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Erschienen in: Heilberufe 3/2024

01.03.2024 | Pflege Perspektiven

Als Pflegepädagoge im Krankenhaus

verfasst von: Thomas Hofmann

Erschienen in: Heilberufe | Ausgabe 3/2024

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Ein Erfahrungsbericht Thomas Hofmann bildet künftige Pflegefachfrauen und -männer aus. Er begleitet sie auch bei ihren Einsätzen in den Ausbildungsbetrieben und bekommt so einen guten Einblick in die Praxis. Nun lag er als Patient auf einer Station für Innere Medizin und hatte die Gelegenheit, Eindrücke aus einem anderen Blickwinkel zu sammeln.
Am Abend war noch alles gut. Doch am nächsten Morgen schon kam das böse Erwachen: Der Oberbauch schmerzte und ein bisschen Übelkeit kam auch dazu - das Essen war wohl doch zu fett und der Rotwein zu schwer. „O weh! Eine Gastritis … Na, bravo!“, dachte ich mir. Also Kamillentee und Pantoprazol und Ruhe. Doch dann färbte sich meine Haut zusehends gelb. Bilderbuch-Sklerenikterus. Also doch: ab in die Notaufnahme! Nach vier Stunden war die Diagnose gesichert, ich wurde stationär aufgenommen. Gut zwei Stunden später war dann ein Bett für mich auf einer Station für Innere Medizin frei.
Als Pflegepädagoge bilde ich Menschen aus, die sich für einen Pflegeberuf entschieden haben. Bei meinen Praxisbegleitungen in den Ausbildungsbetrieben bekomme ich daher einen Einblick in die aktuelle Pflegepraxis. Nun als Patient hatte ich die spannende Gelegenheit, aus einer anderen Perspektive Eindrücke zu sammeln.

Arztnahe Tätigkeiten im Schatten der Medizin dominieren den Pflegealltag

Grundsätzlich gilt doch, dass die zentrale berufliche Aufgabe und Verantwortung unserer Profession darin besteht, Menschen, die Pflege benötigen, kompetent zu unterstützen. Ihnen gegenüber fühlen wir uns in erster Linie verpflichtet. So ähnlich formuliert es auch der ICN-Ethikkodex für Pflegefachpersonen. Aus Patientenperspektive haben sich bei mir allerdings gegenläufige Eindrücke, die ich bereits in den Praxisbegleitungen in verschiedenen Einrichtungen immer wieder gewonnen hatte, weiter verdichtet. Natürlich ist dieser Bericht letztlich aber nur meine subjektive Sicht und nicht eins zu eins auf die Gesamtheit zu übertragen.
Vorbehaltsaufgaben sind wichtig für die Professionalisierung unseres Berufes. Trotzdem erscheint mir Pflege - auch oder vielleicht sogar besonders im Akutbereich - immer noch zu wenig eigenständig: Vitalzeichen kontrollieren, Medikamente verabreichen, bei medizinischen Untersuchungen und Behandlungen mitwirken, darum geht es in erster Linie.
Arztnahe Tätigkeiten im Schatten der Medizin, die unbestritten grundsätzlich ihre Berechtigung haben, dominieren hier größtenteils den Pflegealltag. In diesem Schatten verlieren wir immer wieder den Blick für unsere ureigensten Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Kompetenzen.

Zu wenig gesundheitsfördernde und ressourcen-orientierte Körperpflege

Auch der Pflegeprozess führt oft ein Schattendasein. Gut 50% der Patient*innen sind über 65 Jahre alt, viele davon also geriatrische Patient*innen mit mehreren pflegerischen und medizinischen Diagnosen. Das war auch auf meiner Inneren Station der Fall. Wichtig wären etwa gesundheitsfördernde und ressourcenorientierte Körperpflege oder die Förderung der Mobilität - leider oftmals Fehlanzeige oder nur in Ansätzen erkennbar. Natürlich haben wir einen Expertenstandard zur Kontinenzförderung. Eine Implementierung ist allerdings nur in Ansätzen erkennbar. (P.: „Können Sie auf die Toilette gehen?“ K.: „Nein!“ P.: „Können Sie die Ente benutzen?“ K.: „Nein!“. P.: „Deshalb haben Sie ja das Höschen an …“)
Zur Förderung der Mundgesundheit gibt es pflegerische Expertise. Auch hier gab es Unterstützungsbedarf bei einem meiner Zimmergenossen, der nicht erkannt wurde.
In einem der Nachbarzimmer lag eine dementiell erkrankte Frau, die ihr Zimmer immer wieder verließ und auf dem Flur um Hilfe rief. Der Umgang mit Demenz ist für Akutkrankenhäuser gewiss eine große Herausforderung. Hier bestand die pflegerische Beziehungsgestaltung häufig in der wiederholten Aufforderung: „Geh wieder auf Dein Zimmer!“
Als die Berufsgruppe mit dem intensivsten Kontakt zu Patient*innen haben wir folglich auch eine besondere Verantwortung für Kommunikation und Informationsmanagement. Expertise hierzu bietet uns etwa der Expertenstandard zum Entlassungsmanagement.
Mein Mitpatient Herr Meier ist insulinpflichtiger Diabetiker und kommt mittags wegen eines Harnwegsinfekts in die Notaufnahme. Zu Hause unterstützen ihn seine Frau und ein ambulanter Pflegedienst dreimal täglich. Abends wird er von der Notaufnahme auf eine Station für Innere Medizin verlegt. Der Blutzucker ist im Keller, da er nichts zu sich genommen hat. Er ist schläfrig, kaum ansprechbar und etwas verwirrt. Die Venenverweilkanüle zieht er sich im Schlaf, die Infusionslösung tropft auf den Boden - alles klebt. Die Pflegekraft im Nachdienst reagiert ungehalten. Er muss zwei Gläser Apfelsaft unter Aufsicht schnell trinken. „Mir ist schlecht!“, sagt Herr Meier.

Zuversichtlich und mit neuen Vorsätzen

Nach einem dezenten Klopfen betrat an meinem letzten Tag eine junge Pflegefachperson das Zimmer, die vor fünf Jahren ihr Examen als Gesundheits- und Krankenpflegerin gemacht hatte. Sie machte auf Nachfrage ein wenig Licht und wünschte uns freundlich einen guten Morgen. Dann erkundigte sie sich zugewandt nach unseren Wünschen. Die notwendigen Pflegeinterventionen führte sie dann empathisch, hygienisch einwandfrei und patientenorientiert durch.
Nach meiner Entlassung machte ich mich also beruhigt und zuversichtlich auf meinen Weg nach Hause. Und ich hatte zwei neuen Vorsätze im Gepäck: Im Privaten werden künftig Feste ohne fette Braten gefeiert. Das schaffe ich. Im Beruflichen möchte ich mich auf zwei Schwerpunkte konzentrieren. Beide beziehen sich interessanterweise auf den Kompetenzbereich V unserer Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (Anlage 2 PflAPrV). Auch im Rahmen der praktischen und mündlichen Abschlussprüfungen war mir immer wieder aufgefallen, dass die Leistungen hier einige Optimierungsmöglichkeiten aufzeigen.
Zum einen möchte ich also noch mehr Gewicht auf die Vermittlung der vorhandenen pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse und deren Praxisrelevanz legen. Es scheint mir so zu sein, dass die Verknüpfung von Pflegewissenschaft und Pflegepraxis dringend intensiviert werden muss. Die Kenntnis und Anwendung des berufseigenen Wissensbestands fördert sicherlich die Pflegequalität. Dazu können auch die Pflegeschulen ihren wichtigen Beitrag leisten.
Zum anderen ist mir klar geworden, dass es in der Ausbildung noch viel mehr darum gehen muss, die Auszubildenden dabei zu begleiten, ein eigenständiges berufliches Selbstverständnis als Pflegefachfrau und Pflegefachmann herauszubilden. Das ist nicht ganz einfach in einem Berufsfeld, das lange Zeit noch keine generalistische Prägung hatte. Aber auch diese Thematik werde ich künftig verstärkt in meinen Unterricht einfließen lassen.
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Metadaten
Titel
Als Pflegepädagoge im Krankenhaus
verfasst von
Thomas Hofmann
Publikationsdatum
01.03.2024
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Heilberufe / Ausgabe 3/2024
Print ISSN: 0017-9604
Elektronische ISSN: 1867-1535
DOI
https://doi.org/10.1007/s00058-024-3559-8

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