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22.11.2023 | Pflegeversicherung | Nachrichten

Kritik am Medizinischen Dienst

Fast 30 Prozent Fehlerquote bei Pflegegutachten

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Pflegebedürftige werden oft in zu niedrige Pflegegrade eingestuft. Das geht aus Recherchen von Report Mainz hervor. Die Folge: Viele Menschen erhalten im Pflegefall zu wenig finanzielle Unterstützung.

Gutachter notiert Befunde bei Pflegebegutachtung © Drazen Zigic / Getty Images / iStockIn knapp 30 Prozent der Fälle fällt das Pflegegutachten zu Lasten der Betroffenen falsch aus. 

Wie Report Mainz am Dienstag berichtete, musste der Medizinische Dienst (MD) 2022 fast 30 Prozent aller Widerspruchsgutachten „bei gleicher Sachlage“ korrigieren. Das habe eine bundesweite Umfrage bei allen Medizinischen Diensten ergeben. Demnach wurden fast 55.000 mal  Pflegebedürftige in zu niedrige Pflegegrade eingestuft. Betroffene erhielten so nicht die ihnen zustehenden Leistungen. 2021 lag die Quote falscher Gutachten bei 29,6 Prozent, im ersten Halbjahr 2023 waren es 28,2 Prozent. 

Insgesamt seien 2022 nach Angaben der Medizinischen Dienste 2,5 Millionen Pflegegutachten erstellt worden. In über 185.000 Fällen legten die Betroffenen Widerspruch gegen ihre Einstufung ein.

Expertin befürchtet hohe Dunkelziffer

Katharina Lorenz vom Sozialverband Deutschland (SoVD) Niedersachsen bezeichnete gegenüber dem Magazin die Quote von 30 Prozent als „einen unhaltbaren Zustand“. Pflegebedürftige würden „im Regen stehen gelassen", weil Pflegebegutachtungen nicht korrekt erfolgten. Zudem geht Lorenz  von einer hohen Dunkelziffer falscher Pflegegutachten aus. Gegenüber dem Politmagazin gab sie zu bedenken, dass viele Betroffene gar nicht erst Widerspruch gegen einen Bescheid einlegen. Dieser würde in den meisten Fällen hingenommen, weil den Betroffenen die Kraft fehle, sich in ein Widerspruchsverfahren zu begeben. 

Auch der emeritierte Sozialrechtler Ingo Heberlein äußerte sich angesichts der Zahlen kritisch: „Die 30 Prozent sind einfach zu hoch. Und es muss unbedingt versucht werden, diese Zahl nach unten zu bringen: durch Schulungen, durch genauere Untersuchungen“, so Heberlein gegenüber Report Mainz. Heberlein war selbst zwölf Jahre Geschäftsführer eines Medizinischen Dienstes.

Erst kürzlich hat der Medizinische Dienst Bund überarbeitete Begutachtungs-Richtlinien eingeführt. Danach soll es bei Höherstufungsanträgen und Wiederholungsbegutachtungen auch die Möglichkeit strukturierter Telefoninterviews geben. (ne)

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