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06.12.2022 | Kinderkrankenpflege | Nachrichten

Notstand in Pädiatrie: Aussetzung der PPUG ist keine Lösung

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Angesichts des akuten Notstands in den pädiatrischen Abteilungen sollen die Personaluntergrenzen für Pflegende ausgesetzt werden. Pflegeverbände sehen darin eine Gefährdung der Patientenversorgung.

© Marijan Murat / dpa / picture allianceEine Intensivpflegerin versorgt auf der Kinder-Intensivstation des Olgahospitals Stuttgart ein am RS-Virus erkranktes beatmetes Kind. Immer mehr schwer kranke Kinder müssen über weite Strecken transportiert werden, weil freie Betten fehlen. 

Die Situation in den Kinderkliniken ist derzeit dramatisch. Eine Welle schwerer RSV-Infektionen sorgt dafür, dass immer mehr Säuglinge und Kleinkinder stationär behandelt werden müssen. Schwerkranke Kinder müssen vielerorts abgelehnt und in weit entfernte Kliniken mit freien Betten transportiert werden.

Als kurzfristige Maßnahmen will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, es den Krankenhäusern ermöglichen, Pflegepersonal aus anderen Stationen in die Kinderstationen zu verlagern. Auch die Personaluntergrenzen sollen vorübergehend nicht überprüft werden.

Zudem wurde im Rahmen des Krankenhauspflege-Entlastungsgesetzes beschlossen, Kinderkliniken 2023 und 2024 jeweils 300 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen.

Rund 40 % der Kinderintensivbetten aufgrund von Pflegepersonalmangel gesperrt

Vorausgegangen war die Veröffentlichung alarmierender Zahlen seitens der Deutschen Interdiszi­pli­nären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) am Donnerstag: So hatten zuletzt von 110 Kinderkliniken 43 Einrichtungen kein einziges Bett mehr auf der Normalstation frei. Lediglich 83 freie Betten gab es deutschlandweit  auf den Kinderintensivstationen – das waren 0,75 pro Klinik.

Zudem konnten die Kliniken bei weitem nicht alle vorhandenen Kinderintensivbetten betreiben. Rund 40 % der Betten waren gesperrt. Hauptgrund war der Mangel an Pflegepersonal.

DPR: Versorgung schwerkranker Kinder seit langem kaum noch gesichert

Der Deutsche Pflegerat spricht von einem dramatischen Bild auf den Kinder- und Kinderintensivstationen. Angesichts der aktuellen Lage machte DPR-Präsidentin Christine Vogler am Freitag jedoch deutlich, dass die Versorgung schwerkranker Kinder seit langem kaum noch gesichert sei. Abgelehnte Patienten seien der Regelfall.

Vogler erklärte: „Es fehlt Kinderkrankenpflegepersonal, daher werden Betten gesperrt und es gibt Finanzierungsprobleme. Es darf nicht sein, dass in Deutschland Kinder nicht wohnortnah versorgt werden, weil wir es nicht schaffen, dass genügend qualifiziertes Pflegepersonal für sie da ist." Um zumindest mittelfristig die katastrophale Versorgung zu verbessern, forderte der DPR „mehr Kolleginnen und Kollegen und eine sofortige Verbesserung der Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals auch in der Kinder-Intensivmedizin“.

Es müsse dringend zusätzliches Personal in die Kinderkliniken entsandt werden, z.B. Sanitätsdienste der Bundeswehr oder Rettungsdienste. Benötigt werden aus Sicht von Vogler zudem fundierte Zahlen für die Pädiatrie: "Erstmalig wird in Deutschlands Kinderkliniken mit der durch das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz eingeführten Kinder-PPR 2.0 und Kinderintensiv-PPR erhoben, wie viel Pflegepersonal tatsächlich in den Kinderkliniken fehlt, um die nötigen Leistungen erbringen zu können.“

Den Ansatz, Pflegepersonal aus den Erwachsenenbereichen in die Kinderstationen zu verschieben und die Pflegepersonaluntergrenzen (PPUG) in allen Krankenhausbereichen auszusetzen, bezeichnete Vogler als falsch.  

DBfK: Aussetzen der PPUG gefährdet Patient*innen

Ähnlich sieht das der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK). Die Pflegepersonaluntergrenzen seien die "unterste rote Linie", um noch eine sichere Versorgung der Patient*innen gewährleisten zu können, heißt es in einer Mitteilung. DBfK-Präsidentin Christel macht deutlich: „Wir reden also dann bereits nicht mehr von fachlich fundierter und aktivierender Pflege. Wenn selbst diese rote Linie in Frage gestellt wird, dann ist es das falsche Zeichen für die Pflegefachpersonen und gefährdet die Patien*innen im Krankenhaus. In Engpässen müssen Personalkapazitäten geschaffen werden, indem Leistungen wie beispielsweise elektive Eingriffe verschoben werden.“

Auch für die Pflegegewerkschaft Bochumer Bund zieht eine Aussetzung der PPUG eine defizitäre Versorgung für alle Patientinnen und Patienten nach sich. Die PPUG seien keine bloße Empfehlung sondern definierten den Personalbedarf für eine leitliniengerechte Versorgung. Die Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Nina Praceus, Fachgesundheits- und Kinderkrankenpflegerin, kritisierte zudem die geplante Versorgung von Kindern durch fachfremde Kolleginnen und Kollegen. Aufgrund einer vollkommen anderen Physiologie von Kindern sei dies nicht zu empfehlen. Praceus betonte: „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen.“

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