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28.08.2024 | Onkologie | Nachrichten

Neuropathie vermeiden

Muskeln trainieren gegen Nervenschäden durch Chemotherapie

verfasst von: Anja Oberender

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Chemotherapien können die Nerven schädigen und damit die Lebensqualität von Betroffenen zusätzlich einschränken. Körperliches Training reduziert das absolute Risiko für Neuropathien aber um bis zu 40%.

Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathien (CIPN) sind bei Patientinnen und Patienten, die Oxaliplatin oder Vincaalkaloide erhalten, klinisch besonders relevant. Sie treten bei 70-90% der Betroffenen auf, Symptome sind unter anderem Gefühlsverlust, Kribbeln, Schmerzen und Gleichgewichtsstörungen, die zu Stürzen führen können. Häufig sind die Beeinträchtigungen so stark, dass sie eine Änderung der Therapie erforderlich machen, was den Behandlungserfolg reduzieren kann. Wirksame Medikamente gegen CIPN gibt es bislang nicht.

Ein Forschungsteam um Dr. Fiona Streckmann von der Deutschen Sporthochschule Köln hat jetzt den Effekt von Bewegung auf CIPN getestet. Dabei wurden in einer randomisierten, multizentrischen Studie mit 158 Patientinnen und Patienten, die hauptsächlich an einem Lymphom oder einem kolorektalen Karzinom erkrankt waren und eine Erstlinientherapie mit Oxaliplatin oder Vincaalkaloiden erhielten, zwei verschiedene Trainingsarten untersucht. In einer Gruppe mit 55 Teilnehmenden fand ein sensomotorisches Training (SMT) statt. Dabei trainierten die Patientinnen und Patienten auf einer Oberfläche mit steigender Instabilität ihre Balance. Es gab vier standardisierte Übungen, die mit regelmäßigen Pausen dreimal für jeweils 20 Sekunden ausgeführt wurden. In der zweiten Gruppe trainierten 53 Personen mittels Ganzkörpervibration (Whole body vibration, WBV). Dafür wurde eine seitenalternierende Vibrationsplattform verwendet, auf der die Teilnehmenden vier Trainingsrunden mit einer jeweils 30 bis 60 Sekunden andauernden Vibration und anschließender Pause absolvierten. In beiden Gruppen fanden die Übungen jeweils zweimal pro Woche unter Aufsicht statt, wobei eine komplette Trainingseinheit etwa 15 bis 30 Minuten in Anspruch nahm. Eine Kontrollgruppe mit 50 Erkrankten erhielt lediglich die übliche Versorgung.

Nach zwölf Wochen fand ein Screening auf CIPN statt. Dabei wurden Parameter wie die Vibrationssensitivität, das Vorliegen und die Stärke des Achillessehnenreflexes, die Empfindlichkeit gegenüber Berührungen sowie die Leitfähigkeit der Nerven analysiert. Außerdem füllten die Teilnehmenden den Fragebogen „Functional Assessment of Cancer Therapy/Gynaecology Oncology Group–Neurotoxicity“ aus, um subjektiv wahrgenommene Symptome zu erfassen. Aus den Ergebnissen ermittelten die Forschenden, ob eine CIPN vorlag. Die Teilnehmenden wurden zusätzlich dazu aufgefordert, alle Anzeichen von CIPN sofort mit den behandelnden Onkologinnen und Onkologen zu besprechen.

Größter Effekt bei SMT und Vincaalkaloiden

Die Ergebnisse zeigen, dass sich durch das körperliche Training die Häufigkeit von CIPN signifikant reduzierte. Während in der Kohorte mit SMT bei 30,0% und in der Kohorte mit WBV bei 41,2% der Teilnehmenden eine CIPN auftrat, nahmen die Nerven bei 70,6% der Patientinnen und Patienten in der Kohorte ohne die zusätzliche Bewegung einen Schaden. Am meisten profitierten Erkrankte von der Therapie, die SMT machten und Vincaalkaloide erhielten. Auch einige sekundäre Endpunkte zeigen den Vorteil des Trainings. In der SMT-Kohorte war so zum Beispiel nur in zwölf Fällen eine Dosisreduktion der Chemotherapie notwendig, verglichen mit 22 Fällen unter normaler Behandlung und 21 Fällen unter WBV. In der SMT-Kohorte verstarb außerdem nur eine Person, unter Chemotherapie ohne Training waren es sieben Personen.

Damit scheint vor allem körperliche Betätigung in Form von SMT hilfreich zu sein, um CIPN zu vermeiden. Allerdings eignet sich das Training nicht in jedem Fall. Von den 409 Krebserkrankten, die die primären Einschlusskriterien für die Studie erfüllten, war für 55 Personen die Anreise zu den Trainingsstunden zu aufwändig, weitere 45 konnten durch Kontraindikationen nicht trainieren.

Quelle: Springer Medizin

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Literatur

Streckmann F et al. Preventive Effect of Neuromuscular Training on Chemotherapy-Induced Neuropathy: A Randomized Clinical Trial. JAMA Intern Med 2024 Jul 1:e242354. doi: https://doi.org/10.1001/jamainternmed.2024.2354

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