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09.04.2024 | Fachkräftemangel | Nachrichten

DAK-Pflegereport

Babyboomer-Effekte verschärfen Personalnot

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Das Ausscheiden der Baby-Boomer aus dem Beruf wird die Situation der professionellen Pflege in Deutschland massiv verschärfen. Laut DAK-Pflegereport können in Bayern und Bremen schon in fünf Jahren Berufsaustritte nicht mehr durch Pflegenachwuchs aufgefangen werden. Auch die anderen Länder steuern auf Kipppunkte zu. 

Pflegerin mit Krebspatientin © Fly View Productions / Getty Images / iStockViele Pflegefachkräfte gehen in den kommenden zehn Jahren in Rente. Das stellt das Versorgungssystem vor massive Herausforderungen.

Die DAK-Gesundheit und Pflegeexperten warnen vor einer deutlichen Verschärfung der Personalproblematik in der Pflege durch Effekte der Baby-Boomer-Generation: Neben erheblichen Finanzierungslücken in der Pflegeversicherung bedrohe die steigende Personalnot zunehmend die Versorgung pflegebedürftiger Menschen, heißt es.  

Für den Pflegereport 2024 der DAK hatten Wissenschaftler unter der Leitung von Professor Thomas Klie vom Freiburger Institut AGP Sozialforschung die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf das Pflegesystem untersucht. 

Demnach schmilzt bundesweit die Arbeitsmarktreserve in der beruflichen Pflege bis 2030 auf 0,5 Prozent ab. Für 2025 liegt die Prognose bei 9.664 Renteneintritten, denen 36.004 Berufseinsteiger gegenüberstehen – das entspricht einer Arbeitsmarktreserve von 2,0 Prozent. Diese „bereits äußerst dünne Personaldecke“ halbiere sich 2027 auf 1,0 Prozent. 2030 gehe die Reserve noch einmal um die Hälfte auf 5.619 Kräfte zurück. Das entspricht 0,5 Prozent.
Die Folge: In fünf Jahren erreichen mit Bremen und Bayern die ersten Bundesländer einen Kipppunkt, so die Forscher. Der Pflegenachwuchs kann dann die altersbedingten Berufsaustritte der Baby-Boomer nicht mehr auffangen.

Pflegeexperte und Studienleiter Klie stellt fest: „Wir haben trotz guter Ausbildungszahlen keinen Puffer gegen die berufsdemografischen Dynamiken in der Pflege.“ Ein Ausbau der Personalkapazitäten in der Pflege werde demografiebedingt nicht gelingen, ist er überzeugt. Bestenfalls gelinge es, die Kapazitäten mithilfe von Wiedereinsteigerprogrammen, Zuwanderung und Qualifizierungsstrategien stabil zu halten.

Rund 20 Prozent des Personals müssen ersetzt werden 

Laut Pflegereport erreichen von den 1,14 Millionen Pflegekräften im Jahr 2023 in den nächsten zehn Jahren fast 250.000 das Rentenalter. Dann müssen in fast jedem Bundesland rund 20 Prozent des Pflegepersonals ersetzt werden. Der Bedarf variiere zwischen 19,7 Prozent in Sachsen und 26,5 Prozent in Bremen. 

Laut Studienautoren beschreibt dieser „Ersatzbedarf“ jedoch ausschließlich die Netto-Lücke. Der tatsächliche Personalbedarf sei angesichts der wachsenden Zahl pflegebedürftiger Menschen wahrscheinlich weitaus höher. 

Die Experten schätzen, dass in den nächsten 25 Jahren rund 2,3 Millionen Menschen mehr als heute auf pflegerische Unterstützung angewiesen sind. Gleichzeitig spitze sich das Missverhältnis von Pflegekräften, die altersbedingt aus dem Beruf ausscheiden, und nachrückenden Pflegeschulabsolventen bundesweit in den nächsten Jahren „dramatisch“ zu. 

In einzelnen Ländern wie Bremen und Bayern würden den Berechnungen zufolge bereits 2029 Kippunkte erreicht, an denen deutlich mehr Pflegende in den Ruhestand gehen als Nachwuchskräfte in den Beruf einsteigen. Selbst in Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen und Thüringen, die rechnerisch weiterhin über eine Reserve verfügten, sei der Arbeitsmarkt praktisch leergefegt, so Klie. 

Neue Versorgungsformen und mehr Kompetenzen sind gefragt

Neben Finanzierungskonzepten und einer Investition in Assistenzberufe brauche es daher neue Versorgungsformen gegenseitiger Unterstützung. „Die Baby-Boomer sind in der Pflegediskussion das Problem und die Lösung zugleich“, sagte Klie. Die älter werdende Gesellschaft benötige Modelle "geteilter Verantwortung", in denen professioneller Pflege, informelle Sorge und zivilgesellschaftliche Initiative "intelligent verschränkt" werden. In ambulant betreuten Wohngemeinschaften werde dies bereits praktiziert. 

Auch in der gezielten Ausweitung der Handlungskompetenzen des Pflegepersonals sieht Pflegeexperte Klie Potenzial zur Stabilisierung des Pflegesystems. Mit kompetenzorientiert eigensetzten Fachkräften sei es möglich, effizientere Versorgungssettings zu schaffen und Prävention zu fördern.  „Dafür müssen die beruflich Pflegenden in ihrer Eigenständigkeit gestärkt werden. Ohne sie werden wir die gesundheitliche Versorgung in Deutschland nicht meistern.“ (ne)

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