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08.02.2018 | Politik | Nachrichten

Koalitionsvertrag steht und erntet erstaunlich viel Lob

verfasst von: Anno Fricke , Christiane Badenberg

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Die Verhandlungen zwischen CDU, SPD und CSU zur Neuauflage der Großen Koalition sind erst einmal abgeschlossen. Der Koalitionsvertrag ist seit dem späten Mittwochvormittag in trockenen Tüchern.

GroKo © Nietfeld/dpa

Erstaunlich positiv – abgesehen von Ausnahmen – fallen die Reaktionen auf den Koalitionsvertrag auf Seiten von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen aus. Weniger erfreut zeigt sich die Pharmaindustrie. Von Pflegevertretern hatte es schon während der Verhandlungen immer wieder harsche Kritik an den Vorhaben von Union und SPD gegeben.

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) sieht im Koalitionspapier einen "positiven Ansatz". Allerdings, so der DBfK, bleibe abzuwarten, wie "die vereinbarten Vorhaben umgesetzt werden". Zudem seien viele Ankündigungen wenig konkret formuliert, sodass zuviel Interpretationsspielräume blieben. Deshalb gelte, so der DBfK: "Regiert wird nicht durch Versprechen, sondern durch spürbares Handeln und Gestalten." Eine künftige Regierung wird sich ihrer Versprechen messen lassen müssen.

Durchaus zufrieden zeigt sich der GKV-Spitzenverband in einer ersten Stellungnahme. "Wir begrüßen es, dass die Koalition die Pflege stärken will", kommentiert die Vorstandsvorsitzende Doris Pfeiffer den Koalitionsvertrag. Die Einsetzung einer Kommission, die sich mit einer Angleichung der Arzthonorare beschäftigen und deren Machbarkeit prüfen soll, findet Pfeiffer sinnvoll. Ansonsten sieht sie viele Ansatzpunkte im Vertrag, mit der die Versorgung der Menschen verbessert werden könne.

Hoffnung für Klinikbeschäftigte

Viel Lob für die Vereinbarungen zur Personalsicherung in den Krankenhäusern gibt es von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und dem Marburger Bund. "Grundsätzlich positiv ist die vorgesehene Ausfinanzierung der Tariflohnsteigerungen", so DKG-Präsident Gerald Gaß. Die vorgesehene Ausgliederung der Pflegepersonalkosten neben dem Fallpauschalensystem stelle eine grundlegende Neuausrichtung des 2003 eingeführten pauschalierenden, preisorientierten DRG-Systems dar.

Das damit verfolgte Ziel, den krankenhausindividuellen Personalbedarf in seiner Grundstruktur unabhängig von den Behandlungsfällen finanziell abzusichern, entspreche den Erwartungen der Beschäftigten und Patienten in den Kliniken, so der DKG-Präsident. Dies könne aber nur gelingen, wenn eine gute Personalausstattung nicht mit Rechtfertigungszwängen gegenüber den Krankenkassen verknüpft werde. "Ein Personalaufbau in den Kliniken muss in diesem System belohnt werden", fordert er. Der vorgesehenen Ausweitung der Personaluntergrenzen über die pflegeintensiven Bereiche hinaus auf alle bettenführenden Abteilungen werden sich die Krankenhäuser stellen", versicherte Gaß. Bedauerlich sei, dass die Parteien nicht den Mut gehabt hätten, bei der Investitionsfinanzierung eine Bundesbeteiligung miteinzubeziehen, kritisierte er.

Die Absicht, die Pflegepersonalkosten vom Fallpauschalensystem auszunehmen, begrüßt auch der Marburger Bund (MB). Das könne der Auftakt zu einer tatsächlich bedarfsorientierten und weniger rein erlösorientierten Personalermittlung der Krankenhäuser sein, hofft der 2. Vorsitzende des Marburger Bundes Andreas Botzlar in einer ersten Stellungnahme. Ein wirklicher Fortschritt sei die angekündigte vollständige Refinanzierung von Tariflohnsteigerungen im Krankenhausbereich und die damit verbundene Nachweispflicht für die Kliniken. "Ziel muss es ein, die Arbeitssituation aller Beschäftigten in den Krankenhäusern dauerhaft zu verbessern. Vor allem daran werden wir die Politiker der neuen Regierung messen", kündigte der MB-Vize an.

Industrie sieht Versäumnisse

Kritik kommt indes von der Pharmaindustrie: Im Koalitionsvertrag sei kein Wort zum Stellenwert innovativer Arzneimittel auf Basis bewährter und neuer Wirkstoffe zu finden, bemängelt der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Dr. Martin Zentgraf, das Verhandlungsergebnis von Union und SPD. Versäumt worden sei auch ein Bekenntnis zu standortorientierten mittelständischen Unternehmen, die an der Entwicklung dieser Arzneimittel arbeiteten. "Kein Wort zur Rolle der standortgebundenen Pharmaindustrie für die Sicherstellung der Versorgung der Patienten in Zeiten von Lieferengpässen", so Zentgraf.

Kaum konkrete Lösungsansätze, um die Arzneimittelversorgung auch in Zukunft zu sichern, sieht der Bundesverband der Arzneimittelhersteller. "Insbesondere altersgerechte Darreichungsformen werden in einer älter werdenden Bevölkerung immer wichtiger. Das Preismoratorium sowie das Festbetragssystem bremsen solche patientenrelevanten Weiterentwicklungen von Arzneimitteln aber aus", sagt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH), Dr. Hermann Kortland. Die gesetzliche Krankenversicherung verfüge über rekordverdächtige Rücklagen, da wirkten innovationsfeindliche Zwangsmaßnahmen anachronistisch, so Kortland.

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