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Open Access 2018 | OriginalPaper | Buchkapitel

5. Ordnungspolitische Ansätze zur Steuerung der Versorgungsqualität in der stationären Langzeitpflege in den USA und der Schweiz

verfasst von : Prof. Dr. Michael Simon, Dr. Franziska Zúñiga

Erschienen in: Pflege-Report 2018

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Zusammenfassung

Um die Möglichkeiten der Gesundheitspolitik zur Steuerung der Qualität in der stationären Langzeitpflege auszuloten, lohnt es sich, die verschiedenen Strategien im internationalen Vergleich anzuschauen. Für einen solchen Vergleich ist es notwendig, sich mögliche Wirkmechanismen zur Entwicklung von Qualität im Langzeitpflegebereich zu vergegenwärtigen. Diese werden dann anhand von Beispielen aus den USA und der Schweiz erläutert.
Zusammenfassung
Um die Möglichkeiten der Gesundheitspolitik zur Steuerung der Qualität in der stationären Langzeitpflege auszuloten, lohnt es sich, die verschiedenen Strategien im internationalen Vergleich anzuschauen. Für einen solchen Vergleich ist es notwendig, sich mögliche Wirkmechanismen zur Entwicklung von Qualität im Langzeitpflegebereich zu vergegenwärtigen. Diese werden dann anhand von Beispielen aus den USA und der Schweiz erläutert.
In order to explore the opportunities of health policy for controlling the quality of long-term in-patient care, it is worth taking a look at the various strategies in an international comparison. For such a comparison, possible effective mechanisms for the development of quality in long-term care should be considered. These are explained using examples from the USA and Switzerland.

5.1 Einleitung

Die Steuerung der Versorgungsqualität in Pflegeheimen beschäftigt die Gesundheitspolitik in vielen Ländern schon seit Jahrzehnten. Nach Mor et al. (2014) geschieht dies über eine Kombination aus Standards für die Anbieter von Pflegeleistungen, die Überwachung und Durchsetzung der Standards sowie die Qualitätsberichterstattung, inklusive entsprechender Anreizsysteme. Darüber hinaus können Strukturen zur Bewohner- und Angehörigen-Vertretung als weitere Kontrollinstanz fungieren (Institute of Medicine 2001). Insbesondere die vielfältigen Standards für Anbieter – vom Brandschutz über baurechtliche Regelungen bis hin zu Anforderungen an die Qualifikation und Anzahl der Mitarbeiter und die Dokumentation – sind primäre Mittel der ordnungspolitischen Ansätze. Die Einhaltung dieser Standards ist häufig Voraussetzung, um Leistungen in der Altenpflege überhaupt anbieten zu können. Die Erfüllung der Standards wird durch eine Kontrollinstanz überprüft, die bei Mängeln entsprechende Verbesserungen anmahnt und ggf. Sanktionen erlassen kann, die bis hin zum Entzug der entsprechenden Zulassung reichen kann. Als Bewohner- und Angehörigen-Vertretung gibt es neben Ombudsstellen beispielsweise Heimbeiräte sowie unabhängige Bewohnerorganisationen, die ebenfalls die Interessen der Pflegebedürftigen vertreten. Neben diesen stark auf externe Überwachung ausgelegten Systemen haben sich zudem verschiedene Verfahren zur Qualitätsmessung entwickelt. Berwick et al. (2003) beschreiben zwei grundsätzliche Pfade, wie sich die Qualitätsmessung im Gesundheitswesen auf die Leistungserbringer auswirken kann: Erstens durch die Auswahl von Anbietern auf der Grundlage von Qualitätsdaten und zweitens durch die Verbesserung der Qualität durch Veränderungen in der Versorgungspraxis selbst. Unter Auswahl wird hier vor allem die externe Nutzung von Qualitätsdaten verstanden; sie ist deckungsgleich mit der oben genannten Qualitätsberichterstattung. Mit diesen Daten zur Beurteilung der Qualität werden Bewohner, Angehörige und Versicherer in die Lage versetzt, Entscheidungen zur Auswahl einer Einrichtung zu treffen. Weiterhin wird dadurch Kommunen oder auch der Gesundheitspolitik insgesamt die Möglichkeit gegeben, Einrichtungen für die erbrachte Versorgungsqualität zur Verantwortung zu ziehen. Der zweite Pfad bezieht sich auf Veränderungen innerhalb von Einrichtungen, die durch die interne Nutzung von Qualitätsdaten überhaupt erst ermöglicht werden. Qualitätsdaten erlauben den Einrichtungen, ihre eigenen Leistungen zu analysieren, Prozesse zu optimieren und dadurch die Versorgungsqualität zu verbessern.
Nachfolgend skizzieren wir die ordnungspolitischen Mechanismen in der stationären Altenpflege in den USA und der Schweiz anhand der oben dargestellten Elemente. Die Auswahl der beiden Länder ergibt sich daraus, dass einerseits in den USA häufig Entwicklungen vorweggenommen werden, die früher oder später in Mitteleuropa ankommen, und andererseits das Schweizer System stark durch die kantonalen Regelungen geprägt ist und somit größere Freiheitsgrade aufweist, als es in Deutschland der Fall ist. Das Beispiel der Schweiz bietet somit interessante Perspektiven.

5.2 USA

Im amerikanischen Langzeitpflegesektor gibt es einen breiten Mix von Einrichtungstypen, wie »skilled nursing facilities«, die für die staatlichen Medicaid- und Medicare-Programme zugelassen sind, »assisted living facilities«, die verschiedene Unterstützungsangebote für alte Menschen bieten, sowie Kurzzeitpflege-Einrichtungen (»intermediate care«) und ambulante Dienste (»home health care«). Neben der privaten Finanzierung übernimmt Medicare die Krankenversicherung ab dem Alter von 65 Jahren und Medicaid die Kosten für Diagnostik, Therapie und Pflege für mittellose Bedürftige. Während Medicare auf Bundesebene geregelt ist, wird Medicaid durch die Bundesstaaten getragen. Die Zulassungskriterien und Angebote sind von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich.

5.2.1 Standards für die Anbieter von Pflegeleistungen

In den Vereinigten Staaten wird die Versorgungsqualität über eine Vielzahl von Gesetzen und Regeln auf nationaler oder bundesstaatlicher Ebene gesteuert. Dabei sind es vor allem die Regelungen auf Bundesebene, die Anforderungen an die Einrichtungen stellen. Maßgeblich für die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung sind die Centers for Medicaid and Medicare Services (CMS). Mit dem Inkrafttreten des Omnibus Reconciliation Act (OBRA) der Reagan-Administration 1987 wurde das Minimum Dataset (MDS) eingeführt, das auf dem Resident Assessment Instrument (RAI) basiert. Das RAI wird in regelmäßigen Abständen an jedem Bewohner eines Medicare- oder Medicaid-zertifizierten Pflegeheims durchgeführt und enthält Informationen über den Gesundheitszustand, die körperlichen Funktionen, den geistigen Zustand und das allgemeine Wohlbefinden des Bewohners. Durch die Einführung des MDS haben sich sowohl Prozess-Kennzahlen als auch Gesundheitsergebnisse von Bewohnern sowie der Austausch zwischen Bewohnern und Pflegepersonal in den Einrichtungen im Hinblick auf ihre Pflege verbessert (Stevenson und Bramson 2014). Diese Daten werden vom Pflegeheim verwendet, um die Bedürfnisse jedes Bewohners zu bewerten und einen Pflegeplan zu entwickeln. Sie unterstützen auch die Ressourcenallokation und dienen als Basis für die Berechnung von Qualitätsindikatoren.

5.2.2 Überwachung und Durchsetzung der Standards

Um für die Teilnahme an Medicare zugelassen zu werden, müssen sich Pflegeeinrichtungen in den USA regelmäßig einer externen Prüfung unterziehen. Obwohl die Regelungen auf föderaler Ebene initiiert wurden, obliegt die Ausgestaltung und Überwachung der Standards bei bundesstaatlichen Organisationen, den State Survey Agencies. Wurden ursprünglich zwei Verfahren zur Überwachung verwendet, sind diese seit 2018 auf Grundlage des Affordable Care Act (ACA) sowie des Improving Medicare Post-Acute Care Transformation (IMPACT) Act zusammengeführt und vereinheitlicht. Pflegeeinrichtungen werden alle 9 bis 15 Monate durch die State Survey Agency inspiziert, wobei die Inspektion unangekündigt erfolgt und im Idealfall in der Bestätigung mündet, dass die Standards in der Einrichtung eingehalten werden. In insgesamt siebzehn Kategorien werden Defizite klassiert und mit Schweregraden versehen. Die Anzahl der gefundenen Defizite liegt bei ca. sieben pro Pflegeheim (Li et al. 2015).
Eine Reihe von Bundesstaaten haben zusätzliche Regelungen erlassen, die über die Regelungen auf Bundesebene hinausgehen. Dies betrifft einerseits die grundsätzliche Zulassung als Anbieter von Leistungen für Medicare und Medicaid, die häufig einen Nachweis über die Notwendigkeit des entsprechenden Dienstes (Certificate of Need) verlangen, zudem haben einige Bundesstaaten strengere Personalausstattungsanforderungen definiert (Park und Stearns 2009).

5.2.3 Qualitätsberichterstattung und Anreizsysteme

Für die Qualitätsberichterstattung in den USA ist das Public-Reporting-Portal »Nursing Home Compare«1 der CMS die bedeutendste Datenquelle. Nursing Home Compare enthält frei zugänglich Daten zur Qualität aller ca. 15.000 Pflegeheime, die durch die CMS zugelassen sind. Nursing Home Compare verwendet drei verschiedene Datenquellen, um Informationen zur Qualität der Pflegeheime zu veröffentlichen: 1) die Ergebnisse der letzten drei Inspektionen der State Survey Agency inklusive der Daten zur Personalausstattung sowie erfolgte Sanktionen aufgrund von Defiziten; 2) Daten des MDS zur Versorgungsqualität sowie eine Schätzung des erforderlichen Personals auf Grundlage der MDS-Daten; und 3) Abrechnungsdaten zu Hospitalisierungen, Notfall-Aufenthalten sowie Entlassungen. Zudem bietet Nursing Home Compare ein »Sterne«-System auf Grundlage der verschiedenen Quellen an, mit dem Ziel, die Gesamtqualität zu beschreiben. Auch wenn dem System anfänglich mit Misstrauen begegnet wurde, zeigen Analysen, dass das Rating-System die Marktanteile von Pflegeheimen beeinflusst (Werner et al. 2016) und damit den intendierten Zweck der öffentlichen Berichterstattung, Unterstützung bei der Auswahl eines Pflegeheims zu leisten, erfüllt.

5.2.4 Bewohner- und Angehörigen-Vertretung

Neben den Inspektionen und dem MDS-Assessment unterstützen die CMS aktiv die Einbeziehung von Bewohnerinnen und Bewohnern und Angehörigen. Bewohnern und Angehörigen darf gemäß Bundesgesetz die Bildung eines Bewohner- und Angehörigenrates (»Resident and Family Council«) nicht verweigert werden.

5.2.5 Veränderung durch interne Nutzung von Qualitätsdaten

Mit dem Affordable Care Act wurde ab 2011 das Quality Assurance (QA) and Performance Improvement (PI) Programm, kurz QAPI, eingeführt, das aus fünf Elementen besteht.2
  • Das erste Element beschreibt die Form und Reichweite (»Design & Scope«) eines lokalen QAPI-Programms, das umfassend und fortlaufend auf die Verbesserung der klinischen Betreuung, der Lebensqualität sowie der Wahlmöglichkeiten der Bewohner abzielt.
  • Das zweite Element der Steuerung und Führung (»Governance & Leadership«) weist der Führungsstruktur jeder Einrichtung die Verantwortung zur Entwicklung einer Kultur der Einbeziehung von Personal, Bewohnern und Angehörigen zu. Die Heimleitung stellt dabei sicher, dass den Mitarbeitern ausreichend Zeit und Ressourcen zur Entwicklung und Umsetzung von QAPI-Maßnahmen zur Verfügung stehen.
  • Das dritte Element, Rückmeldung, Daten und Monitorisierung (»Feedback, Data Systems and Monitoring«), bezieht sich auf den Aufbau und die Entwicklung von Systemen zur Überwachung der Versorgung auf Grundlage verschiedener Datenquellen (Personal, Bewohner und Angehörige). Die Systeme sollen Prozess- und Ergebnisindikatoren enthalten, die entweder Ziele formulieren oder zum Benchmarking genutzt werden können.
  • Das vierte Element der Qualitätsverbesserungsprojekte (»Performance Improvement Projects, PIPs«) bezieht sich auf gezielte Maßnahmen in einem Themenbereich in Anlehnung an den PDCA-Zyklus. Die gewählten Themen richten sich nach dem Bedarf der jeweiligen Einrichtung gemäß der jeweiligen Bewohnerpopulation sowie nach den Leistungsangeboten der Einrichtung.
  • Das fünfte Element der systematischen Analyse und systembezogenen Maßnahmen (»Systematic Analysis and Systemic Action«) beschreibt die Notwendigkeit eines planvollen Vorgehens bei der Identifizierung von Themen für vertiefte Analysen. Durch Root-Cause-Analysen werden Probleme analysiert und Versorgungsprozesse und Strukturen auf Systemebene angepasst, um entsprechende Probleme in Zukunft zu vermeiden. Auch wenn es sich bei QAPI um einen Standard für das Qualitätsmanagement handelt und es zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen zu zählen ist, adressiert es vor allem den Bereich der Qualitätsmessung zur Verbesserung der Versorgungsqualität.

5.3 Schweiz

Ähnlich der Konstellation in den USA gibt es in der Schweiz Gesetze und Regelungen auf nationaler – eidgenössischer – sowie kantonaler Ebene. Das Krankenversicherungsgesetz KVG gibt dabei den rechtlichen Rahmen sowohl für die häusliche wie auch die stationäre Langzeitpflege vor (Bartelt et al. 2014). Das KVG definiert, welche Leistungen von der obligatorischen Krankenversicherung übernommen werden, die vor allem die typischen Krankenversicherungsleistungen wie Diagnostik, Beratung und Behandlung, aber auch die Versorgung für den psychiatrischen Bereich regelt.

5.3.1 Standards für die Anbieter von Pflegeleistungen

Die Standards sind kantonal geregelt und an die Betriebsbewilligung gekoppelt. Je nach Kanton können die Standards Vorgaben zur Personalausstattung (Anzahl und Grademix) und zur räumlichen resp. technischen Ausstattung enthalten. Zudem können sie die Einreichung von Grundlagen und Konzepten wie Betriebskonzept, Betreuungs- und Pflegekonzept, Organisations- und Führungsstruktur, medizinische und pharmazeutische Versorgung, Therapie- und Aktivierungsangebot sowie zu Themen wie Hygiene, Sicherheit, Ernährung und Notfallsituationen vorsehen. Dabei reichen die Vorgaben je nach Kanton von minimalen bis sehr umfassenden Anforderungen. Die Versicherer der obligatorischen Krankenversicherung sind nur zur Übernahme von Leistungen von Einrichtungen verpflichtet, die kantonal anerkannt sind und auf der kantonalen Liste stehen. Das KVG regelt zudem, welche Leistungen über die obligatorische Krankenpflegeversicherung gedeckt werden und welcher Anteil den Bewohnern auferlegt werden darf (KVG Art. 25a). Die Kantone regeln die Restfinanzierung. Die Kantone führen auch die Bedarfsplanung durch, die zentral für die Zulassung von Pflegeheimen ist. Weiterhin bestimmen die Kantone die Regeln zur Finanzierung der Kosten für die Hotellerie und regeln die Inspektionen der Pflegeeinrichtungen.

5.3.2 Überwachung und Durchsetzung der Standards

Obwohl es schon seit den 1990er Jahren eine gesetzliche Vorgabe zur Qualitätsentwicklung auf eidgenössischer Ebene gibt, ist es bis dato noch zu keiner verbindlichen Regelung gekommen. Ausschlaggebend für diese Verzögerung ist, dass die Ausgestaltung der Regeln an Leistungserbringer einerseits und Versicherung andererseits übertragen wurde. Dementsprechend sind die meisten Regelungen bisher auf kantonaler Ebene verankert. Die regulierten Bereiche betreffen die baulichen Voraussetzungen (Größe der Räume, behindertengerechter Zugang etc.), die Qualifikationen und Anzahl der Mitarbeiter (Voraussetzung für Heimleiter, Anzahl von Pflegefachpersonen pro Bewohner etc.) und Regeln für die medizinische Versorgung (Arztwahl oder Heimarztsystem). Die Zulassung als Pflegeheim erfolgt je nach Kanton für zwischen vier und sechs Jahre und wird ca. alle 12 bis 18 Monate überprüft. Die genauen Regelungen sind abhängig vom Kanton; bis dato bestehen diesbezüglich keine kantonsübergreifenden Vereinbarungen. Die Zulassung als Pflegeheim wird in der Regel öffentlich geführt, jedoch werden Defizite und Mängel normalerweise nicht öffentlich berichtet. Zur individuellen Pflegebedarfsermittlung werden in der Schweiz drei verschiedene Systeme eingesetzt: BESA, Plaisir/Plex und RAI-NH (De Pietro et al. 2015). Um die Bedarfsermittlung zwischen den Instrumenten vergleichbarer zu machen, wurde versucht, die drei Instrumente zu harmonisieren, was zumindest mit BESA und RAI-NH erfolgt ist. Eine endgültige Kalibrierung der drei Systeme inklusive Plaisir/Plex ist jedoch bisher gescheitert. Es gelingt damit nicht, einen Bewohner mit gleichem Pflegebedarf unabhängig vom verwendeten Instrument in dieselbe Pflegebedarfsstufe einzuteilen.

5.3.3 Qualitätsberichterstattung und Anreizsysteme

Nach Artikel 59a KVG sind Pflegeheime in der Schweiz verpflichtet, den zuständigen Bundesbehörden Daten bereitzustellen, um die Wirtschaftlichkeit und Qualität ihrer Leistungen zu überwachen. Dazu gehören die Art der ausgeübten Tätigkeit, Einrichtung, Ausstattung und Rechtsform, Anzahl und Struktur der Beschäftigten und Bewohner (anonymisiert), Art, Umfang und Kosten der erbrachten Leistungen, Aufwand, Ertrag und finanzielles Betriebsergebnis sowie medizinische Qualitätsindikatoren. Die Strukturkriterien werden in der Schweiz seit 1997 mit der Statistik der sozialmedizinischen Institutionen obligatorisch in allen Pflegeheimen erhoben. Sie werden seit 2012 vom Bundesamt für Gesundheit unter Nennung der Pflegeheime veröffentlicht. Zu medizinischen Qualitätsindikatoren im Pflegeheimbereich gibt es bisher keine öffentliche Berichterstattung. Seit 2009 läuft ein Pilotprojekt zur Entwicklung und Pilotierung von medizinischen Qualitätsindikatoren. Am Projekt sind eine Reihe von wichtigen Interessensgruppen beteiligt. Neben dem Branchenverband Curaviva Schweiz sind es das Bundesamt für Gesundheit (BAG), die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) sowie das Bundesamt für Statistik (BfS). Das Ziel ist, geeignete medizinische Qualitätsindikatoren auszuwählen und zu evaluieren, deren Messung in die bestehenden Assessmentinstrumente BESA, Plaisir/Plex und RAI-NH integriert werden kann. In der ersten Phase des Projekts wurden vier Messthemen ausgewählt: bewegungseinschränkende Maßnahmen, Mangelernährung, Polymedikation und Schmerzen. Vorläufige Ergebnisse eines Pilots legen nahe, dass die Indikatoren in der Lage sind, Unterschiede sichtbar zu machen und somit geeignet erscheinen. Nach Abschluss der Pilotierung werden die Daten in der endgültigen Fassung vom Bundesamt für Statistik erhoben. Eine Veröffentlichung obliegt dem Bundesamt für Gesundheit.
Der Langzeitbereich ist ansatzweise marktorientiert aufgebaut, d. h. die Entscheidung für einen Eintritt ins Pflegeheim bzw. für den Verbleib zu Hause treffen die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen. Je nach Kanton hängt der Eintritt von einer vorhergehenden Bedarfsabklärung ab (z. B. Basel-Stadt). Ebenso besteht einmal im Jahr die Möglichkeit die Versicherung zu wechseln; dies schafft einen gewissen Anreiz für eine hochwertige Versorgung.

5.3.4 Bewohner- und Angehörigen-Vertretung

In einigen Kantonen (z. B. Basel Stadt und Land, Solothurn, Bern und Graubünden) wurden Ombudsstellen3 eingerichtet, um im Streitfall zwischen Pflegeeinrichtungen und Bewohnern oder Angehörigen zu vermitteln. Beispiele für unterstützende Organisationen sind in der Deutschschweiz die Unabhängige Beschwerdestelle für das Alter (UBA)4, die Betroffene und Leistungserbringer bei Konflikt- und Gewaltsituationen unterstützt, sowie in der französischen Schweiz alter ego5, eine Organisation zur Vorbeugung von Misshandlung von älteren Menschen.

5.3.5 Veränderung durch interne Nutzung von Qualitätsdaten

Initiativen zur Qualitätsverbesserung werden bisher vor allem von den Kantonen in Zusammenarbeit mit Branchenvertretern initiiert. Private Anbieter stellen ebenfalls Qualitätsmessungen zur Verfügung und die Pflegebedarfserhebungsinstrumente ermöglichen die Messung von Qualitätsindikatoren. Für die verschiedenen Qualitätsberichtserstattungssysteme arbeiten Kantone und Branchenvertreter oft zusammen. So wird z. B. das Qualitätsmanual für Alters- und Pflegeheime qualivista6 in zehn Kantonen entweder vom Kanton oder vom kantonalen Heimverband oder von beiden zusammen als Online-Bewertungsinstrument angeboten, das die Qualitätsentwicklung unterstützt. In anderen Kantonen sind primär die Heimverbände treibende Kräfte für die Durchführung der Qualitätsberichterstattung, die dann zentral ausgewertet wird und ein Benchmarking erlaubt (z. B. Zürich, Fribourg). Oft werden die Prozesse durch entsprechende Audits unterstützt. Die Pflegebedarfserhebungsinstrumente enthalten jeweils eigene Qualitätsindikatoren, die den Heimen anhand der erhobenen Bewohnerdaten interne Vergleiche oder auch ein Benchmarking ermöglichen.

5.4 Fazit und Ausblick

Die beiden Beispiele aus den USA und der Schweiz illustrieren die Verortung der Regulierung auf der nationalen wie auch der bundesstaatlichen bzw. Kantonsebene. Dabei zeigt sich vor allem die Steuerung über Strukturen wie die Personalausstattung oder über die externe Inspektion der Einrichtungen. Während in den USA bereits ein weit entwickeltes System zur öffentlichen Berichterstattung existiert, ist dies in der Schweiz noch in der Entwicklung. Interessanterweise werden in den USA Strukturen und Prozesse zur internen Qualitätsentwicklung, etwa das kontinuierliche Qualitätsmanagement, weniger reglementiert bzw. verbindlich vorgeschrieben. Erst Ende 2017 haben die CMS nun diesen Schritt mit der Einführung des QAPI initiiert. Es ist noch zu früh zu beurteilen, ob diese Anforderungen den erwünschten Erfolg bringen, dennoch scheint die Stärkung der organisationseigenen Qualitätsmechanismen vielversprechend.
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Literatur
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Metadaten
Titel
Ordnungspolitische Ansätze zur Steuerung der Versorgungsqualität in der stationären Langzeitpflege in den USA und der Schweiz
verfasst von
Prof. Dr. Michael Simon
Dr. Franziska Zúñiga
Copyright-Jahr
2018
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56822-4_5