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07.11.2022 | Organspende | Nachrichten

Zahl der Organspenden gesunken – Organmangel verschärft sich

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) blickt mit Sorge auf die rückläufigen Zahlen bei Organspenden und warnt vor einer weiteren Verschärfung des Organmangels. Sie fordert einen „Kulturwandel“ in Sachen Organspende – und die Einführung der Widerspruchsregelung.

© Robert Kneschke / Zoonar / picture allianceDie Zahl der Organspenden in Deutschland ist im Vergleich zum Vorjahr erneut zurückgegangen. 

Im Rahmen ihres 18. Jahreskongresses am 3. und 4. November 2022 stellte die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) die aktuellen Organspendezahlen und ihre Entwicklung im laufenden Jahr vor. Demnach zeichnet sich zurzeit ein Rückgang von ca. 8,4 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Zeitraum des Vorjahres ab. So gab es bis Ende Oktober 2022 in den rund 1.200 Entnahmekrankenhäusern in Deutschland 710 Organspender, das sind 65 weniger als im Vorjahreszeitraum. Auch die Summe der entnommenen Organe, die für eine Transplantation an die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant gemeldet wurden, sank auf 2.178 (Vorjahr 2.420). Der Organmangel hat sich im Vergleich zum Vorjahr damit noch einmal verschärft. Insgesamt konnten bisher 2.293 Organe aus dem Eurotransplant-Verbund in Deutschland transplantiert werden, im Vergleich zu 2.492 im letzten Jahr.

„Nach einem unerwarteten Einbruch der Organspendezahlen um beinahe 30 Prozent im ersten Quartal 2022 haben wir in den letzten Monaten zwar eine gewisse Erholung und Stabilisierung der Organspende erreicht, insgesamt bleibt die Situation allerdings insbesondere für die Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten und ihre Angehörigen im höchsten Maße bedrückend“, ordnete Dr. med. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der DSO, die Statistiken der letzten zehn Monate ein.

Erhöhte Kontaktaufnahmen – weniger Spender

Ein Grund für den Rückgang der Organspenden zum Jahresbeginn war die Corona-Pandemie. Zum einen wurden SARS-CoV-2 positive Spender bis Ende Februar von einer möglichen Spende ausgeschlossen. Zum anderen gab es gerade während der Omikronwelle hohe Personalausfälle in den Kliniken. Nachdem die Organspenden in den Sommermonaten leicht gestiegen sind, verzeichnete die Koordinierungsstelle in den vergangenen Wochen eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau. Die Kontaktaufnahmen der Kliniken zur DSO haben sich im Vergleich zum Vorjahr zwar erhöht, führten aber nicht zu mehr Spenden.

Mangelware: Personal, Ressourcen und Zeit

Aus Sicht der DSO wird die Organspende an verschiedenen Stellen ausgebremst. So konnten die gesetzlichen Initiativen zur Förderung der Organspende aufgrund der Pandemie nicht wie geplant umgesetzt werden. Auch der anhaltende Personalmangel in vielen Kliniken ist ein Problem. „Die Organspende ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die nicht nur intensivmedizinische Expertise, sondern auch Zeit und Ressourcen braucht“, betont Rahmel. Gerade für kleinere Häuser sei sie ein eher seltenes Ereignis und damit eine zusätzliche Herausforderung.

Hinweise zu den rückläufigen Organspenden liefert auch eine aktuelle Online-Umfrage, an der sich bundesweit 494 Transplantationsbeauftragte aus allen Krankenhauskategorien beteiligen. Ihrer Einschätzung nach sind es vor allem der pflegerische und der ärztliche Personalmangel sowie die fehlende Kapazität an Intensivbetten, die im ersten Quartal 2022 zum Rückgang der Organspenden geführt haben. Auch frühzeitige Therapielimitierungen und Ablehnungen durch Angehörige werden genannt. Infektionen potenzieller Organspender*innen mit SARS-CoV-2 haben laut Umfrage eine geringere Relevanz.

Überzeugungsarbeit leisten – jedes Organ zählt 

Die DSO setzt sich im Organspendeprozess dafür ein, dass die Organe in bestmöglichem Zustand an die Empfänger*innen weitergegeben werden. Es zählt nicht nur jede Spende, sondern jedes einzelne Organ. Die DSO-Koordinator*innen unterstützen die etwa 1.200 Entnahmekrankenhäuser über den gesamten Prozess und stehen rund um die Uhr beratend zur Seite. Dazu zählt auch die Entwicklung umfangreicher digitaler Unterstützungsprogramme für die Aufgaben der Transplantationsbeauftragten und die Unterstützung neuer Verfahren im Organspendeprozess, wie beispielsweise das DETECT-Programm.

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Das Tool für die frühzeitige Spendererkennung wurde von der Hochschulmedizin Dresden in Kooperation mit der DSO entwickelt und steht allen Kliniken kostenlos zur Verfügung. Durch rechtzeitiges Erkennen könnten mehr Spenden realisiert werden. Hier leistet das automatisierte elektronische Screeningtool DETECT einen wertvollen Beitrag und unterstützt die Arbeit der Transplantationsbeauftragten.

Auseinandersetzung mit Organspende muss selbstverständlich werden

Auch in der Politik sorgt die immer noch dramatische Situation für Diskussionen über mögliche weitere Maßnahmen. Sabine Dittmar MdB, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit, erklärte: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir einen echten Paradigmenwechsel benötigen. Die Auseinandersetzung mit der Organspende muss in unserer Gesellschaft und in unseren Krankenhäusern zu einer Selbstverständlichkeit werden.“

Mit Blick auf die rund 8.500 schwer kranken Patient*innen auf den Wartelisten bekräftigt Rahmel, es sei an der Zeit, über weitere Maßnahmen nachzudenken. „[…] Alle dem Eurotransplant-Verbund angeschlossenen Mitgliedsstaaten haben inzwischen die Widerspruchsregelung eingeführt. Umfragen in der Bevölkerung bestätigen immer wieder eine hohe Bereitschaft zur Organspende. Eine Widerspruchsregelung würde den Gedanken an die Organspende innerhalb der Gesellschaft und in den Kliniken weiter fördern und selbstverständlich machen und so die Voraussetzungen für einen Kulturwandel bei der Organspende schaffen“, so Rahmel weiter. (SK)