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Open Access 2020 | OriginalPaper | Buchkapitel

4. Vergütung von spezialisierten, seltenen und kostenvariablen Fällen außerhalb des DRG-Systems: Erfahrungen aus Deutschland, Dänemark, England, Estland, Frankreich und den USA

verfasst von : Victor Stephani, Prof. Dr. Alexander Geissler, PD Dr. Wilm Quentin

Erschienen in: Krankenhaus-Report 2020

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Zusammenfassung
Ziel dieses Beitrags ist es, international zu vergleichen, für welche Elemente Krankenhäuser neben DRG-basierten Vergütungen weitere (Zusatz-)Zahlungen erhalten und wie diese ausgestaltet sind. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Vergütungsmechanismen , deren Ziel es ist Variabilität abzubilden. In die Analyse wurden folgende Länder eingeschlossen: Deutschland, Dänemark, England, Estland, Frankreich, USA (Medicare Part A). Es wurde ein Fragebogen entwickelt, um standardisiert zu erheben, welche Elemente warum von der DRG-basierten Vergütung ausgenommen sind und wie diese erstattet werden. Die Ergebnisse wurden in einem Modell zusammengefasst, das dazu dient, diese Zahlungsmechanismen aus der Systemperspektive systematisch zu beschreiben, zu visualisieren und länderübergreifend zu vergleichen.
Die Ergebnisse zeigen, dass alle Länder neben der DRG-basierten Vergütung zusätzliche Mechanismen zur Finanzierung implementiert haben. Meist wird eine Vielzahl von zusätzlichen Vergütungsmechanismen angewendet, die eine angemessene Vergütung für komplexe, seltene oder variable Fälle ermöglichen sollen. Die Komplexität dieser Mechanismen variiert jedoch. Während Länder wie England und Deutschland auf viele verschiedene zusätzliche Mechanismen zurückgreifen, gibt es in anderen Systemen, wie z. B. dem Medicare Programm in den USA, deutlich weniger Ausnahmen von der DRG-basierten Vergütung. Auch unterscheiden sich die Versorgungsgebiete, die von der DRG-basierten Vergütung ausgenommen sind, in Teilen deutlich. In Dänemark und England werden zudem hochspezialisierte Leistungen , die in speziell dafür ausgewiesenen Krankenhäusern erbracht werden, aus der DRG-basierten Vergütung ausgenommen bzw. es werden für diese Zuschlagszahlungen (top-up payments) gewährt. Angesichts der notwendigen und viel diskutierten Konzentration von (hoch-)spezialisierten Leistungen in Deutschland könnte eine gezielte Weiterentwicklung der Krankenhausvergütung, inspiriert durch das das dänische (oder englische) System, Anreize schaffen, um eine qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten und eine qualitätsorientierte Krankenhausplanung zu flankieren.
The aim of this chapter is to compare hospital payment systems across countries, and to identify what payment mechanisms are used beyond DRG-based payments. The focus is on payment mechanisms that aim to account for highly specialized, variable, or low volume care. The following countries were included in the analysis: Germany, Denmark, England, Estonia, France, USA (Medicare Part A). A questionnaire was developed to collect information about elements excluded from DRG-based payment, why this is the case, and what payments are available. The results were summarised in a model which serves to systematically describe, visualise and compare these payment mechanisms.
The results show that all countries have implemented financing mechanisms in addition to DRG-based payment. In most cases, a large number of additional payment mechanisms are applied in order to allow adequate reimbursement for complex, rare or variable cases. However, their complexity varies. While countries such as England and Germany use many different additional mechanisms, there are significantly fewer exceptions to DRG-based payment in other systems, such as the Medicare program in the US. Apart from that, care areas excluded from DRG-based payment differ significantly. In Denmark, highly specialised services provided in designated hospitals are excluded from DRG-based payment. In England, designated hospitals receive top-up payments when treating highly specialized patients. In view of the necessary and much discussed concentration of (highly) specialised services in Germany, future reforms of the hospital payment system could be inspired by the Danish (or English) examples and create incentives to support the concentration of highly specialized care.

4.1 Einleitung

Diagnosis-Related Groups (DRGs) haben sich innerhalb der letzten Jahrzehnte international zur wichtigsten Grundlage für die Vergütung von Leistungen der akuten stationären Versorgung entwickelt (Busse et al. 2013). In Deutschland wurde im Jahr 2003 ein auf DRGs basierendes Fallpauschalensystem eingeführt. Ziel war es, die Transparenz über tatsächlich erbrachte Krankenhausleistungen zu erhöhen und die Vergütung stärker an die Aktivität eines Krankenhauses zu koppeln (Geissler et al. 2012). Im Ergebnis sollte dies zu einer höheren Effizienz bei zumindest gleichbleibendem Qualitätsniveau führen (Geissler et al. 2014).
DRG-Systeme klassifizieren Krankenhausfälle auf der Grundlage der Diagnosen und Prozeduren eines Patienten in eine überschaubare Anzahl von klinisch sinnvollen und ökonomisch homogenen Gruppen1(Fetter et al. 1980). Jede DRG sollte damit idealerweise Krankenhausfälle mit vergleichbaren Kosten enthalten, damit die berechneten durchschnittlichen Kosten einer DRG den tatsächlich entstehenden Behandlungskosten möglichst entsprechen.
In der Praxis wurden in Deutschland in den letzten Jahren zwei Probleme an den beiden Enden des Vergütungsspektrums intensiv diskutiert: Einerseits ist die Grundversorgung (unteres Ende des Spektrums) für Krankenhäuser mit zu niedrigen Fallzahlen nicht immer auskömmlich finanziert (Stichwort Sicherstellungszuschläge). Andererseits kann am oberen Ende des Vergütungsspektrums – bei den komplexen Fällen – eine Unterfinanzierung beobachtet werden, wenn bestimmte Patienten- oder Leistungsmerkmale (noch) nicht angemessen in der DRG-Systematik berücksichtigt werden. Dies liegt unter anderem daran, dass sich Durchschnittskosten bei hochvariablen Behandlungskosten nicht valide bestimmen lassen oder die Berechnung von Durchschnittskosten bei DRGs mit relativ speziellen und komplexen Erkrankungen schwierig ist. Hinzu kommt, dass in diesen Gruppen meist nur relativ wenige Patienten gruppiert sind und daher einzelne Patienten einen relativ großen Einfluss auf die Durchschnittskosten haben.
Um den Ressourcenverbrauch der Krankenhäuser am oberen Ende des Vergütungsspektrums besser abzubilden, sind DRG-basierte Vergütungssysteme in vielen Ländern um weitere Mechanismen (z. B. Zusatzentgelte) ergänzt worden. Dabei werden bestimmte Elemente der stationären Versorgung von der DRG-basierten Vergütung ausgenommen und gesondert erstattet.
Ziel dieses Beitrags ist es, diese zusätzlichen Mechanismen international zu vergleichen. Genauer soll betrachtet werden, für welche Elemente Krankenhäuser neben DRG-basierten Vergütungen weitere (Zusatz-)Zahlungen erhalten und wie diese ausgestaltet sind. Daraus können auch für die Diskussion um die Weiterentwicklung des deutschen Vergütungssystems interessante Vorschläge abgeleitet werden. Der Schwerpunkt liegt hier allerdings auf Vergütungsmechanismen, deren Ziel es ist, Variabilität abzubilden. Vergütungsmechanismen, deren primäres Ziel es ist, die Kosten neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu erstatten, werden nicht weiter berücksichtigt.

4.2 Methode

4.2.1 Länderauswahl

Zunächst wurden 13 Länder ausgewählt, in denen DRG-basierte Vergütungen für Krankenhäuser durch andere Vergütungsmechanismen für bestimmte Patientengruppen, Krankenhausaufenthalte oder Dienstleistungen/Produkte ergänzt werden. Unter Berücksichtigung von bestehender Literatur wurden für diese 13 Länder Informationen über die Struktur des DRG-Systems, den Einsatz von zusätzlichen Vergütungsmechanismen, die Verfügbarkeit von Kontakten/DRG-Experten und andere Aspekte wie aktuelle Entwicklungen/Reformen gesammelt (Grant und Booth 2009). Anhand dieser Kriterien haben die Autoren eine Auswahl von sechs Ländern getroffen, die in die weitere Analyse mit einbezogen wurden. Eingeschlossen wurden: Dänemark, England, Estland, Frankreich, Deutschland, USA (Medicare Part A2). Die Auswahl zielte darauf ab, ein Spektrum unterschiedlicher Vergütungsmechanismen abzubilden. Dabei bestand ein besonderes Interesse an Vergütungsmechanismen, die auf der Basis einer validen Datengrundlage entwickelt werden und/oder solchen, die Spezialisierung und Zusammenarbeit von Krankenhäusern fördern.

4.2.2 Das Modell

Zunächst wurden drei Hauptmechanismen identifiziert, welche die DRG-basierte Krankenhausvergütung ergänzen können bzw. über diese hinausgehen: die separate Vergütung von (1) bestimmten Patientengruppen (z. B. Schwerbrandverletzte, Palliativpatienten), (2) bestimmten Leistungen/Produkten (z. B. Hochkostenmedikamente, intensivmedizinische Leistungen) und (3) bestimmten Krankenhäusern/Krankenhausabteilungen (z. B. Epilepsieabteilungen, Onkologische Fachkliniken).
Diese verschiedenen Mechanismen wurden in einem Modell (Abb. 4.1) zusammengefasst, das dazu dient, die über die DRG-basierte Krankenhausvergütungen hinausgehenden Zahlungsmechanismen aus der Systemperspektive systematisch zu beschreiben, zu visualisieren und länderübergreifend zu vergleichen. Bestimmte Patientengruppen, die von der DRG-basierten Vergütung ausgenommen sind, können auf der rechten Seite, neben dem DRG-System dargestellt werden (z. B. solche DRGs ohne Relativgewicht). Auf der linken Seite können Zuzahlungen für bestimmte Leistungen/Produkte dargestellt werden (z. B. Zusatzentgelte), während Vergütungen für ausgenommene Krankenhäuser/Abteilungen (z. B. besondere Einrichtungen) oben angezeigt werden können.

4.2.3 Datenerhebung

Da Informationen über DRG-basierte Vergütungssysteme in der öffentlich zugänglichen Literatur oft nicht ausreichend detailliert vorliegen, wurde ein Fragebogen entwickelt, um standardisiert zu erheben, welche Elemente warum von der DRG-basierten Vergütung ausgenommen sind und wie diese erstattet werden. Dieser Fragebogen wurde pro Land von jeweils einem ausgewählten nationalen Experten beantwortet (bis Mitte 2017). Die beantworteten Fragebögen wurden anschließend auf Konsistenz überprüft. Darüber hinaus wurden die von den Experten erwähnten Berichte und Studien überprüft und durch Informationen aus weiteren Literaturrecherchen ergänzt. Punkte, die in der ursprünglichen Antwort der Experten noch unklar geblieben waren, wurden anschließend mit den Experten iterativ geklärt.

4.3 Ergebnisse

Das erste Land, in dem ein DRG-basiertes Vergütungssystem für die stationäre Versorgung eingeführt wurde, waren die USA. Europäische Länder folgten später, die meisten im Laufe der 2000er Jahre (Geissler et al. 2011). Durch Weiterentwicklungen und nationale Anpassungen gibt es heute eine Vielzahl an verschiedenen DRG-basierten Vergütungssystemen, die sich insb. hinsichtlich ihres Einsatzzwecks, d. h. von der Erhöhung der Transparenz des Leistungsgeschehens bis hin zu DRG-basierter Vergütung auf Einzelfallebene unterscheiden (Geissler et al. 2012). Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die wichtigsten Merkmale der verschiedenen Systeme der analysierten Länder gegeben.

4.3.1 Hintergrund zu den nationalen Vergütungssystemen

Die Fähigkeit von nationalen DRG-Systemen, die Variabilität von Behandlungskosten abzubilden, sowie die Bedeutung einer präzisen Abbildung hängen mit einer Vielzahl von Faktoren zusammen (Tab. 4.1).
Tab. 4.1
Charakteristika der DRG-basierten Vergütungssysteme
 
DRG-System in Kombination mit
Anzahl der DRGs
Umfang der erstatteten Kosten
Ausreißer auf Basis von
Deutschland
Budget
1.255
Alle Kosten mit Ausnahme der Investitionen in die/zur Erhaltung der Infrastruktur sowie Bildung & Forschung
VD*
Dänemark
Budget
743
Alle Krankenhauskosten mit Ausnahme von Bildung & Forschung, Abschreibungen und Investitionskosten
VD*
England
Budget
2.300
Alle Betriebs-, Personal- und Investitionskosten mit Ausnahme von Bildung & Forschung
VD*
Estland
ELV**
800
Alle Krankenhauskosten mit Ausnahme von Bildung & Forschung und ELV-basierte Kosten
Kosten
Frankreich
Budget
2.300
Alle Krankenhauskosten außer Bildung & Forschung und Arzthonorare in privaten, gewinnorientierten Krankenhäusern
VD*
USA (Medicare Part A)
ELV**
756
Alle Kosten außer Arzthonorare und Kosten für Bildung & Forschung
Kosten
* VD: Verweildauer; ** ELV: Einzelleistungsvergütung
Krankenhaus-Report 2020
Erstens ist eine präzise Abbildung der Behandlungskosten wichtiger, wenn ein großer Teil der Ausgaben durch DRGs vergütet wird. So bestimmt die DRG-basierte Vergütung in England, ähnlich wie in Deutschland, den Großteil der Krankenhausfinanzierung (Busse et al. 2013; Boyle 2011). In Frankreich sind ca. ein Drittel der Leistungen von der DRG-basierten Vergütung ausgenommen (Van de Voorde et al. 2013). In Estland, den USA und Dänemark werden die Krankenhäuser zu einem gewissen Prozentsatz mit Hilfe von Einzelleistungsvergütungen (ELV) (in Estland zu 30 %) und mit Hilfe von verhandelten Budgets (in Dänemark zu 40 %) (Olejaz et al. 2012) bzw. auch über andere staatliche und insbesondere private Versicherungssysteme mit teilweise anderen Vergütungsmechanismen (USA) finanziert. In diesem Zusammenhang muss auch der Umfang der über DRGs erstatteten Kosten betrachtet werden.
Zudem ist Deutschland neben Dänemark das einzige Land, in dem (zumindest theoretisch) die Investitionskosten zusätzlich zur DRG-basierten Vergütung erstattet werden. Die potenziell hohen Investitionskosten für hochspezialisierte Fälle müssen daher nicht in der DRG-basierten Vergütung berücksichtigt werden. Gleichzeitigt ermöglicht eine solche separate Finanzierung der Investitionskosten theoretisch eine gezielte Weiterentwicklung der Krankenhauslandschaft. In den vier anderen Ländern müssen die Investitionskosten aus der DRG-basierten Vergütung finanziert werden. In den USA sind außerdem die Arzthonorare nicht in den DRGs enthalten.
Zweitens sollten DRG-Systeme mit einer größeren Anzahl an Gruppen aufgrund höherer Granularität prinzipiell besser in der Lage sein, die tatsächlichen Behandlungskosten abzubilden. Wiederum ähnlich wie in Deutschland gibt es auch in England und Frankreich eine relativ hohe Zahl an Basis-DRGs sowie eine größere Möglichkeit der Schweregradeinteilung (in Deutschland ist diese beinahe unbegrenzt). In Dänemark, Estland und den USA gibt es weniger Gruppen und auch eine geringere Möglichkeit der Schweregradunterteilungen. Anzumerken ist allerdings, dass neben der Zahl und der höheren Granularität der Einteilung auch die exakte Zusammensetzung der Gruppen von großer Bedeutung ist (Busse et al. 2013).
Drittens spielt das System der Vergütung von Ausreißern (Fällen, die eine bestimmte Grenze hinsichtlich der Kosten und/oder der Verweildauer über- oder unterschreiten) eine wichtige Rolle, da eine präzisere kostenbasierte Abbildung von Ausreißern die Notwendigkeit, die Kosten durch die Definition der DRGs präzise abzubilden, abschwächt. Bezüglich der Vergütung von Ausreißern wird eine präzisere kostenbasierte Abbildung lediglich in Estland und den USA angewandt, während die anderen Länder Ausreißer über die Verweildauer definieren.

4.3.2 Zusätzliche Vergütungsmechanismen

Übersicht
Abb. 4.2 gibt anhand des oben vorgestellten Modells einen Überblick über alle Vergütungsmechanismen, die in den sechs Ländern identifiziert wurden.
Zunächst ist festzustellen, dass alle Länder neben der DRG-basierten Vergütung zusätzliche Mechanismen zur Finanzierung implementiert haben. In England und Estland werden ähnlich wie in Deutschland neben der DRG-basierten Vergütung alle drei Mechanismen angewandt: bestimmte Patientengruppen, Leistungen/Produkte und Krankenhäuser/Abteilungen werden von der DRG-basierten Vergütung ausgenommen und zusätzlich vergütet.
In den anderen Ländern werden nur einzelne Mechanismen zur zusätzlichen Vergütung angewandt: In Frankreich sind mehrere Leistungen/kostenintensive Medikamente und bestimmte Krankenhäuser von der DRG-basierten Vergütung ausgenommen, aber keine Patientengruppen. In den USA (Medicare Part A) werden einige Krankenhäuser und die Organentnahme zusätzlich zu dem DRG-basierten Vergütungssystem vergütet. In Dänemark werden keine Patientengruppen, Leistungen/Produkte oder Abteilungen/Krankenhäuser per se ausgenommen – stattdessen wird ein Ansatz verfolgt, der zwei Kriterien kombiniert: Hochkomplexe Patienten werden zusätzlich vergütet – allerdings nur, wenn diese Patienten in speziell dafür vorgesehenen Krankenhäusern/Abteilungen behandelt werden. Ein ähnlicher Ansatz besteht auch in England, wo Zuschlagszahlungen (sogenannte top-up payments) für spezialisierte Leistungen geleistet werden, wenn sie in bestimmten Abteilungen erbracht werden.
Details
In Deutschland gibt es eine Liste von Patientengruppen (DRGs), die kein Kostengewicht haben. Im Jahr 2017 umfasste diese Liste 45 unbewertete DRGs (z. B. Knochenmarktransplantationspatienten oder Tuberkulosepatienten). Darüber hinaus sind 192 Produkte/Dienstleistungen (z. B. Hämodialyse oder Hämoperfusion) und 96 Arzneimittel (oder 1.538 mit verschiedenen Darreichungsformen) sowie das Management (und der Transport und die Entnahme) von Organtransplantationen von der DRG-basierten Vergütung ausgenommen. Zudem ist es auch möglich, ein breites Spektrum von Krankenhäusern oder Krankenhausabteilungen separat vom DRG-System zu vergüten und als besondere Einrichtungen einzustufen. Als besondere Einrichtungen gelten Abteilungen/Krankenhäuser mit den Schwerpunkten: Palliativmedizin (ab 5 Betten), Kinder- und Jugendrheumatologie, Tropenkrankheiten, Multiple Sklerose, Morbus Parkinson und Epilepsie. Darüber hinaus können bestimmte pädiatrische Krankenhäuser, (aus gesellschaftlicher Sicht) notwendige Abteilungen mit geringer Fallzahl (z. B. Isolierstationen) sowie ganze Krankenhäuser ausgenommen werden, wenn drei Viertel aller Fälle eine Verweildauer über dem DRG-Durchschnitt haben (und dies nicht auf Ineffizienz zurückzuführen ist). Diese Abteilungen/Krankenhäuser erhalten für ihre Leistungen entweder eine fallpauschalbasierte oder eine tagessatzbasierte Vergütung. DRG-Gewichte für unbewertete DRGs werden auf Krankenhausebene verhandelt, während ausgenommene Leistungen/Produkte mit einem (bundesweit einheitlichen oder auf Krankenhausebene verhandelten) Entgelt für die einzelne Leistung bezahlt werden.
In Dänemark werden etwa 10 % aller akutstationären Fälle in Form der spezialisierten bzw. hochspezialisierten Leistungen zusätzlich zum DRG-System vergütet (Sundhetsstyrelsen 2015). Spezialisierte oder hochspezialisierte Leistungen können nur von ausgewiesenen Krankenhäusern bzw. Krankenhausabteilungen angeboten werden. Derzeit gibt es rund 1.100 spezialisierte/hochspezialisierte Leistungen in 36 medizinischen Fachbereichen. Diese Leistungen werden durch ihren Grad an Komplexität, Seltenheit oder Ressourcenverbrauch definiert. Krankenhäuser können sich um die Erbringung dieser Leistungen bewerben und die dänische Gesundheitsbehörde entscheidet, welche Einrichtungen zur Durchführung der Behandlung berechtigt sind und entsprechend ausgewiesen werden. Jede dieser ausgewiesenen Einrichtungen erhält von der Region eine Vorauszahlung, die 25 % des Budgets für spezialisierte/hochspezialisierte Leistungen des letzten Jahres ausmacht. Die Gesamtzahlung für diese Leistungen wird später – meistens am Ende des Jahres – auf Grundlage der eigenen Kostendaten des Krankenhauses abgerechnet.
In England gibt es derzeit 130 Healthcare Resource Groups (HRGs), die keinen nationalen Tarif haben (z. B. Patienten, die Hörimplantate erhalten oder schwere Verbrennungen haben). Zusätzlich gibt es 33 HRGs mit nicht verbindlichen Tarifen, die als Orientierungshilfe für lokale Verhandlungen zwischen dem Krankenhaus und seiner Clinical Commissioning Group (CCG)3 dienen. Neben diesen HRGs werden mehrere kostenintensive Medikamente, Geräte und Leistungen/Produkte zusätzlich vergütet. Außerdem werden kostenintensive Behandlungselemente von den HRGs entkoppelt und erzeugen neue HRGs (sogenannte „unbundled“ HRGs). Krankenhäuser können vom HRG-basierten Vergütungssystem ausgenommen werden, wenn sie eine spezielle Vereinbarung mit ihrer lokalen CCG haben. Die Anzahl der lokalen Vereinbarungen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, aber es ist nicht bekannt, wie viele Krankenhäuser derzeit im Rahmen solcher lokalen Vertragsvereinbarungen finanziert werden. Für alle ausgenommenen Elemente werden lokal vereinbarte Tarife zwischen CCGs und Leistungserbringern ausgehandelt. Die CCGs können die Art der Erstattung festlegen, daher gibt es große Unterschiede bei der Festsetzung der Tarife. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass die Höhe der Erstattung von HRGs mit nationalen Tarifen lokal angepasst werden kann. Außerdem gibt es, wie bereits erwähnt, Zuschlagszahlungen (top-up payments) für bestimmte Patienten (HRGs), die in ausgewiesenen Abteilungen behandelt werden. Diese Zusatzzahlungen gelten für bestimmte Leistungen in den Fachbereichen Pädiatrie, Neurologie, Wirbelsäulenchirurgie und Orthopädie (NHS England 2013).
In Estland sind Patienten, die sich in einer chemotherapeutischen Behandlung befinden, vom DRG-basierten Vergütungssystem ausgenommen. Daneben sind mehrere kostenintensive Medikamente, Geräte und Leistungen als Zusatzentgelte in der estnischen Liste der erstattungsfähigen Gesundheitsleistungen definiert (z. B. Therapie mit Biologika bei Multipler Sklerose oder Hörimplantate). Außerdem werden Abteilungen für Tuberkulose und Berufskrankheiten zusätzlich vergütet. Alle ausgenommenen Elemente in Estland werden mit einer Kombination aus Tagessätzen und ELV erstattet, die für alle Krankenhäuser identisch sind.
In Frankreich sind keine Patientengruppen vom DRG-basierten Vergütungssystem ausgenommen. Krankenhäuser können zusätzliche Zahlungen für Dialysepatienten ohne chronische Niereninsuffizienz erhalten; diese Zahlungen werden als Dialysepakete bezeichnet. Darüber hinaus haben die Krankenhäuser Anspruch auf Zuschüsse (Budgets) für die Koordination und das Management von Organtransplantationen. Von der DRG-basierten Vergütung ausgenommen sind eine Vielzahl kostenintensiver Medikamente und Geräte sowie bestimmte Leistungen, die bei Vorliegen bestimmter Bedingungen (z. B. Organfehlfunktionen oder Intensivpatient) zu einer DRG hinzugefügt werden können. Außerdem sind eine Reihe von Krankenhäusern komplett von der DRG-basierten Vergütung ausgenommen. Diese hauptsächlich lokalen, kleinen Krankenhäuser (Hôpitaux de proximité) werden durch eine Mischung aus Budgets (basierend auf historischen Kosten) und der jeweiligen Aktivität bezahlt. Im Jahr 2015 wurden so 166 Krankenhäuser vergütet, was einer Quote von 8,4 % aller Krankenhäuser entspricht (Legifrance 2016).
In den USA (Medicare Part A) werden keine Patientengruppen vom DRG-basierten Vergütungssystem ausgenommen. Die einzige Leistung, die zusätzlich vergütet wird, ist die für die Organentnahme für Transplantationen (Centers for Medicare & Medicaid Services 2016). Darüber hinaus werden lokale Krankenhäuser (d. h. Krankenhäuser in ländlichen Gebieten), Krebskliniken und Kinderkrankenhäuser separat vergütet. Letzteres liegt insbesondere darin begründet, dass das Medicare-Programm in erster Linie für Menschen über 65 Jahre (oder Menschen mit Behinderungen) entwickelt wurde. Medicare bezahlt diese Krankenhäuser auf der Grundlage der entstandenen Kosten. Die Organentnahme zur Transplantation wird ebenfalls auf der Grundlage der anfallenden Kosten der einzelnen (zugelassenen) Zentren erstattet.
Tab. 4.2 fasst die wesentlichen Eckpunkte zu den von der DRG-basierten Vergütung in verschiedenen Ländern ausgenommenen Patientengruppen, Leistungen und Krankenhäuser zusammen.
Tab. 4.2
Überblick über die in den eingeschlossenen Ländern verwendeten zusätzlichen Vergütungsmechanismen mit Angaben zur Anzahl der ausgenommenen Patientengruppen/Leistungen und Abteilungen/Krankenhäuser und anderen Mechanismen (sofern verfügbar)
 
Vergütung über ausgenommene …
Land
Patientengruppen
Leistungen/Produkte
Krankenhäuser/Abteilungen
Andere
Deutschland
45 von 1.255 DRGs sind unbewertet
Kostenintensive Medikamente und Leistungen (n = 191), Organ Transplantationen
Besondere Einrichtungen (n = 153)
Dänemark
„Komplexe Patientengruppen“, die spezielle/hochspezielle Leistungen (n = 1.100) in ausgewiesenen Krankenhäusern/Abteilungen erhalten
England
130 von 2.782 Healthcare Resource Groups (HRGs) ohne nationalen Tarif, 33 HRGs haben einen nicht verbindlichen Tarif
Kostenintensive Medikamente (n = 359), Geräte (n = 28), Leistungen (n = 5), „unbundled“ HRGs (n = 214)
Krankenhäuser können von der jeweiligen lokalen Clinical Commissioning Group bestimmt werden
Ausgewiesene Abteilungen, die „hoch spezialisierte Leistungen“ ausführen
Estland
Chemotherapie-Patienten
Kostenintensive Medikamente, Geräte, Leistungen, Organtransplantationen
Krankenhäuser/Abteilungen für Tuberkulose und Berufskrankheiten
Frankreich
Kostenintensive Medikamente (n = 3.649*), Geräte (n = 68), Leistungen (n = 16), Organtransplantationen
Lokale, kleine Krankenhäuser (n = 166, 8,4 % aller Akutkrankenhäuser)
USA (Medicare Part A)
Organentnahme
Kinderkrankenhäuser (n = 11), Krebskrankenhäuser(n = 60), Krankenhäuser in Maryland, lokale & kleine Krankenhäuser mit wichtigem Versorgungsauftrag (n = 1.300)
* einschließlich unterschiedlicher Darreichungsformen und Dosierungen
Krankenhaus-Report 2020

4.3.3 Vergütungsmechanismen für bestimmte Versorgungsbereiche

Tab. 4.3 zeigt einige Beispiele dafür, welche Möglichkeiten in den verschiedenen Ländern genutzt werden, um variable, spezialisierte und seltene Fälle in ausgewählten medizinischen Fachbereichen zu vergüten. Einige Versorgungsbereiche werden in allen DRG-Systemen zusätzlich vergütet (z. B. Organtransplantationen und bestimmte onkologische Leistungen), während viele andere Bereiche nur in einigen DRG-Systemen zusätzlich vergütet werden (z. B. spezialisierte Kinder- oder Dialyseleistungen oder Behandlungen von schweren Verbrennungen).
Tab. 4.3
Vergleich der Vergütungsmechanismen für bestimmte Versorgungsbereiche
Versorgungsbereich
Vergütung über ausgenommene …
Patientengruppen
Leistungen/Produkte
Krankenhäuser/Abteilungen
Andere
Onkologie
Deutschland (Knochenmarktransplantation)
England (Knochenmarktransplantation)
Estland (Chemotherapie)
Deutschland, England, Frankreich (kostenintensive Krebsmedikamente)
USA (bestimmte Krebs-Kliniken)
Dänemark (z. B. Bauchspeicheldrüsenkrebs)
Pädiatrie
Deutschland (Neuropädiatrie)
England (Pädiatrische Intensivmedizin)
Frankreich (z. B. Pädiatrische Intensivmedizin)
Deutschland (Neuropädiatrische Diagnosen)
Deutschland (z. B. Kinder-Rheumatologie)
USA (60 Kinderkrankenhäuser)
Dänemark (z. B. Pädiatrische Intensivmedizin)
England (verschiedene spezialisierte Leistungen)
Schwere Verbrennungen
England, Deutschland (schwere Verbrennungen)
Deutschland (schwere Verbrennungen)
Dänemark (schwere Verbrennungen)
Neurologie
Deutschland (z. B. multimodale, komplexe Behandlung gegen Parkinson)
Deutschland, Estland (Biologika gegen Multiple Sklerose)
Deutschland (z. B. Multiple Sklerose)
England (verschiedene spezialisierte Leistungen)
Intensivmedizin
England (z. B. neonatale Intensivmedizin)
Frankreich (z. B. Intensivmedizin)
Dänemark (z. B. pädiatrische Intensivmedizin)
Dialyse
England (z. B. Krankenhaus-Hämodialyse oder Filtration)
Deutschland, Frankreich (Dialyse)
Dänemark (z. B. Peritonealdialyse)
England (Einführung und Entfernung des Peritonealdialysekatheters bei Kindern)
Krankenhaus-Report 2020
Onkologie
In allen untersuchten Ländern werden bestimmte Elemente im Bereich der Onkologie vom DRG-System ausgenommen. In Estland und England sind das, ähnlich wie in Deutschland, bestimmte Patientengruppen (d. h. Chemotherapie-Patienten in Estland und Patienten mit Knochenmarktransplantation in England und Deutschland). Die zusätzliche Vergütung von kostenintensiven Krebsmedikamenten gibt es, ebenfalls ähnlich wie in Deutschland, auch in England und Frankreich. In den USA (Medicare Part A) sind ausgewählte Krebskliniken ausgenommen und in Dänemark werden hochspezialisierte onkologische Leistungen (z. B. für Bauchspeicheldrüsen- oder Nierenkrebs) separat erstattet.
Pädiatrie
In allen Ländern mit Ausnahme von Estland gibt es gesonderte Vergütungsmechanismen für die Behandlung von pädiatrischen Fällen: In England sind, ähnlich wie in Deutschland, mehrere DRGs unbewertet und haben daher keine feste Vergütungshöhe. In Frankreich gibt es ELV-basierte Zahlungen für Leistungen wie zum Beispiel pädiatrische Reanimation auf der Intensivstation. Diese Art der Zusatzentgelte gibt es auch in Deutschland für neuropädiatrisch diagnostische Leistungen. Zudem werden bestimmte Kinderkliniken und besondere Einrichtungen (z. B. für Kinder- und Jugendrheumatologie) zusätzlich vergütet. In den USA sind 60 Kinderkrankenhäuser von der DRG-basierten Vergütung ausgenommen. In Dänemark können mehrere hochspezialisierte pädiatrische Versorgungsbereiche nur in ausgewiesenen Abteilungen/Krankenhäuser angeboten werden. Ebenso in England, wo ausgewiesene Abteilungen/Krankenhäuser Zuschlagszahlungen (top-up payments) für die Behandlung komplexer pädiatrischer Patienten erhalten: zusätzliche 44 % für Fälle mit geringer Komplexität und zusätzliche 64 % für Fälle mit hoher Komplexität (NHS England/Monitor 2013).
Schwere Verbrennungen
In Dänemark und England gibt es ähnlich wie in Deutschland zusätzliche Vergütungsmechanismen für schwere Verbrennungen. In England sind Patientengruppen mit schweren Verbrennungen wie in Deutschland auch von der DRG-basierten Erstattung ausgenommen und werden über lokal ausgehandelte Tarife vergütet. Die CCGs definieren dabei die Art und Weise der Erstattung und können damit experimentieren. Deutschland ist das einzige Land, in dem zusätzlich ganze Abteilungen für Schwerbrandverletzte von der DRG-basierten Erstattung ausgenommen sind. In Dänemark haben nur zwei Krankenhäuser die Genehmigung zur Behandlung schwerer Verbrennungen. Diese werden auf der Grundlage ihrer eigenen lokalen Kostendaten bezahlt. In England werden Patienten mit schweren Verbrennungen mit lokal ausgehandelten Tarifen bezahlt.
Neurologische Erkrankungen
In Deutschland sind Krankenhäuser zur Behandlung von neurologischen Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Epilepsie von der DRG-basierten Vergütung ausgenommen. Die Verhandlungspartner vereinbaren entweder fallbezogene Entgelte oder Tagessätze. In Estland wird die Therapie der Multiplen Sklerose mit Biologika durch eine Kombination aus Tagessätzen und ELV vergütet. Die Gabe von bestimmten Biologika wird auch in Deutschland zusätzlich vergütet. In England werden Zuschlagszahlungen (top-up payments) für Interventionen für komplexe Patienten in ausgewiesenen (hoch-)spezialisierten Dienstleistungen im Bereich der Neurologie gewährt. Die Krankenhäuser erhalten für diese Leistungen zusätzliche 28 %.
Intensivmedizin
Frankreich ist das einzige Land, in dem es ein Zusatzentgelt für die intensivmedizinische Behandlung von Erwachsenen gibt. In Dänemark wird die Intensivmedizin für Kinder in spezialisierten Krankenhäusern/Abteilungen separat vergütet. Auch in England ist die neonatale Intensivstation und die pädiatrische Intensivstation als einzelne Leistung von den HRGs entkoppelt (unbundled HRGs) und die Vergütungshöhe wird lokal mit der CCG ausgehandelt. Darüber hinaus werden Zuschläge gezahlt, wenn bestimmte Patientengruppen in ausgewiesenen Zentren betreut werden (z. B. Patienten mit schweren Traumata in Traumazentren).
Dialyse
In Deutschland wird die Dialyse, soweit sie nicht Teil einzelner DRGs ist, über Zusatzentgelte vergütet. Auch in Frankreich erhalten Krankenhäuser ein zusätzliches Entgelt pro Sitzung – anders in Dänemark und England, wo für die Dialyse keine festen Zusatzentgelte definiert sind. In Dänemark werden Dialysebehandlungen auf der Grundlage der Selbstkosten der für die Behandlung ausgewiesenen Krankenhausabteilungen vergütet. In England haben HRGs für die „Krankenhaus-Hämodialyse oder Filtration“, die „Heim-Hämodialyse“ und die „Ambulante Peritonealdialyse“ keinen festgelegten Tarif. Hämodialyse und Peritonealdialyse bei akuten Nierenschäden sind als unbewertete Zusatzentgelte (unbundled HRGs) definiert, Erstattungssätze werden vor Ort ausgehandelt. Darüber hinaus erhalten zertifizierte Krankenhäuser eine Zuschlagszahlung (top-up payment) von 44 % für die Einbringung und Entfernung eines Peritonealdialysekatheters für Kinder.

4.4 Diskussion und Ausblick

Die Ergebnisse zeigen, dass in unterschiedlichen Ländern eine Vielzahl von zusätzlichen Vergütungsmechanismen angewendet werden, die eine angemessene Vergütung für komplexe, seltene oder variable Fälle ermöglichen sollen. Die Komplexität dieser zusätzlichen Mechanismen variiert jedoch. Während Länder wie England und Deutschland auf viele verschiedene zusätzliche Mechanismen zurückgreifen, gibt es in anderen Systemen, wie z. B. dem Medicare-Programm in den USA, deutlich weniger Ausnahmen von der DRG-basierten Vergütung. Auch unterscheiden sich die Versorgungsgebiete, die von der DRG-basierten Vergütung ausgenommen sind, in Teilen erheblich.
Die Art und Weise der zusätzlichen Vergütungsmechanismen ist dabei im Zusammenhang mit der Ausgestaltung des jeweiligen DRG-basierten Vergütungssystems zu betrachten. In Estland und dem Medicare-Programm der USA wird beispielsweise eine kostenbasierte Definition von Ausreißern angewandt, während in allen anderen Ländern die Ausreißer auf Basis der Verweildauer definiert werden. Außerdem finanzieren sich Krankenhäuser in den USA nicht ausschließlich über das Medicare-Programm, sondern auch über andere staatliche und insbesondere private Versicherungssysteme.
Es wird zudem deutlich, dass die DRG-basierte Krankenhausvergütung in Deutschland bereits seit Jahren mit einer Vielzahl unterschiedlicher Vergütungsmechanismen kombiniert wird. So sind sowohl eine ganze Reihe bestimmter Patientengruppen (45 DRGs) als auch viele bestimmte Leistungen/Produkte (191 Zusatzentgelte) und bestimmte Abteilungen/Krankenhäuser (153 besondere Einrichtungen) von der DRG-basierten Vergütung ausgenommen. Nur in England wird die DRG-basierte Vergütung zusätzlich zu allen auch in Deutschland bestehenden Vergütungsmechanismen auch noch über Zuschlagszahlungen (top up payments) für die Erbringung von spezialisierten Leistungen in speziell dafür ausgewiesenen Krankenhäusern ergänzt. Einen ähnlichen Mechanismus gibt es sonst nur in Dänemark, wo es allerdings keine anderen Ausnahmen vom DRG-System gibt. Auch für Deutschland könnte ein solcher Ansatz gesundheitspolitisch interessant sein, da er eine zusätzliche Vergütung an eine Behandlung in dafür spezialisierten Einrichtungen koppelt.
Eine Konzentration der Versorgung von (hoch-)spezialisierten Leistungen ist insbesondere unter Qualitätsgesichtspunkten wünschenswert. In Dänemark werden für eine Liste von 1.100 (hoch-)spezialisierten Leistungen aus 36 medizinischen Fachbereichen Qualitätsanforderungen von den Fachgesellschaften in Zusammenarbeit mit der Dänischen Gesundheitsbehörde festgelegt (Sundhetsstyrelsen 2015). Krankenhäuser können sich anschließend für die Erbringung dieser Leistungen bewerben und müssen die notwendigen Strukturvoraussetzungen (Personal, klinische Erfahrung, Ausstattung) nachweisen. Anschließend werden – je nach Grad der Spezialisierung – nur eine beschränkte Zahl an regionalen, landesweiten oder internationalen Krankenhäusern für die Behandlung ausgewiesen. Andere Krankenhäuser dürfen die genau definierten Patientengruppen mit (hoch-)spezialisiertem Behandlungsbedarf zwar weiterhin behandeln, erhalten aber nur die DRG-basierte Regelvergütung.
Angesichts der notwendigen und viel diskutierten Konzentration von (hoch-)spezialisierten Leistungen in Deutschland könnte eine gezielte Weiterentwicklung der Krankenhausvergütung – inspiriert durch das dänische (oder englische) System – die notwendigen Anreize schaffen, um eine qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten und eine qualitätsorientierte Krankenhausplanung zu flankieren. Durch die zukünftig verhandelbaren Zentrumszuschläge in voraussichtlich zwölf Leistungsbereichen öffnet der G-BA einen Weg in diese Richtung (voraussichtlich G-BA-Beschluss gemäß § 136c Abs. 5 SGB V); jedoch gibt es bisher keine Anzeichen, dass diese Zuschläge auf einer einheitlichen Kalkulationsgrundlage basieren sollen und somit einer gewissen Intransparenz unterliegen werden.
Zwar liegt der Schwerpunkt der Analyse auf dem eingangs erwähnten oberen Ende des Vergütungsspektrums (d. h. der Vergütung von komplexen Fällen), doch können einige hier beschriebene von der DRG-Vergütung ausgenommene Elemente der Grundversorgung (d. h. dem unteren Ende des Spektrums) zugeordnet werden. Dies umfasst z. B. die lokalen und kleinen Krankenhäuser in den USA oder Frankreich, die nach Kriterien wie Patiententage pro Jahr oder auch Dichte, Alter oder Einkommensstruktur der umgebenden Bevölkerung definiert werden. Durch die Finanzierung außerhalb des DRG-Systems soll so eine angemessenere Vergütung ungeachtet von schwer erzielbaren Skalenerträgen ermöglicht werden. In Deutschland wurden zur Sicherung der Grundversorgung u. a. Sicherstellungszuschläge für Krankenhäuser eingeführt, die sich – im Gegensatz zu Frankreich – auch nach medizinischen Kriterien (z. B. Vorhandensein bestimmter Fachabteilungen) richten. Dieser Ansatz kann als transparenter bewertet werden, da er sich innerhalb der Logik der DRG-basierten Vergütung bewegt.
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Fußnoten
1
In Deutschland werden neben Diagnosen und Prozeduren auch weitere Klassifikationskriterien verwendet, wie z. B. das Geschlecht und das Alter.
 
2
„Part A“ umfasst die Medicare-Vergütungen für Krankenhausbehandlung
 
3
CCGs sind wichtige Organe innerhalb des englischen Gesundheitssystems, die für die lokale Umsetzung von gesundheitspolitischen Zielen des Gesundheits- und Finanzministeriums zuständig sind und u. a. stationäre Leistungen für Patienten in ihrem Zuständigkeitsbereich einkaufen.
 
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Metadaten
Titel
Vergütung von spezialisierten, seltenen und kostenvariablen Fällen außerhalb des DRG-Systems: Erfahrungen aus Deutschland, Dänemark, England, Estland, Frankreich und den USA
verfasst von
Victor Stephani
Prof. Dr. Alexander Geissler
PD Dr. Wilm Quentin
Copyright-Jahr
2020
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-60487-8_4