert wird, ergibt sich ein positiver Prozentwert von 86,3 % (63,7 % bei den positiven Freitextantworten). Der negative Prozentanteil wäre bei der Einbeziehung der „Teils-teils“-Antworten dann 11,6 % (29,9 % bei den negativen Freitextantworten, siehe Abb. 4).
Die negativen Freitextantworten sind mehr als dreimal so häufig wie die quantitative Auswertung der Frage nach der Gesamtzufriedenheit. Entweder messen diese beiden Fragen etwas anderes oder die Freitextantwort spricht die negativ Rückmeldenden mehr an bzw. bietet einen Raum, das Negative besser äußern zu können.
Die menschliche Komponente wird im Bereich Fachpersonal am stärksten wahrgenommen. In anderen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Beziehung zwischen Behandler und Patient die Zufriedenheit beeinflusst [16]. Dieser Wert ist daher nicht ungewöhnlich oder überraschend am höchsten.
Die Skala „Schmerzbehandlung“ hat einen stark negativen Skalenwert (mehr als 10 Punkte Unterschied zwischen positiv und negativ Antwortenden) und ist vermutlich dadurch zu erklären, dass ein nicht optimal wahrgenommenes Schmerzkonzept in guter Erinnerung geblieben ist. Die Wartezeit war in der Auswertung des Fragebogens der niedrigste Wert und hat einen extrem niedrigen Wert in den Freitextantworten (46 Punkte Unterschied zwischen positiv und negativ Antwortenden). Auch hier wird die Erinnerung an eine nicht optimale Wartezeit stark geblieben sein und kann vermutlich in einer Freitextantwort gut wiedergegeben werden.
Mit Abstand gab es die meisten Codierungen im Bereich Fachpersonal und diese waren auf der positiven Seite. Die Patienten hatten offenbar das Bedürfnis, die Betreuungskomponente in einem Freitext besonders hervorzuheben.
Die Wartezeit hatte die wenigsten positiven Codierungen, es scheint somit wenig im Fokus zu sein, die Wartezeit positiv hervorzuheben. Bei negativer Nennung wurde ein stark negativer Mittelwert von 33,1 in der Skala „Wartezeit“ gemessen. Es scheint so zu sein, dass bei einer negativen Erfahrung in Bezug auf die Wartezeit das Ankreuzverhalten sehr gut mit den Freitexten übereinstimmt. Zugleich scheint diese Erfahrung einprägsam zu sein und kann gut wiedergegeben werden.
Der Zusammenhang zwischen positiven Freitextantworten und positivem Antwortverhalten im Fragebogen konnte gezeigt werden. Ebenso konnte gezeigt werden, dass negative Freitextantworten auch mit negativem Ankreuzverhalten einhergehen.

Limitationen

Die erste Limitation ist, dass mit 118 Freitextantworten wenig Zuordnungen möglich waren. Wir wünschen uns eine höhere Anzahl an Freitextantworten, um noch mehr Erkenntnisse gewinnen zu können.
Die zweite Limitation sind die Nennungen in der Skala D „Verträglichkeit“, diese sind mit jeweils zwei zu wenige, als dass hier Rückschlüsse auf das Antwortverhalten gezogen werden könnten. Die Interpretation ist daher nicht weiterverfolgt worden.
Als dritte Limitation kann benannt werden, dass uns eine explizite Zuordnung der Befragungsergebnisse zu den NRS-Werten aufgrund der Anonymität der Befragten nicht möglich ist. Eine Erklärung des Zusammenhangs der NRS-Reduktion und Patientenzufriedenheit ist damit nicht möglich.

Fazit

Die Freitextantworten geben weitere Reliabilität und sichern die Studie zusätzlich ab. Die Freitextantworten lassen einen Rückschluss auf das Antwortverhalten zu und unterscheiden sich in Bezug auf den Zufriedenheitswert signifikant.
Wir möchten alle interessierten Parteien einladen, das Messinstrument „Fragebogen Analgesie RKiSH 2022“ (ZuFAR2) zu nutzen, um weitere Daten und Erkenntnisse zu gewinnen.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

H. Sander, N. Häberle, A. Gnirke und M. Nübling geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Ärztekammer Schleswig-Holstein II hat mit ihrer Ethikkommission die Zustimmung für diese Studie (N° AZ: 032/18 II) erteilt. Der zuständige Datenschutzbeauftragte wurde einbezogen und gehört. Die Patientinnen und Patienten gaben ihre schriftliche Einwilligung zur Teilnahme an der Befragung.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Supplementary Information

Literatur
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Zurück zum Zitat Caljouw MAA, van Beuzekom M, Boer F (2008) Patient’s satisfaction with perioperative care: development, validation, and application of a questionnaire. Br J Anaesth 100(5):637–644CrossRefPubMed Caljouw MAA, van Beuzekom M, Boer F (2008) Patient’s satisfaction with perioperative care: development, validation, and application of a questionnaire. Br J Anaesth 100(5):637–644CrossRefPubMed
Metadaten
Titel
Qualitative Analyse von Patientenrückmeldungen zur prähospitalen Analgesie
Patientenzufriedenheit nach Anwendung eines Analgesieverfahrens durch Rettungsfachpersonal
verfasst von
Henning Sander, M. Sc.
Nicola Häberle
Dr. med. André Gnirke
Dr. Matthias Nübling
Publikationsdatum
18.09.2023
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Notfall + Rettungsmedizin
Print ISSN: 1434-6222
Elektronische ISSN: 1436-0578
DOI
https://doi.org/10.1007/s10049-023-01199-w