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10.04.2024 | News Hebammen | Nachrichten

Studienabbruch

Vermehrte Frühgeburten bei Untersuchung von RSV-Impfstoff

verfasst von: Dr. Nicola Zink

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Eine mütterliche Impfung verhindert weltweit Millionen Fälle etwa von Tetanus und Pertussis bei Säuglingen und könnte diese auch vor RSV schützen. Jedoch musste vor Kurzem eine entsprechende Phase-3-Studie frühzeitig abgebrochen werden, da vermehrt Frühgeburten auftraten. Die Forschenden haben Vermutungen, warum es dazu kam.

Im Jahr 2020 wurde eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-3-Studie (RSV MAT-009) in 24 Ländern auf sechs Kontinenten eingeleitet. Es sollten die Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs RSVPreF3-Mat gegen respiratorisches Synzytial-Virus(RSV)-assoziierte Erkrankungen der unteren Atemwege bei Säuglingen untersucht werden, deren Mütter den Impfstoff während der Schwangerschaft erhalten hatten. GlaxoSmithKline (GSK) hatte die Vakzine, die auf dem RSV-Präfusions-F-Protein (RSVpreF) basiert, zur Verwendung an Schwangeren ab der 24. Schwangerschaftswoche entwickelt.

Mitte Februar 2022 jedoch informierte das unabhängige Datenüberwachungskomitee, das die Studie beaufsichtigt, über ein Ungleichgewicht bei den Frühgeburten in der Impfstoff- im Vergleich zur Placebogruppe. Nach weiteren Untersuchungen stoppte GSK am 25. Februar 2022 die noch nicht abgeschlossene Rekrutierung und Impfung weiterer Probandinnen sowie alle anderen laufenden RSVPreF3-Mat-Studien mit schwangeren Frauen.

Bis zu diesem Zeitpunkt waren 5.328 Schwangere in RSV MAT-009 aufgenommen worden, geplant waren ursprünglich 10.000 Frauen. Die bis zu diesem Zeitpunkt gesammelten Daten der Frauen und ihrer 5.233 Säuglinge konnten von der Forschungsgruppe um Ilse Dieussaert von der Firma GSK aus dem belgischen Wavre ausgewertet werden.

Vermehrte Frühgeburten

Die Analyse des Datensatzes am Tag 43 nach der Geburt ergab, dass bei 6,8% der Schwangeren in der Impfstoffgruppe und bei 4,9% in der Placebogruppe eine Frühgeburt aufgetreten war. Das Risiko für eine Frühgeburt war nach der RSV-Impfung um 37% erhöht.

Das Ungleichgewicht in der Inzidenz von Frühgeburten wurde vor allem in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen beobachtet. Das Risiko für eine Frühgeburt unter der Prüfvakzine war in diesen Ländern im Vergleich zu Placebo um 56% erhöht, in Ländern mit hohem Einkommen hingegen nur um 4%. Die Inzidenz von Frühgeburten in den beiden Studiengruppen lag in den meisten teilnehmenden Ländern unter der Hintergrundinzidenz. Zusätzlich war die Untersuchung während der COVID-19-Pandemie durchgeführt worden. Das größte Ungleichgewicht trat auf, als die Delta-Variante dominierte.

Der neonatale Tod trat bei 0,4% (13 von 3.494) bzw. 0,2% (3 von 1.739) der Kinder auf (relatives Risiko: 2,16). Das Ungleichgewicht war statistisch nicht signifikant und kann laut den Studienautorinnen und -autoren auf den höheren Prozentsatz von Frühgeburten in der Impfstoffgruppe zurückzuführen sein. Von den Frühgeborenen starben in der Impfstoffgruppe sieben und keines nach Placebogabe. Bei den voll ausgetragenen Säuglingen kam es zu sechs bzw. drei Todesfällen, ein Ergebnis, das das Randomisierungsverhältnis von 2:1 widerspiegelt.

Die Teilnehmerinnen konnten während der Schwangerschaft Standardimpfungen, etwa gegen Influenza oder Tetanus, erhalten, jedoch nicht innerhalb der zwei Wochen vor oder der zwei Wochen nach Erhalt des Testimpfstoffs oder des Placebos. Frauen mit klinisch bedeutsamen Komplikationen während der aktuellen Schwangerschaft oder mit zwei oder mehr früheren Totgeburten, Todesfällen bei Neugeborenen oder Frühgeburten waren von der Studie ausgeschlossen worden.

Vakzine wirksam gegen RSV-Infektionen

Insgesamt wurden 3.426 Säuglinge in der Impfstoff- und 1.711 in der Placebogruppe von der Geburt bis zum Alter von sechs Monaten nachbeobachtet. Bei 16 (RSV-Impfstoff) bzw. 24 (Placebo) Säuglingen war es zu einer RSV-assoziierten Erkrankung der unteren Atemwege gekommen, 8 bzw. 14 hatten eine schwere RSV-assoziierte Erkrankung der unteren Atemwege (Wirksamkeit des Impfstoffs: 65,5% vs. 69,0%).

Ursachen unklar

„Das erhöhte Risiko einer Frühgeburt in der Impfstoffgruppe wurde vor allem in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen beobachtet, war in der Studie auf einen definierten Zeitraum begrenzt und bleibt ungeklärt“, fasst das Team um Dieussaert die Ergebnisse zusammen. Der Mechanismus, durch den RSVPreF3-Mat im Vergleich zu Placebo zu einem erhöhten Risiko einer Frühgeburt geführt haben könnte, sei unbekannt.

„Wenn ein kleinerer Prozentsatz von Teilnehmerinnen aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen an unserer Studie teilgenommen hätte, wäre das relative Risiko einer Frühgeburt in der Impfstoffgruppe in der Studienpopulation möglicherweise geringer gewesen“, fügen die Forschenden hinzu. Andere Parameter des sozioökonomischen Status als die Lage des Studienorts in einem Land mit niedrigem oder mittlerem Einkommen waren nicht mit dem Ungleichgewicht bei Frühgeburten verbunden.

Weitere Überwachung nötig

In einem begleitenden Editorial ziehen Sonja A. Rasmussen von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore und Denise J. Jamieson von der University of Iowa Carver College of Medicine in Iowa City Vergleiche zu dem bereits zugelassenen bivalenten RSVpreF-Impfstoff Abrysvo® (Pfizer Pharma). Obwohl Letzterer bivalent und RSVPreF3-Mat monovalent ist, seien die Impfstoffe ansonsten ähnlich. Ob das Sicherheitssignal im RSVPreF3-Mat-Versuch real oder zufällig aufgetreten ist, sei unbekannt. Eine Frühgeburt kam bei 5,7% der Säuglinge in der bivalenten Impfstoffgruppe und bei 4,7% unter Placebo vor.

Angesichts der Besorgnis über einen möglichen Zusammenhang mit Frühgeburten beschränkte sich die FDA-Zulassung auf die Verabreichung des bivalenten Impfstoffs zwischen Schwangerschaftswoche 32 + 0 und 36 + 6, um das mit der Impfung verbundene Risiko einer extremen und sehr frühen Frühgeburt auszuschließen. Auch bei Abrysvo® sei laut Rasmussen und Jamieson jedoch eine Überwachung nach dem Inverkehrbringen weiterhin angezeigt.

Literatur

Dieussaert I et al. RSV Prefusion F Protein–Based Maternal Vaccine — Preterm Birth and Other Outcomes. N Engl J Med 2024;390:1009-21; https://doi.org/10.1056/NEJMoa2305478

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