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Erschienen in:

Open Access 2020 | OriginalPaper | Buchkapitel

15. Ergänzende private Vorsorge für den Fall der Pflegebedürftigkeit – Stand und Perspektiven

verfasst von : Dr. Martin Albrecht, Dr. Richard Ochmann

Erschienen in: Pflege-Report 2020

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Zusammenfassung

Zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit gelten wegen seiner starken Altersabhängigkeit private, kapitalbildende Vorsorgeformen als besonders geeignet. Fehlende private Vorsorge belastet die Träger der subsidiären Sozialhilfe – ein wesentlicher Grund für die Einführung der sozialen Pflegeversicherung. Angesichts der hohen und steigenden finanziellen Eigenanteile der Pflegebedürftigen wird diskutiert, den Versicherungsumfang der sozialen Pflegeversicherung auszuweiten. Wegen der Art der gegenwärtigen Beitragsfinanzierung wäre dies verteilungspolitisch und unter Nachhaltigkeitsaspekten fragwürdig. Andererseits können private Pflegezusatzversicherungen die entstehenden Sicherungslücken kaum füllen. Notwendig sind daher neue Ansätze, um die wachsenden privaten Sparguthaben und Vermögenswerte stärker auch für die Pflegefinanzierung einzusetzen.
Zusammenfassung
Zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit gelten wegen seiner starken Altersabhängigkeit private, kapitalbildende Vorsorgeformen als besonders geeignet. Fehlende private Vorsorge belastet die Träger der subsidiären Sozialhilfe – ein wesentlicher Grund für die Einführung der sozialen Pflegeversicherung. Angesichts der hohen und steigenden finanziellen Eigenanteile der Pflegebedürftigen wird diskutiert, den Versicherungsumfang der sozialen Pflegeversicherung auszuweiten. Wegen der Art der gegenwärtigen Beitragsfinanzierung wäre dies verteilungspolitisch und unter Nachhaltigkeitsaspekten fragwürdig. Andererseits können private Pflegezusatzversicherungen die entstehenden Sicherungslücken kaum füllen. Notwendig sind daher neue Ansätze, um die wachsenden privaten Sparguthaben und Vermögenswerte stärker auch für die Pflegefinanzierung einzusetzen.
Private, capital-building forms of provision are considered particularly suitable for covering the risk of the need for long-term care because of its strong interdependence with age. The fact that a lack of private provision places a burden on the providers of subsidiary social assistance was a major reason for the introduction of social long-term care insurance. In view of the high and increasing co-payments made by those in need of long-term care, there are discussions about extending the scope of social long-term care insurance. Due to the way contributions are currently financed, this would be questionable from the point of view of distribution policy and sustainability. On the other hand, private supplementary nursing care insurance can hardly fill the resulting gaps in coverage. Therefore, new approaches are called for to make greater use of the growing private savings and assets to finance long-term care.

15.1 Zur Rolle der privaten Vorsorge bei der Absicherung des Pflegerisikos

Im Vergleich zum Krankheits- und Invaliditätsrisiko konzentriert sich das Pflegerisiko stärker auf Personen im höheren Lebensalter. So waren in Deutschland zum Jahresende 2017 rund 81 % der Leistungsempfänger in der Pflegeversicherung (Pflegebedürftige im Sinne des SGB XI) 65 Jahre oder älter (Statistisches Bundesamt 2018). Krankheits- und Invaliditätsrisiken betreffen dagegen typischerweise (auch bzw. nur) die Phase der Erwerbstätigkeit. Entsprechend ist das (individuelle) Sparen als Vorsorgeform für das Risiko der Pflegebedürftigkeit deutlich besser geeignet als für das Krankheits- oder Invaliditätsrisiko. Bei letzteren kommen die Vorteile von Versicherungssystemen, die sofortigen umfassenden Schutz ermöglichen, entsprechend stärker zum Tragen.
Vor Einführung der Pflegeversicherung als eigenständigem Zweig der Sozialversicherung im Jahr 1995 oblag die allgemeine Absicherung gegen Risiken der Pflegebedürftigkeit überwiegend der freiwilligen privaten Vorsorge, sei es in spezifischer Form (private Pflegeversicherung1) oder in allgemeiner (Ersparnis- und Vermögensbildung für das Alter). Pflegebedürftige, die ihre Pflegekosten nicht tragen konnten, erhielten Leistungen der Sozialhilfe.2 Bei der Sozialhilfe handelt es sich um ein subsidiäres, d. h. nachrangiges Sicherungssystem. Durch die vorgeschaltete Bedarfsprüfung wird sichergestellt, dass zunächst vorhandene private Ersparnisse und Vermögen der Pflegebedürftigen zur Deckung der Pflegekosten verwendet werden, bevor ein Anspruch auf finanzielle Unterstützung aus Steuermitteln besteht.
Die Pflegeversicherung wurde als fünfter Sozialversicherungszweig eingeführt, weil die Kombination aus privater Vorsorge und subsidiärer Sozialhilfe zunehmend auf Akzeptanzprobleme stieß. So ist private Vorsorge bei Pflegebedürftigkeit, die aus angeborenen Behinderungen oder aus Krankheiten/Unfällen in frühen Lebensphasen resultiert, gar nicht oder nur begrenzt möglich. Vor allem aber hatte die alterungsbedingte Zunahme der Zahl der Pflegebedürftigen die Ausgaben für Sozialhilfe stark erhöht und belastete die Haushalte von Ländern und Gemeinden. Im Jahr 1994 betrugen die Ausgaben für Hilfe zur Pflege etwas mehr als 9 Mrd. EUR und damit knapp 36 % der gesamten Bruttoausgaben für Sozialhilfe. Dass Pflegebedürftigkeit vielfach zu Vermögensverlusten und sozialem Abstieg führte, widersprach sozialpolitischen Zielvorstellungen. Kritisch wurde außerdem gesehen, dass aufgrund der Nachrangigkeit der Sozialhilfe häufig auch Angehörige (Kinder bzw. Eltern) von Pflegebedürftigen finanziell belastet wurden.
Mit dem Pflege-Versicherungsgesetz wurde im Jahr 1995 eine Teilkostenversicherung eingeführt. Demnach hat die Pflegeversicherung zum Ziel, die finanziellen Belastungen Pflegebedürftiger zu mildern und die Notwendigkeit des Sozialhilfebezugs infolge von Pflegebedürftigkeit zu verringern, sodass Länder und Gemeinden deutlich weniger belastet werden (vgl. Bundestag Drucksache 12/5617).3 Die Leistungen haben (lediglich) ergänzenden Charakter: Gemäß dem damaligen Gesetz dienen sie in der häuslichen (ambulanten) Pflege der Unterstützung und Förderung der Pflegeleistungen der Familienangehörigen und der Nachbarschaftshilfe, in der stationären Pflege der Entlastung nur von pflegebedingten Kosten, während die Kosten für Unterkunft und Verpflegung selbst zu tragen sind.
Somit blieb auch nach Einführung der Pflegeversicherung Raum und Anlass für private Vorsorge gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit. Entsprechend war ein Bestandteil des Pflege-Versicherungsgesetzes, Beiträge zu einer zusätzlichen freiwilligen Pflegeversicherung steuerlich zu fördern (Sonderabzug als Vorsorgeaufwendungen). Tatsächlich hat die Notwendigkeit privater Vorsorge gegen die finanziellen Folgen der Pflegebedürftigkeit seit Einführung der Pflegeversicherung zugenommen. Maßstab hierfür sind die hohen, in den letzten Jahren stark gestiegenen Eigenanteile, die Pflegebedürftige selbst zu tragen haben. Zu Jahresbeginn 2020 mussten Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen zusätzlich zu den Leistungen der Pflegeversicherung im bundesweiten Durchschnitt 1.940 € monatlich selbst aufbringen, davon waren rd. 730 € Eigenanteil an den Pflegekosten, der Rest Beteiligungen an den Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen.4
Angesichts des bereits erreichten und absehbar weiter steigenden Niveaus der Eigenanteile wird über eine grundlegende Neujustierung von kollektiver Pflegepflichtversicherung und individueller Eigenverantwortung intensiv diskutiert, etwa in Gestalt der Forderung nach Ausbau der Pflegeversicherung zu einer Voll(kosten)versicherung oder zumindest durch Deckelung der Eigenanteile. Vor diesem Hintergrund und angesichts der großen finanziellen Herausforderungen, die mit dem zu erwartenden zunehmenden Anteil pflegebedürftiger Personen in Deutschland verbunden sein werden, ist zu klären, ob bzw. welchen Beitrag eine Stärkung der (ergänzenden) privaten Vorsorge für den Pflegefall leisten könnte.

15.2 Die aktuelle Situation der ergänzenden privaten Vorsorge für den Fall der Pflegebedürftigkeit

15.2.1 Verbreitung von Pflegezusatzversicherungen

Im Jahr 2018 hatten ca. 3,66 Mio. Personen eine Pflegezusatzversicherung (Quelle: PKV-Zahlenportal). Der Anteil an allen pflegeversicherten Personen betrug damit nur 4,5 %, obwohl nach aktuellen Umfrageergebnissen der Großteil der Bevölkerung angibt zu wissen, im Pflegefall mit den Leistungen der obligatorischen Pflegeversicherung nicht ausreichend abgesichert zu sein.5 Das Beitragsvolumen der Pflegezusatzversicherungen belief sich im Jahr 2018 auf knapp 1,4 Mrd. EUR, die Versicherungsleistungen betrugen rd. 226 Mio. EUR (zum Vergleich: Gesamtausgaben der obligatorischen Pflegeversicherungen knapp 43 Mrd. EUR).
Bei rd. 90 % der Pflegezusatzversicherungen handelt es sich um Pflegetagegeldversicherungen, bei denen die Versicherten im Pflegefall – in Abhängigkeit des festgestellten Pflegegrades, aber unabhängig von den tatsächlich anfallenden Pflegekosten – pro Tag eine vertraglich fixierte Summe erhalten, über die sie frei verfügen können. Nur knapp 10 % der Pflegezusatzversicherungen erstatten einen prozentualen Anteil der tatsächlich entstandenen Kosten professioneller Pflege gegen Nachweis (Pflegekostenversicherungen).
Zu Beginn des Jahres 2013 wurde eine neue Form der staatlichen Förderung privater Pflegevorsorge eingeführt („Pflege-Bahr“), wonach alle (gesetzlich und privat) Pflegeversicherten – unabhängig vom Einkommen – Anspruch auf einen Zuschuss in Höhe von 60 € jährlich haben, wenn sie eine Pflegezusatzversicherung erwerben. Um förderfähig zu sein, müssen Pflegezusatzversicherungen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, darunter der Verzicht auf Leistungsausschlüsse oder Risikozuschläge aufgrund von Vorerkrankungen. Gefördert werden zudem nur Pflegetagegeldversicherungen. Das ursprüngliche Förderziel für das Jahr 2013 lag bei 1,5 Mio. geförderten Pflegezusatzversicherungen mit einem Fördervolumen in Höhe von 90 Mio. EUR. Dieses Ziel wurde auch fünf Jahre später noch nicht erreicht: Im Jahr 2018 gab es lediglich 878.000 Personen mit einer solchen geförderten Pflegezusatzversicherung; das Beitragsvolumen betrug 292 Mio. EUR, davon 18 % (rd. 53 Mio. EUR) als staatliche Zuschüsse, die Versicherungsleistungen beliefen sich auf 9,2 Mio. EUR.

15.2.2 Private Ausgaben für Pflege im internationalen Vergleich

Je weniger die öffentlichen und privaten Versicherungssysteme zur Deckung der Aufwendungen für Pflege beitragen, desto höher ist die direkte finanzielle Belastung der privaten Haushalte. Der internationale Vergleich zeigt diesbezüglich für Deutschland ein etwas ambivalentes Bild. Mit durchschnittlich rd. 187 € pro Kopf der Bevölkerung (2017) gaben die privaten Haushalte in Deutschland im Vergleich der OECD-Länder – mit Ausnahme der Schweiz – so viel wie in keinem anderem Land für Langzeitpflege aus.6 Der Anteil der Ausgaben der privaten Haushalte an den Gesamtausgaben für Langzeitpflege lag nach OECD-Angaben in Deutschland bei knapp 23 % und damit niedriger als z. B. in Österreich (26 %), Frankreich (24 %), den USA (knapp 27 %), dem Vereinigten Königreich (knapp 31 %) und der Schweiz (knapp 34 %). Zu berücksichtigen ist hierbei, dass in Deutschland pro Kopf für die Langzeitpflege insgesamt mehr ausgegeben wurde als in den genannten Ländern (außer der Schweiz).7 In den Niederlanden und Norwegen, in denen pro Kopf insgesamt mehr für Langzeitpflege ausgegeben wird als in Deutschland, übernehmen staatliche Pflichtsysteme den Großteil der Ausgaben und die Finanzierungsanteile der privaten Haushalte liegen deutlich unter 10 % (im Jahr 2017 bei 7,2 % bzw. 8,3 %).
Bezieht man die Ausgaben der privaten Haushalte für Langzeitpflege in Deutschland (gemäß OECD) auf die Anzahl der Pflegebedürftigen (gemäß SGB XI), ergibt sich eine durchschnittliche monatliche Belastung von 378 € (2017). Je nach Pflegesituation weicht die individuelle Belastung z. T. deutlich von diesem Durchschnittswert ab, wie die Eigenanteile bei stationärer Pflege zeigen (s. o.). Angesichts dieser hohen direkten finanziellen Belastungen der privaten Haushalte im Pflegefall stellt sich die Frage, warum freiwillige Pflege(zusatz)versicherungen in Deutschland nicht deutlich stärker verbreitet sind. Auch im internationalen Vergleich zeigt sich, dass private Pflegeversicherungsmärkte ein Nischendasein fristen, obwohl das Pflegerisiko wegen der mit ihm verbundenen hohen Unsicherheit (bezüglich Dauer und konkretem Pflegebedarf) großes Potenzial für Risikopooling und kapitalgedeckte Versicherungen bietet (vgl. Colombo et al. 2011).

15.2.3 Gründe der geringen Verbreitung freiwilliger Pflegezusatzversicherungen

Erkenntnisse aus den USA
In den USA spielen freiwillige private Pflegeversicherungen im internationalen Vergleich zwar eine noch vergleichsweise große Rolle, sie sind aber auch dort insgesamt wenig verbreitet. Da die Langzeitpflege als eines der größten unversicherten Risiken der älteren US-Bevölkerung gilt, werden mögliche Gründe hierfür in den letzten Jahren zunehmend wissenschaftlich diskutiert. Dabei werden neben Angebotsrestriktionen aufgrund der „klassischen“ Marktunvollkommenheiten auf Versicherungsmärkten (asymmetrische Informationsverteilung: adverse Selektion und moral hazard sowie Langfristigkeit der Versicherungsverhältnisse) verstärkt auch andere Gründe identifiziert (vgl. Brown und Finkelstein 2011). Hierzu zählt eine Verdrängung (crowding out) privater Versicherungen durch imperfekte Substitute wie staatliche Auffanglösungen (Medicaid in den USA, Sozialhilfe in Deutschland), (illiquides) Vermögen wie z. B. Immobilienbesitz oder informelle familiäre Sicherungsarrangements (finanziell oder in Form von Laienpflege). Nachfrageseitig wird auch häufig von einer mangelnden Rationalität bei Vorsorgeentscheidungen ausgegangen (fehlende Weitsicht bzw. Geringschätzung langfristiger Risiken); andererseits lässt sich eine reduzierte Versicherungspräferenz ökonomisch mit einem geringeren Grenznutzen von Konsummöglichkeiten im Pflegefall erklären (zustandsabhängige Nutzenfunktionen).
Neuere Erkenntnisse zeigen für die USA, dass die tatsächliche Nachfrage nach (freiwilligen) Pflegeversicherungen deutlich niedriger ist als die Nachfrage, die sich aus den Versicherungspräferenzen der älteren Bevölkerung ableiten lässt (Ameriks et al. 2018). Ein allgemeiner Mangel an Nachfrage für die Absicherung des Pflegerisikos kann demnach die geringe Verbreitung von Pflegeversicherungen nicht erklären, vielmehr wird für den US-amerikanischen Markt ein ungedeckter Bedarf an präferenzgerechten Pflegeversicherungsangeboten festgestellt. Verbraucher würden sich gerne stärker gegen Pflegerisiken absichern, aber zumindest teilweise geschieht dies nicht, weil sie von der Qualität der verfügbaren Versicherungsangebote nicht überzeugt sind. Mögliche Gründe hierfür sind die relativ hohen Kosten für Pflegeversicherungen (vgl. hierzu auch Brown und Finkelstein 2011), das Risiko von Prämiensteigerungen, Einschränkungen der Leistungspflicht (auf bestimmte Arten der Pflege) und Wartezeiten der Leistungsinanspruchnahme.
Finanzielle Attraktivität von Pflegezusatzversicherungen in Deutschland
Inwieweit treffen diese Befunde auch auf das Angebot privater Pflegezusatzversicherungen in Deutschland zu? Zunächst zum Argument hoher Kosten: Für den vorliegenden Beitrag wurde versucht, die finanzielle Attraktivität von Pflegezusatzversicherungen aus Sicht der Versicherungsnehmer einzuschätzen. Als Datengrundlage dient ein Testbericht der Stiftung Warentest zu Tarifen der Pflegetagegeldversicherung (Finanztest 02/2020). Die Stiftung Warentest bewertete in diesem Bericht 33 Pflegetagegeldtarife von 27 Krankenversicherern für einen Modellversicherten (m/w) im Alter von 55 Jahren bzw. alternativ 45 Jahren zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Diese Tarife sehen alle einen monatlichen Beitrag von etwa 89 € für den 55-jährigen Versicherten bzw. von etwa 57 € für den 45-jährigen Versicherten vor. Die Beitragszahlung ist auch für den Zeitraum nach Eintritt des Versicherungsfalls vorgesehen.8
Zur Methodik: Für die Bewertung der Tarife aus Sicht des Modellversicherten wurden für jedes Jahr der Versicherungslaufzeit die zukünftigen, erwarteten Zahlungsströme unter Berücksichtigung der alters- und geschlechtsspezifischen Restlebenserwartung und der alters- und geschlechtsspezifischen Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu werden, simuliert. Es wurde davon ausgegangen, dass die Versicherungslaufzeit genau der Restlebenserwartung des Modellversicherten entspricht, das heißt, tritt der Versicherungsfall ein, wird der Modellversicherte pflegebedürftig und wird dies annahmegemäß bis zum Ende seines Lebens bleiben. Die Restlebenserwartung wurde auf Basis der Sterbetafeln des Statistischen Bundesamts bestimmt. Auf der Leistungsseite wurde die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des Versicherungsfalls anhand von Daten zur Pflegeprävalenz in der SPV, die differenziert nach Geschlecht, Altersgruppe, Pflegegrad und Leistungsbereich für das Jahr 2018 vorliegen (vgl. Bundesministerium für Gesundheit 2019), für jedes Alter der Versicherten geschätzt. Die Zahlungsströme auf der Beitrags- und der Leistungsseite wurden jeweils in Gegenwartswerten zum Jahr des Vertragsabschlusses berechnet.9 Betrachtet man das Verhältnis der Gegenwartswerte der erwarteten Versicherungsleistungen zu den erwarteten Beitragszahlungen und subtrahiert dieses von dem Wert 1, lässt sich die finanzielle Attraktivität in Form eines „Lastfaktors“ (Abweichung von einer aktuariell fairen Prämie) darstellen und vergleichen.
Ergebnis: Die gemäß Stiftung Warentest besten Tarife für eine Pflegetagegeldversicherung ergeben für Männer – bei durchschnittlicher Lebenserwartung – einen Lastfaktor zwischen 2 % und 15 %. Würde beispielsweise ein 55-jähriger männlicher Versicherter drei Jahre länger leben, als es seiner statistischen Restlebenserwartung entspricht, würden die erwarteten Versicherungsleistungen in etwa den Beitragszahlungen entsprechen. Dies gilt allerdings nur für den Fall, dass die Beiträge während der Versicherungslaufzeit nicht erhöht werden. Geht man hingegen realistischerweise von Beitragserhöhungen aus und setzt diese mit 1 % p. a. an, liegt der Lastfaktor bei 13 %. Bei durchschnittlicher Lebenserwartung und Beitragserhöhungen von 1 % p. a. betragen die Lastfaktoren je nach Eintrittsalter 18 % bis 25 %, bei Beitragserhöhungen um 2 % p. a. 31 % bis 35 %.
Für weibliche Versicherte sind die Tarife der Pflegetagegeldversicherung aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung grundsätzlich vorteilhafter als für männliche Versicherte. Mit den zusätzlichen Lebensjahren verlängert sich nicht nur die mögliche Leistungsbezugsdauer; auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Versicherungsfall eintritt, ist in diesen Jahren durch das höhere Alter größer. Ohne Beitragssteigerungen ergeben sich für die Modellversicherten positive Gegenwartswerte der Salden aus erwarteten Leistungen und Beitragszahlungen (bzw. negative Lastfaktoren), die sich aber umkehren, sobald Beitragsanhebungen von mehr als 1,5 % p. a. unterstellt werden. Die Lastfaktoren bleiben jedoch deutlich unter den Werten für Männer (11 % bei Beitragsanhebungen von 2 % p. a.).
Die Ergebnisse zeigen darüber hinaus für die beispielhaft betrachteten Tarife, dass ein früherer Versicherungsbeginn (geringeres Eintrittsalter) für die Versicherungsnehmer mit geringeren Lastfaktoren verbunden ist. Zwar verringert sich der Abstand mit zunehmender Höhe unterstellter Beitragsanhebungen und bei relativ hohen Beitragsanhebungen dreht sich das Verhältnis um; allerdings fallen Beitragserhöhungen für ältere Versicherte i. d. R. höher aus als für jüngere.
Gemessen an einem Lastfaktor von rd. 32 %, den eine Studie zum privaten Pflegeversicherungsmarkt in den USA ergab und im Vergleich zu anderen Versicherungsmärkten als hoch einschätzte (Brown und Finkelstein 2011), können die aktuell in Deutschland angebotenen Pflegezusatzversicherungen vor allem für Frauen als finanziell relativ attraktiv gewertet werden. Für Männer gilt dies nur eingeschränkt unter der Voraussetzung allenfalls geringer Beitragsanhebungen während der Versicherungslaufzeit.
Potenzielle Nachfragehemmnisse
Unabhängig von ihrer finanziellen Attraktivität weist das Angebot privater Pflegezusatzversicherungen in Deutschland einige Eigenschaften auf, welche die relativ geringe Nachfrage erklären können.
  • Die Versicherungsbranche bewirbt ihr Angebot an Pflegezusatzversicherungen u. a. mit dem Verweis auf relativ geringe Monatsbeiträge, wenn ein Abschluss frühzeitig (z. B. zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr) erfolge. Verbraucherschützer raten hiervon allerdings regelmäßig ab, da in diesen Lebensphasen oft andere Finanzierungsziele prioritär seien (z. B. im Zusammenhang mit Familiengründung, Immobilienerwerb, Berufsunfähigkeitsversicherung). Die Erfahrung auch aus anderen Ländern zeigt, dass vor allem die Altersgruppen über 50 Jahre individuelle Pflegeversicherungen abschließen (Colombo et al. 2011). Allerdings besteht in diesen Altern eine höhere Wahrscheinlichkeit von Vor- bzw. chronischen Erkrankungen, die zu höheren Beiträgen oder häufig zu Ablehnungen von Seiten der Versicherungsunternehmen führen.
  • Der Versicherungsschutz erfordert meist lückenlose Beitragszahlungen, auch im Leistungsfall oder in Phasen der Erwerbslosigkeit. Nur teilweise besteht die Möglichkeit, die Beitragszahlungen z. B. bei Arbeitslosigkeit vorübergehend auszusetzen (i. d. R. sind diese dann nachzuzahlen). Können Beiträge nicht mehr gezahlt werden, verlieren die Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz vollständig ungeachtet der bisher geleisteten Beitragszahlungen. Gerade für jüngere Versicherungsnehmer ist es schwieriger abzuschätzen, ob die zukünftige Entwicklung ihres Einkommens langfristig dauerhafte Beitragszahlungen gewährleistet. Hinzu kommt die Unsicherheit über spätere Beitragserhöhungen.
  • Ob bzw. in welchem Ausmaß die Leistungen einer Pflegezusatzversicherung die Versorgungslücke in einem (späteren) Pflegefall zu schließen vermögen, bleibt beim Abschluss ungewiss. Die dominierende Form der Pflegetagegeldversicherungen stellt zwar ein einfaches und flexibles Produkt dar, die Leistungen orientieren sich aber nicht am individuellen Bedarf im Pflegefall. Dies betrifft zum einen die Leistungshöhe: Gerade bei einem frühen Abschluss ist der effektive Wert der (in ihrer absoluten Höhe fest) vereinbarten Geldleistung in einem späteren Pflegefall (nach z. B. 20 oder 30 Jahren) nur schwer einzuschätzen. Dieser Nachteil lässt sich nur teilweise durch die Vereinbarung einer Leistungsdynamisierung mindern.10 Sind Pflegebedürftige trotz ergänzender Absicherung auf Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege) angewiesen, würden die Leistungen der Pflegezusatzversicherung vom Sozialhilfeträger mit dem Sozialhilfeanspruch verrechnet. Zum anderen sind reine Geldleistungen oft unzureichend, denn Unterstützungsbedarf besteht häufig vor allem im Hinblick auf Beratung und Case Management.
Mit den staatlich geförderten Pflegetagegeldversicherungen („Pflege-Bahr“) wird zumindest das erstgenannte Problem adressiert: Da die förderungsfähigen Versicherungsangebote auf eine Gesundheitsprüfung und damit auf Risikozuschläge und Leistungsausschlüsse verzichten müssen, können sie auch von älteren Versicherungsnehmern mit Vorerkrankungen gewählt werden. Allerdings resultiert hieraus ein ungünstigeres Beitrags-Leistungs-Verhältnis und ein größeres Prämienerhöhungsrisiko, weil Versicherer wegen möglicher Risikoselektion höhere Sicherheitszuschläge einkalkulieren müssen. Da sich gesunde Versicherungsnehmer mit ungeförderten Pflegetagegeldversicherungen günstiger absichern können, verstärkt sich die Risikoselektion tendenziell. Auch im Hinblick auf weitere Merkmale (fünfjährige Wartezeit, keine Beitragsbefreiung im Leistungsfall) gestalten sich die geförderten Versicherungstarife ungünstiger als ein Teil der ungeförderten. Aus diesen Gründen überrascht es nicht, dass die Verbreitung der geförderten Pflegezusatzversicherungen deutlich hinter den ursprünglichen Zielen zurückbleibt.

15.2.4 Alternative private Formen der Absicherung gegen Pflegerisiken

Alternativ zu Pflegezusatzversicherungen können sich private Haushalte gegen selbst zu tragende finanzielle Belastungen im Pflegefall auch im Rahmen der allgemeinen Altersvorsorge und durch Ersparnis- bzw. Vermögensbildung absichern. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Belastung durch steigende Eigenanteile in der Pflegeversicherung teilweise durch eine Zunahme der gesetzlichen Renten kompensiert werden kann. So sind im Zeitraum der Jahre 2009 bis 2018 die Eigenanteile in der stationären Pflege im Mittel um jahresdurchschnittlich 3,0 % gestiegen, der durchschnittliche monatliche Zahlbetrag der Altersrenten (Bundesgebiet) in derselben Zeit um 2,3 % p. a. Neben der gesetzlichen Rentenversicherung existiert eine Reihe weiterer Alterssicherungssysteme und -formen, die teilweise alternativen Charakter haben (z. B. Beamtenversorgung, berufsständische Versorgung für Freiberufler) und teilweise ergänzenden (z. B. betriebliche Altersversorgung, private Renten-/Lebensversicherungen). Die Verbreitung dieser ergänzenden Altersvorsorge hat in den letzten Jahren zwar etwas zugenommen, ist jedoch insgesamt begrenzt: Gemäß dem aktuellen Alterssicherungsbericht hatten 48 % der Männer und 72 % der Frauen ab 65 Jahren im Jahr 2015 eine gesetzliche Rente als einzige Alterssicherungsleistung (BMAS 2017). Über eine zusätzliche betriebliche Altersversorgungsleistung verfügten 25 % der Männer und 7 % der Frauen ab 65 Jahren. Immerhin ist deren durchschnittliche Höhe seit dem Jahr 2003 um 2,2 % bzw. 2,4 % p. a. gestiegen. Private Renten (inkl. „Riesterrenten“) oder Lebensversicherungsleistungen bezogen im Jahr 2015 lediglich 5 % der Männer und 2 % der Frauen ab 65 Jahren.
Deutlich dynamischer gestaltet sich die Vermögensentwicklung in Deutschland. Das Sach- und Geldvermögen privater Haushalte (Reinvermögen) betrug im Jahr 2018 rd. 13 Bio. EUR; seit dem Jahr 2010 hat dieses Vermögen um jahresdurchschnittlich 4,9 % zugenommen (Statistisches Bundesamt und Deutsche Bundesbank 2019). Das durchschnittliche Nettovermögen der privaten Haushalte lag im Jahr 2017 bei 232.800 € (Deutsche Bundesbank 2019). Aufgrund der sehr ungleichen Vermögensverteilung ist der Medianwert mit 70.800 € deutlich niedriger. Dabei verfügen private Haushalte in höheren Lebensaltern über mehr Vermögen: Für Haushalte mit Referenzpersonen im Alter zwischen 65 und 75 Jahren beträgt der Medianwert 166.800 €. Auch der Anteil von Personen mit Vermögen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen (Lejeune und Gordo 2017). So hat sich der Anteil der 40- bis 85-Jährigen mit Besitz selbstgenutzter Immobilien zwischen 1996 und 2014 von 56,6 % auf 62,5 % erhöht, der Anteil von Personen mit Geld- und Sachvermögen von 76,4 % auf 84,5 % und der Anteil derjenigen, die Geld- und Sachvermögen von mehr als 100.000 € besitzen, von 6,6 % auf 14,5 %.
Andererseits ist die Ungleichheit der Vermögensverteilung nach wie vor stark ausgeprägt: Im Jahr 2017 entfiel mehr als die Hälfte (55 %) des gesamten Nettovermögens auf die oberen 10 % der Nettovermögensverteilung (zum Vergleich: Österreich 56 %, USA 77 % im Jahr 2016) (Deutsche Bundesbank 2019). Während sich für den Zeitraum 1996 bis 2014 eine Zunahme der Ungleichheiten in der Vermögensverteilung feststellen lässt (Lejeune und Gordo 2017), zeigen die Ungleichheitsmaße für den anschließenden Zeitraum 2014 bis 2017 keinen eindeutigen Trend (Deutsche Bundesbank 2019). Es ist davon auszugehen, dass Erbschaften zukünftig die bestehende Ungleichheit der Vermögensverteilung zusätzlich verschärfen (Lejeune und Gordo 2017). Gemäß Steuerstatistik wurde im Jahr 2016 Vermögen in Höhe von knapp 109 Mrd. € in Form von Erbschaften, Vermächtnissen und Schenkungen übertragen; aufgrund von Freibeträgen, Steuerbefreiungen und Verschonungsregelungen liegt die Höhe der Vermögensübertragungen aber vermutlich deutlich über diesem Betrag (Statistisches Bundesamt und WZB 2018).

15.3 Perspektiven der ergänzenden privaten Vorsorge des Pflegerisikos

15.3.1 Finanzierungsoptionen einer zukünftigen Sicherungslücke

Eine stark wachsende Sicherungslücke lässt sich zumindest in den Daten der Sozialhilfe bislang noch nicht erkennen. Trotz hoher und gestiegener Eigenanteile ist die Inanspruchnahme nicht merklich gestiegen: Mit 8,4 % sank der Anteil der Empfänger von Hilfe zur Pflege (HzP) an allen Pflegebedürftigen zum Jahresende 2017 auf den niedrigsten Wert seit Ende der 1990er Jahre. Die Anzahl der HzP-Empfänger hat sich im Jahr 2018 zwar nach mehrjährigem Rückgang wieder erhöht, dies gilt aber auch für die Gesamtzahl der Sozialhilfeempfänger. Der HzP-Anteil an allen Sozialhilfe-Empfängern war mit 10,6 % der niedrigste seit dem Jahr 2005, ebenso der Anteil der Netto-Ausgaben für Hilfe zur Pflege an den gesamten Sozialhilfeausgaben mit 11,2 %. Rentensteigerungen und höhere Vermögen der privaten Haushalte (vgl. Abschn. 15.2.4) haben hierzu beigetragen. Der Anteil der Bevölkerung im Alter ab 65 Jahre, der von Armut im Sinne einer erheblichen materiellen Deprivation betroffen ist, lag zuletzt (2018) mit 2,4 % unter dem der 18- bis unter 65-jährigen (3,4 %) (Statistisches Bundesamt 2019).
Zukünftig werden aber die alterungsbedingte Zunahme der Zahl Pflegebedürftiger sowie steigende Qualitätsansprüche an die Pflege den finanziellen Druck erhöhen. Auch die zunehmende Rationierung von Pflege, sichtbar an den Wartelisten bei Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten, macht es erforderlich, dass mehr finanzielle Mittel in den Ausbau der (personellen) Infrastruktur fließen, beispielsweise in Form von steigenden Arbeitsentgelten als Maßnahme gegen den Fachkräftemangel. Eine zusätzliche Absicherung gegen die finanziellen Folgen von Pflegebedürftigkeit gilt allgemein als notwendig, um zu verhindern, dass die bereits hohen Eigenanteile weiter ungebremst ansteigen. Über die Form besteht jedoch keine Einigkeit.
Zum einen wird gefordert, die gegenwärtige Pflegeversicherung zu einer Vollversicherung auszubauen, d. h. eine Erhöhung der Leistungen, sodass zumindest die unmittelbar pflegebedingten Kosten entweder vollständig gedeckt werden oder wenigstens die Eigenanteile eine feste Obergrenze erhalten. Zum anderen wird empfohlen, Sicherungslücken stattdessen durch ergänzende kapitalgedeckte Vorsorgeformen zu schließen, weil mit der im Umlageverfahren organisierten SPV die finanziellen Folgen der demographischen Alterung nicht mehr bewältigt werden könnten, ohne jüngere Generationen übermäßig zu belasten („Generationengerechtigkeit“).11 Letzteres kann sowohl auf freiwilliger privater Basis als auch obligatorisch und/oder kollektiv organisiert werden.
Die erstgenannte Option – eine Ausdehnung des Pflichtversicherungssystems – wirft grundlegende, vor allem verteilungspolitische Fragen auf. Ihre Finanzierung durch Beiträge wirkt in der sozialen Pflegeversicherung (SPV) unter Verteilungsgesichtspunkten regressiv, d. h. sie belastet Mitglieder mit geringerer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit relativ stärker. Ursächlich hierfür ist, dass es (im Unterschied etwa zur Einkommensteuer) keine Freibeträge12, dafür aber eine Beitragsbemessungsgrenze gibt; zudem unterliegen für versicherungspflichtige Mitglieder nur erwerbsbezogene Einkommen der Beitragspflicht, nicht aber Kapital- oder Vermögenseinkommen. Für den Bezug von Sach- und Geldleistungen der Pflegeversicherung gemäß SGB XI spielt es hingegen keine Rolle, ob Pflegebedürftige über (hohe) Einkommen oder Vermögen verfügen.13
Die private Ersparnis- und Vermögensbildung kann wegen der relativ hohen Altersabhängigkeit gerade für das Pflegerisiko eine wichtige Finanzierungsoption sein. Leistungen der Pflegeversicherung verringern die Notwendigkeit, im Alter bei Pflegebedürftigkeit vorhandene Ersparnisse und Vermögen zur Finanzierung von Pflegeaufwand einzusetzen. Ersparnisse und Vermögen werden somit geschont, was in letzter Konsequenz den Erben der hiervon begünstigten Pflegebedürftigen zugutekommt.14 Dass dieser „Erbenschutz“ mit einer überproportionalen Belastung geringer Einkommen durch Sozialversicherungsbeiträge einhergeht, ist verteilungspolitisch fragwürdig. Der Ausbau der Pflegeversicherung zu einer Voll(kosten)versicherung oder durch Deckelung der Eigenanteile würde – bleibt sie wie bisher beitragsfinanziert – den Effekt des Erbenschutzes verstärken. Gleichzeitig würden bisherige steuerfinanzierte Sozialhilfezahlungen durch beitragsfinanzierte Pflegeversicherungsleistungen ersetzt, sodass – aufgrund des Lohnbezugs und der Beitragsbemessungsgrenze (s. o.) – auch hierdurch hohe Einkommen weniger stark zur Finanzierung herangezogen würden (vgl. auch Kochskämper et al. 2019).
Gefordert wird daher, den Ausbau der SPV zumindest teilweise aus dem allgemeinen Steueraufkommen zu finanzieren, etwa in Form eines Bundeszuschusses wie in der GKV. Eine Steuerfinanzierung geht jedoch prinzipiell mit Bedarfsprüfungen beim Leistungsbezug oder zumindest einer eigenständigen Prüfung des effizienten Mitteleinsatzes (durch den Bundesrechnungshof) einher. Die nur begrenzt zweckgebundenen Geldleistungen in der ambulanten Pflege sind damit nur schwer vereinbar. Die Umstellung auf das Sachleistungsprinzip läge bei einer Pflegevollversicherung nahe.
Daneben gibt es begründbare Zweifel an der „Demographiefestigkeit“ des Umlageverfahrens, das die Finanzierungsgrundlage der SPV bildet. Mit dem seit dem Jahr 2015 im Aufbau befindlichen Pflege-Vorsorgefonds werden zwar jährlich 0,1 Prozentpunkte der beitragspflichtigen Einnahmen der SPV (aktuell ca. 1,4 Mrd. EUR) angelegt, um ab Mitte der 2030er Jahre demographiebedingte Beitragssteigerungen abzumildern. Diese Maßnahme wird aber im Hinblick sowohl auf ihren finanziellen Umfang als auch auf die zeitliche Begrenzung als völlig unzureichend kritisiert, um nachhaltige Stabilisierungswirkungen zu erzielen (Breyer 2016).15 Angesichts der großen Unsicherheiten, die in längerer Frist bezüglich der Entwicklung der (lohnbezogenen) Beitragsgrundlagen, aber auch der Anlagemöglichkeiten für Finanzkapital (Zins- und Vermögenspreisentwicklung) bestehen, liegt es nahe, einen Mix der Finanzierungsarten zu wählen, um systemische Risiken zu streuen. Dies spricht in der aktuellen Situation für einen Ausbau kapitalbasierter Vorsorge. Aber dies muss nicht zwangsläufig privat bzw. freiwillig geschehen.
Private Pflegezusatzversicherungen stellen zwar eine naheliegende Option dar, einen hohen Verbreitungsgrad hat diese Form der kapitalgedeckten Ergänzungsvorsorge bislang aber nicht erreicht (vgl. Abschn. 15.2). Der Branchenverband empfiehlt daher eine staatliche Förderung durch steuerliche Vergünstigungen oder Zuschüsse (PKV-Verband 2019), andere fordern – analog zur Diskussion über „Riester-Renten“ –, die private Pflegezusatzversicherung obligatorisch zu machen (Breyer 2016). Allerdings erscheint es fragwürdig, die bislang verhaltene Nachfrage nach privaten Pflegezusatzversicherungen primär auf eine fehlende Vorsorgebereitschaft in der Bevölkerung zurückzuführen (vgl. Abschn. 15.2). Als Alternative lässt sich daher auch begründen, in kollektiver Form zusätzlich kapitalbasiert vorzusorgen, beispielsweise durch Ausbau des Pflege-Vorsorgefonds (vgl. Ehrentraut et al. 2019).

15.3.2 Zusätzliche Potenziale ergänzender privater Vorsorge

Angesichts der absehbaren Herausforderungen, die Finanzierung der Langzeitpflege zukünftig zu sichern, sollten aber auch zusätzliche Potenziale ergänzender privater (kapitalbasierter) Vorsorge erschlossen werden. Dabei wäre es aufgrund der bisherigen Erfahrungen sinnvoll, jenseits der „klassischen“ Pflegezusatzversicherungen weitere Ansätze in den Blick zu nehmen.
So gibt es erste Ansätze, neben der Altersvorsorge auch das Pflegerisiko betrieblich abzusichern.16 Betriebliche Gruppenversicherungen können im Vergleich zu individuell abgeschlossenen Pflegezusatzversicherungen günstigere Konditionen für Versicherungsnehmer anbieten (i. d. R. Verzicht auf Gesundheitsprüfung, geringere Beiträge), gleichzeitig ergeben sich aber zusätzliche Gestaltungsfragen (z. B. Übertragbarkeit bei Arbeitgeberwechsel, Fortführung nach Ende der Erwerbstätigkeit).
Ein anderer Ansatz ist die Weiterentwicklung des Leistungsspektrums von Pflegezusatzversicherungen. Ausgangspunkt ist die inhärente Unsicherheit, inwieweit die ex ante vereinbarten monatlichen Geldzahlungen der „klassischen“ Pflegezusatzversicherungen die (ex ante individuell unbekannte) finanzielle Lücke bei Pflegebedürftigkeit verringern können. Pflegekostenversicherungen bieten in dieser Hinsicht mehr Sicherheit, i. d. R. beziehen sie sich aber nur auf Pflegeleistungen durch professionelle Dienste und schützen nicht vor steigenden Eigenanteilen in der obligatorischen Pflegeversicherung, da sie ihre Leistungen häufig an deren Leistungen koppeln. Ein aktueller Vorschlag für eine kapitalgedeckte Eigenanteilsversicherung (Kochskämper et al. 2019) sieht zwar eine vollständige Abdeckung von Eigenanteilen vor, setzt aber eine Fixierung des relativen Kostenanteils der obligatorischen Pflegeversicherung voraus und bleibt ebenfalls auf Sachleistungen beschränkt. Außerdem beruhen die Modellkalkulationen auf der Annahme einer Versicherungspflicht.
Eine Weiterentwicklung des Leistungsspektrums ist auch mit Blick auf den Absicherungsbedarf der privaten Haushalte möglich, der über reine Geldleistungen hinausgeht. Hierzu zählt etwa, dass in einem – u. U. plötzlich eintretenden – Pflegefall kurzfristig spezifische Dienstleistungen wie z. B. Pflegeberatung, Zugang zu/Organisation von Pflegeleistungen etc. verfügbar sind. Private Versicherungsunternehmen können solche Leistungen als sog. Assistance-Leistungen anbieten (z. B. Vermittlung eines Pflegeheimplatzes, eines ambulanten Pflegedienstes) und mittlerweile ist „Pflege-Assistance“ Bestandteil der Angebote von Pflegezusatzversicherungen bei zahlreichen Versicherungsunternehmen.17 Haushaltsbefragungen zeigen ein innerhalb weniger Jahre deutlich gesteigertes und mittlerweile hohes Interesse an Pflege-Assistance-Leistungen.18 Bislang liegen aber nur wenige Erfahrungswerte vor. In den öffentlichen Darstellungen von Pflegezusatzversicherungen liegt der Fokus nach wie vor auf dem Verhältnis von Prämie zu Tages-/Monatsgeld (vgl. Finanztest 02/2020). Assistance-Leistungen könnten angesichts des Nachfragepotenzials zu einem wesentlichen Leistungsbestandteil von Pflegezusatzversicherungen aufgewertet werden und so die ergänzende private Pflegevorsorge fördern.
Schließlich ist gerade für das stark altersabhängige Pflegerisiko die individuelle Ersparnis- und Vermögensbildung eine wesentliche Vorsorgeform, wie sie auch für die allgemeine private Altersvorsorge genutzt wird. Mit Blick auf die zukünftigen gesellschaftlichen Herausforderungen durch Pflegebedürftigkeit erscheint es unumgänglich, Teile der wachsenden privaten Sparguthaben und Vermögenswerte für Pflegefinanzierung einzusetzen, anstatt diese für Erbschaften zu schützen. Dies erscheint auch deshalb konsequent, weil andererseits Familienangehörige (als potenzielle Erben) zukünftig weniger zum Unterhalt Pflegebedürftiger herangezogen werden sollen (mit Inkrafttreten des Angehörigen-Entlastungsgesetzes zum Jahresbeginn 2020). Die im Vergleich zu den Einkommen deutlich weniger gleiche Verteilung von Geld- und Sachvermögen legt nahe, dass sich dieser Vorsorgeansatz nur auf Teile der Bevölkerung beziehen kann. Würde man aber auf die Nutzung dieser Form privater Vorsorge für die Pflegefinanzierung weitergehend verzichten, würde das solidarische Finanzierungssystem in nicht nachhaltiger Weise überdehnt und leistete überdies einer Zunahme der Vermögensungleichheit Vorschub.
Das subsidiäre Sicherungssystem der Sozialhilfe stellt in sehr konsequenter und effektiver Weise sicher, dass private Vermögen zur Pflegefinanzierung verwendet werden, bevor staatliche Mittel eingesetzt werden. Allerdings wird der Sozialhilfebezug in der politischen Diskussion stigmatisiert und im Zusammenhang mit Pflegebedürftigen als unzumutbar angesehen. Daher soll abschließend kurz auf mögliche alternative Ansätze eingegangen werden, mit denen Entsparen und Vermögensabbau zum Zweck der Pflegefinanzierung in zumutbarer Weise erreicht werden kann.
Eine spezielle Form betrifft die Nutzung von Immobilienvermögen zur Finanzierung individueller Pflegeaufwendungen. In mehreren OECD-Ländern gibt es Erfahrungen mit der Umwandlung von Immobilienbesitz in Geldleistungen für Pflege, teilweise unter den Bezeichnungen Umkehrhypotheken (reverse mortgage) oder Immobilienrenten (vgl. Colombo et al. 2011). Hierbei kann es sich sowohl um Angebote von Unternehmen der Finanzindustrie (Kreditinstitute, Versicherungen) als auch um öffentliche Programme (z. B. „Nursing Home Loan“ in Irland) handeln. Eine wesentliche Zielgruppe sind Immobilienbesitzer mit geringen bzw. mittleren Einkommen (asset rich but cash poor).
  • Bei einem Teil der Angebote ist die Monetarisierung des Immobilienwertes an die Beibehaltung des Wohnrechts bis zum Lebensende gekoppelt, bietet also den Schutz davor, sein Haus verkaufen zu müssen, um Pflegeleistungen zu bezahlen. Die damit verbundene Finanzdienstleistung umfasst Vorauszahlungen (Kredit) auf den späteren Erlös aus der Veräußerung der Immobilie. Dieser Veräußerungserlös wird nach dem Tod des Immobilienbesitzers für die (verzinste) Rückzahlung des Kredits verwendet. Wesentliche Risikokomponenten sind das Langlebigkeitsrisiko der Immobilienbesitzer sowie die Wertentwicklung der Immobilie.
  • Als Nachteile dieser Form von Pflegefinanzierung gelten vor allem komplizierte und teilweise teure Verträge. In Deutschland hat es bislang nur vereinzelte Angebote gegeben, in der öffentlichen Wahrnehmung überwiegt bislang eine negative (anekdotische) Berichterstattung. Eine wesentliche Ursache hierfür dürfte ein fehlender Regulierungsrahmen für diese neuartigen Angebote sein, z. B. in Form von staatlichen Garantien bei Insolvenz oder Musterverträgen.19
  • Im Rahmen eines öffentlichen Programms20 können sich in Irland Pflegebedürftige bei der Zahlung der Kosten für Heimpflege unterstützen lassen, indem die staatliche Gesundheitsbehörde zinslose Darlehen gewährt, die später (auch nach dem Tod des Pflegebedürftigen) durch Veräußerungen von Vermögenswerten (u. a. Immobilieneigentum) zurückgezahlt werden. Schätzungsweise 10 % aller Pflegebedürftigen, die im Rahmen des „Fair Deal Scheme“ staatliche Unterstützungsleistungen erhalten, nutzen diese Form der Vermögensverwertung (vgl. Department of Health 2015).
Eine weitere, weniger spezifische Form, privates Geld- und Sachvermögen systematisch zur Pflegefinanzierung heranzuziehen, wäre eine vermögensabhängige Gestaltung von Eigenanteilen in der obligatorischen Pflegeversicherung. Hierbei ließe sich auf der Praxis der Vermögensprüfung im Rahmen der Grundsicherung (inkl. Regelungen zu Schonvermögen und Freibeträgen) aufbauen.21
Schließlich könnte ein Bundessteuerzuschuss an die SPV, mit dem eine Deckelung der Eigenanteile als Leistungsausweitung finanziert würde, einen indirekten Ansatz liefern, um privates Vermögen stärker in die Pflegefinanzierung einzubeziehen. Dies wäre z. B. dann der Fall, wenn die Höhe eines solchen Bundeszuschusses einem zusätzlichen Aufkommen der Erbschaftsteuer entspräche.22

15.4 Fazit

Pflegebedürftige müssen zunehmende Anteile ihrer Pflegekosten selbst tragen. Die pflegebedingte Inanspruchnahme von Sozialhilfe ist zwar im historischen Vergleich nach wie vor gering, aber die Finanzierungslasten in der Langzeitpflege werden in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach stark zunehmen. Eine grundlegende Leistungsausweitung in der Sozialen Pflegeversicherung als Antwort hierauf wäre verteilungspolitisch fragwürdig, würde sie wie bisher beitragsfinanziert: Geringe Einkommen würden überproportional belastet, private Vermögen und Erbmasse geschützt und damit soziale Ungleichheit tendenziell gefördert.
Auf Basis der bisherigen Erfahrungen ist es aber auch zweifelhaft, dass zukünftig in größerem Ausmaß Eigenvorsorge gegen Pflegerisiken durch private Zusatzversicherungen stattfindet. Sinnvoller als staatliche Subventionen ist es, durch Weiterentwicklung der Versicherungsangebote (betriebliche Pflegezusatzversicherungen, Assistance-Leistungen) die private Eigenvorsorge zu stärken.
Das eigentliche Potenzial ergänzender privater Vorsorge für den Fall der Pflegebedürftigkeit liegt aber in der Ersparnis- und Vermögensbildung im Rahmen der allgemeinen Altersvorsorge. Es kann langfristig nicht darauf verzichtet werden, die wachsenden privaten Sparguthaben und Vermögenswerte auch für die Pflegefinanzierung einzusetzen, anstatt sie durch Ausweitung solidarisch finanzierten Versicherungsschutzes für Erbschaften zu sichern. Hierfür gibt es eine Reihe möglicher Ansätze auch jenseits der Bedarfsprüfung in der Sozialhilfe.
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Fußnoten
1
Bis zur Einführung der Pflegepflichtversicherung im Jahr 1995 wurden allerdings nur knapp 380.000 private Pflegeversicherungsverträge abgeschlossen (Leienbach und Besche2014, S. 6).
 
2
Daneben gab es eine Reihe von Leistungen bei Pflegebedürftigkeit aus unterschiedlichen Bereichen, darunter Pflegeleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, Leistungen für Kriegsopfer, Pflegekostenerstattung im Rahmen der Beihilfe für Beamte und seit dem Jahr 1989 auch Leistungen der GKV für Schwerpflegebedürftige (s. ausführliche Darstellung in Deutscher Bundestag Drucksache 12/5262, S. 68 ff.).
 
3
Damalige Zielmarke war, dass Pflegebedürftige, die Anspruch auf eine gesetzliche Rente in durchschnittlicher Höhe erworben haben, wegen ihrer Pflegebedürftigkeit nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind.
 
5
 
6
Der Vergleich beruht auf Umrechnung der Ausgaben in nationaler Währung auf Basis von Kaufkraftparitäten (KKP). Demnach lag der OECD-Durchschnitt der „Out-of-pocket“-Ausgaben für Langzeitpflege im Jahr 2017 pro Kopf bei 123 US-Dollar KKP, der entsprechende Wert für Deutschland beträgt 245 US-Dollar KKP (Quelle: OECD Statistics).
 
7
Die Gesamtausgaben für Langzeitpflege betrugen im Jahr 2017 nach OECD-Angaben in Deutschland pro Kopf 1.071 US-Dollar KKP und damit deutlich mehr als im OECD-Durchschnitt (611 US-Dollar KKP).
 
8
In welchem Umfang einzelne Tarife der Pflegetagegeldversicherung von Beitragssteigerungen betroffen sind, ist nicht bekannt. Differenzierte Daten zur Beitragsentwicklung der Tarife der Pflegetagegeldversicherung im Versichertenbestand sind öffentlich nicht verfügbar. Es ist aber davon auszugehen, dass die Versicherer die Beiträge im Zeitverlauf anheben müssen, z. B. wenn sich die ursprüngliche Kalkulation als unzutreffend erweist oder das allgemeine Zinsniveau sinkt.
 
9
Als Diskontsatz wurde dabei der Höchstrechnungszinssatz der Lebensversicherungsunternehmen und Pensionsfonds verwendet, der mit Stand Dezember 2019 bei 0,9 % lag (Quelle: Bundesministerium für Finanzen).
 
10
Bei den in Deutschland deutlich weniger verbreiteten Pflegekostenversicherungen fällt dieser Nachteil weniger stark ins Gewicht, da hier nur die relative Höhe der Geldleistung vorab festgelegt wird. Allerdings wird diese meist an die gesetzlichen Leistungen geknüpft, unterliegt also keiner eigenständigen Dynamisierung. Hinzu kommt, dass nicht alle Kosten der Pflege erstattungsfähig sind. Dies gilt vor allem für Laienpflege oder Betreuungsdienste, die aber gerade bei den zu Hause versorgten Pflegebedürftigen mit geringeren Pflegegraden dominieren (im Jahr 2017 hatten knapp 42 % aller Pflegebedürftigen einen Pflegegrad von 1 oder 2 und wurden zu Hause versorgt; Statistisches Bundesamt2018).
 
11
Der Vorwurf mangelnder Generationengerechtigkeit der umlagefinanzierten Sozialversicherung gründet maßgeblich auf der Lohnbezogenheit der Beiträge, wodurch im demographischen Wandel die Belastung der Erwerbstätigengeneration steigt, weil deren Anteil relativ zur älteren Generation sinkt. Diese Belastung ließe sich prinzipiell aber auch unter Beibehaltung einer Umlagefinanzierung deutlich mindern, insofern die Lohnzentrierung der Beiträge (partiell) aufgegeben würde (z. B. durch eine Umstellung lohnbezogener Arbeitgeberbeiträge auf eine Wertschöpfungsabgabe) (vgl. Huchzermeier und Rürup 2018).
 
12
Lediglich für die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen (v. a. Betriebsrenten) gilt eine Freigrenze. Der kürzlich durch das Betriebsrentenfreibetragsgesetz zusätzlich eingeführte Freibetrag gilt aber explizit nicht für die SPV (vgl. Bundestag Drucksache 19/15438, S. 11).
 
13
Typischerweise unterliegen Versicherungsansprüche, die aus Sozialversicherungsbeiträgen erworben werden, keiner Bedarfsprüfung; dies grenzt Sozialversicherungs- von staatlichen Fürsorgeleistungen ab.
 
14
Angebote von Pflegezusatzversicherungen, mit denen die von der obligatorischen Pflegeversicherung gelassene „Pflegelücke“ verringert werden soll, nennen explizit den Vermögensschutz auch im Hinblick auf spätere Erben als Versicherungsziel.
 
15
Auf die PPV, ebenfalls ein Pflichtsystem, treffen zwar die genannten Probleme nicht in der Form zu, zumal ihre Finanzierung nach dem Kapitaldeckungsverfahren funktioniert. Dass die gegenwärtige durchschnittliche Beitragsbelastung in der PPV geringer ist, gründet aber auch auf Risikoselektion: So ist der Anteil der Leistungsbezieher in der PPV nur etwa halb so hoch wie in der SPV, die Ausgaben je Leistungsbezieher sind (mit Schätzung von Beihilfeanteilen) um rd. 25 % niedriger, während die PPV-Mitglieder im Durchschnitt über deutlich höhere Einnahmen verfügen, die in der SPV der Beitragspflicht unterlägen.
 
16
Die erste tarifvertragliche Pflegezusatzversicherung in Deutschland wurde kürzlich für die Chemieindustrie von der Industriegewerkschaft (IG BCE) und dem Arbeitgeberverband (BAVC) entwickelt und von einem ersten größeren Unternehmen zum Jahresbeginn 2020 als neue betriebliche Sozialleistung eingeführt.
 
17
Darüber hinaus wird Pflegeberatung unternehmensübergreifend durch ein vom PKV-Verband gegründetes Unternehmen angeboten (https://​www.​compass-pflegeberatung.​de/​).
 
19
So waren in den USA gemäß einer älteren OECD-Studie zwei Drittel der Produkte staatlich abgesichert (Colombo et al.2011).
 
21
In England setzt die staatliche Unterstützung bei Pflegebedürftigkeit eine Vermögensprüfung voraus: Dort erhalten Personen mit einem bestimmten Vermögen (inkl. Wert eines selbstgenutzten Hauses) keine staatliche Unterstützung für die stationäre Pflege. Für die ambulante Pflege werden Gebühren erhoben, welche die jeweilige Gemeinde für Bedürftige ohne Vermögen übernehmen kann. In den Niederlanden sind die Eigenanteile in der stationären Pflege einkommensabhängig gestaltet (Wissenschaftliche Dienste2019).
 
22
Im Jahr 2018 betrug des Aufkommen der Erbschaftsteuer 6,8 Mrd. EUR (Quelle: Bundesfinanzministerium).
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Ergänzende private Vorsorge für den Fall der Pflegebedürftigkeit – Stand und Perspektiven
verfasst von
Dr. Martin Albrecht
Dr. Richard Ochmann
Copyright-Jahr
2020
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-61362-7_15