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13.09.2021 | Wochenbettpflege | Online-Artikel

Nacktheit, Sexspielzeug, Latexanzüge: Der intime Wochenbettbesuch

verfasst von: Sabine Kroh

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Ein Wochenbettbesuch gibt immer auch Einblick in die Intimsphäre fremder Menschen. Das sind Hebammen gewohnt. Manchmal ist es unserer Kolumnistin Sabine Kroh jedoch zu intim. Sexspielzeug, Latexanzüge und verspiegelte Decken hat sie alles schon gesehen. Doch der nackte Vater war dann doch zu viel.

Sexspielzeug © bombardir / Getty Images / iStockAlles schon gesehen – eine Hebamme auf Wochenbettbesuch kann nur wenig noch aus dem Konzept bringen.

Es ist 8 Uhr morgens und ich stehe noch etwas müde vor der Wohnungstür zum angekündigten Wochenbettbesuch. Die Tür geht auf – und ich denke, ich träume noch: Der junge Vater, der mir die Tür öffnet, ist nackt. Einfach nackt. „Hab‘ dich nicht so“, versuche ich mich selbst zu beruhigen und versuche mir nix anmerken zu lassen.

Das Paar, bei dem ich gerade zum Hausbesuch ankomme, hat in der letzten Nacht mit mir eine sehr schöne Geburt im Geburtshaus erlebt. Der nackte Vater geht in die Küche und ruft: „Willst du auch einen Kaffee?“ Die junge Mutter und das frischgeborene Baby liegen im großen Bett, beide sind nackt. „Gut“, denke ich, „dann ist das halt die Nacktfamilie“. Es gab schon eine Knutschfamilie, eine Kochfamilie, eine Spielfamilie - und jetzt eben eine Nacktfamilie. Es gab auch schon eine Badefamilie, in der der Mann schneller als ich „Stopp!“ sagen konnte in die Gebärbadewanne zu seiner Frau sprang. Natürlich ohne Badehose.

Wieviel Intimität verträgt eine Hebamme?

Intimität, Privatheit und Nacktheit sind Bestandteil unserer Arbeit. Das Schlafzimmer der heilige Ort der Intimität, von Sex und Privatheit, den kaum gute Freunde bei Besuchen betreten, ist für mich Arbeitsraum. Dort begegnen mir Dinge, die ich nicht unbedingt wissen muss und mag, und dennoch stiller Zeuge werde. Sexspielzeuge, Latexanzüge oder verspiegelte Decken über dem Bett lassen auf Vorlieben der Paare deuten.

Nach dem ersten Wochenbettbesuch bei der Nacktfamilie treffe ich eine Kollegin und wir sprechen über die schon sehr ungewöhnlichen Momente der Intimität, die wir erleben und die uns manchmal in Situationen bringen, auf die wir nur mit Herz und Verstand reagieren können und auf die uns niemand vorbereitet. Wir lachen sehr ausgelassen über die Szene mit dem jungen nackten Vater.

Zwei Jahre später bekommt das Paar das nächste Kind. Der Vater begrüßt mich beim ersten Besuch wieder nackt an der Tür. Wir beginnen schallend zu lachen. Diesmal bitte ich ihn jedoch, etwas anzuziehen. Zum Wochenbett-Abschied bekomme ich ein Foto, auf welchem alle vier Familienmitglieder nackt mit dem Rücken zur Kamera am Wickeltisch stehen. Schmunzelnd klebe ich das Bild in mein Album. Intimität ist auch ein Zeichen des Vertrauens zu uns Hebammen. Aber es muss nicht gleich grenzenlos sein?

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Sabine Kroh ist Hebamme in Berlin, Gründerin von call-a-midwife und berichtet in HebammenWissen von ihrem Hebammen-Alltag.

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