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12.12.2018 | Onkologie | Nachrichten

Checkpoint-Inhibitoren – die Bremsen des Immunsystems lösen

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Mit dem Nobelpreis für Medizin sind am 10. Dezember zwei Wissenschaftler ausgezeichnet worden, die die Krebsmedizin revolutioniert haben: Unabhängig voneinander legten James P. Allison und Tasuko Honjo die Basis für die Immuntherapie. Diese hat sich inzwischen als vierte Säule der Krebstherapie etabliert. Für bisher als unheilbar geltende Patienten gibt es jetzt eine Behandlungsoption, die neue Hoffnung schenkt.

Die fundamentale Eigenschaft unseres Immunsystems besteht darin, „Fremd“ und „Selbst“ zu unterscheiden. Dadurch ist es in der Lage, sehr effektiv eindringende Krankheitserreger zu identifizieren und zu bekämpfen. Im Körper erkennt das Immunsystem zudem gealterte, geschädigte oder entartete Zellen und macht sie unschädlich. Das muss mit Maß geschehen, damit gesunde Zellen verschont bleiben. Dabei helfen Moleküle, die wie Bremsen auf das Immunsystem wirken – sogenannte Immun-Checkpoints.

CTLA-4 und PD-1 fungieren als Bremse © [M] Karolinska InstitutDie Oberflächen-Proteine CTLA-4 und PD-1 auf T-Zellen wirken wie Bremsen im Immunsystem. Sie verhindern die Aktivierung zwischen T-Zelle und Antigen-präsentierender Zelle. Antikörper (grün) gegen die Immunbremsen lösen die Blockade auf. Dadurch ermöglichen sie den Angriff auf die Krebszelle.

Bei einer Krebserkrankung ist eine Zurückhaltung des Immunsystems jedoch fehl am Platz. Vielmehr geht es darum, Tumorzellen rasch und umfassend auszuschalten. Häufig entwickeln Tumorzellen Strategien, um der Immunabwehr zu entgehen. Die beiden Nobelpreisträger fanden den Schlüssel zu neuen Medikamenten, die die Abwehr „scharf“ schalten.

Zwei Wege, ein Ziel

Bereits in den 1990er Jahren entdeckte der amerikanische Immunologe James P. Allison, dass das Oberflächenprotein  CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte-associated antigen-4) auf den T-Zellen des Immunsystems wie eine Bremse wirkt. Es verhindert, dass diese die Krebszellen erkennen, angreifen und zerstören. Allisons Strategie war es, CTLA-4 zu blockieren. Seine Hoffnung: Damit sollte die Immunbremse gelöst und die Abwehr „entfesselt“ werden.  Ende 1994 setzte Allison erstmals einen Antikörper gegen CTLA-4 bei krebskranken Mäusen ein. Mit spektakulärem Erfolg: Die Tiere waren geheilt. Im nächsten Schritt setzte Allison alles daran, eine Therapie zu entwickeln, die auch Menschen mit Krebs helfen kann. In einer klinischen Studie gelang 2010 der Durchbruch.  Ein Antikörper gegen die Immunbremse CTLA-4 brachte bei Melanom-Patienten den Krebs zum Verschwinden. Das war bei dieser Patientengruppe bisher nicht gelungen.

Der japanische Forscher Tasuko Honjo verfolgte eine ähnliche Strategie. Er entdeckte 1992 an der Universität Kyoto das Protein PD-1 („programmed cell death 1“) auf der Oberfläche von T-Zellen. In eleganten Experimenten konnte er zeigen, dass PD-1 ebenfalls als T-Zell-Bremse wirkt. Das geschieht im Vergleich zu CLTA-4 über einen anderen Mechanismus. Krebszellen können zudem auf ihrer Oberfläche Eiweiße ausbilden, die an PD-1 binden und so die Immunbremse anwerfen. Damit nutzen sie PD-1, um sich vor dem Angriff der Abwehrzellen zu schützen. In Tiermodellen erwies sich die Blockade von PD-1 rasch als vielversprechender Ansatz im Kampf gegen den Krebs. Damit war der Weg geebnet für die Entwicklung von Wirkstoffen, die PD-1 als Angriffspunkt nutzen.

Heute sind verschiedene Medikamente verfügbar, die über die Immunbremsen CTLA-4 oder PD-1 wirken. Diese „Checkpoint-Inhibitoren“ sind beispielsweise zugelassen für die Behandlung des fortgeschrittenen Maligen Melanoms oder bei nicht-kleinzelligem Lungenkrebs.

Mehr als 100 Jahre lang hatten Wissenschaftler zuvor versucht, das Immunsystem in den Kampf gegen den Krebs einzuspannen. Erst die Entdeckungen der beiden Nobelpreisträger brachten den Durchbruch und wirksame Medikamente. Und, so das Nobelkomitee, sie haben den Blick darauf verändert, wie Krebs beherrscht werden kann. (ne)

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