Die Erfahrungen der vergangenen drei Jahre zeigen, wie groß die physischen und psychischen Herausforderungen waren, denen sich professionell Pflegende allgemein und ganz besonders in Langzeitpflegeeinrichtungen unter dem Einfluss der Pandemie stellen mussten und auch noch immer müssen. Verstärkte Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen einzuhalten, die Angst, sich selbst und Bewohnerinnen und Bewohner anzustecken, für erkrankte Kolleginnen und Kollegen einzuspringen und deutlich mehr Zeit für die psychosoziale Versorgung von pflegebedürftigen Menschen aufzuwenden, um Ängste zu nehmen und Trauer zu überwinden, ist nur ein Teil dessen, was professionelle Pflege heute leistet [1].
Hoher Pflegebedarf trifft auf wenig Personal
Bewohnerinnen und Bewohner von Langzeitpflegeeinrichtungen haben bereits oft ein hohes Alter erreicht und leiden an Vorerkrankungen [2]. Ihre Pflegebedürftigkeit ist entsprechend hoch, was die Pflege aufwendiger und zeitintensiver macht [3]. Zeit, die unter anderem aufgrund des Fachkräftemangels häufig fehlt. Prognosen zufolge könnten laut dem Institut der deutschen Wirtschaft in Deutschland bis zum Jahr 2035 rund 307.000 Pflegekräfte in der stationären Versorgung fehlen [4]. Zudem müssen immer wieder Kolleginnen und Kollegen vertreten werden, die selbst an COVID-19 erkrankt sind. Die Arbeitsunfähigkeitsquoten für Pflegekräfte in Pflegeeinrichtungen waren in den beiden ersten Wellen der Pandemie etwa fünfmal so hoch wie bei sonstigen Beschäftigten in anderen Wirtschaftszweigen [5]. Die Folgen: Das Pflegepersonal ist überlastet und frustriert.
In Langzeitpflegeeinrichtungen wird gelebt
COVID-19 erfordert außerdem besondere Vorsicht und Achtsamkeit im Umgang mit Bewohnenden von Langzeitpflegeeinrichtungen, denn diese haben aufgrund ihres Alters und der oft vorherrschenden Multimorbidität ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf [2,6,7]. Langzeitpflegeeinrichtungen haben darüber hinaus ein besonderes Setting: Sie sind nicht nur Orte mit pflegerischer Betreuung, sondern gleichzeitig auch Lebensmittelpunkte der Bewohnenden, in denen in der Regel alle relevanten Lebensbereiche und Aktivitäten stattfinden (Wohnen, Essen, sozialer Austausch usw.) [2]. Diese Faktoren erschweren die Umsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen. Insbesondere wenn Bewohnerinnen und Bewohner kognitiv eingeschränkt sind und Situationen nicht mehr adäquat erfassen können, benötigen sie zunehmend Unterstützung und vermehrte Zuwendung durch das Pflegepersonal [2,3].
Umgang mit Sterben und Tod
Psychische Herausforderungen bringt für Pflegende auch der Umgang mit Sterbenden und deren Angehörigen mit sich. Bezogen auf die Jahre 2020 und 2021 liegt der kumulierte Anteil der Heimbewohnenden an den mit COVID-19 Gestorbenen bei 45 Prozent, der Anteil aller Pflegebedürftigen bei 75 Prozent [5]. Obwohl sie zum Alltag von professionell Pflegenden in Langzeitpflegeeinrichtungen gehören, so sind Sterben und Tod doch nicht alltäglich, sondern immer etwas Besonderes und jede Pflegefachkraft muss ihren Weg finden, damit umzugehen [8]. Beruflich Pflegende wünschen sich auch deshalb laut einer Studie zur Arbeitsplatzsituation in der Akut- und Langzeitpflege insgesamt mehr Unterstützung beim Umgang mit psychischen Belastungen [9].
Krisenkonzepte helfen
Krisenkonzepte für Notfallsituationen, die auch in Langzeitpflegeeinrichtungen seit Juli 2022 vorgehalten werden müssen, setzen Maßstäbe zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität und helfen dabei, den Pflegeprozess bestmöglich zu steuern, z.B. wenn eine Bewohnerin oder ein Bewohner an COVID-19 erkrankt [10].
Fazit: Die Herausforderungen für das Pflegepersonal in Langzeitpflegeeinrichtungen ergeben sich vor allem durch die Arbeitsbedingungen (Mangel an Personal grundsätzlich und mit entsprechenden Qualifikationen, arbeitsbedingte Belastungen), durch die Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner (medizinisch und psychosozial) sowie durch strukturelle und einrichtungsspezifische Faktoren [2]. Pflegende wünschen sich neben einer angemessenen Vergütung und Arbeitsentlastung durch eine entsprechende Personalausstattung in den Einrichtungen mehr Wertschätzung und Anerkennung für ihre Arbeit [11]. Ihnen ist wichtig, dass ihr Beruf in der öffentlichen Wahrnehmung attraktiver wird, sich weiter professionalisiert und betrachten Digitalisierung als Chance für alle pflegerischen Bereiche [9]. Übrigens: Über eine Rückkehr in den Pflegeberuf denken einer Studie zufolge gut 60 Prozent der ausgestiegenen Pflegekräfte mindestens einmal im Monat nach [12]. Pflege ist eben mehr als ein Beruf – Pflege ist Berufung!
Autorin: Birke Dikken