Skip to main content

06.05.2022 | News Hebammen | Nachrichten

JA zum Kreißsaal – wenn …

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Die Situation in vielen Kreißsälen in Deutschland ist äußerst angespannt – weil es nicht genügend Hebammen gibt. Anlässlich des Internationalen Hebammentags am 5. Mai ging der Deutsche Hebammenverband dem auf den Grund und befragte 3.500 seiner Mitglieder: Ist das wirklich so einfach – oder steckt der Teufel nicht vielmehr im Detail?  Die Ergebnisse bringen prekäre Arbeitsbedingungen ans Licht.

Jährlich kommen in Deutschland rund 790.000 Kinder zur Welt, 98% im Kreißsaal einer Klinik. Dass Hebammen hier eine zentrale Rolle zukommt, liegt auf der Hand. Doch Zeitmangel, personeller Notstand und fachfremde Tätigkeiten verursachen dauerhaft hohe Belastungen – mit schwerwiegenden Folgen für Hebammen: 70% arbeiten nur noch in Teilzeit, haben dem Kreißsaal den Rücken zugekehrt oder ihren Beruf ganz aufgegeben. Selbst junge und werdende Hebammen resignieren im Laufe ihrer Ausbildung. Der DHV fragte deshalb jetzt seine Mitglieder, ob sie auf folgende Aussage mit Ja oder Nein antworten würden: „Wenn die Eins-zu-eins-Betreuung der Frau garantiert ist, ich nur Hebammentätigkeit ausführen muss und hebammengeleitete Geburtshilfe nicht nur leere Worte sind, dann arbeite ich (wieder/mehr) im Kreißsaal. Dann kann man auf mich zählen!"

3.500 Hebammen haben sich an dieser Umfrage beteiligt; davon haben rund 2.700 mit JA geantwortet. Sie alle sagen Ja zum Arbeitsplatz Klinik – jedoch nur, wenn vieles sich ändert!

Deutlicher Appell an die Politik

„Ein klares Votum und ein starkes Signal in Richtung Politik und Klinikbetreiber“, fasst DHV-Präsidentin Ulrike Geppert-Orthofer die Umfrage-Ergebnisse zusammen. „Die Arbeitsbedingungen in der klinischen Geburtshilfe haben sich in den vergangenen 20 Jahren dramatisch verschlechtert. Jetzt ist es 5 vor 12. Gebärende sind heute überfüllten Kreißsälen ausgesetzt, werden weggeschickt und stark verunsichert, weil sie nicht wissen, wo und unter welchen Bedingungen sie ihr Kind auf die Welt bringen können. Zugleich werden Hebammen genötigt, in Stoßzeiten bis zu vier Gebärende gleichzeitig zu betreuen, doppelt so viele wie in anderen europäischen Ländern. Ein Skandal und einem Land wie unserem unwürdig“, betont Geppert-Orthofer. „Es ist einfach nicht nachvollziehbar, dass ausgerechnet im sensiblen Versorgungsbereich wie der Geburtshilfe an Personal gespart wird. Am Fachkräftemangel jedenfalls liegt es nicht, das konnten wir mit unserer Umfrage zeigen", so die Präsidentin weiter.

Gute Geburtshilfe muss das Sahnehäubchen einer Klinik sein

Andrea Ramsell, Beirätin für den Angestelltenbereich im DHV ergänzt: „Wir sehen unsere Kolleginnen und sehen, wie aus einer hochmotivierten Berufsgruppe in den letzten Jahren eine desillusionierte Berufsgruppe geworden ist. Dafür gibt es viele Gründe. Wenn geburtshilfliche Klinikstandorte schließen müssen, zum Beispiel, ohne dass umliegende Häuser den zusätzlichen Versorgungsbedarf kompensieren können. Für die Region gibt es dann oft nicht einmal einen strukturierten Versorgungsplan. Für Hebammen bedeutet das, sie müssen verstärkt fachfremde Tätigkeiten übernehmen und so Versorgungslücken schließen.“ Der Skandal laut Ramsell ist, dass diese Leistungen weder systematisch erfasst noch angemessen über DRGs vergütet werden und in der Personalplanung keine Rolle spielen. Hinzukommen strukturelle Fehlanreize. Das heißt, für Klinikbetreiber sei es wirtschaftlich lukrativer, den Personalschlüssel niedrig zu halten. Andrea Ramsell erklärt weiter: „Geburtshilfe in deutschen Kliniken lohnt sich de facto nicht! Und genau hier muss dringend ein Umdenken erfolgen. Klinische Geburtshilfe muss zu den gewinnbringenden Abteilungen eines Krankenhauses gehören und eine personalintensive Eins-zu eins-Betreuung ausdrücklich belohnt werden. Das ist Auftrag an die Politik, aber auch an unsere Gesellschaft. Denn wie Kinder in Deutschland geboren werden, ist Grundlage unserer kulturellen und ethischen Prinzipien und nicht verhandelbar.“

Hebammen haben eine Stimme – hört ihnen zu!

Über 1.000 Hebammen haben im Rahmen der Umfrage nicht nur ihre Stimme abgegeben, sondern auch die Gelegenheit für ein persönliches Statement genutzt. Entstanden ist ein Zeitdokument aus der Lebenswelt der Hebammen, die an der Umfrage teilgenommen und mit Ja geantwortet haben. Ihre Worte rütteln auf, berühren und bleiben hängen. In der Soundcloud des DHV kann man hören, was diese Hebammen zu sagen haben.

hebammenverband.de

print
DRUCKEN