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15.06.2022 | News Hebammen | Nachrichten

Hebammen nicht im Regen stehen lassen

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Immer mehr Kliniken schließen – und damit auch immer mehr Geburtshilfestationen. Welche Auswirkungen die Schließung von Kreißsälen auf eine Region, die dort lebenden Familien und insbesondere die Berufsgruppe der Hebammen haben, wird auf politischer Ebene nicht berücksichtigt, kritisieren Hebammenverbände und fordern mehr Mitspracherecht.

© FTiare / Getty Images / iStockHäufig vernachlässigt: Hebammen werden in politische Entscheidungen selten miteinbezogen (© FTiare / Getty Images / iStock)

In den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der Geburtshilfestationen in Deutschland halbiert. Auch in Baden-Württemberg schließen mehr und mehr geburtshilfliche Abteilungen. Zuletzt war es 2021 die Geburtsabteilung in Weingarten, in der bis dahin 700 Geburten pro Jahr betreut wurden. Die drohende Schließung in Wangen/Allgäu (800 Geburten/Jahr) ist zwar vorerst vom Tisch, jedoch unter dem Vorbehalt, dass Personalsituation und Geburtenrate in den nächsten zwei Jahren stabil bleiben und die Defizite ausgeglichen werden können, die sich zwangsläufig aus der zu geringen Fallpauschale für Geburten ergeben.

„Da muss man sich doch fragen, wo sollen die Frauen jetzt hin? Und wie sieht das in den übrigen Kreißsälen aus, die dann diese Geburten zusätzlich stemmen müssen – räumlich wie personell?“, fragt Jutta Eichenauer, erste Vorsitzende des Hebammenverbands Baden-Württemberg. Außerdem sei ihrer Meinung nach nicht geklärt, was mit den Hebammen, die durch die Schließung beruflich bedroht sind, passiert und wie diejenigen, die dadurch einer weiteren Mehrbelastung ausgesetzt sind, unterstützt werden. Verärgert ist Jutta Eichenauer zudem darüber, dass in der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach berufen hat, zwar Expert*innen aus Pflege und Medizin sitzen, Hebammen aber nicht mit einbezogen sind. „Wieder einmal werden wir Hebammen einfach übergangen“, so Eichenauer.

Tarifvertrag – neuerliches Lippenbekenntnis?

Seit Jahren versuchen Hebammen, auf die existentiellen Probleme aufmerksam zu machen, die ihre Arbeit und somit das Leben von Mutter und Kind bedrohen. „Bevor Hebammen streiken, müssen die Bedingungen wirklich so schlecht sein, dass es gar nicht mehr geht. Und schlimmer“, betont Andrea Ramsell, Beirätin für den Angestelltenbereich im Präsidium des Deutschen Hebammenverbands e. V., in einem Interview mit WISO (ZDF). In Berlin war es schließlich so weit, im Oktober 2021 wurde gestreikt. Danach sah es zunächst so aus, als ob der Streik erfolgreich gewesen wäre: Es wurde ein Tarifvertrag ausgehandelt, der am 1.1.22 in Kraft hätte treten sollen. Geändert aber habe sich nach Angaben betroffener Hebammen nichts – so der Stand im Mai 2022.

Öffentliche Debatte um Systemrelevanz

In der Öffentlichkeit wird die prekäre Situation von Hebammen und Geburtsstationen viel mehr beachtet. In den sozialen Medien zeigen Hashtags wie #lasstunsnichtimregenstehen, #unersetzbar oder #hebammensindunersetzbar die Relevanz der Debatte, die auch prominente Unterstützung findet. Nur die Politik schweigt weitestgehend. „Hebammen sind froh über jede Unterstützung. Aber selbst beispielhaft großangelegte Online-Petitionen, wie die Forderung einer wohnortnahen Geburtshilfe in Niedersachsen, wirken sich nicht auf die Pläne zur Reform des niedersächsischen Krankenhausgesetzes aus – in Baden-Württemberg steht nicht einmal eine solche an“, beklagt Eichenauer und schließt sich dem Kernsatz von Heiner Scheffold an, Chef der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), der jüngst in einem Interview der Schwäbischen Zeitung zitiert wurde: „Wenn man um Rettungsschirme betteln muss, ist das unwürdig.“ (jr)

hebammen-bw.de

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