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18.10.2023 | Onkologie | Nachrichten

Krebspatientinnen unzufrieden mit "Scalp Cooling"

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

Überwiegend nicht zufrieden mit dem Effekt des Scalp Cooling zur Vermeidung von chemotherapiebedingtem Haarausfall waren Brustkrebspatientinnen der Medizinischen Universität Innsbruck. In der PRO-Hair-Safe-Studie hatten mehr als zwei Drittel die Kühltherapie vorzeitig abgebrochen, die Ergebnisse in Fragebögen zur Lebensqualität waren letztlich nicht besser als in einer Kontrollgruppe.

Haarverlust  © TS. PHOTOS / Stock.adobe.comBrustkrebspatientinnen leiden oft erheblich unter dem chemotherapiebedingten Haarverlust. Methoden, diesen zu umgehen, werden daher gerne genutzt. Der Erfolg lässt aber nicht selten zu wünschen übrig (Symbolbild). © TS. PHOTOS / Stock.adobe.com

Der Haarausfall als Folge einer Chemotherapie macht Brustkrebspatientinnen in der Regel sehr zu schaffen. Betroffene Frauen berichten, sie hätten danach das Gefühl, an Weiblichkeit, Attraktivität und Selbstwert eingebüßt zu haben. Studien zufolge entschließen sich bis zu 10% wegen der Alopezie sogar zu einem Abbruch der Krebstherapie.

Große Hoffnungen ruhen in diesem Zusammenhang auf dem begleitend zur Chemotherapie eingesetzten Scalp Cooling: Mithilfe einer Kühlkappe wird dabei die Kopfhaut heruntergekühlt. Die dadurch bedingte Gefäßkonstriktion soll die an der Haarwurzel ankommende Konzentration an Chemotherapeutikum minimieren, was im Idealfall verhindern soll, dass die Haare ausfallen. In verschiedenen Studien konnte man mit der Methode bereits beachtliche Erfolge erzielen, mit einer objektiv gemessenen Reduktion des Haarverlusts um bis zu 50% gegenüber Kontrollgruppen.

Wie gut das Scalp Cooling jedoch in der Praxis, außerhalb eines randomisierten Settings, funktioniert, und vor allem, wie der Effekt von den Patientinnen selbst wahrgenommen wird, wollte ein Team um Christine Brunner, Gynäkologin an der Medizinischen Universität Innsbruck, wissen.

Intervention in 70% der Fälle abgebrochen

Mit einem derart unbefriedigenden Ergebnis hätten die Autorinnen und Autoren der PRO Hair Safe Study nicht gerechnet: Von den 75 Patientinnen, die sich aktiv für die Kühlkappe entschieden hatten, brachen 71% die Intervention vorzeitig ab, im Mittel nachdem sie 40% der Chemotherapiedauer überstanden hatten. Als Grund für den Abbruch gaben die meisten (knapp 74%) an, dass das Scalp Cooling wenig gebracht habe und es trotzdem zu einer Alopezie gekommen sei.

An der zweiarmigen nicht randomisierten Studie hatten insgesamt 113 Brustkrebspatientinnen in verschiedenen Krankheitsstadien teilgenommen, von denen 38 als Kontrollpersonen dienten. Ein besonderer Fokus lag auf der Lebensqualität. In dieser Hinsicht war die Gruppe mit Scalp Cooling im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Kühltherapie nicht überlegen.

Fragen zur Lebensqualität und zum Körperbild

Abgefragt wurde die Lebensqualität mithilfe von zwei Skalen:

  • dem auf Krebserkrankte allgemein zugeschnittenen EORTC QLQ-C30 mit insgesamt 30 Fragen zu Alltagsfunktionen und subjektiven Symptomen und
  • dem EORTC QLQ-BR23, der 23 speziell auf Brustkrebs bezogene Fragen enthält.

Diese hatten Brunner und ihr Team noch durch vier weitere Fragen zum Haarverlust aus der EORTC Item Library ergänzt:

  • Haben Sie Haare verloren?
  • Hat Sie das aus der Fassung gebracht?
  • Hat es Sie beunruhigt, dass die Chemotherapie Auswirkungen auf Ihr Haar hatte? 
  • Hatten Sie infolge der Erkrankung oder Therapie dünnes oder kraftloses Haar?

Und schließlich wurde mithilfe der Body Image Scale (BIS) das subjektive Körperbild abgefragt.

Alle Fragebögen wurden den Patientinnen zu fünf verschiedenen Zeitpunkten vorgelegt: Vor Therapiebeginn, während der Chemotherapie, zum letzten Therapiezyklus sowie drei und dann noch einmal sechs bis neun Monate nach abgeschlossener Chemotherapie.

Kaum Unterschiede zur Kontrollgruppe

Wie Brunner und ihr Team berichten, ließ sich in keiner der Skalen und zu keinem Zeitpunkt ein nennenswerter Unterschied zwischen Interventions- und Vergleichsgruppe feststellen. Die Intention-to-Treat-Analyse habe keinerlei Verbesserung der von den Patientinnen selbst berichteten Symptomlast nachweisen können. Aus subjektiver Sicht habe der Erhalt der Haare in der Gruppe mit Kopfhautkühlung nicht besser funktioniert als ohne. Das Scalp Cooling habe auch keinen nützlichen Effekt im Hinblick auf das Körperbild oder auf emotionale oder soziale Funktionen gezeigt.

Patientinnensicht stärker berücksichtigen!

„In den meisten Studien wird eine Rate von mehr als 50% erhaltenem Kopfhaar schon als positiv bewertet“, schreiben Brunner und Kollegen. In der schon früher publizierten Hair-Safe-Studie habe man allerdings zeigen können, dass die Patientinnen den Haarverlust im Mittel deutlich gravierender einschätzten als Experten. Die subjektive Einschätzung ist für die Autoren und Autorinnen in diesem Zusammenhang zentral. Die Erfahrung zeige, dass bereits ein geringfügiger Haarverlust das äußere Erscheinungsbild verändern und zu einer leidvollen Erfahrung beitragen könne. Bevor man das Scalp Cooling in die klinische Routine aufnehme, sei es demnach sinnvoll, Kriterien für ein aus Patientinnensicht angemessenes Ergebnis zu definieren.

Quelle: Springer Medizin

Literatur

Brunner C et Al. PRO Hair Safe Study: The Patient’s Perspective on the Effects of Scalp Cooling on Hair Preservation. Breast Cancer: Targets and Therapy 2023;15:485–494; https://doi.org/10.2147/BCTT.S412338