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Open Access 18.08.2023 | Originalien

Dreiwortadressen als neues Lokalisierungssystem im Rettungsdienst

Eine empirische Untersuchung in einem bayerischen Rettungsdienstbereich

verfasst von: Martin Vogler, Peter Priesmeier, Rainer Kimmel, Marc Lazarovici, Florian Dax

Erschienen in: Notfall + Rettungsmedizin

Zusammenfassung

Hintergrund

Bei Notrufen liegen integrierten Leitstellen (ILS) durch Systeme wie E‑Call oder Advanced Mobile Location (AML) häufig die Geokoordinaten des Anrufers vor. Diese können jedoch ohne Datenschnittstelle schwer an die Rettungskräfte kommuniziert werden. Die Software what3words (w3w) verkürzt Geokoordinaten zu sogenannten Dreiwortadressen, die an Einsatzkräfte problemlos weitergegeben werden können. Im Rahmen der vorliegenden Studie wird untersucht, für welche Arten von Einsatzstellen das System genutzt und wie häufig es angewandt wird.

Methode

Als Datenbasis dienten 201 Einsätze eines siebenmonatigen Pilotprojekts des Rettungsdiensts im Rettungsdienstbereich der ILS-Region Ingolstadt. Die zugehörigen Dreiwortadressen wurden retrospektiv mit digitalem Kartenmaterial manuell gesichtet und nach ihrer räumlichen Lage klassifiziert. Anschließend erfolgte eine quantitative Auswertung dieser Klassifizierung und der Anwendungshäufigkeit des Systems.

Ergebnisse

Die Auswertung zeigt, dass w3w nahezu zu gleichen Teilen innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften verwendet wurde. Die Anwendungsfälle wurden in 18 Klassen bzw. Unterklassen unterteilt. Innerorts fand das System besonders häufig auf Straßen, Sportanlagen oder in Parks, außerorts meist bei Einsätzen auf Landstraßen oder Wirtschaftswegen Anwendung. Es kam im Mittel zu 0,97 Verwendungen pro Tag, dies entspricht 0,48 % aller Einsätze des Rettungsdiensts im Untersuchungszeitraum.

Schlussfolgerung

Die regelmäßige Anwendung von w3w zeigt nach Ansicht der Autoren den Nutzen von leicht zu kommunizierenden Geokoordinatensystemen insbesondere für Einsatzstellen, die außerhalb postalischer Adressen liegen. Eine Implementierung kann eine hilfreiche Ergänzung im Werkzeugkasten von ILS und Einsatzkräften darstellen.
Hinweise
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Vom 01.05.2021 bis zum 30.11.2021 führte der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF) der Region Ingolstadt ein Pilotprojekt zur additiven Nutzung von Dreiwortadressen im Rahmen der Kommunikation zwischen der integrierten Leitstelle (ILS) und dem Rettungsdienst durch. Im vorliegenden Artikel beleuchten die Autoren die Anwendungshäufigkeit sowie die Arten der Einsatzstellen, bei denen das System verwendet wurde, um daraus Rückschlüsse auf die Verwendbarkeit im Einsatzdienst zu ziehen.

Einleitung

Gemäß § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes (AVBayRDG) sind Standort, Anzahl und Ausstattung der Rettungswachen und Stellplätze so zu bemessen, dass Notfälle im Versorgungsbereich einer Rettungswache in der Regel spätestens 12 min nach dem Ausrücken erreicht werden können [1]. Ähnliche, teils striktere Hilfsfristen existieren auch in anderen Bundesländern. Das schnelle Erreichen der Einsatzstelle ist in vielen Fällen unerlässlich, um ein positives medizinisches Outcome des Patienten zu erzielen. Es ist daher problematisch, wenn Einsatzkräfte in der präklinischen Notfallversorgung Schwierigkeiten haben, zeitnah den Einsatzort zu finden. Im Alltag gibt es jedoch zahlreiche Einsatzstellen, zu denen keine eindeutige postalische Adresse mit der Kombination aus Straßennamen und Hausnummer existiert, etwa solche in Kleingartenanlagen, Parks, an Gewässern oder auf Autobahnen. Mit dem Advanced-Mobile-Location(AML)-Standard für Smartphones, der deutschlandweit einheitlichen Notruf-App (Nora), dem eCall-System für Fahrzeuge und Smart-Watch-Systemen wie zum Beispiel der Apple Watch existieren mittlerweile zahlreiche und auch in der Bevölkerung weit verbreitete Hilfsmittel, welche bei Notrufen automatisch, präzise und teils metergenaue Standortdaten des Anrufers an die integrierten Leitstellen (ILS) übersenden können. AML beispielsweise ist ein Protokoll, welches auf europäischer Ebene entwickelt wurde, um den genauen Standort eines Anrufers an die Notrufzentrale zu übermitteln [2]. Bei einem Notruf über die Notrufnummer 112 überträgt das AML-fähige Smartphone die genauen Standortdaten des Anrufers per SMS und/oder online (per HTTPS) vom Smartphone an die ILS [2]. AML wird bereits von nahezu allen Android- und iOS-Telefonen unterstützt [3]. Der exakte Standort des Anrufers ist also häufig in den Leitstellen bekannt, bleibt dann aber trotzdem in manchen Fällen ungenutzt, weil keine Datenschnittstellen zu Navigationsgeräten auf den Einsatzfahrzeugen existieren und es den ausrückenden Einsatzkräften unmöglich ist, die durch die genannten Systeme übermittelten Geokoordinaten mit ihrem komplizierten Format (z. B. UTM 32U 358779.151 5645009.773) zu nutzen. Eine mündliche Übermittlung der Geokoordinaten z. B. via Sprechfunk und anschließend manuelle Eingabe ins Navigationsgerät ist zeitintensiv und höchst fehleranfällig [4]. An diesem Punkt setzen vereinfachende Lokalisierungssysteme an, welche die Geokoordinaten bei ausreichend hoher Präzision stark vereinfachen. Die wohl bekanntesten Beispiele vereinfachender Lokalisierungssysteme sind what3words und der Open Location Code (Google Plus Codes). What3words gibt zu jeder möglichen Geokoordinate eine dazugehörige, sogenannte „Dreiwortadresse“ aus. Diese Dreiwortadressen umfassen eine Fläche von 3 × 3 m und sind in mehreren Sprachen eindeutig definiert. So entspricht der o. g. Geokoordinate im what3words-System die Dreiwortadresse ///feiertag.spät.ihren. Diese Kombination aus drei Worten lässt sich unmissverständlich und schnell über Sprechfunk oder mit den bestehenden Mitteln der Alarmierung an die Einsatzkräfte weitergeben. Den Einsatzkräften wird nach Eingabe der Dreiwortadresse in eine App die übermittelte Einsatzstelle auf einer Karte als ein Quadrat von drei mal drei Metern angezeigt. Wie in Abb. 1 dargestellt, kann bspw. ein Patient mit Herzbeschwerden auf einem weitläufigen Parkplatz damit sehr schnell und präzise angefahren werden. Da solche ergänzenden Dispositionsmethoden jedoch mit einem organisatorischen und finanziellen Aufwand für die Implementierung verbunden sind, stellt sich Leitstellenbetreibern die Frage nach dem Nutzen eines solchen Systems.
Die vorliegende Studie greift diese Fragestellung auf und untersucht die empirische Anwendung des Lokalisierungssystems what3words, welches im Rahmen eines Pilotprojekts durch die ILS-Region Ingolstadt für Einsätze des Rettungsdiensts eingeführt wurde. Die Arbeit wird dabei von zwei Forschungsfragen geleitet: Wie häufig wurden Dreiwortadressen von Einsatzstellen innerhalb des siebenmonatigen Praxisversuchs an ausrückende Einsatzkräfte übermittelt? Bei welcher Art von Einsatzstellen wurde das System typischerweise angewandt? Mithilfe dieser Erkenntnisse kann eine Aussage über den Nutzen von Lokalisierungssystemen wie what3words im Rettungsdienst und in anderen Organisationen der Gefahrenabwehr getroffen werden.

Methodik

Die vorliegende retrospektive quantitative Arbeit umfasst mehrere Forschungsgegenstände. Dies ist zum einen die ILS-Region Ingolstadt als Anwenderin der Dreiwortadressen, zum anderen der räumlich äquivalente Rettungsdienstbereich Ingolstadt sowie das untersuchte Pilotprojekt selbst und der Prozess der Standortermittlung und -übertragung.

Setting

Der Freistaat Bayern ist in 26 Rettungsdienstbereiche (RDB) gegliedert [1]. Die Landkreise und kreisfreien Gemeinden haben – organisiert in Zweckverbände für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF) – die Aufgabe, Notfallrettung und Krankentransport im übertragenen Wirkungskreis flächendeckend sicherzustellen [5]. Die Notfallrettung ist in Bayern als zweistufiges System organisiert. Notfalleinsätze werden mit einem Rettungswagen abgewickelt, der mindestens mit einem Rettungsassistenten oder Notfallsanitäter besetzt ist. Bei Notarzteinsätzen wird zusätzlich zu dem Rettungswagen ein arztbesetztes Rettungsmittel, boden- oder luftgebunden, entsandt. In zahlreichen Ortschaften existieren First-Responder-Einheiten, die optional additiv vorab entsandt werden können. In jedem Rettungsdienstbereich muss zudem eine integrierte Leitstelle (ILS) vorhanden sein [6]. Die ILS sind flächendeckend unter der europäischen Notrufnummer 112 erreichbar und koordinieren sämtliche Einsätze der Notfallrettung. Die Notrufabfrage erfolgt nichtstandardisiert auf Basis der Empfehlung zur strukturierten Notrufabfrage des Rettungsdienstausschusses Bayern [7]. Für die strukturierte Notrufabfrage steht den Disponenten größtenteils keine Softwareunterstützung zur Verfügung. Der Einsatzgrund als Ergebnis der Notrufabfrage ergibt sich aus den bayernweit identischen Einsatzschlagwörtern der Alarmierungsbekanntmachung [8]. Zur Einsatzerfassung, -disposition und -begleitung wurde durch den Freistaat Bayern für sämtliche ILS im Rahmen einer Landeslizenz ein einheitliches Einsatzleitsystem beschafft und zur verpflichtenden Nutzung bereitgestellt [9]. Die Ausbildung zum Disponenten ILS ist in Bayern staatlich geregelt: Neben einer rettungsdienstlichen sowie feuerwehrfachlichen Qualifikation sieht die Verordnung einen mehrwöchigen Disponentenlehrgang an der Staatlichen Feuerwehrschule Geretsried vor [10].
Die ILS-Region Ingolstadt ist nach dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz die für den RDB Ingolstadt zuständige ILS. Der RDB Ingolstadt liegt ungefähr auf halber Strecke zwischen München und Nürnberg und umfasst die Landkreise Eichstätt, Pfaffenhofen a. d. Ilm und Neuburg-Schrobenhausen sowie die kreisfreie Großstadt Ingolstadt. Damit umfasst er ein Gebiet von rund 2848 km2 und Stand 30.12.2021 499.925 Einwohner [11] – davon Stadt Ingolstadt 138.016 Einwohner (27,61 %), Landkreis Eichstätt 133.634 Einwohner (26,73 %), Landkreis Pfaffenhofen 129.772 Einwohner (25,96 %), Landkreis Neuburg-Schrobenhausen 98.503 Einwohner (19,70 %). Im Einzugsgebiet liegen 332 Freiwillige Feuerwehren, drei Betriebsfeuerwehren, zehn Werkfeuerwehren und eine Berufsfeuerwehr. Der Rettungsdienst umfasst 16 First Responder, 17 Rettungswachen und Stellplätze, 37 Rettungs- und Krankenwagen in der öffentlich-rechtlichen Vorhaltung sowie Spitzenabdeckung, 9 Notarztstandorte und den Rettungshubschrauber Christoph 32 [12]. Träger der ILS Ingolstadt ist der ZRF Region Ingolstadt [11]. Für den Rettungsdienst tätigte die ILS Ingolstadt im Jahr 2020 85.900 Alarmierungen [13].
Das Pilotprojekt zur Nutzung von Dreiwortadressen im RDB fand im Zeitraum vom 01.05.2021 bis zum 30.11.2021 statt. Vor Start des Projekts wurde durch den ZRF gemeinsam mit dem Bayerischen Roten Kreuz (BRK) ein „Indikationskatalog“ entworfen, welcher mögliche Szenarien zur Anwendung der Dreiwortadresse als alternatives Lokalisierungssystem und auch ungeeignete Szenarien, in welchen eine Anwendung nicht zweckmäßig ist, aufzeigt. Der „Indikationskatalog“ wurde sowohl den Mitarbeitenden der Leitstelle als auch den Besatzungen der Rettungsmittel zur Verfügung gestellt. Auf Grundlage dieses Indikationskatalogs, aber immer im eigenen Ermessen auf Grundlage des konkreten Einsatzes entschieden die Mitarbeitenden über eine Nutzung der Dreiwortadresse. Um die spätere Auswertung der Einsätze im Rahmen der vorliegenden Studie zu ermöglichen, wurden die Mitarbeitenden der ILS durch eine Verfahrensbeschreibung angewiesen, jeden Einsatz mit Nutzung von Dreiwortadressen über einen feststehenden Textbaustein im Einsatzleitsystem als einen solchen zu dokumentieren. Somit waren diese Einsätze im Nachgang wieder auffindbar.

Datenquelle und Stichprobe

Mit Ende des Projektzeitraums wurden zunächst alle Einsätze, bei denen Dreiwortadressen genutzt wurden, über den genannten Textbaustein gefunden und aus dem Einsatzleitsystem der ILS Ingolstadt exportiert. Neben diesem Export wurden die Gesamtheit aller Rettungsdiensteinsätze der Jahre 2017 bis 2020 sowie sämtliche Rettungsdiensteinsätze im Projektzeitraum extrahiert. Anschließend wurden die exportierten Daten aufbereitet: Da das Einsatzleitsystem im Export für jede protokollierte Rückmeldung der alarmierten Kräfte einen neuen Eintrag zur selben Dreiwortadresse anlegte, entstanden sehr viele Duplikate, die entfernt werden mussten, was in einer Reduktion der initialen Einsatzanzahl um das ca. Zehnfache resultierte, s. Abb. 2. Da zum Projektbeginn keine Erfahrungswerte hinsichtlich möglicher Einsatzstellen vorlagen, erfolgte die Klassifizierung der Einsatzorte in einem explorativen und iterativen Verfahren. Zur Initialisierung dieses iterativen Prozesses wurden zwei Merkmale unterschieden: eine Einteilung der Einsatzstelle in innerorts und außerorts sowie eine erste Zuordnung in zu erwartende Klassen von Einsatzstellen (z. B. „Park“, „Straße“ oder „Wald“). Die Einsatzstellen wurden mit der ersten Iteration in diese Klassen eingeordnet. Mit zunehmender Anzahl an untersuchten und klassifizierten Einsatzstellen im Rahmen der ersten Iteration wuchs der Erfahrungswert und die ursprüngliche Definition der Klassen konnte verbessert werden. In der daraus resultierenden zweiten Iteration wurde eine erneute Definition der Klassen vorgenommen, d. h. die Auswahl möglicher Klassen angepasst (erweitert und reduziert), ggf. Unterklassen gebildet oder bestehende Klassen umbenannt oder präziser definiert. Anschließend wurde die Einordnung der Einsatzstellen in die neuen Klassen und Unterklassen erneut vorgenommen, bis mit zunehmender Anzahl untersuchter Einsatzstellen erneut eine veränderte Definition der Klassen sinnvoll erschien und damit eine weitere Iteration begann. Dieser Prozess lief so lange, bis die verwendeten Klassen weder zu allgemein (sehr wenige Klassen) noch zu präzise gefasst waren (sehr viele Klassen). Im ersten Fall wäre der gewonnene Informationsgehalt zu gering (z. B. „Grünfläche“), im zweiten Fall zu hoch (etwa „Reihenhaus“, „Mehrfamilienhaus“ & „Bauernhof“ statt „einzelnes Objekt“), was aufgrund der dann großen Zahl an Klassen eine quantitative Auswertung erschwert hätte. Die Darstellung der Klassen befindet sich in Tab. 1. Die beschriebene Einordnung der Einsatzstellen in Klassen erfolgte manuell und nicht computergestützt: Es wurde hierzu die Dreiwortadresse in die Suchmaske auf what3words.com eingegeben und anhand der eingeblendeten Satellitenbilder der Anruferstandort in die Klassen eingeordnet. Dabei wurde unterstellt, dass der Anruferstandort auch gleichzeitig der Einsatzstelle entspricht. Um die Einsatzstellen eindeutig zuordnen zu können, wurden im Rahmen des iterativen Prozesses jeweils qualitative Kriterien und Beschreibungen für die Klassen verfasst und, sofern erforderlich, voneinander abgrenzt. Die Entscheidung, ob eine Einsatzstelle als innerhalb oder außerhalb einer geschlossenen Ortschaft eingeteilt wurde, richtete sich nach der Definition von „geschlossenen Ortschaften“ im Sinne der Straßenverkehrsordnung [14]. Sollte eine Zuordnung aufgrund eines unklaren Satellitenbilds nicht direkt möglich bzw. uneindeutig sein, konnte zusätzlich der zugehörige Alarmierungstext betrachtet werden, da dieser häufig eine durch den Anrufer mitgeteilte Beschreibung seines Standorts enthielt (z. B. „unter Eisenbahnbrücke“). Von der Untersuchung grundsätzlich ausgeschlossen wurden sechs Einsätze, bei denen die Dreiwortadresse offensichtlich fehlerhaft war, d. h., es entweder keinen Treffer gab oder dieser weit außerhalb des RDB lag, etwa in einem anderen Bundesland, und die Postleitzahl des Einsatzorts ebenfalls nicht zur Dreiwortadresse passte. Diese Datensätze wurden aus der zu untersuchenden Stichprobe eliminiert. Es lagen für die Studie somit 201 Datensätze vor.
Tab. 1
Definierte Klassen und zugehörige qualitative Kriterien
Klasse
Unterklasse
Beschreibung
Straße
Autobahn
Als Autobahn gekennzeichnete Straße
Bundesstraße
Als Bundesstraße gekennzeichnete Straße
Landstraße
Ortsverbindende Straße, überwiegend außerhalb geschlossener Ortschaften. Umfasst Staatsstraßen
Wirtschaftsweg
Von Kfz befahrbarer Weg, der überwiegend land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken dient und befestigt oder unbefestigt ist (z. B. Feld- oder Waldweg)
Befestigte Straße
Befestigte, gewöhnliche Straße zur Erschließung innerorts
Weitläufiges Gelände
Park
Gestaltete, größere Grünfläche
Parkplatz
Größeres Flurstück zum Parken von Kfz
Platz
Öffentlicher Platz, z. B. Marktplatz
Werkgelände
Firmengelände, Tagebau oder industrielle Anlage
Campingplatz
Platz mit Stellplätzen für Wohnmobile und Zelte
Baustelle
Flurstück, auf dem ein Bauwerk errichtet, umgebaut oder abgerissen wird
Sportanlage
Für Sportausübung errichtete Anlage im Freien, etwa Fußballplatz, Skateanlage, BMX-Strecke
Wohnanlage
Flurstück, auf dem die Wohngebäude nur durch Fußwege direkt erschlossen sind
Wald
Bewaldetes Flurstück
Feld
Flurstück zur landwirtschaftlichen Nutzung
Sonstiges
Sonstige Gelände, die nicht unter die o. g. Definitionen fallen
Einzelnes Objekt
Einzelne bauliche Anlage, z. B. Stall, Wohngebäude, Kfz-Werkstatt
Rad- oder Fußweg
Befestigter oder unbefestigter Weg, der im Regelfall nur durch Radfahrer oder Fußgänger zu nutzen ist und nicht gleichzeitig auch ein Wirtschaftsweg ist

Statistische Methoden

Die statistische Auswertung der Daten erfolgte mittels Microsoft Excel. Die Liste der Dreiwortadressen mit den ihnen zugeordneten Klassen wurde in mehreren Pivot-Tabellen zusammengefasst. Damit konnte untersucht werden, wie die Einsatzorte prozentual und in absoluten Werten auf die verschiedenen Klassen verteilt sind. Die Art der Einsatzstelle wurde mittels Fisher-Test auf die Abhängigkeit zur Lage überprüft. Mittels Chi2-Test wurde die Verteilung der Einsatzstellen zwischen den definierten Gruppen „außerorts“ und „innerorts“ überprüft. Die Einsatzstelle „Straße“ wurde mittels Test auf Binomialverteilung in Bezug auf die Grundgesamtheit aller Rettungsdiensteinsätze in Bayern geprüft. Hierfür wurden IBM SPSS Statistics 26 (IBM, Armonk, NY, USA) und R‑4.0.3/RStudio1.3 (RStudio, PBC, Boston, MA, USA) verwendet.

Ethische Aspekte

Die Studie enthält keine Versuche an Menschen oder Tieren.
Die verwendeten Daten wurden für diese Studie aus dem Einsatzleitsystem der ILS Region Ingolstadt extrahiert. Es wurden keine personenbezogenen Daten verwendet. Die Freigabe zur Verwendung erfolgte durch den ZRF Region Ingolstadt.

Ergebnisdarstellung

Unsere Auswertung zur Nutzung von Dreiwortadressen zeigt, dass diese im Studienzeitraum in 201 Einsätzen angewandt wurden. Dies entspricht einem arithmetischen Mittel von 0,94 Einsätzen pro Tag. Unter der Annahme, dass bei den sechs fehlerhaften Dreiwortadressen offensichtlich trotzdem eine Nutzung des Systems beabsichtigt war, beträgt die Anwendungsquote mit dann 207 Einsätzen 0,97 Einsätze/Tag. Im Untersuchungszeitraum wurde durch die ILS Ingolstadt zu 43.143 Rettungsdiensteinsätzen alarmiert. Damit wurden Dreiwortadressen in 0,48 % aller Einsätze des Rettungsdiensts im gleichen Zeitraum genutzt.
Die Untersuchung zeigt, dass die untersuchten Einsätze mit 97 Einsatzstellen (48 %) außerhalb geschlossener Ortschaften und 104 Einsatzstellen (52 %) innerhalb geschlossener Ortschaften für dieses Merkmal in etwa gleich verteilt sind, siehe Abb. 3. Während außerhalb geschlossener Ortschaften die meisten Einsatzstellen auf Straßen liegen (69 %), gilt dies innerhalb geschlossener Ortschaften für weitläufiges Gelände (43 %). Außerorts folgen am zweithäufigsten Einsätze auf weitläufigen Geländen (21 %) und in/an einzelnen Objekten (6 %) sowie auf Rad- oder Fußwegen (4 %). Innerorts sind Einsätze auf Straßen am zweithäufigsten (35 %), gefolgt von einzelnen Objekten (12 %) und Rad- oder Fußwegen (11 %), siehe Tab. 2 und Abb. 4. Der Chi2-Test zeigte, dass die Verteilungen der Einsatzstellen zwischen den beiden Gruppen „außerorts“ und „innerorts“ signifikant unterschiedlich sind (p = < 0,001). Im Rettungsdienstbericht Bayern wird beschrieben, dass 12,4 % der Notfalleinsätze als Einsatzstelle „Straße“ aufweisen [13]. Basierend auf diesem Testanteil von 0,124 zeigte sich sowohl bei den Einsätzen innerorts (36 von 104 Einsätzen; p = < 0,001) als auch bei den Einsätzen außerorts (67 von 97 Einsätzen; p = < 0,001) signifikant häufiger die Einsatzstelle „Straße“.
Tab. 2
Lage der Einsatzstelle innerorts/außerorts
 
Außerorts
Innerorts
Gesamt
Art der Einsatzstelle
Relativ in %
Absolut
Relativ in %
Absolut
Relativ in %
Absolut
Straße
 69,1
67
 34,6
 36
 51,2
103
Weitläufiges Gelände
 20,6
20
 43,3
 45
 32,3
 65
Einzelnes Objekt
  6,2
 6
 11,5
 12
  9
 18
Rad- oder Fußweg
  4,1
 4
 10,6
 11
  7,5
 15
Summe
100
97
100
104
100
201
48,3%
51,7%
100%
Eine genauere Unterteilung der Klassen wurde nur für die beiden größten Klassen „Straße“ und „weitläufiges Gelände“ vorgenommen, da die Klassen sich andernfalls zu fein aufgliedern würden und eine Auswertung aufgrund der geringen Fallzahlen unmöglich machen würden. Innerhalb der Klasse „Straße“ zeigt sich, dass innerorts Autobahnen (0 %), Bundesstraßen (6 %) und Landstraßen (3 %) sowie Wirtschaftswege (8 %) nur eine untergeordnete Rolle spielen und befestigte Straßen den Regelfall (83 %) darstellen. Außerorts zeigt sich das genau umgekehrte Bild, befestigte Straßen (0 %) sind nicht zu beobachten, hingegen Landstraßen am häufigsten (43 %), Wirtschaftswege am zweithäufigsten (40 %), gefolgt von Bundesstraßen (9 %) und Autobahnen (8 %), siehe Tab. 3. In der Klasse „weitläufiges Gelände“ sind die Einsatzstellen relativ homogen verteilt und innerorts und außerorts in vielen Fällen ähnlich. Wesentliche Unterschiede zeigen sich in der Klasse „Park“ (außerorts 0 %, innerorts 20 %) und „Sportanlage“ (außerorts 5 %, innerorts 20 %). Einsatzstellen im Wald oder auf Feldern gab es nur außerorts (20 % und 15 %), s. Tab. 4.
Tab. 3
Verteilung der Einsätze innerhalb der Klasse „Straße“
 
Außerorts
Innerorts
Gesamt
Straßentyp
Relativ in %
Absolut
Relativ in %
Absolut
Relativ in %
Absolut
Landstraße
 43
29
  3
 1
 29
 30
Befestigte Straße
  0
 0
 83
30
 29
 30
Wirtschaftsweg
 40
27
  8
 3
 29
 30
Bundesstraße
  9
 6
  6
 2
  8
  8
Autobahn
  8
 5
  0
 0
  5
  5
Summe
100
67
100
36
100
103
Tab. 4
Verteilung der Einsätze innerhalb der Klasse „weitläufiges Gelände“
 
Außerorts
Innerorts
Gesamt
Art
Relativ in %
Absolut
Relativ in %
Absolut
Relativ in %
Absolut
Sportanlage
  5
 1
 20
 9
 15,38
10
Park
  0
 0
 20
 9
 13,85
 9
Werkgelände
 15
 3
 13,33
 6
 13,85
 9
Sonstiges
 10
 2
 13,33
 6
 12,31
 8
Parkplatz
 10
 2
 11,11
 5
 10,77
 7
Baustelle
 10
 2
 11,11
 5
 10,77
 7
Wald
 20
 4
  0
 0
  6,15
 4
Wohnanlage
  5
 1
  2,22
 1
  3,08
 2
Platz
  0
 0
  6,67
 3
  4,62
 3
Feld
 15
 3
  0 %
 0
  4,62
 3
Campingplatz
 10
 2
  2,22
 1
  4,62
 3
Summe
100
20
100
45
100
65

Diskussion

Unsere Studie zeigt, dass sich die Nutzung von Dreiwortadressen innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften unterscheidet: Während innerhalb geschlossener Ortschaften die häufigste Nutzung in „weitläufigem Gelände“ dokumentiert wurde, war dies außerhalb geschlossener Ortschaften auf Straßen.
Dieses Ergebnis erscheint plausibel, da die Gemeinden in Bayern gemäß Art. 56 Abs. 2 Gemeindeordnung für den ordnungsgemäßen Gang der Geschäfte in der Gemeinde sorgen müssen. Darunter fällt auch, dass für eine rasche und zuverlässige Orientierung im Gemeindegebiet gesorgt ist [15]. Straßennamen, Straßennamensschilder und Hausnummern tragen wesentlich zur Orientierung in der Gemeinde bei und Einsatzkräfte können damit Einsatzstellen im Regelfall gut lokalisieren. Außerhalb des Gemeindegebiets entfällt diese Möglichkeit für die Einsatzkräfte meistens. Das Dreiwortadresssystem wurde ursprünglich auch zur Verwendung bei ungenauen oder fehlenden Adressen entwickelt [16, 17]. Im städtischen Bereich gibt es aus diesem Grund zahlreiche Anwendungsbeispiele für Dreiwortadressen trotz der Existenz von Straßennamen und Hausnummern. Als Beispiel hierfür können Parkanlagen, Festivalgelände, Hinterhöfe oder besonders komplizierte Zugangswege bei großen Gebäudekomplexen genannt werden. Möglicherweise ist die Notwendigkeit zur innerörtlichen Verwendung von Dreiwortadressen in anderen Staaten mit weniger strengen Vorgaben zur Beschilderung allerdings noch größer.
Auffällig ist, dass trotz dieser hierzulande bestehenden Orientierungsmöglichkeit die Kategorie „Straße“ innerorts dennoch den zweithäufigsten Anwendungsfall darstellt. Die fallspezifische Auswertung dieser Einsatzstellen zeigt, dass diese häufig in Kreuzungsbereichen, an Bushaltestellen oder an anderen Stellen liegen, die nicht unmittelbar in Sichtweite von Hausnummern und Straßenbeschilderung zur Orientierung liegen.
Beachtlich ist für die Anwendungsfälle außerorts der hohe Anteil von Einsatzstellen auf Straßen und dabei insbesondere solcher auf Autobahnen, Bundes- und Staatsstraßen. Mit Stationszeichen, die in Bayern im Abstand von 500 m am rechten Fahrbahnrand von Bundesfern- und Staatsstraßen in der Verwaltung des Freistaats Bayern stehen [18], und weiteren Kilometrierungen anderer Baulastträger bestehen hier schon Lokalisierungssysteme. Nach Meinung der Autoren ist die häufige Anwendung von Dreiwortadressen an diesen Orten daher ein Hinweis darauf, dass die bestehenden Systeme entweder zur Nutzung in Notfällen nicht ausreichen oder Dreiwortadressen zumindest eine hilfreiche Ergänzung oder Vereinfachung zur Lokalisierung solcher Einsatzstellen darstellen können. Die Einführung eines solchen Systems könnte die Kenntnis und Nutzung der Vielzahl an Systemen wie Straßen‑, Fluss- und Schienenkilometrierung im Einsatzfall erübrigen.
Im Rettungsdienstbericht Bayern 2021 wird beschrieben, dass bei 62,2 % der Notfallpatienten der Einsatzort in einer Wohnung lag [13]. Ebenfalls häufig waren die Einsatzorte „Straße“ (12,4 %) sowie „öffentlicher Raum“ (7,0 %) und „Altenheim“ (7,1 %; [13]). Wenn man voraussetzt, dass jede Wohnung und jedes Altenheim über eine postalische Adresse verfügt, so wird ersichtlich, dass die Nutzungsnotwendigkeit für eine Dreiwortadresse bei den überwiegenden Fällen des Rettungsdiensts nicht gegeben ist und dieser Umstand möglicherweise einen Einfluss auf die Akzeptanz der Dreiwortadresse haben könnte. Jedoch zeigen diese Werte der Einsatzstellen auch, dass bei insgesamt 19,4 % – also nahezu bei jedem fünften Einsatz – ein Dreiwortsystem möglicherweise eine Verbesserung des Einsatzablaufs herbeiführen könnte und damit die Akzeptanz gesteigert werden könnte.
Einen weiteren Einfluss auf die Akzeptanz hat sicherlich die generelle Popularität eines solchen Systems. Ein Indikator für den Bekanntheitsgrad können Downloadzahlen aus den App-Stores der beiden großen Betriebssysteme Apple und Android sein. Das System what3words weist Stand 11/2022 im Google Play Store Android 10+ Millionen Downloads aus [19] und befindet sich bei Apple auf Platz 17 in der App-Kategorie „Navigation“ [20]. Außerdem wird what3words in Deutschland sowohl von Daimler (Adresseingabe im Navigationssystem über die Dreiwortadresse) als auch von der Deutschen Bahn verwendet [21]. Aufgrund dieser Verwendungen sowie der medialen Präsenz führten die Autoren die vorliegende Studie unter Verwendung des Dreiwortsystems von what3words durch. Möglicherweise würden die Akzeptanz und damit auch die Inanspruchnahme bei Verwendung eines anderen Lokalisierungssystems differieren. Auch die Bereitschaft zur Verwendung von Dreiwortadressen im Rettungsdienst wird sicherlich vom Bekanntheitsgrad beeinflusst werden. Ferner wird das Vorhandensein anderer Standortübertragungsmöglichkeiten Einfluss auf die Inanspruchnahme eines Dreiwortsystems haben. Die Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation vom 11. Dezember 2018 schreibt vor, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union ab Dezember 2020 den Standort von Mobiltelefonen nutzen müssen, um Anrufer, die den Notruf wählen, lokalisieren zu können [3]. Durch diesen europäischen Standard muss die Sinnhaftigkeit eines Systems der Dreiwortadressen für die Rettungsleitstellen diskutiert werden. Bei dieser Diskussion muss Beachtung finden, dass z. B. AML-Daten immer den Standort des Anrufers der Rettungsleitstelle übermitteln. Differiert der Einsatzort vom aktuellen Standort des Anrufers (z. B. Notruf während der Fahrt auf der Autobahn, Lage „auf Sicht“ bei Feuerschein oder Rauchentwicklung in der Ferne, Notruf für einen entfernt befindlichen Angehörigen etc.), sind diese Standortinformationen für das Auffinden der Einsatzstelle nicht relevant. Bei solchen Notrufen muss die Einsatzstelle durch den Anrufer beschrieben und diese Beschreibung durch die Rettungsleitstelle den Einsatzkräften weiterkommuniziert werden.
Die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer schnellen Intervention vor allem bei Tracerdiagnosen wurde bereits in zahlreichen Studien und Richtlinien beschrieben [2224]. Fischer et al. stellten im „Eckpunktepapier 2016“ dar, dass die Prähospitalzeit vom Anruf in der Leitstelle bis zum Eintreffen des Patienten im Krankenhaus so kurz wie möglich sein sollte [25]. In unsere Studie flossen sämtliche Einsatzgründe ein und es erfolgte keine Unterscheidung nach zeitlich dringenden Einsätzen wie zum Beispiel Tracerdiagnosen und Notfalleinsätzen mit niedrigerer Priorität, da sich unsere Studie rein auf die Örtlichkeit der Verwendung konzentrierte. Zur Beschreibung des Effekts der Anwendung von Dreiwortadressen auf bestimmte Einsatzgründe sind weitere Studien erforderlich.
George A. Miller beschrieb im Jahr 1956, dass sich ein Mensch 7 ± 2 Dinge merken kann [26]. Bei der in einer großen bayerischen ILS durchgeführten Studie wurde dargestellt, dass in einer ILS die Mitarbeitenden mit 17,2 Informationen pro Minute belastet werden [27]. Für das Arbeitsgedächtnis wird jedoch eine Kapazitätsgrenze von vier Einheiten angenommen und dadurch ist im Bereich der mental-informatorischen Anforderungen der Leitstellenarbeit von einer sehr hohen Belastung der Disponenten auszugehen [27, 28]. Basierend auf diesem Forschungswissen sollten die Betreiber der ILS nach Meinung der Autoren alle Möglichkeiten nutzen, um die an die Mitarbeitenden gerichteten Informationen so einfach wie möglich zu halten. Komplexe GPS-Daten sind ohne Zweifel schwieriger zu übermitteln und zu verarbeiten als einfach zu kommunizierende Dreiwortadressen. Somit muss auch aus arbeitsmedizinischer Perspektive der Einsatz von Dreiwortadressen in der ILS-Kommunikation diskutiert werden. Die Autoren vertreten die Auffassung, dass mit diesen Erkenntnissen eine technische Vernetzung mit automatisierter Weitergabe der GPS- bzw. AML-Daten an die Einsatzkräfte ohne zusätzlichen separaten Informationsfluss durch die Disponenten zu bevorzugen ist, jedoch in einer ILS Alternativkonzepte vorgehalten werden müssen, sollte diese technische Vernetzung nicht möglich oder gestört sein.

Limitationen

Im Rahmen des Pilotprojekts im Rettungsdienstbereich Ingolstadt wurde den Mitarbeitenden freigestellt, Dreiwortadressen zu verwenden. Die Dokumentation erfolgte manuell über einen festgelegten Textbaustein im Einsatzleitsystem. Hierbei muss zusätzlich Beachtung finden, dass in Leitstellen bei hoher Arbeitsbelastung punktuell in Einzelfällen möglicherweise die Dokumentation eine untergeordnete Rolle spielt. Aufgrund dieser Limitationen muss davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Fallzahl an benutzten Dreiwortadressen etwas höher als dokumentiert war. Dieser Umstand kann zu einer Verzerrung unserer Ergebnisse führen.
Die Dreiwortadressen wurden zudem über den Web-Browser der auf den ausrückenden Rettungsmitteln vorhandenen NIDApads aufgerufen. Da diese Zugriffsmöglichkeit im Gegensatz zu den iOS- und Android-Apps keine Offline-Funktionalität umfasst, kam es bei mangelhafter Mobilfunkabdeckung vereinzelt zu Ausfällen während der Nutzung. Unter diesen erschwerenden Umständen litten die Akzeptanz und Nutzungshäufigkeit des Dreiwortadressensystems.
Unsere Studie ist eine retrospektive quantitative Datenauswertung, die keine Aussagen über qualitative Inhalte erlaubt. Aus unseren Ergebnissen können keine Rückschlüsse gezogen werden, ob der medizinische Nutzen durch den Einsatz von Dreiwortadressen gesteigert werden kann. Wir haben nicht beurteilt, ob bei den analysierten Einsätzen der zeitliche Faktor für das Outcome der Patienten relevant war. Hierzu sind weitere Studien notwendig.
Die Übertragbarkeit auf andere Leitstellen ist möglicherweise eingeschränkt, da bei einem unterschiedlichen Setting der Leitstellensoftware ggf. andere technische Optionen bestehen, die eine Nutzung von Dreiwortadressen differieren lassen oder eine Implementierung unmöglich machen. Ferner kann im internationalen Raum die Übertragbarkeit auf andere Leitstellen möglicherweise dadurch eingeschränkt werden, dass diese Bereiche eine gänzlich andere Siedlungsstruktur haben. Die vorliegende Studie beschreibt aufgrund des Studiensettings ausschließlich Einsätze des Rettungsdiensts. Aus diesem Grund kann keine Aussage über die Anwendbarkeit bei anderen Organisationsstrukturen der Gefahrenabwehr (z. B. Polizei, Bergrettung etc.) getroffen werden.

Schlussfolgerung

Unsere Studie zeigte, dass die Dreiwortadresse in der Einsatzkommunikation des Rettungsdiensts an bestimmten Einsatzstellen häufiger Verwendung findet. Die Tatsache, dass innerhalb des siebenmonatigen Pilotprojekts die Mitarbeitenden in der Leitstelle in 207 Fällen (inkl. fehlerhafter Anwendungen) die Dreiwortadresse freiwillig benutzt haben, zeigt den Bedarf eines einfach zu bedienenden und zu kommunizierenden Standortübertragungssystems. Zudem findet ca. ein Fünftel aller Rettungsdiensteinsätze an Orten ohne eigene Adresse statt, dies führt im Pilotprojekt zu 8370 potenziellen Anwendungsfällen, bei denen Dreiwortadressen die Lokalisierung des Einsatzorts vereinfachen könnten. Die dadurch bedingte Reduktion des Arbeitspensums von Leitstellenmitarbeitenden zusammen mit der Menge an potenziellen Anwendungsfällen sowie die Chance, die Eintreffzeit von Rettungsmitteln beim Patienten zu verkürzen, zeigen nach Einschätzung der Autoren, dass von derartigen Werkzeugen bisher noch ungenutztes Potenzial für den Rettungsdienstbereich vorliegt.
Selbstverständlich werden bewährte und vorhandene Standortübertragungssysteme wie GPS und AML durch die Dreiwortadressen nicht obsolet, jedoch können Letztere in manchen Situationen eine wertvolle Ergänzung im Werkzeugkasten der Leitstellendisponentin bzw. des Leitstellendisponenten und der Einsatzkräfte sein.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

M. Vogler, P. Priesmeier, R. Kimmel, M. Lazarovici und F. Dax geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Glossar
AML
Advanced Mobile Location
AVBayRDG
Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes
BRK
Bayerisches Rotes Kreuz
GPS
Global Positioning System
HTTPS
Hypertext Transfer Protocol Secure
ILS
Integrierte Leitstelle (Rettungsleitstelle für Feuerwehr und Rettungsdienst)
iOS
Apple-Betriebssystem, u. a. für das iPhone
RDB
Rettungsdienstbereich
SMS
Short Message System
UTM
Universal Transverse Mercator (Koordinatensystem)
w3w
What3words (Dreiwort-Koordinatensystem)
ZRF
Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung
NIDApad
Notfall-Informations- und Dokumentations-Assistent (spezielles Tablet für die besonderen Anforderungen im Rettungsdienst)
Literatur
1.
Zurück zum Zitat (2010) Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes: AVBayRDG (2010) Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes: AVBayRDG
6.
Zurück zum Zitat (2008) Bayerisches Rettungsdienstgesetz (BayRDG) vom 22. Juli 2008 (GVBl. S. 429, BayRS 215-5-1-I), das zuletzt durch § 1 Abs. 167 der Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98) geändert worden ist (2008) Bayerisches Rettungsdienstgesetz (BayRDG) vom 22. Juli 2008 (GVBl. S. 429, BayRS 215-5-1-I), das zuletzt durch § 1 Abs. 167 der Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98) geändert worden ist
7.
Zurück zum Zitat Empfehlung 02/2017 vom 27. März 2017 des Rettungsdienstausschuss Bayern (2017) Strukturierte Notrufabfrage: Entwicklung einer einheitlichen Schulungsunterlage zur strukturierten Abfrage eines medizinischen Notrufs in den ILS Bayern, München Empfehlung 02/2017 vom 27. März 2017 des Rettungsdienstausschuss Bayern (2017) Strukturierte Notrufabfrage: Entwicklung einer einheitlichen Schulungsunterlage zur strukturierten Abfrage eines medizinischen Notrufs in den ILS Bayern, München
8.
Zurück zum Zitat (2016) Alarmierung im Rettungsdienst, Brand- und Katastrophenschutz in Bayern: ABek (2016) Alarmierung im Rettungsdienst, Brand- und Katastrophenschutz in Bayern: ABek
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Zurück zum Zitat Schwarz C, Sirtl A (2007) Integrierte Leitstellen – der bayerische Weg: Ein Quantensprung für die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr. Brandschutz Feuerwehr Ztg 9(2007):629–639 Schwarz C, Sirtl A (2007) Integrierte Leitstellen – der bayerische Weg: Ein Quantensprung für die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr. Brandschutz Feuerwehr Ztg 9(2007):629–639
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Zurück zum Zitat Herbig B, Müller A (2016) Hohe Belastungen in einer integrierten Rettungsleitstelle. Neurotransmitter 27:12–17CrossRef Herbig B, Müller A (2016) Hohe Belastungen in einer integrierten Rettungsleitstelle. Neurotransmitter 27:12–17CrossRef
Metadaten
Titel
Dreiwortadressen als neues Lokalisierungssystem im Rettungsdienst
Eine empirische Untersuchung in einem bayerischen Rettungsdienstbereich
verfasst von
Martin Vogler
Peter Priesmeier
Rainer Kimmel
Marc Lazarovici
Florian Dax
Publikationsdatum
18.08.2023
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Notfall + Rettungsmedizin
Print ISSN: 1434-6222
Elektronische ISSN: 1436-0578
DOI
https://doi.org/10.1007/s10049-023-01187-0