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18.02.2021 | Pflegekammer | Nachrichten

Pflegekammer(n): Wir werden gehört!

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In Schleswig-Holstein können die Mitglieder bis zum 28. Februar über den Fortbestand der Pflegeberufekammer abstimmen. Das Ergebnis wird nicht nur im Norden mit Spannung erwartet. Fragen an Patricia Drube, Präsidiumsmitglied der Bundespflegekammer und Präsidentin der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein.

Patricia Drube © Pflegeberufekammer Schleswig-HolsteinPatricia Drube, Präsidiumsmitglied der Bundespflegekammer und Präsidentin der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein.

Obwohl es erst seit wenigen Jahren Pflegekammern in Deutschland gibt, wurde vor knapp zwei Jahren schon die Bundespflegekammer gegründet. Welche Schwerpunkte wurden seitdem gesetzt?

Ein Schwerpunkt war, dafür zu sorgen, dass die Bundespflegekammer bei allen berufsrelevanten Themen am Tisch sitzt. Da haben wir auch schon einiges erreicht. Wir sind in relevanten Gremien zu wichtigen Fragen vertreten, beispielsweise in Sachen Digitalisierung, Aufgabenverteilung unter den Gesundheitsberufen und Personalbemessung. Außerdem werden wir inzwischen ganz selbstverständlich zu allen relevanten Gesetz- und Verordnungsentwürfen angehört – und diverse Vorschläge von uns wurden auch umgesetzt.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Harmonisierung von Fort- und Weiterbildung. Damit beschäftigt sich seit diesem Jahr unser neu gegründeter Bildungsausschuss. Und ebenfalls seit diesem Jahr nimmt durch unsere neue Referentenstelle die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit an Fahrt auf. Wir beziehen zu allen wichtigen aktuellen Fragen und Themen Position und werden gehört.

Wie konnte die Bundespflegekammer die Pflegenden in Zeiten der Pandemie unterstützen?

Wir hatten ja schon immer einen Pflegepersonalmangel. In der Pandemie ist der noch einmal ganz besonders deutlich geworden. Durch die Vermittlungsplattform #pflegereserve ist es uns gelungen, schon mehr als 400 Freiwillige als Unterstützung für unsere Kolleginnen und Kollegen zu vermitteln. Ziel ist, diese Plattform auch über die Pandemie hinaus zu einer Reserve-Struktur zu entwickeln, die in Notsituationen zeitnah und unkompliziert unterstützt.

Wir gehörten zu den ersten, die gefordert haben, dass die Bundeswehr die Kolleginnen und Kollegen in der Langzeitpflege bei den Tests der Besucher unterstützt. Das wurde umgesetzt.

Viele Probleme, die die Pandemie in den Fokus gerückt hat, sind die Folge jahrzehntelanger Versäumnisse der Politik. Darauf macht die Bundespflegekammer immer wieder durch offensive Presse- und Lobbyarbeit aufmerksam. Wir werden dafür sorgen, dass hoffentlich endlich ein gesellschaftliches und politisches Bewusstsein dafür entsteht, dass wir eine echte Pflegewende brauchen – mit einer deutlichen Anhebung der Gehälter in der Pflege. Denn letztendlich leben wir in einer Welt, in der Anerkennung nicht in erster Linie durch Applaus zum Ausdruck gebracht wird, sondern eben auch durch Geld und durch eine gute Ausstattung von Arbeitsplätzen.

Bislang gibt es mit Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein drei Pflegekammern. In Niedersachsen wird die Kammer gerade aufgelöst, dafür ist Nordrhein-Westfalen in der Errichtungsphase – kommt man dabei schon zur Sacharbeit oder ist alles noch in einer Gründungs- und Findungsphase?

Natürlich befindet sich die Bundespflegekammer in einem dynamischen Entwicklungsprozess. Das heißt aber nicht, dass die inhaltliche Arbeit auf der Strecke bleibt. Im Gegenteil. Wir haben schon diverse Stellungnahmen verfasst, die Pflege in Anhörungen vertreten und beziehen regelmäßig auch in Pressemitteilungen Stellung. Der Bildungsausschuss der Bundespflegekammer hat seine Arbeit aufgenommen und wir werden hier noch in diesem Jahr Ergebnisse vorlegen. Und als Vorsitzende des Errichtungsausschusses wurde Sandra Postel gewählt, die sich als ehemalige Vizepräsidentin der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz schon in die inhaltliche Arbeit der Bundespflegekammer eingebracht hat. Durch die Pflegekammer Nordrhein-Westfalen, die die Interessen von ca. 200.000 Pflegefachpersonen vertritt, wird noch einmal ein starker Partner hinzukommen.

Auch in Schleswig-Holstein, deren Präsidentin der dortigen Pflegeberufekammer Sie ja sind, haben die Pflegekräfte wieder die Wahl. Was geschieht, wenn …? Platzt möglicherweise der Traum von einer Selbstverwaltung der Pflegenden?

Die Selbstverwaltung der Pflegenden ist kein Traum mehr, sondern in den Bundesländern, in denen es Pflegekammern gibt, gelebte Realität. In Schleswig-Holstein sind wir in vielen Gremien mit Politik, Krankenkassen, Verbänden und Einrichtungen aktiv und sitzen gleichberechtigt mit am Tisch, wenn pflegerelevante Entscheidungen getroffen werden. Gerade in der Corona-Pandemie sind wir von Anfang an sehr eng in das Vorgehen des Ministeriums eingebunden worden. Wir entwickeln die erste Weiterbildungsordnung für die Pflegenden in Schleswig-Holstein, bringen die Berufsordnung auf den Weg und setzen uns in zahlreichen Projekten für Pflegende wie Pflegebedürftige ein – mit Erfolg! Wir haben zum Beispiel Pflegende darin unterstützt, zu ihrer Impfung zu kommen, haben erreicht, dass die Gleichberechtigung der Pflege in den Leitungsebenen der Krankenhäuser gesetzlich verankert wurde und unsere Kollegen in den Krankenhäusern nicht mehr um FFP2-Masken betteln müssen. In Schleswig-Holstein kann keine politische Entscheidung, die den Pflegeberuf betrifft, mehr ohne die Pflege getroffen werden. Es bleibt abzuwarten, wie die Abstimmung ausgeht und ob sich die Politik erdreisten wird, das rückgängig zu machen – gerade jetzt, wo die Pandemie zeigt, wie wichtig eine gute und starke Pflege ist.

Der STERN hat im Januar eine große Serie zur Pflege in Deutschland gestartet, inklusive einer Petition, der sich mehr als 250.000 Unterzeichner angeschlossen haben. Welchen Stellenwert hat diese Kampagne für die Pflegenden?

Die Bundestags-Petition des STERN hat sicherlich eine wichtige Außenwirkung, da sie bundesweit sehr viele Menschen erreicht. Jede Initiative, die Politik und Gesellschaft auf die zentrale Bedeutung der Pflege und die derzeit unzureichenden Bedingungen hinweist, ist ein wichtiger Schritt, um die dringend erforderliche Pflegewende einzuleiten. Wir in Schleswig-Holstein haben deshalb seit Mitte Dezember – noch vor der Kampagne des STERN – die Kampagne #pflegeverdientmehr gestartet. Mit diversen Online-Aktionen und Großflächenplakaten in ganz Schleswig-Holstein führen wir der Öffentlichkeit mit eindrücklichen Bildern vor Augen: Beruflich Pflegende sind eine der tragenden Säulen unserer Gesellschaft. Sie verdienen mehr Respekt, mehr Anerkennung, mehr Entscheidungsfreiheiten und vor allem eine bessere Bezahlung. Wenn ein großer Teil der Gesellschaft sich aufgrund dieser Kampagnen dazu bekennt, muss die Politik Taten folgen lassen. Darum geht es!

Was wünschen Sie sich für die Pflege?

Ich wünsche mir für die Pflege, dass die Bedeutung unseres Berufs politisch endlich erkannt und entsprechend gehandelt wird. Wir brauchen keine neuen Imagebroschüren und Trostpflaster in Form von einmaligen Prämien. Wir brauchen eine echte Pflegewende. Pflege ist ein gesamtgesellschaftliches Thema, das eines verantwortungsvollen Umgangs bedarf. Wir werden nach der Pandemie deutlich weniger Pflegefachpersonen zur Verfügung haben als vor der Pandemie. Wenn Pflegende nicht so verantwortungsvoll und engagiert ihren Beruf ausüben würden, hätten wir dreimal so viele Tote. Und je weniger Pflegepersonal es gibt, desto mehr Menschen sterben. Deshalb: Investition in Ausbildung, in Fort- und Weiterbildung, in Personalbemessung, in Stellen und in die Ausstattung von Arbeitsplätzen.

Anstatt diese Herausforderung gemeinsam lösungsorientiert anzugehen, legt die Politik den Pflegekammern mit ihrem Zickzack-Kurs zusätzliche Steine in den Weg. Was wir im Moment auf Landesebene brauchen, ist Kontinuität und das Festhalten an den bestehenden Gesetzen zur Pflegekammer. Nur so können wir als Berufsgruppe unser Wissen in die Problemlösung einbringen.

Das Interview führte Katja Kupfer-Geißler

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