Zusammenfassung
Neben medizinischen Bewertungen (z. B. Nutzen einer therapeutischen Maßnahme) sind ethische Bewertungen im Gesundheitswesen unvermeidbar. Diese beruhen auf ethischen Werten und Normen wie beispielsweise Selbstbestimmung, Fürsorge, Gerechtigkeit oder Ehrlichkeit. Eine Ethik im Gesundheitswesen beschäftigt sich theoretisch und praktisch mit solchen Bewertungen. Dabei wird „Ethik im Gesundheitswesen“ als interdisziplinär geprägte Medizinethik im weitesten Sinne verstanden, deren Themen und Fragestellungen sich drei Kerndisziplinen (Klinische Ethik, Public Health Ethik, Forschungsethik) und mehreren peripheren Disziplinen (z. B. Tierethik, Technikethik oder Wirtschaftsethik) zuordnen lassen. Die Ziele und Tätigkeiten einer so verstandenen Ethik umfassen u. a. Theorieentwicklung, Translation von Erkenntnissen in die Praxis und die Mitwirkung an der (Selbst)-Regulierung des Gesundheitswesens. Dabei kommen verschiedene Bewertungsmethoden sowie philosophische und empirische Forschungsmethoden zum Einsatz.
Notes
- 1.
Der Einfachheit halber werden im weiteren Text mit „medizinisch“ stets „pflegerisch“ und „therapeutisch“ mitgemeint.
- 2.
Normen beruhen auf Werten und geben dem Handeln eine klarere Richtung vor, indem sie festhalten, was getan werden darf, getan werden soll oder sogar getan werden muss, damit u. a. die Werte, auf denen sie beruhen, „verwirklicht“ (in der Praxis umgesetzt) werden können.
- 3.
- 4.
Meistens ist mit „Ethik“ mehr oder weniger direkt „normative Ethik“ gemeint; daher wird im weiteren Verlauf dieses Beitrags „Ethik“ auch weitgehend als Kurzform für „normative Ethik“ verwendet. Nicht weiter vertieft wird die sog. Meta-Ethik, welche die theoretischen und methodischen Grundlagen der (normativen) Ethik selber untersucht (s. auch Düwell et al. 2011a).
- 5.
Die folgende Darstellung erhebt selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, v. a. was exemplarisch genannte Beispiele sowie die möglichen peripheren (Sub-)Disziplinen betrifft. Sie erhebt aber den Anspruch, die zentralen (Sub-)Disziplinen und damit Themenschwerpunkte nennen zu können.
- 6.
Das Gesundheitshandwerk bzw. medizinisch-technische Berufe (z. B. Augenoptik, Orthopädietechnik) werden hier nur aus Platzgründen nicht separat berücksichtigt.
- 7.
Mit „Ethos“ wird u. a. eine spezifische Moral von bestimmten Berufsgruppen bzw. Professionen bezeichnet. Die Tätigkeiten dieser Berufe gehen i. d. R. mit einer hohen Verantwortung gegenüber anderen Personen einher (klassisches Beispiel: ärztliches Ethos). Das Ethos prägt auch das Selbstverständnis oder das Selbstbild der jeweiligen Gruppe und beeinflusst dadurch auch das Verhalten innerhalb des Berufs bzw. der Profession.
- 8.
Da allerdings ein professionelles Ethos neben der Formulierung von eigenen Standards (z. B. „Was ist ein guter Physiotherapeut?“) auch dem Schutz professionsspezifischer Interessen dienen kann, kann es zu sich widersprechenden moralischen Forderungen zwischen einer allgemeineren Moral einer Gesellschaft und einem Ethos kommen (z. B. das Ansehen der Profession schützen und keine problematischen Ereignisse – „Skandale“ – nach außen kommunizieren). Im Rahmen einer professionellen Ethik muss bestimmt werden, wie in solchen Fällen vorzugehen ist.
- 9.
Insofern es aber auch nicht-interventionsbezogene, sozialwissenschaftliche Forschung im Gesundheitswesen gibt, z. B. Interviewstudien oder Fragebogenstudien, können auch Fragen einer Forschungsethik der Sozialwissenschaften bedeutsam werden (z. B. Umgang mit Interviewdaten, die Rückschlüsse auf die Person zulassen, aber auch die Gefahr, emotionalen Schaden bei Befragungen zu sensiblen Themen wie stigmatisierten Krankheiten oder sexuellem Missbrauch auszulösen).
- 10.
Oft wird auch die Medizinethik als Teil der Bioethik aufgefasst (z. B. Neitzke 2013; Düwell und Steigleder 2003). In diesem Kapitel wird die Medizinethik aber aus systematischen Gründen bewusst als eigenständige Disziplin betrachtet und „Bioethik“ als Sammelbegriff für die oben erwähnten Disziplinen verwendet.
- 11.
Das gelingt nur durch die Mitwirkung an Regulierungsinstrumenten u. Ä., die über die bloßen moralischen Erwägungen hinaus normative Kraft auf Akteure ausüben können (z. B. über Sanktionen, sozialen Druck, egoistische Anreize usw.).
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Mertz, M. (2021). Ethik im Gesundheitswesen. In: Haring, R. (eds) Gesundheitswissenschaften. Springer Reference Pflege – Therapie – Gesundheit . Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-54179-1_63-2
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Ethik im Gesundheitswesen- Published:
- 01 October 2021
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Ethik im Gesundheitswesen- Published:
- 12 October 2018
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