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31.05.2022 | Psychiatrie | Nachrichten

Versorgung von Trans*Personen muss besser werden

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Mit dem Ziel, trans*Personen ganzheitlich zu unterstützen, ging im Mai am Universitätsklinikum Münster (UKM) Deutschlands erstes interdisziplinäres Kompetenzzentrum Center for Transgender Health (CTH) an den Start. Welche Vorteile eine Bündelung vorhandener Expertisen bringt, erklärt Prof. Georg Romer, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie und Sprecher des CTH.

Georg Romer © Universitätsklinikum MünsterProf. Georg Romer, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie und Sprecher des CTH Münster.

Herr Professor Romer, was sehen Sie als größte Herausforderung bei der Betreuung von trans*Personen?

Romer: Wir geben uns viel Mühe, dass der Umgang mit Behandlungssuchenden trans*sensitiv ist. Schulungen für alle Mitarbeitenden des CTH dazu sind deshalb bereits in Vorbereitung. Neben dem konsequenten Abbau von Diskriminierung, die schon beim Misgendering, also der falschen Zuordnung des Geschlechtes von Patient*innen beginnt, ist die wohl größte fachliche Herausforderung für die Medizin, sich in ihren Behandlungsangeboten interdisziplinär zu vernetzen. Denn nur so kann die zunehmende Individualisierung von Behandlungswünschen angemessen von allen Professionen in den Blick genommen werden.

Warum ist ein denn ein interprofessioneller Ansatz gerade bei der Versorgung von trans*Personen so wichtig?

Romer: Es fängt damit an, dass die meisten trans*Personen eine somatomedizinische Behandlung wie eine Hormontherapie oder eine geschlechtsangleichende Operation wünschen. Wenn sie diese jedoch nicht oder nicht fachgerecht erhalten, betreffen die daraus erwachsenden Probleme vornehmlich die seelische Gesundheit. Zudem ist die psychische Vorbereitung der Indikation und Behandlungsentscheidung für eine möglichst komplikationsarm verlaufende Hormontherapie oder Operation komplex und erfordert spezielle Expertise im Bereich der psychischen Gesundheit. Auch die Zufriedenheit mit einem OP-Ergebnis hängt mit der meist zuvor durchgeführten endokrinologischen Behandlung zusammen.

Bereits jetzt ist das UKM eine gute Adresse für die interdisziplinäre Versorgung im Bereich Transgender Health. Inwiefern unterscheidet sich das neue Kompetenzzentrum von den bisherigen Angeboten des UKM?

Romer: Wir werden durch die Zentrumsgründung nach innen und außen sichtbarer. Damit wächst die Verbindlichkeit bei der kooperativen Vernetzung der Fachdisziplinen und wir lernen alle mehr und regelmäßiger voneinander. Zudem setzt das Universitätsklinikum Münster ein Zeichen, dass trans*Gesundheit ein wichtiges Zukunftsthema für die Medizin ist.

Kommen denn heute mehr Menschen zu Ihnen als früher?

Romer: Ja, die Behandlungszahlen bei Jugendlichen steigen rasant in allen spezialisierten Behandlungszentren in Europa. Das hat mit einer Überlappung zweier Phänomene zu tun: Erstens outen sich immer mehr trans*Personen über alle Altersgruppen hinweg. So hat sich die Zahl der gesetzlichen Personenstandsänderungen nach dem Transsexuellengesetz in Deutschland in den vergangenen 25 Jahren verfünffacht. Zweitens verlagern sich Selbstfindungsprozesse und Outings zunehmend in frühere Lebensphasen der Jugend – ein Phänomen, das wir in gleicher Weise in den vergangenen 30 Jahren auch bei der Homosexualität beobachten konnten.

Wie schätzen Sie die derzeitige Entwicklung der Versorgungssituation für trans*Personen in Deutschland ein?

Romer: Die Bedarfe an fachgerechter gesundheitlicher Versorgung werden absehbar in den kommenden Jahren und Jahrzehnten steigen. Darauf ist unser Gesundheitswesen bislang nicht angemessen vorbereitet. Es gibt großen Bedarf an Verbesserung von Behandlungsangeboten in vielen Regionen Deutschlands. Außerdem wird mehr vernetzte Kompetenz im ambulanten Sektor der gesundheitlichen Versorgung benötigt.

Das Interview führte Joana Rohr.

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