Die Versorgung von Schwangeren in Thüringen muss dringend verbessert werden. Das fordern der Hebammenlandesverband, der Landesfrauenrat sowie die BARMER in einem gemeinsamen Aufruf.
Es sei dringend an der Zeit, tragfähige Konzepte für eine flächendeckend sichere geburtshilfliche Versorgung im Freistaat Thürigen zu entwickeln, so Birgit Dziuk, Landesgeschäftsführerin der BARMER Thüringen. Die Situation spitze sich immer weiter zu. Die Schließungen der Geburtsstationen in Schleiz im Jahr 2020 und Hildburghausen in diesem Jahr seien deutliche Anzeichen, dass Handlungsbedarf bestehe. Angesichts dieser Tatsachen sei es wichtig, Versorgungsketten und Netzwerke zu entwickeln, in denen alle Leistungserbringenden zusammenarbeiten. Nur durch ein effektives Zusammenwirken von niedergelassenen Ärzt*innen, KlinikenHebammen und Rettungswesen sei es möglich, Versorgungslücken zu verhindern und die bestehenden Defizite zu kompensieren, so Dziuk weiter.
„Bei der Zusammenarbeit von Ärzt*innen mit Hebammen gibt es noch viel Potenzial. Das muss genutzt werden, um werdende Eltern auch künftig bestmöglich und wohnortnah begleiten zu können“, betont Annika Wanierke, Vorsitzende des Hebammenlandesverbandes Thüringen. Die gemeinsame Schwangerenvorsorge durch Hebammen und Ärzt*innen solle durch neue Versorgungskonzepte gestärkt werden. Ein Fachtag zum Thema „Gemeinsame Vorsorge“ im kommenden Jahr soll die Wege dafür ebnen.
Nationales Gesundheitsziel: Gesundheit rund um die Geburt
Notwendig ist aus Sicht von BARMER, Hebammenverband und Landesfrauenrat auch eine bessere Verknüpfung ambulanter und stationärer Leistungen. Geburten ohne Komplikationen seien dann stets nahe des Wohnorts der Eltern möglich. Risiko-Geburten hingegen müssten in den dafür ausgestatteten größeren Kliniken stattfinden, um größtmögliche Sicherheit und Behandlungsqualität sicherzustellen. Wichtig sei, dass die Versorgungskette für die Eltern vor der Geburt transparent ist und auch praktisch funktioniert. Friederike Theile, Geschäftsführerin des Landesfrauenrats, warnt zudem vor einer bereits etablierten „Risikofahndung“ beim Thema Geburt. „Das Bild der natürlichen Geburt muss verbessert und die Angst vor ihr genommen werden. Hierfür müssen Versorgung und Begleitung werdender Eltern viel stärker auf deren Bedarfe und Bedürfnisse eingehen“, so Friederike Theile.
Gemeinsam setzen sich Landesfrauenrat, Hebammenlandesverband und die BARMER für die Umsetzung des Nationalen Gesundheitsziels „Gesundheit rund um die Geburt“ ein. Damit diese Umsetzung gelingen kann, fordern sie das Einrichten eines neuen Gesprächsformats oder das Wiederbeleben des Runden Tischs für Geburt und Familie unter Federführung des Landes.
Auch in NRW ist eine Verbesserung der Schwangerenvorsorge gewünscht
Dass sich eine große Krankenkasse, der Landesfrauenrat und der Hebammenverband gemeinsam geäußert haben, unterstreiche den hohen Stellenwert, den das Thema haba, so der Landesverband der Hebammen NRW auf seiner Homepage. Einen ähnlichen Schulterschluss wünsche man sich auch in NRW. Die für Thüringen geschilderte Lage ist größtenteils auf die Geburtshilfesituation in NRW übertragbar - mit einer Ausnahme: In NRW gibt es bereits eine Projektgruppe „Strukturelle Entwicklung der Geburtshilfe“ beim Gesundheitsministerium. Zudem hat die Landesregierung mit der Förderung von Hebammenkreißsälen und anderen Signalen deutlich gezeigt, dass ihr die Geburtshilfe ein Anliegen ist.
Wie gute Zusammenarbeit in der Schwangerenversorgung aussehen kann, berichten die 1. Vorsitzende des Landesverbandes NRW, Barbara Blomeier, und die Frauenärztin Dr. Doris Torman gemeinsam in ihrem Fachartikel: „Hebamme und Ärzt*in: Kooperation auf Augenhöhe“ in HebammenWissen 4/2021. |