Schwangere, die mit HIV infiziert sind, laufen Gefahr, das Virus auf das Kind zu übertragen. Interdisziplinäre pränatale Versorgung kann das Risiko minimieren. Das hat eine Studie ergeben, die sich auch mit der Rate an Kaiserschnitten in dieser Gruppe von Frauen beschäftigt hat.
Eine Gruppe von Geburtshelfern, Pränatalmedizinern, Pädiatern und Sozialmedizinern, angeführt von Maja Hofacker von der Berliner Charité, hat sich dem Problem der Hochrisikoschwangerschaften von Frauen mit HIV in einer retrospektiven Studie gewidmet. Ihr Augenmerk galt dabei vordringlich der Häufigkeit von Virusübertragungen durch die Mutter auf das Kind. Neben weiteren Aspekten wie dem Auftreten fetaler Anomalien war auch die Art der Entbindung für die Forschenden von Interesse.
Hofacker und Kollegen werteten die Daten von 420 schwangeren Frauen aus, die mit HIV infiziert waren und an der Charité insgesamt 428 Kinder zur Welt gebracht hatten. 415 von ihnen (98,8%) standen unter antiretroviraler Therapie, 88,8% lagen vor der Entbindung mit ihrer Viruslast unter einem Wert von 50 Kopien/ml. Für diese Viruslast empfiehlt die „Deutsch-Österreichische Leitlinie zur HIV-Therapie in der Schwangerschaft und bei HIV-exponierten Neugeborenen“ eine vaginale Entbindung, sofern der HIV-RNA-Wert mindestens vier Wochen vor der Geburt und bis zur Entbindung unter 50 Kopien/ml liegt. Die Schwangere soll zudem antiretroviral behandelt werden, und die Geburtshelfer sollten keine relevanten Risiken sehen. Andernfalls wird zur elektiven Sectio geraten.
46 Kinder (10,7%) kamen zu früh zur Welt, ein geringes Geburtsgewicht von weniger als 2500 g hatten 38 Kinder (9,1%). 219 Kinder (52,1%), wurden per Kaiserschnitt geholt, die häufigste Indikation dafür war eine bereits früher erfolgte Sectio (70,2%). Acht Kinder wiesen in der Sonografie im ersten bzw. zweiten Trimester schwere Malformationen auf. Eine HIV-Transmission von der Mutter aufs Kind war nur in einem Fall (0,2%) postpartal festzustellen. Der Prozentsatz lag damit niedriger als in anderen Studien aus Deutschland, wo sich der Anteil zwischen 0,5% und 2,0% bewegt hatte.
Unnötige Kaiserschnitte vermeiden
„Die geringe Rate vertikaler Transmissionen ist das Ergebnis interdisziplinärer pränataler Versorgung und der großen Erfahrung der Mediziner in der Behandlung von Frauen mit HIV“, resümieren Hofacker und Mitarbeiter ihre Resultate. Es sei notwendig, den Anteil unnötiger Kaiserschnitte bei HIV-infizierten Schwangeren zu senken, um Komplikationen in Folgeschwangerschaften zu vermeiden.
In der Dokumentation der Kaiserschnitte bedienten sich die Forscher der 2001 vorgestellten und 2015 von der WHO übernommenen Klassifikation nach Michael Robson, einem Spezialisten für Geburtshilfe aus Dublin. Die Klassifizierung wurde entwickelt, um besser zu verstehen, weshalb sich die Sectio-Raten in den derzeitigen Höhen befinden, wo doch die WHO Raten jenseits von 10–15% für nicht gerechtfertigt ansieht. Indikationen spielen für die Robson-Klassifikation keine Rolle. Vielmehr werden Schwangerschaften nach einfachen obstetrischen Parametern wie Parität, vorherigen Kaiserschnitten, Zeitpunkt des Geburtsbeginns, Lage und Zahl der Feten in zehn alle Schwangeren erfassende und sich wechselseitig ausschließende Kategorien eingeteilt. Das ermöglicht ein Monitoring der Sectio-Raten in den einzelnen Kategorien sowie einen Vergleich der Raten in verschiedenen Einrichtungen.
409 Schwangerschaften waren aufgrund der vorliegenden Daten gemäß Robson klassifizierbar. Die Sectio-Rate betrug in dieser Gruppe 53,1%. Die geringste Kaiserschnittrate hatten mit 2,9% multipare Frauen mit einer Einlingsschwangerschaft in Kopflage mit Spontangeburtsbeginn mindestens nach der 37. Woche. Multipare Frauen mit Einlingen in Steißlage, Frauen mit Mehrlingen und solche mit Einlingen in Querlage wurden sämtlich per Kaiserschnitt entbunden. Die größte Gruppe stellten die 127 Schwangeren mit Einlingen nach der 37. Woche, die schon vorher mindestens einen Kaiserschnitt gehabt hatten; 80,3% von ihnen wurden erneut einer Sectio unterzogen.