Skip to main content

07.06.2023 | News Hebammen | Nachrichten

Hochschulpolitik gemeinsam gestalten!

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Am 15. Mai 2023 schlossen sich 15 Hochschulen mit Studiengängen für Hebammen zum Hebammenwissenschaftlichen Fachbereichstag zusammen. Wir sprachen mit Prof.in Dr. Melita Grieshop von der Evangelischen Hochschule Berlin und Vorsitzenden des neuen Gremiums über die Ziele und Aufgaben.

Frau Prof.in Grieshop, warum ist die Gründung des Hebammenwissenschaftlichen Fachbereichstages (HWFT) gerade jetzt wichtig?

Grieshop: Seit der Einrichtung des ersten ­Studienprogramms für Hebammen in Osnabrück 2008/09 bringen wir an den Hochschulen die Akademisierung des Hebammenberufs gezielt voran. Die Gründung des HWFT ist dabei ein logisch nächster Schritt. In der Hochschullandschaft ist es üblich, dass sich Disziplinen überregional organisieren, um aktuelle Fragen an den Hochschulen gemeinsam zu bearbeiten. Die Gründung des HWFT ist enorm wichtig, um unsere hochschul- und bildungspoli­tischen Anliegen gegenüber politischen Entscheidungsträgern besser zu vertreten. Gerade in der Aufbauphase der Studienstandorte. Denn jetzt werden Finanzierungsfragen, Besetzungen von Professuren und Personalausstattung verhandelt und entschieden sowie rechtliche Fragen beispielsweise zur Ausführung staatlicher Prüfungen auf Länderebene konkretisiert.

Welche Ziele verfolgt der HWFT?

Grieshop: Der HWFT ist ein freiwilliger Verbund von Hochschulen mit hebammenwissenschaftlichen Organisationseinheiten (OE). Dies können Studiengänge, Fachbereiche, Departments oder Institute sein – je nachdem, wie die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) und Universitäten organisiert sind. Der HWFT will Studium und Lehre, Wissenschaft und Forschung sowie den Wissens-Transfer über Fort- und Weiterbildung an den Hochschulen fördern. Wir setzen uns dazu insbesondere für eine zielgenaue Weiterentwicklung und Verbesserung der Rahmenbedingungen an den Hochschulen ein. Durch den Zusammenschluss erhoffen wir uns die Bündelung von Wissen und Ressourcen.

Warum müssen der akademische Hebammenberuf und die hebammenwissenschaftliche Disziplin gestärkt werden?

Grieshop: Ziel der Akademisierung ist die Professionalisierung der Hebammenarbeit. Auf der Grundlage des evidenzbasierten Arbeitens soll eine kontinuierliche Qualitätsverbesserung in der Praxis angestrebt werden. Voraussetzung dafür ist eine enge Verknüpfung von Lehre und Forschung im Studium von Hebammen, damit aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse (externe Evidenz) zeitnah in die Lehre integriert werden können und schließlich über die Absolvent*innen in die praktische Anwendung gelangen.

Welche Herausforderungen sollten auf diesem Weg zuerst angegangen werden?

Grieshop: Problematisch ist, dass die Hebammenwissenschaft noch eine junge Disziplin ist und es in vielen Fragen noch keine oder nur unzureichende Forschungserkenntnisse gibt. Der Wissenskörper der Hebammenarbeit muss also stetig weiterentwickelt werden. Dies geschieht aufgrund internationaler hebammenwissenschaftlicher Forschung, an der inzwischen auch zahlreiche Hebammenwissen­schaftler*innen aus Deutschland beteiligt sind. Zur Disziplinentwicklung gehört aber auch die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, der neben der Praxis dringend für die Zukunft in Lehre, Forschung und Transfer an den Hochschulen benötigt wird. Hierzu brauchen wir an den Hochschulen gute Masterstudiengänge und Promotionsmöglichkeiten in der eigenen Disziplin.

HWFT, DHV, DGHWi & Co – führen zu viele Gremien nicht zu einer Zersplitterung der Interessen?

Grieshop: Der Fachbereichstag hat eine spezifisch hochschulpolitische Ausrichtung und vertritt die Interessen seiner Mitgliedshochschulen. Die DGHWi als fachwissenschaftliche Organisation, der DHV und BfHD als Berufsverbände und der HWFT ergänzen sich sehr gut. Jede Organisation hat ihren eigenen Fokus. Gemeinsam können wir das doch sehr komplexe Feld abdecken, in dem wir unsere spezifischen Verantwortungen und die Vertretung der Interessen unserer Mitglieder sehen.

Wir brauchen bessere Studienbedingungen. Der Zusammenschluss der Hochschulen im HWFT ist daher die logische Konsequenz, denn gemeinsam können wir mehr bewirken.

Was können Ihre Mitglieder denn vom HWFT erwarten?

Grieshop: Unsere Mitglieder, die Hochschulen mit hebammenwissenschaftlichen Studiengängen, erwarten vom HWFT, dass wir uns besonders stark für gute Rahmenbedingungen in Studium, Forschung und Disziplinentwicklung einsetzen. Gleichwohl werden sich dabei immer wieder Schnittstellen zu den Zielen der DGHWi, des DHV und des BFHD ergeben. Gemeinsam eint uns ja der Einsatz für eine qualitativ hochwertige Versorgung der Frauen* und ihrer Familien durch sehr gut qualifizierte Hebammen. Daher werden wir sicherlich in einem engen Austausch sein und Synergien nutzen, wo immer dies möglich ist. Durch den HWFT werden wir noch mehr Sichtbarkeit, insbesondere in hochschul- und bildungspolitischen Fragen erzielen. Das stärkt die gemeinsame Interessenvertretung für unseren Beruf enorm.

Die verschiedenen Hochschulen im HWFT haben sich eine verstärkte Kooperation auf die Fahne geschrieben. Sind denn schon gemeinsame Projekte und Programme untereinander geplant?

Grieshop: Bevor wir in die inhaltliche Arbeit einsteigen, müssen wir die Arbeitsstrukturen und Prozesse aufsetzen, die wir für eine gute Verbandstätigkeit benötigen. Daneben soll zeitnah die Vernetzung mit den Fachbereichs-/Fakultätentagen beziehungsweise Dekanekonferenzen benachbarter Disziplinen wie der Pflege und der Medizin hergestellt werden. Erste Kontakte hat es dazu schon gegeben. Daneben werden wir gemeinsam mit unseren Mitgliedshochschulen die kommenden Maßnahmen und Positionen erarbeiten. Darauf freuen wir uns im Vorstand schon sehr!

Können sich auch noch andere Hochschulen anschließen?

Grieshop: An der Gründung waren leitende Hebammenwissenschaftlerinnen von 15 Hochschulen – also HAWs und Universitäten – beteiligt. Weitere Studiengänge haben ihr Interesse schon bekundet. Der HWFT strebt darüber hinaus an, möglichst alle anderen Hochschulen mit hebammenwissenschaftlichen Studiengängen für die gemeinsame Arbeit zu gewinnen. Ich bin in dieser Frage sehr optimistisch. Es braucht letztendlich nur das Mandat der einzelnen Hochschule, diese im HWFT zu vertreten.

Welche Rolle spielen Praxispartner und externe Institutionen in der Zusammen­arbeit mit dem Hochschulverbund?

Grieshop: Gerade die klinischen und außerklinischen Praxispartner*-innen sind doch ein wesentlicher Bestandteil des dualen Studiums von Hebammen. Insofern werden wir in unserer Arbeit immer auch deren Belange hinsichtlich des Studiums und guter Rahmenbedingungen für die Lernbegleitung der Studierenden aufgreifen. Daneben sind externe Institutionen und Organisationen für die interdisziplinäre Zusammenarbeit in Forschung, Lehre und Transfer bedeutsam. Hier sehe ich in der Zusammenarbeit noch viel Entwicklungspotential.

Wie will der HWFT den konstruktiven Dialog mit Politik, Gesellschaft und den hochschulpolitischen Organisationen benachbarter Disziplinen stärken?

Grieshop: Diese Arbeit wird sehr vielfältig sein, das hat das Gesetzgebungsverfahren 2019 deutlich gemacht. Wir werden künftig Gesetzesinitiativen wie den aktuellen Entwurf zu einer partiellen Berufsausübung im Referentenentwurf zum Pflegestudiumstärkungsgesetz aufgreifen und uns in Abstimmung mit unseren Mitgliedern dazu positionieren. Daneben werden wir Problemfelder wie den extrem hohen Personalbedarf für die umfangreiche Staat­liche Prüfung zur Hebamme thematisieren ­sowie Politik und Wissenschaftsverwaltung Vorschläge für die Verbesserung der Rahmenbedingungen für hebammenwissenschaftliche Studiengänge und Forschung unterbreiten. Wo immer es sinnvoll erscheint, werden wir dabei die enge Zusammenarbeit mit den entsprechenden Organisationen der anderen Gesundheitsdisziplinen und den klinischen und außerklinischen Praxispartner*­innen suchen.

Das Interview führte Josefine Baldauf

print
DRUCKEN