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19.04.2023 | Onkologische Fachpflege | Nachrichten

Kühltherapie: Schutz vor Oxaliplatin-bedingten Neuropathien?

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

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Das kontinuierliche Kühlen von Händen und Füßen vor, während und nach der Verabreichung einer Oxaliplatin-basierten Chemotherapie führte in einer randomisierten kontrollierten Studie aus Belgien zu einer signifikanten Reduktion therapiebedingter neuropathischer Beschwerden.

© RFBSIP / stock.adobe.comEine systemische Chemotherapie hat nicht selten neuropathische Beschwerden an Händen und Füßen zur Folge. 

Neuropathische Beschwerden an Händen und Füßen sind eine häufige Nebenwirkung vieler antineoplastischer Systemtherapien. Nicht selten gehen solche CIPN (Chemotherapie-induzierte Polyneuropathien) mit einer Dosisreduktion oder frühzeitigen Beendigung der Therapie einher. Das prophylaktische Abkühlen der Extremitäten hat sich in Studien als hilfreich erweisen, allerdings waren bislang eingesetzte Maßnahmen wie das Tragen gefrorener Handschuhe nicht nur wenig praktikabel, sondern für die Patienten auch ziemlich unangenehm.

Kontinuierliche Kühlung auf 11 Grad Celsius

Dr. Annemarie Coolbrandt von der Universitätsklinik Löwen und ihr Team haben jetzt speziell in Zusammenhang mit einer Oxaliplatinbehandlung ein kommerziell verfügbares System (Hilotherm® ChemoCare) getestet, das aus zwei Kühleinheiten sowie Manschetten für die Hand- und Fußkühlung besteht. Über die Manschetten werden Hände und Füße kontinuierlich während der gesamten Chemotherapiesitzung auf eine bestimmte Temperatur – in diesem Fall 11 °C – heruntergekühlt. Die Rationale hinter dem Verfahren: Durch die Kälte werden Durchblutung und Stoffwechsel verlangsamt. Damit soll die Aufnahme zytotoxischer Substanzen in die Nervenendigungen verhindert und somit Nervenschädigungen vermieden werden. Die Kühlmanschetten wurden jeweils eine halbe Stunde vor Beginn der zweistündigen Infusion angelegt und bis 30 Minuten nach Sitzungsende belassen.

An der randomisierten kontrollierten Studie hatten 77 Patienten und Patientinnen mit kolorektalem Karzinom oder anderen Tumoren des Gastrointestinaltrakts teilgenommen, die mit Oxaliplatin (allein oder in Kombination) behandelt wurden. Im Mittel wurden acht Zyklen Oxaliplatin verabreicht, die mittlere kumulative Dosis betrug 948 mg/m2. Im experimentellen Arm (mit Kühlung) befanden sich 39 Teilnehmende, die anderen 38 erhielten eine Standardversorgung und bildeten die Vergleichsgruppe. Primärer Endpunkt war die Rate derjenigen, die spätestens zwölf Wochen nach Chemotherapiebeginn keine Neuropathiesymptome vom Grad 2 oder höher angaben (im Selbstauskunftsbogen PRO-CTCAE).

Schutz auch vor akuten Beschwerden

Nach Coolbrandt und Kollegen traf dies für die komplette Hilotherapiegruppe zu (100%), dagegen nur für knapp 81% aus der Vergleichsgruppe. Damit sei der prophylaktische Effekt nach zwölf Wochen signifikant gewesen, ebenso der nach 24 Wochen (66% gegenüber 49%). Die Interventionsgruppe habe außerdem signifikant weniger Symptome einer akuten OIPN (Oxaliplatin-induzierte Polyneuropathie) wie Kribbeln oder Taubheit und deutlich weniger Schmerzen und/oder Kälteempfindlichkeit verspürt, sowohl an Fingern und Zehen als auch im Rachen. Die Dauer solcher akuten Symptome war median drei Tage kürzer.

Die vorgesehene antineoplastische Therapie hatten in der gekühlten Gruppe etwas mehr, nämlich 94% gegenüber 83%, unverändert erhalten. Nach zwölf Wochen hatten 5% gegenüber 18% die Oxaliplatindosis angepasst, nach 24 Wochen waren es 13% gegenüber 29%. Diese Unterschiede waren allerdings nicht signifikant. Wichtig zu erwähnen ist außerdem, dass die Hilotherapie in einer Longitudinalanalyse unter Verwendung des Fragebogens EORTC QLQ-CIPN20* nach 24 Wochen keinen signifikanten Effekt erzielt hatte.

Kühlmanschetten meist gut toleriert

Wie Coolbrandt und ihre Mitforschenden berichten, habe die Mehrheit in der Hilotherapiegruppe das Tragen der Manschetten und die Kälte als „neutral“, „relativ angenehm“ oder „sehr angenehm“ beurteilt. Am stärksten hätten sich die Beteiligten durch die Mobilitätseinschränkung während der insgesamt dreistündigen Sitzungen beeinträchtigt gefühlt. Vier Patienten hatten die Anwendung vorzeitig gestoppt.

Auch wenn die Kühlung als Maßnahme zur Vorbeugung neuropathischer Beschwerden kontraintuitiv erscheine – schließlich würde man gefährdeten Patienten vorsorglich raten, nach der Oxaliplatintherapie möglichst keine kalten Gegenstände zu berühren –, habe die Studie einen eindeutigen prophylaktischen Effekt gezeigt, so das Resümee der Forschenden. Der Vorteil gegenüber den gefrorenen Handschuhen liege darin, dass das Hilotherapiesystem kontinuierlich kühle, wodurch eine stabilere Vasokonstriktion erzielt werden könne. Außerdem erspare man sich die Mühe, die Handschuhe ständig gegen frisch gekühlte auszuwechseln.

*European Organisation of Research and Treatment of Cancer-Chemotherapy -Induced Peripheral Neuropathy 20-item-scale

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Randomisierte kontrollierte Studie zum Effekt der Hilotherapie (Kühlung von Händen und Füßen mithilfe des Hilotherm® ChemoCare-Systems) zur Vermeidung Oxaliplatin-induzierter peripherer Neuropathien (OIPN).

Antwort: In der experimentellen Gruppe lag der Anteil der Patienten, die von zweit- oder höhergradigen OIPN frei waren, bei 100%, in der Vergleichsgruppe ohne Kühlung bei 81%. Der Effekt hielt bis zum Ende der Nachbeobachtung (24 Wochen) an. Nach zwölf Wochen hatten 94% (gegenüber 83%) ihre Chemotherapie unverändert fortgesetzt, dieser Unterschied war jedoch nicht signifikant.

Bedeutung: Die Studiendaten legen einen prophylaktischen Effekt der Hilotherapie im Zusammenhang mit einer Oxaliplatin-basierten Chemotherapie nahe.

Einschränkung: Heterogenität der Patienten in Bezug auf Krankheitsstadium und therapeutisches Regime; OIPN-Schwere mittels PRO-CTCAE erfasst; Nachbeobachtung auf ein halbes Jahr beschränkt; kein signifikanter Effekt im Fragebogen der European Organisation of Research and Treatment of Cancer (EORTC QLQ-CIPN20).

Quelle: Springer Medizin

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