Haben Schwangere, die Symptome von Angst und Depression aufweisen, ein höheres Risiko, ihr Kind nur mithilfe geburtshilflicher Interventionen zur Welt zu bringen? Eine niederländische Studie hat die Frage untersucht.
Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.
In die longitudinale prospektive Kohortenstudie des Zusammenhangs von Angst und Depression mit der Wahrscheinlichkeit für einen interventionsunterstützten Geburtsverlauf hat ein Team um Lianne Hulsbosch von der Universität Tilburg knapp 1700 mit Einlingen schwangere Frauen einbezogen. In jedem Trimenon (Wochen 12, 22 und 32) gaben die Frauen via Fragebögen Auskunft über Symptome von Angst und Depression. Verwendet wurden die Tilburg-Pregnancy-Distress-Skala zu negativen Affekten (TPDS-NA; 0–33 Punkte, je höher die Punktzahl, desto mehr Angst) und die Edinburgh-(Postnatal)-Depression-Skala (E(P)DS; 0–30 Punkte, je mehr Punkte, desto depressiver).
Als physiologisch galten spontane vaginale Geburten zwischen der 37. und 42. Schwangerschaftswoche ohne irgendeine Intervention wie Saugglocke, Zange oder sekundäre Sectio, bei gutem Zustand von Mutter und Kind. Eine solche Geburt erlebten 47,0% der Frauen. Frauen, die über alle Trimena hinweg persistent erhöhte TPDS-NA- und E(P)DS-Werte aufwiesen, – das waren 9,8% der Probandinnen – kamen seltener physiologisch nieder als Frauen mit konstant niedrigen Punktzahlen, die 79% der Probandinnen stellten. Die Raten physiologischer Geburt lagen bei 37,0% vs. 47,8%. Dabei erwiesen sich ein TPDS-NA-Wert von 15 und ein E(P)DS-Wert von 10 als optimale Schwellenwerte, um vulnerable Schwangere zu identifizieren. Frauen, die nur intermittierend Symptome von Angst und Depression zeigten, mussten hingegen nicht häufiger Eingriffe während der Geburt über sich ergehen lassen. In den Berechnungen waren Einflussgrößen wie Alter der Mutter, Body-Mass-Index, Rauchverhalten, Parität, Gestationsalter, Schwangerschaftskomplikationen und Bildungsgrad berücksichtigt.
Vulnerable Schwangere im ersten Trimenon identifizieren
„Die vorliegende Studie ist die erste, die einen Zusammenhang zwischen persistent hohem Niveau von Angst- und Depressionssymptomen über die gesamte Schwangerschaft hinweg mit einer verringerten Wahrscheinlichkeit für eine physiologische Geburt zeigt“, resümieren Hulsbosch et al. ihre Ergebnisse. Betroffene Frauen könnten bereits im ersten Trimenon auf einfache Weise erkannt werden.
Eine Hypothese zur Assoziation von Angst, Depression und unphysiologischer Geburt geht davon aus, dass erhöhte Stresspegel die Geburtsphysiologie beeinflussen. Der erhöhte Ausstoß von Stresshormonen wirkt sich womöglich negativ auf die Oxytocinspiegel aus, was wiederum die Einleitung des Geburtsvorgangs verzögert sowie die Uterusaktivität behindert und herabsetzt. Insgesamt verlängern Stress und Angst die Geburt und könnten schon dadurch einen physiologischen Verlauf stören.
Das Wichtigste in Kürze |
Frage: Wie wirken sich Angst- und Depressionssymptome während der Schwangerschaft auf den physiologischen Verlauf der Geburt aus? Antwort: Schwangere, die über die gesamte Schwangerschaft hinweg Ängste und Depressionssymptome aufweisen, haben ein höheres Risiko, ihr Kind unter Einsatz von geburtshilflichen Interventionen zur Welt zu bringen. Bedeutung: Vulnerable Schwangere lassen sich mit einfachen Tests bereits im ersten Trimenon identifizieren. Einschränkung: Die Angaben zu Angst- und Depressionssymptomen beruhen auf Selbstauskünften der Schwangeren. |