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25.05.2023 | News Hebammen | Nachrichten

England: Wird die Formula zum Luxusgut?

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Britische Familien mit geringem Einkommen können sich gesunde Säuglingsnahrung häufig nicht mehr leisten. Um ihre Kinder dennoch zu ernähren, greifen viele Eltern mitunter zu verzweifelten Maßnahmen.

Wohltätigkeitsorganisationen und Kinderärzt*innen in Großbritannien warnen angesichts der rasant gestiegenen Preise für fertige Babynahrung vor einer drohenden „Formulakrise“. Durch die steigenden Lebenserhaltungskosten bei weiterhin hohen Inflationsraten, der sogenannten „cost of living crisis“, können es sich viele Familien im britischen Königreich nicht mehr leisten, ihre Kinder, insbesondere Säuglinge, ausgewogen zu ernähren. Laut Angaben der Food Foundation hatten im Januar 2023 27% der Haushalte, in denen Kinder unter vier Jahren lebten, keinen sicheren Zugang zu gesunden Lebensmitteln.
Bisher erhielten bedürftige Familien über das Healthy-Start-Programm wöchentlich finanzielle Unterstützung in Form von Gutscheinen, mit denen beispielsweise Obst und Gemüse oder Formulanahrung bezahlt werden konnten. Seit April 2021 liegt deren Wert aber unverändert bei 8.50 Pounds –mit Hinblick auf die aktuellen Lebensmittelpreise ein Kleckerbetrag. So sind in den letzten zwei Jahren die Preise der sieben verfügbaren Formulanahrungen auf dem Markt um durchschnittlich 24% gestiegen, das günstigste Produkt ist sogar um 45% teurer geworden. Dies hat der First Steps Nutrition Trust berechnet, der sich für gute Ernährung von Kindern einsetzt.

Gefahr durch unsichere Ernährungspraktiken

Auch wenn im Vereinigten Königreich empfohlen wird, Säuglinge bis zum sechsten Lebensmonat ausschließlich mit Muttermilch zu ernähren, sind die aktuellen Zahlen ernüchternd: Während in Deutschland 57% der Säuglinge im zweiten Monat gestillt werden, sind es in England weniger als die Hälfte (49%). Nach sechs Monaten beträgt die Stillrate sogar nur noch 1%, wie Daten des britischen Gesundheitsministeriums zeigen. Insbesondere Mütter aus einkommensschwachen und benachteiligten Familien stillen weniger und greifen dementsprechend früher als empfohlen auf Säuglingsmilchnahrung zurück.
Eltern weichen in vielen Fällen nun auf unsichere Ernährungspraktiken aus, zum Beispiel indem sie Mindesthaltbarkeitsdaten ignorieren, zu früh feste Nahrung oder Kuhmilch in den Speiseplan einführen oder Formulanahrung verflüssigen. Für manche bleibt sogar nur die Option, Produkte zu stehlen oder zu überteuerten Preisen auf dem neu entstandenen „Formula-Schwarzmarkt“ zu kaufen. Clare Murphy, Geschäftsführerin des British Pregnancy Advisory Service, erklärt: „Eltern sollten nicht vor diese Entscheidungen gestellt werden, wenn sie ihr Baby gesund ernähren wollen. So etwas sollte im Großbritannien des 21. Jahrhunderts nicht passieren“.

Thema erfordert nationale Aufmerksamkeit

Aus allen Teilen des Landes erreichen die Regierung nun Forderungen, um Familien den Zugang zu gesunder und ausgewogener Ernährung zu sichern. So muss das Healthy-Start-Programm grundlegend verbessert werden und andere Stellen geschaffen werden, wo Eltern bezahlbare Lebensmittel erhalten können. Ebenso gilt es, den Preis, die Nährstoffzusammensetzung und die Vermarktung von Formula zu vereinheitlichen. Langfristig sollte auch die Bedeutung des Stillens gestärkt werden, um die Abhängigkeit von kommerzieller Säuglingsnahrung zu reduzieren. „Das ist ein Thema, was Aufmerksamkeit auf nationaler Ebene erfordert“, betont Clare Murphy. „Die Regierung kann nicht tatenlos zusehen, wie Babys […] der Gefahr von Unterernährung und schweren Krankheiten ausgesetzt werden.“ (lst)

Empfehlung der Redaktion

Formulanahrung im Vergleich

Stillen ist ohne Zweifel die natürlichste und beste Ernährung für Neugeborene und Säuglinge. Ist dies jedoch nicht möglich oder von der Mutter nicht gewünscht, kommt eine geeignete Säuglingsmilchnahrung zum Einsatz. Auch wenn es die ideale Formulanahrung noch nicht gibt: Neue Inhaltsstoffe ermöglichen es, den positiven Eigenschaften der Muttermilch immer näher zu kommen.


Der Beitrag „Auf der Suche nach dem Superfood für Babys“ aus der HebammenWissen 3/2023 hilft Ihnen, bei der wachsenden Produktpalette den Überblick zu behalten.

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