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Erschienen in:

Open Access 2020 | OriginalPaper | Buchkapitel

9. Geriatrische Rehabilitation – Aktueller Stand und zukünftige Entwicklung

verfasst von : Prof. Dr. Clemens Becker, Ramona Auer, Prof. Dr. Kilian Rapp, Dr. med. Stefan Grund, Prof. Dr. med. Jürgen M. Bauer

Erschienen in: Pflege-Report 2020

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Zusammenfassung

Aufgrund des demographischen Wandels steigt die Zahl hochbetagter, multimorbider Menschen mit Rehabilitationsbedarf und -potenzial. Dieser Entwicklung wurde bereits in den 90er Jahren durch die Unterstützung der geriatrischen Rehabilitation begegnet. Mit ihren diversen Ausgestaltungen hilft diese, die rehabilitativen Bedarfe älterer Menschen in den verschiedenen Versorgungssektoren abzudecken. Dabei erfolgt die gut etablierte und wissenschaftlich fundierte stationäre geriatrische Rehabilitation häufig nach einem akutstationären Aufenthalt. Demgegenüber unterstützt die ambulante und mobile geriatrische Rehabilitation die Versorgung im prä- und poststationären Sektor. Aktuelle Zahlen belegen die Entwicklungsdynamik in diesem Bereich. Der derzeitige Entwicklungsfokus liegt auf der Optimierung präventiver und rehabilitativer Maßnahmen im ambulanten Bereich sowie im stationären Pflegebereich. Unterstützt wird dies durch zahlreiche Innovationsfonds-Projekte des G-BA und durch eine europaweite Zusammenarbeit. Zudem gilt es Gesetze zur Stärkung der Teilhabe älterer Menschen besser umzusetzen.
Zusammenfassung
Aufgrund des demographischen Wandels steigt die Zahl hochbetagter, multimorbider Menschen mit Rehabilitationsbedarf und -potenzial. Dieser Entwicklung wurde bereits in den 90er Jahren durch die Unterstützung der geriatrischen Rehabilitation begegnet. Mit ihren diversen Ausgestaltungen hilft diese, die rehabilitativen Bedarfe älterer Menschen in den verschiedenen Versorgungssektoren abzudecken. Dabei erfolgt die gut etablierte und wissenschaftlich fundierte stationäre geriatrische Rehabilitation häufig nach einem akutstationären Aufenthalt. Demgegenüber unterstützt die ambulante und mobile geriatrische Rehabilitation die Versorgung im prä- und poststationären Sektor. Aktuelle Zahlen belegen die Entwicklungsdynamik in diesem Bereich. Der derzeitige Entwicklungsfokus liegt auf der Optimierung präventiver und rehabilitativer Maßnahmen im ambulanten Bereich sowie im stationären Pflegebereich. Unterstützt wird dies durch zahlreiche Innovationsfonds-Projekte des G-BA und durch eine europaweite Zusammenarbeit. Zudem gilt es Gesetze zur Stärkung der Teilhabe älterer Menschen besser umzusetzen.
Due to demographic change, the number of very old, multimorbid people with rehabilitation needs and potential is increasing. This challenge was already met in the 1990s by promoting geriatric rehabilitation. The various forms of geriatric rehabilitation help to cover the rehabilitation needs of elderly people in the different care sectors. Well-established and scientifically sound inpatient geriatric rehabilitation often takes place after an acute inpatient stay. In contrast, outpatient and mobile geriatric rehabilitation supplements the pre- and post-inpatient sector. Current figures confirm the dynamic development in this field. The present development focuses on optimising preventive and rehabilitative measures in the outpatient and inpatient nursing care sectors. This is supported by numerous innovation fund projects of the G-BA and by Europe-wide cooperation. It is also important to better implement legislation to strengthen social participation of elderly people.

9.1 Einleitung

Der demographische Wandel in Deutschland tritt in eine neue Phase. Die Zahl der Hochaltrigen steigt wie prognostiziert kontinuierlich an. Zudem beginnt der Renteneintritt der Generation „Babyboomer“. Dies hat Auswirkungen auf die Anzahl an Gesundheitsfachkräften (z. B. Hausärzte), die Inanspruchnahme von medizinischen und therapeutischen Leistungen nach dem Renteneintritt und zukünftig auch auf den pflegerischen Bedarf dieser Gruppe. Die Akkumulation dieser Kohorteneffekte der Vor- und Nachkriegsgeneration ist ein gesundheitliches Versorgungsrisiko, das mit den gegenwärtigen Strukturen und Prozessen nicht abgefangen werden kann. Daher besteht Konsens, dass die primäre, sekundäre und tertiäre Prävention der Pflegebedürftigkeit eine hohe gesellschaftliche Priorität hat. Die großen und relevantesten Themen sind hierbei neurodegenerative Erkrankungen wie Demenz und Morbus Parkinson sowie Schlaganfallerkrankungen und sturzbedingten Verletzungen. Letztere sind nach dem Akutereignis für die Patienten häufig mit Pflegebedürftigkeit verbunden. Die onkologischen Krankheiten (Lungenkrebs, Brustkrebs, Darmkrebs), Herzkreislauferkrankungen (chronische Herzinsuffizienz und ischämische Herzkrankheiten), Infektionskrankheiten (Pneumonie und Harnwegsinfekte) und chronische Lungenerkrankungen (COPD) sind zwar mit häufigen Krankenhausaufenthalten verbunden, führen aber meist erst in der terminalen Phase zu häuslichem und stationärem Pflegebedarf. Dies spiegelt sich u. a. auch in der Gesundheitsberichterstattung des Robert Koch-Instituts wider, die in den letzten Jahren zunehmend das Thema Alter und demographischer Wandel aufgegriffen hat. Bereits in der letzten Legislaturperiode wurde das Thema Prävention der Pflegebedürftigkeit auch politisch aufgegriffen. Der damalige Gesundheitsminister Gröhe machte auf eine Reihe von dysfunktionalen Prozessen aufmerksam. Beispielsweise thematisierte er, dass im Rahmen der MDK-Erstbegutachtung zur Pflegegradeinstufung das Rehabilitationspotenzial nur unzureichend identifiziert wird, was auch in einer Studie untersucht worden war (Rothgang et al. 2014). Die derzeitige Regierungskoalition hat im Koalitionsvertrag angekündigt, den präventiven Hausbesuch älterer Menschen zu fördern. Weiterhin soll die geriatrische Rehabilitation gesetzlich gestärkt werden. Eine Reihe von G-BA-Projekten im Innovationsfonds greifen das Thema auf. Auf der Sollseite ist anzumerken, dass flächendeckend bislang keine kohärente Strategie zur Prävention und rehabilitativen Versorgung von Hochbetagten vorhanden ist; die Versorgungsstrukturen in den Bundesländern sind weiterhin sehr unterschiedlich. Das Präventionsgesetz hat für ältere Menschen, die noch zu Hause leben, bislang kaum erkennbaren Effekte gehabt.
Der vorliegende Beitrag führt zunächst die derzeitigen Versorgungswege an der Schnittstelle von Prävention und Rehabilitation zur Pflege aus, geht dann auf einige Versorgungsformen der Rehabilitation für pflegebedürftige ältere Menschen ein und stellt anschließend innovative Modellprojekte und Beispiele aus dem europäischen Ausland vor.

9.2 Prävention und Rehabilitation an der Schnittstelle zur Pflege

9.2.1 Prävention bei Pflege

Mit dem Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention aus dem Jahr 2015 wurden Pflegekassen dazu verpflichtet, Präventionsleistungen in Pflegeeinrichtungen zu erbringen (§ 5 SGB XI). Diese gesetzliche Verpflichtung zum Grundsatz „Prävention und Reha vor Pflege“ greift jedoch zu kurz und kann sicher nicht die politisch gewünschten Effekte erzielen: Da § 5 Abs. 1 SGB XI sich auf voll- und teilstationäre Einrichtungen (im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI) beschränkt, ist der Präventionsauftrag für die häusliche Pflege nicht verpflichtend. Mit der neuen Regelung wollte der Gesetzgeber vor allem die Bereitstellung von finanziellen Mitteln durch die Pflegekassen vorgeben: Mit Beginn im Jahr 2016 sollten pro Versicherten 0,30 € für Leistungen dieser Art aufgewendet werden. Dieser Wert wurde in den Folgejahren angepasst. Die Finanzmittel werden also auf Grundlage aller Versicherten berechnet, profitieren sollen aber nur stationäre Bewohnerinnen und Bewohner. Dies ist vor dem Hintergrund, dass gut drei Viertel aller Pflegebedürftigen im häuslichen Setting versorgt werden, nicht nachvollziehbar. Der Anspruch auf Präventionsleistungen nach SGB XI sollte, ist er vom Gesetzgeber ernst gemeint, für alle Pflegebedürftigen gelten und die Verpflichtung in Form bereitzustellender Mittel auch auf Menschen in der Häuslichkeit ausgeweitet werden. Darüber hinaus kann auch diskutiert werden, dass die Umsetzung von präventiven Angeboten für pflegebedürftige Menschen oder von Pflegebedürftigkeit Bedrohten auch deshalb gehemmt ist, da die finanzielle Zuständigkeit für diese bei der Krankenversicherung liegt, Einsparungen aufgrund von Erfolgen der Präventionsmaßnahmen aber der Pflegeversicherung zugutekämen (Jacobs und Greß 2017).

9.2.2 Rehabilitation vor Pflege

Rehabilitation kann den Eintritt von Pflegebedürftigkeit hinauszögern (Seger et al. 2013). Daher muss spätestens, wenn Pflegebedürftigkeit droht, die Indikation für eine Rehabilitation geprüft werden. Der Grundsatz „Rehabilitation vor und bei Pflege“ ist in den Sozialgesetzbüchern schon lange fest verankert. Die medizinische Rehabilitation und diesem Fall die geriatrische Rehabilitation wird dabei als Maßnahme betrachtet, Pflegebedürftigkeit zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten (§ 31 SGB XI, § 11 SGB V). Der Zugang zur geriatrischen Rehabilitation kann ambulant über den niedergelassenen Vertragsarzt, als Anschlussrehabilitation nach einer Krankenhausbehandlung oder im Rahmen der Pflegebegutachtung erfolgen. Die gesetzliche Grundlage dafür wurde im Zweiten Pflegestärkungsgesetz geschaffen. Seit Januar 2015 findet der sogenannte optimierte Begutachtungsstandard (OBS) Anwendung, bei dem nach gutachterlichem Screening eine Empfehlung durch ärztliche Gutachter für eine Rehabilitation ausgesprochen wird (BMG 2016) (§ 18 Abs. 1 und 6 SGB XI). Mit Inkrafttreten des Pflegeweiterentwicklungsgesetzes hat die gutachterliche Feststellung der Indikation zur Rehabilitation verbindliche Wirkung. Ziel des Gesetzgebers war es, die Inanspruchnahme von Rehabilitation für diesen Personenkreis zu erhöhen. Der relative Anteil der Rehabilitationsempfehlungen konnte damit auch von 1,1 auf 2,7 % gesteigert werden (GKV-SV 2018). Die Einwilligung des Versicherten zur Weitergabe dieser Rehabilitationsempfehlung löst eine Antragstellung nach § 14 SGB IX aus. Leider lag die Quote der Einwilligungen der Versicherten zur Weiterleitung der Empfehlung an die Krankenkasse als zuständiger Träger der Rehabilitation in den Jahren zwischen 2015 und 2018 nur zwischen 37 und 49 % (GKV-SV 2018). Die Gründe hierfür sind vielschichtig und bilden immer ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Einflussfaktoren ab. Zu diskutieren sind strukturell bedingte Hemmnisse (z. B. mangelnde rehabilitative Versorgungsstrukturen) bis hin zu persönlichen, individuellen Ablehnungsgründen (z. B. häusliche Bindung und Verpflichtung für Angehörige) (Golla et al. 2019).

9.2.3 Kurzzeitpflege und Übergang in die Rehabilitation

Kurzzeitpflege kann im Versorgungsalltag an der Schnittstelle zwischen Akutaufenthalt und weiterem Versorgungsweg stehen. Die Kurzzeitpflege kann als Übergangsleistung nach § 42 SGB XI bei bestehender Pflegebedürftigkeit und nach § 39c bei fehlender Pflegebedürftigkeit in Anspruch genommen werden. Die Inhalte der Leistung sind hier auf Hilfen bei der Körperpflege, Ernährung, Mobilität und sozialer Betreuung beschränkt. Für die weitere Versorgung von älteren Menschen kann die Kurzzeitpflege eine wichtige Rolle für die Steuerung in anschließende Versorgungswege darstellen. Das Potenzial dahingehend ist jedoch noch ausbaufähig. Frühere Berichte (Rothgang et al. 2015) zeigten, dass die Mehrzahl der Personen, die Kurzzeitpflege im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt in Anspruch nehmen, in vollstationäre Dauerpflege überführt wird. Circa ein Drittel wird in häusliche ambulante Pflege übergeleitet und nur ca. 6 % der Personen kehren nach Hause zurück, ohne dass Pflegebedürftigkeit vorliegt. Rehabilitationsmaßnahmen werden im Anschluss an Kurzzeitpflegeaufenthalte nur selten in Anspruch genommen (Frankenhauser-Mannuß 2017). Die Versorgungswege von pflegebedürftigen Menschen, die ursprünglich aus der Häuslichkeit kamen, nach einer akutstationären Krankenhausbehandlung wurden auch in einer aktuellen Studie untersucht (siehe hierzu Abschn. 9.4.2). Tab. 9.1 zeigt, dass 44 % dieser vorher ambulant versorgten Pflegebedürftigen nach einem Krankenhausaufenthalt in die häusliche Umgebung zurückkehren, während 12 % in die Kurzzeitpflege und 4 % in eine stationäre Rehabilitation entlassen werden.
Tab. 9.1
Versorgungswege von pflegebedürftigen Menschen nach akutstationärer Krankenhausbehandlung und ursprünglich häuslicher Versorgung (2019) (Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von Routinedaten der AOK Baden-Württemberg)
Entlasssituation
Stationäre Rehabilitation
Häusliche Umgebung
Stationäre Langzeit-Pflege
Kurzzeitpflege
Verstorben
Anteil in %
4
44
29
12
11
Pflege-Report 2020
Schaut man weiter auf die Versorgungswege der 12 %, die nach einer akutstationären Krankenhausbehandlung eine Kurzzeitpflege erhielten, muss festgestellt werden, dass 42 % der Kurzzeitpflegegäste in der Langzeitpflege weiterversorgt werden. Für lediglich 4 % von ihnen ist die Kurzzeitpflege tatsächlich eine Übergangsform in dem Sinne, dass sie eine Rehabilitationsfähigkeit erlangen (siehe Tab. 9.2).
Tab. 9.2
Versorgungswege von pflegebedürftigen Kurzzeitpflegegästen nach akutstationärer Krankenhausbehandlung und ursprünglich häuslicher Versorgung (2019) (Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von Routinedaten der AOK Baden-Württemberg)
Entlasssituation
Stationäre Rehabilitation
Häusliche Pflege
Stationäre Langzeit-Pflege
Verstorbena
Anteil in %
4
32
42
20
a innerhalb eines Monats Pflege-Report 2020

9.3 Rehabilitative Versorgungsformen für pflegebedürftige ältere Menschen

9.3.1 Evidenz der stationären Rehabilitation bei älteren Menschen

Die systematischen Reviews der Cochrane Collaboration und HTA-Berichte (Crotty et al. 2010; Korczak et al. 2012) weisen darauf hin, dass die stationäre Rehabilitation älterer Menschen nach Schlaganfall, Hüftfrakturen etc. wirksam ist. Zudem gibt es belastbare Daten für die Wirksamkeit einer stationären Rehabilitation auch bei Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) und peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK). Bei elektiven Operationen, z. B. nach Hüft- und Kniegelenkersatz, ist die ambulante Rehabilitation oft mindestens gleich wirksam wie eine stationäre Behandlung, jedoch meist kostengünstiger als die stationäre Rehabilitation.
Die Effekte einer stationären Rehabilitation bei älteren Patienten mit onkologischen Erkrankungen und nach herzchirurgischen und kardiologischen Klappeninterventionen sind weniger gut untersucht.

9.3.2 Versorgung in der stationären geriatrischen Rehabilitation in Deutschland

Die stationäre geriatrische Rehabilitation wurde vor allem ab Mitte der 90er Jahre parallel zur Einführung der Pflegeversicherung gefördert. Dies erfolgte initial vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung und nicht vom Bundesministerium für Gesundheit. Der explizite Grundgedanke des damaligen Sozialministers Norbert Blüm war es, mit der geriatrischen Rehabilitation den Pflegebedarf zu reduzieren oder zu verhindern. Verschiedene Förderprogramme unterstützten die neue Versorgungsform. Dies wurde in etwa zwei Drittel der Bundesländer aufgegriffen. Ein Drittel der Bundesländer etablierte keine vergleichbaren Strukturen (Becker und van den Heuvel 2013). Die föderale Gliederung und finanziellen (Fehl-)Anreize haben bislang eine Homogenisierung der Versorgung verhindert. Die Anzahl der Einrichtungen mit stationärer geriatrischer Rehabilitation lag bei der letzten Erhebung bei 159, mit insgesamt 8.173 Plätzen und ca. 122.932 behandelten Patienten im Jahr (Statistisches Bundesamt 2017). Nach Vorabinformation ist in den letzten Jahren eine leicht steigende Tendenz zu verzeichnen. Die meisten Aufnahmen erfolgen nach einem Akutereignis. Die Zuweisungen durch Ärzte der Primärversorgung und durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen liegen unter 10 %.
Becker et al. (2019) untersuchten jüngst die Auswirkung der Versorgungstypen auf den Pflegebedarf. Dabei wurden die Rehabilitationsverläufe von mehr als 5.000 Patienten mit Hüftfraktur in einem Bundesland ohne flächendeckende geriatrische Rehabilitation (Hessen) mit denen in zwei Bundesländern (Baden-Württemberg und Bayern) mit mittlerer und hoher Frequenz geriatrisch-rehabilitativer Versorgung verglichen. Dabei zeigte sich, dass im Bundesland mit der höchsten Rate mit geriatrisch-rehabilitativer Versorgung der Pflegebedarf und die Heimeinweisungen nach Hüftfraktur deutlich seltener auftraten. Robuste Daten gibt es neben der Alterstraumatologie auch für die neurogeriatrische Rehabilitation nach Schlaganfall.
Die Kosten der stationären Rehabilitation außerhalb der Neurologie liegen derzeit bei etwa 4.000 € pro Fall, die der Schlaganfallrehabilitation deutlich darüber. Kosten-Nutzen oder Kosten-Effektivitäts-Analysen liegen für Deutschland nicht vor. Aus Sicht der Autoren zeigen sich in den letzten zehn Jahren mehrere Trends. So wurde die geriatrische Rehabilitation der Schlaganfallpatienten zunehmend in die neurologische Rehabilitation verlagert, während der Anteil an Patienten mit muskuloskeletalen Erkrankungen in der geriatrischen Rehabilitation stieg. Durch einen Anstieg der Lebenserwartung erhöht sich auch der Anteil der Rehabilitanden mit chronischen Lungenerkrankungen. Zudem haben sehr viele Rehabilitanden vorbestehende (Demenz) oder neu aufgetretene (Delir) kognitive Schädigungen. Am ehesten aufgrund des medizinischen Fortschritts (z. B. Kathetertechnik) ist dagegen die Zahl der Amputationspatienten mit Prothesenversorgung rückläufig und die Anzahl multimorbider Patienten mit Polypharmazie und erheblichem medizinischem Begleitbehandlungsbedarf wie Dialyse steigend. Unter diesen Patienten sind auch jüngere Menschen, sodass das Durchschnittsalter in der geriatrischen Rehabilitation insgesamt eher konstant geblieben ist. Jede Therapieform – somit auch die geriatrische Rehabilitation – bedarf der Beschreibung der Inhalte, Frequenz, Intensität und Dauer. Diese ist abhängig von der Evidenz, der Umsetzungstreue, der Refinanzierung und der Qualifikation der Mitarbeiter. Die normativen Vorgaben im Rahmen des QS-Reha®-Verfahrens Strukturqualität (§ 137d SGB V) sind ausreichend präzise (Bewertungskriterien der Strukturqualität stationärer geriatrischer Einrichtungen im QS-Reha®-Verfahren 2017). Weniger genau sind die Vorgaben zur Frequenz und zur Intensität. Hier sind Nachbesserungen für die Definition der Belastungsnormativen (Intensität, Dichte, Dauer, Umfang, Häufigkeit und Bewegungsfrequenz) erforderlich. Ein unzureichend diskutiertes Thema ist die Dauer der Maßnahmen. Während die Dauer der neurologischen Rehabilitation im internationalen Vergleich unverhältnismäßig lang ist, ist die Dauer bei den anderen Indikationen oft zu kurz bzw. der Übergang in die ambulanten und mobilen Rehabilitationsformen gelingt nicht. Weiter zeigt sich seit zehn Jahren keine Veränderung mit Blick auf die unzureichenden Kapazitäten der geriatrischen Rehabilitation in den Bundesländern, die über einen Überschuss an Krankenhausbetten verfügen, sich in den letzten zehn Jahren jedoch standhaft geweigert haben, eine angemessene Struktur in der stationären geriatrischen Rehabilitation aufzubauen (Bundesverband Geriatrie e. V. 2016).

9.3.3 Ambulante geriatrische Rehabilitation

Aus Sicht der Autoren wird die ambulante geriatrische Rehabilitation weiten Teilen Deutschlands nur zögerlich implementiert. Die Angebote befinden sich überwiegend in mittleren und größeren Städten (Bundesverband Geriatrie 2016). Die Zielgruppe sind geriatrische Patienten, die meistens mit Gehhilfen noch gehfähig sind. Ein häufiges Ziel ist die Wiedererlangung der außerhäuslichen Mobilität. Viele Teilnehmer haben einen deutlichen Pflegeaufwand und einen niedrigen Pflegegrad. Somit ist ein weiteres Ziel der Behandlung, eine Erhöhung des Pflegebedarfs zu verhindern. Die Zuweisungen erfolgen meist im Anschluss an eine Akutbehandlung oder nach einer stationären Rehabilitation, Zuweisungen durch Primärärzte oder den Medizinischen Dienst sind die Ausnahme. Die Zufriedenheit der Patienten ist außergewöhnlich hoch. Für elektive Gelenkeingriffe zeigt sich mittlerweile, dass die ambulante Rehabilitation aus gesundheitsökonomischer Sicht überlegen ist. Zu den häufigen alterstraumatologischen Erkrankungen und zu Patienten mit Schlaganfall gibt es bislang jedoch keine Daten.
Die Inhalte der ambulanten geriatrischen Rehabilitation unterscheiden sich deutlich von der stationären Phase. Der Schwerpunkt liegt meist darauf, die außerhäusliche Mobilität und Teilhabe wiederherzustellen. Die Frequenz und Intensität der Therapien liegt über der des stationären Bereichs. Die meisten Patienten erhalten mehr als fünf Therapieeinheiten pro Therapietag. Die Intensität liegt deutlich über dem Level der stationären Phase. Für Amputationspatienten mit Beinprothesen, für die Nachhaltigkeit bei schweren sturzbedingten Frakturen und bei mittelschwer betroffenen neurogeriatrischen Patienten ist dieser Abschnitt essentiell, um eine nachhaltige Besserung zu erreichen. Die zweite Gruppe sind Patienten, die unmittelbar aus der Akutphase ambulant weiterbehandelt werden können. Bei ausreichender Zugänglichkeit der Wohnung und vorhandener häuslicher Unterstützung ist die ambulante Rehabilitation meist kostengünstiger und nachhaltiger als die stationäre Rehabilitation. In der Gesamtschau der rehabilitativen Versorgungsformen und aus der Public Health Perspektive ist der ambulanten geriatrischen Rehabilitation zwar ein erhebliches Potenzial zuzuschreiben, faktisch leistet diese heute aufgrund der geringen Fallzahlen nur einen sehr begrenzten Beitrag zur Reduktion der Pflegebedarfe.

9.3.4 Mobile geriatrische Rehabilitation

Die zugehende Rehabilitation im häuslichen Umfeld ist die dritte Säule der Rehabilitationsformen. Die Zahl der Standorte hat sich in den letzten fünf Jahren positiv entwickelt. Nachdem es anfänglich nur ein sehr zögerliches Interesse der Leistungserbringer gab, stieg die Anzahl der Standorte bis 2018 auf 15 Einrichtungen mit 1.710 mobilen geriatrischen Rehabilitationsmaßnahmen (KCG 2019). Dieser positive Trend setzt sich derzeit weiter fort. Die MDS-Richtlinie (Rahmenempfehlung zur mobilen geriatrischen Rehabilitation 2007) war nach Ansicht der Autoren initial insgesamt sehr restriktiv formuliert und befindet sich derzeit in der Überarbeitung. Inhalte, Frequenz, Dauer und Intensität sind anders als in der ambulanten und stationären Rehabilitation. Die Therapien sind ausschließlich Einzeltherapien. Patienten mit Sprachbarrieren und Patienten mit kognitiven Schäden können in Anwesenheit familiärer Pflegepersonen meist besser als im stationären Bereich versorgt werden. Gleiches gilt für Patienten mit multiresistenten Keimen, die im stationären Setting meist isoliert werden müssen. Eine weitere wichtige Zielgruppe sind Patienten mit ausgeprägten sensorischen Einschränkungen (Blindheit und Taubheit), die sich im eigenen Umfeld oft deutlich besser zurechtfinden. Die mobile Rehabilitation eignet sich auch für die Patienten in der Kurzzeitpflege (s. u.).

9.4 Innovative Modellprojekte zur Verbesserung der Prävention und rehabilitativen Versorgung älterer Menschen

9.4.1 Modell zur Prävention bei drohendem Pflegebedarf

Die Prävention von Hilfs- und Pflegebedürftigkeit ist ein nicht umgesetztes Ziel der deutschen Gesundheitspolitik. Über die Zugangswege des primärärztlichen Bereichs (v. a. Hausärzte) sowie der MDK-Begutachtung werden bisher kaum präventive Angebote veranlasst bzw. Anträge auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation gestellt. Insbesondere bei älteren Menschen mit einem chronisch-progredienten Verlauf gibt es eine Unterversorgung. Im Jahr 2017 lag beispielsweise die Quote der Rehabilitationsempfehlungen durch den MDK bei 2,3 % (40.000 Empfehlungen bei 1,8 Mio. Begutachtungen).
Nur die „Event-getriggerte“ Rehabilitation ist im deutschen Gesundheitswesen ein etablierter Prozess. Darüber hinaus gibt es aber viele zu Hause lebende ältere Menschen, die eine allmähliche Verschlechterung ihrer körperlichen Kapazität und Funktionalität erfahren. Dies geht mit einem Verlust der Reservekapazität, einer erhöhten Vulnerabilität gegenüber Stressoren (Frailty) und der Gefahr der Dekompensation der häuslichen Versorgungssituation einher. Diese Personengruppe wird nur selten einer geriatrischen Rehabilitation zugeführt und oft ist diese im stationären Setting überflüssig. So wünschen Patienten, die keine akute Erkrankung haben, in der Regel keinen stationären Aufenthalt in einer (Rehabilitations-)Klinik, darüber hinaus birgt eine stationäre Rehabilitation auch Gesundheitsrisiken wie z. B. nosokomiale Infektionen oder eine erhöhte Sturzneigung in fremder Umgebung, und nicht zuletzt ist eine stationäre Rehabilitation aus volkswirtschaftlicher Sicht mit hohen Kosten verbunden. Die Verordnung von Übungsbehandlungen, die durch die Physiotherapie erbracht werden, ist das aktuell für diese Patienten gängigste Angebot. Dieses Angebot ist aber vermutlich nicht ausreichend zielgruppenspezifisch, in Intensität und Frequenz subtherapeutisch und fokussiert zu wenig auf Nachhaltigkeit. Vorsorgemedizinische Angebote im ambulanten Bereich, die auf den spezifischen Bedarf dieser vulnerablen Patientengruppe ausgerichtet sind, sind dagegen in Deutschland nicht verfügbar.
Vor allem in angelsächsischen Ländern wurden Interventionen entwickelt, die Behinderung und Gebrechlichkeit bei alten, zu Hause lebenden Menschen verhindern oder verbessern sollen. Als zentrales Element verfügten diese Interventionen meist über ein Übungsprogramm, das um Komponenten wie eine Anpassung der Umgebung, die Ernährung oder sozialmedizinische Aspekte erweitert wurde (Daniels et al. 2010; Puts et al. 2017). Dadurch ließen sich die körperliche Kapazität, der Grad der Behinderung, das Maß an Gebrechlichkeit oder der Lebensradius verbessern. Diese Interventionen dienten als Vorbild für das Projekt „Prävention für mehr Teilhabe im Alter“, das 2021 in Form einer randomisierten Studie an drei Zentren (Stuttgart, Heidelberg, Ulm) ins Feld gehen soll und über den Innovationsfonds des gemeinsamen Bundesausschusses gefördert wird.
Prävention für mehr Teilhabe im Alter – die „PromeTheus“-Studie
Die neue Versorgungsform richtet sich an ältere, zu Hause lebende und zunehmend gebrechliche Patienten. Ziel ist es, den weiteren Funktionsverlust aufzuhalten und die Teilhabe zu verbessern. Beispiele für eine verbesserte Teilhabe sind der Erhalt der Aktivitäten des täglichen Lebens, das (erneute) Ermöglichen von Unternehmungen außer Haus oder eine gute psychosoziale Einbindung. Dies soll durch ein multidimensionales Programm erreicht werden. Die Identifikation von Patienten und deren Vermittlung ins Programm erfolgt über die Hausärztin/den Hausarzt.
Das Programm orientiert sich am Frailty Intervention Trial (FIT), der in Australien entwickelt, in einem RCT erfolgreich überprüft und auch gesundheitsökonomisch evaluiert wurde (Cameron et al. 2013; Fairhall et al. 2015). Die motorische Kernkomponente soll identisch übernommen und weitere Komponenten sollen ans deutsche Versorgungssystem angepasst werden. Dabei werden bereits bestehende Strukturen des deutschen Versorgungssystems in das Programm eingebunden. Das Programm erstreckt sich über einen Zeitraum von zwölf Monaten und besteht aus a) einem Trainingsprogramm mit zehn Hausbesuchen und fünf zusätzlichen Telefonaten durch einen Physiotherapeuten (obligate Kernkomponente), b) fakultativen Bedarfskomponenten wie einer Beratung durch den Sozialen Dienst, Ernährungsberatung und einer Patient/Umwelt-Passung und c) einer fakultativen Gruppenkomponente, die Patienten die Einbindung in ein längerfristiges Gruppenangebot anbietet.
Der Physiotherapeut (der Kernkomponente) ist Koordinator der gesamten Intervention, während bei den Bedarfskomponenten auf (angepasste) Angebotsstrukturen der AOK Baden-Württemberg zurückgegriffen wird. Die medizinische Behandlung verbleibt unverändert beim Hausarzt.

9.4.2 Rehabilitation in der Kurzzeitpflege

Die gegenwärtige Zuweisung zur Kurzzeitpflege ist nach dem heutigen Wissensstand unzureichend untersucht. Die Patienten in der Kurzzeitpflege sind in ihren Bedarfen sehr heterogen und es ist unklar, welche therapeutischen Versorgungsangebote in der Kurzzeitpflege durchgeführt werden. Bei ca. 30 % der geriatrischen Patienten und Patientinnen, die aus Akutkliniken in Kurzzeitpflege entlassen werden, liegen zum Zeitpunkt der Aufnahme Rehabilitationsbedarfe mit Besserungspotenzial vor, trotz nicht gegebener Rehabilitationsfähigkeit im Sinne einer Indikation zur stationären Rehabilitation (Janßen 2018). Diese zu fördern ist von erheblicher Bedeutung für den weiteren Versorgungsbedarf und -verlauf. Unbefriedigend niedrige Quoten der Rückführung nach Hause legen nahe, dass in Kurzzeitpflege gerade für Personen mit vorhandenen rehabilitativen Potenzialen Defizite einer bedarfsgerechten Versorgung bestehen. Zu vermuten ist, dass nur bei einer Minderheit der Fälle Besserungspotenziale gefördert und funktionelle Einschränkungen stabilisiert oder verbessert werden, damit eine Rückkehr ins häusliche Umfeld möglich ist. Darüber hinaus gelingt es nur unzureichend, häusliche Settings zu stärken und in ausreichendem Maße auf die Versorgung der pflegebedürftigen Person vorzubereiten.
Neue Wege in der rehabilitativen Kurzzeitpflege – „REKUP“-Studie
An dieser Schlüsselstelle ist das innovative Angebot einer rehabilitativen Kurzzeitpflege eine potenziell sinnvolle Ergänzung, zumal es den im Geriatriekonzept des Landes Baden-Württemberg (Ministerium für Soziales und Integration 2014) formulierten Anspruch erfüllt, abgestufte Versorgungsangebote für geriatrische Patienten und Patientinnen vorzuhalten.
Die Innovationsfonds-geförderte REKUP-Studie evaluiert – aufgrund der derzeit einfacheren Konzeption und Umsetzung entsprechender Versorgungsangebote im Krankenhaus (geriatrische Rehabilitation) – einen multidisziplinären rehabilitativen Ansatz im Kurzzeitpflegeprozess. Die Studie untersucht über einen Beobachtungszeitraum von insgesamt sieben Monaten (Dauer des Aufenthalts in Kurzzeitpflege meist zwei bis vier Wochen, dazu eine sechsmonatige Nachbeobachtungszeit) die Entwicklung der Lebenssituation, des Gesundheitszustands und des Pflegebedarfs geriatrischer Patientinnen und Patienten. Es besteht die Annahme, dass es bei einem erheblichen Anteil der in rehabilitativer Kurzzeitpflege versorgten geriatrischen Patienten gelingt, die Rehabilitationsfähigkeit herzustellen. Zudem wird angenommen, dass die Anzahl von Komplikationen, Krankenhauseinweisungen, Überleitungen in die Dauerpflege sowie die Pflegebedarfe und Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen reduziert werden können. Um die Wirksamkeit der Intervention zu überprüfen, werden die Ergebnisse mit einer Kontrollgruppe aus der „konventionellen“ Kurzzeitpflege verglichen. Neben der Kontrolle der Hauptzielkriterien sollen auch psychosoziale Kriterien wie die Belastung der Angehörigen, die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten sowie der Leistungserbringer eruiert werden. Im Falle einer positiven Evaluation ist es ein weiteres Ziel, die Nachhaltigkeit des Modells zu sichern und ein Konzept zum Transfer des Modells in geeignete Versorgungsbereiche zu erarbeiten.

9.5 Rehabilitative Versorgungstrukturen für ältere Menschen mit Pflegebedarf in Europa

Auch in unseren europäischen Nachbarländern stellen der demographische Wandel und die damit einhergehende Zunahme an hochbetagten, multimorbiden Menschen eine große Herausforderung dar. Während sich die Bedarfe dieser Menschen zwischen den einzelnen Ländern nicht wesentlich unterscheiden, sind die Versorgungsstrukturen und -kapazitäten in Bezug auf rehabilitative Maßnahmen jedoch sehr unterschiedlich. Circa 30 % der europäischen Nachbarländer haben bisher keine geriatrisch rehabilitativen Versorgungsstrukturen etabliert (Grund et al. 2019a). In Ländern mit entsprechenden Strukturen divergieren jedoch die Kapazitäten (Anzahl der Einrichtungen und Betten) erheblich. So variiert zum Beispiel die Anzahl der Betten von unter 0 bis 70/100.000 Einwohner (Grund et al. 2019a). Dabei erfolgen die rehabilitativen Maßnahmen im Rahmen eines stationären Rehabilitationsprogrammes bei hochbetagten, multimorbiden Menschen fast immer nach akutstationärer Versorgung.
„Skilled Nursing Home Facilities“ als Ort der geriatrischen Rehabilitation
Der sicherlich deutlichste Unterschied zu den europäischen Nachbarländern liegt im Bereich des geriatrisch-rehabilitativen Settings. In nahezu allen Nachbarländern erfolgen stationäre rehabilitative Maßnahmen bei hochbetagten, multimorbiden Menschen in Pflegeheimen mit speziell geschultem Personal und gesonderter personeller Ausstattung (Skilled Nursing Homes Facilities, SNF). In Deutschland dagegen findet die geriatrische Rehabilitation im stationären Klinik-Setting statt. Auf strukturierte Rehabilitationsprogramme mit Inklusion eines geriatrischen Teams sind deutsche Pflegeheime derzeit nicht ausgerichtet. Kompensationsversuche, zum Beispiel mittels der mobilen geriatrischen Rehabilitation, oder innovative Konzepte wie das REKUP-Model sind in Entwicklung, haben jedoch eine andere Zielgruppe als die klassische geriatrische Rehabilitation. In den „Skilled Nursing Home Facilities“ in unseren europäischen Nachbarländern, zum Beispiel in den Niederlanden, gibt es u. a. eine Differenzierung der Patienten mit verschiedenen Krankheitsentitäten. So existieren spezielle Stationen für onkologische, COPD-, Schlaganfall-Patienten und Patienten mit Demenz. Auch die ärztliche Versorgung ist in diesen Institutionen durch eine tägliche Präsenz und nächtliche Rufbereitschaft oder Präsenz gesichert. Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist die Länge der Verweildauer in geriatrisch rehabilitativen Settings/Programmen. So variiert die Verweildauer zwischen sieben und 65 Tagen zwischen den europäischen Ländern (Grund et al. 2019a).
Welche Auswirkungen die erheblichen Unterschiede in der Versorgungsstruktur bzw. den Versorgungsmodellen und der Behandlungslänge haben, ist Gegenstand aktueller Forschungsvorhaben.
Für die weitere Optimierung der Versorgung von hochbetagten, multimorbiden Menschen mit Rehabilitationsbedarf und zum Start eines Homogenisierungsprozesses auf europäischer Ebene sind kürzlich Grundprinzipien der geriatrischen Rehabilitation beschrieben worden (Grund et al. 2019b). Eine der zukünftigen Herausforderungen wird die weitere Standardisierung der geriatrischen Rehabilitation im Sinne einer „Best Practice“-Leitlinie auf europäischer Ebene sein.

9.6 Fazit

Aufgrund des demographischen Wandels steigt die Zahl hochbetagter multimorbider Menschen mit Rehabilitationsbedarf und -potenzial. Für diese Menschen ist es entscheidend, den funktionellen Abbau zu verhindern, Mobilitätseinschränkungen zu reduzieren, Vereinsamung vorzubeugen und Teilhabe zu sichern. In den letzten Jahrzehnten wurden bereits große Anstrengungen unternommen, auf die demographische Entwicklung geeignete Antworten zu geben. Viele der zahlreichen Versorgungsformen, die es heute gibt, sind auf mutige Initiativen in der Vergangenheit zurückzuführen. So ist die stationäre geriatrische Rehabilitation in vielen deutschen Bundesländern etabliert und ihr Nutzen wissenschaftlich fundiert. Weitere Versorgungsformen wie die ambulante und mobile geriatrische Rehabilitation werden aufgrund der bestehenden Bedarfe weiter ausgebaut und wissenschaftlich begleitend optimiert. So wie in den 90er Jahren stehen wir heute weiterhin vor der Aufgabe, die präventive und rehabilitative Versorgung älterer Menschen weiterzuentwickeln – sei es durch die bessere Umsetzung bestehender Gesetze oder durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Letztere werden durch zahlreiche Innovationsfonds-Projekte des G-BA vorangetrieben und durch eine europaweite Zusammenarbeit unterstützt.
Obgleich in der Vergangenheit eine Reihe an wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema rehabilitative Maßnahmen bei älteren Menschen durchgeführt wurden, sind etliche Versorgungsbereiche und spezifische Patientengruppen noch nicht ausreichend untersucht. Die oben genannten Beispiele für aktuelle Innovationsfonds-Projekte evaluieren in naher Zukunft neue Versorgungskonzepte, die wiederum auf spezifische Aspekte von Erkrankungen bei älteren Menschen eingehen. So wird die Verbesserung der präventiven Versorgung im häuslichen Bereich (PromeTheus) und der rehabilitativen Versorgung in der Kurzzeitpflege (REKUP) Menschen mit der Gefahr des funktionellen Abbaus oder mit verzögerter Rekonvaleszenz erreichen.
Ein weiterer zukünftiger Forschungsschwerpunkt ist die Rehabilitation in der stationären Langzeitpflege und deren Optimierungsmöglichkeiten, zum Beispiel durch den Ausbau der mobilen geriatrischen Rehabilitation oder ähnlicher Bereiche wie die in den Niederlanden üblichen „SNF“. Des Weiteren wird der prärehabilitative Bereich, vor allem bei elektiven operativen Eingriffen oder Langzeitbestrahlungen und Chemotherapien, in den Forschungsfokus rücken.
Unterstützt wird die Weiterentwicklung der derzeitigen rehabilitativen Versorgungsstrukturen in Deutschland durch vergleichende Evaluationen mit unseren europäischen Nachbarländern im Rahmen einer Arbeitsgruppen-Initiative der Europäischen Gesellschaft für Geriatrische Medizin (EuGMS).
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Literatur
Zurück zum Zitat Bundesverband Geriatrie e. V. (2016) Weißbuch Geriatrie, 3. Aufl.. ISBN 978-3-17-031042-1 Bundesverband Geriatrie e. V. (2016) Weißbuch Geriatrie, 3. Aufl.. ISBN 978-3-17-031042-1
Zurück zum Zitat Frankenhauser-Mannuß J, Auer R (2017) Bedeutung von Rehabilitation und Kurzzeitpflege in der Versorgung älterer (pflegebedürftiger) Personen. 16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung, Berlin, Oktober Frankenhauser-Mannuß J, Auer R (2017) Bedeutung von Rehabilitation und Kurzzeitpflege in der Versorgung älterer (pflegebedürftiger) Personen. 16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung, Berlin, Oktober
Zurück zum Zitat Jacobs K, Greß S (2017) Schnittstellenprobleme bei der gesundheitlichen Versorgung der Pflegebedürftigen. In: Jacobs K, Kuhlmey A, Greß S, Klauber J, Schwinger A (Hrsg) Pflege-Report 2017. Schattauer, Stuttgart, S 205–215 Jacobs K, Greß S (2017) Schnittstellenprobleme bei der gesundheitlichen Versorgung der Pflegebedürftigen. In: Jacobs K, Kuhlmey A, Greß S, Klauber J, Schwinger A (Hrsg) Pflege-Report 2017. Schattauer, Stuttgart, S 205–215
Zurück zum Zitat Kompetenz-Centrum Geriatrie (KCG) (2019) Jahresbericht – Basisdokumentation Mobile Geriatrische Rehabilitation Kompetenz-Centrum Geriatrie (KCG) (2019) Jahresbericht – Basisdokumentation Mobile Geriatrische Rehabilitation
Zurück zum Zitat Ministerium für Soziales und Integration (Hrsg) (2014) Geriatriekonzept Baden-Württemberg Ministerium für Soziales und Integration (Hrsg) (2014) Geriatriekonzept Baden-Württemberg
Zurück zum Zitat Rothgang H, Kalwitzki T, Müller R, Runte R, Unger R (2015) Barmer GEK Pflegereport 2015. Barmer GEK, Berlin Rothgang H, Kalwitzki T, Müller R, Runte R, Unger R (2015) Barmer GEK Pflegereport 2015. Barmer GEK, Berlin
Metadaten
Titel
Geriatrische Rehabilitation – Aktueller Stand und zukünftige Entwicklung
verfasst von
Prof. Dr. Clemens Becker
Ramona Auer
Prof. Dr. Kilian Rapp
Dr. med. Stefan Grund
Prof. Dr. med. Jürgen M. Bauer
Copyright-Jahr
2020
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-61362-7_9