Zusammenfassung
Laut der INTERSTROKE Studie werden etwa 90 % des Risikos für einen ischämischen Schlaganfall durch beeinflussbare Risikofaktoren (z. B. Bluthochdruck, Übergewicht, Rauchen) bedingt. Durch eine Verringerung dieser Faktoren könnte das Schlaganfallrisiko deutlich gesenkt werden. Um die Effektivität von Smartphone Apps zur Sekundärprävention nach Schlaganfall in Bezug auf beeinflussbare Risikofaktoren und die Einstellung von PatientInnen gegenüber mobile Health (mHealth) zu ermitteln, wurde von Juni bis August 2018 eine Literaturrecherche in der elektronischen Datenbank PubMed durchgeführt. Berücksichtigt wurden alle Studien, bei denen Smartphone Apps oder App-ähnliche Interventionen an Schlaganfall PatientInnen getestet wurden und deren Auswirkungen auf Risikofaktoren oder PatientInnen-Zufriedenheit berichtet haben (n = 10). Die Ergebnisse zeigten eine signifikante Verbesserung der vaskulären Risikofaktoren Bluthochdruck und Diabetes sowie signifikante Verbesserungen der Lebensstil-Risikofaktoren Bewegungsmangel und Übergewicht durch Smartphone Apps. Schlaganfall PatientInnen empfinden Smartphone Apps größtenteils als nützlich und sind gegenüber mHealth positiv eingestellt, solange diese Maßnahmen eine Ergänzung und keinen Ersatz für persönliche, medizinische Betreuung darstellen.
Summary
Modifiable risk factors such as hypertension, obesity or smoking have been reported to explain up to 90% of risk for ischemic stroke. Treatment of these risk factors is known to decrease the risk of recurrent stroke events. We performed a computer-based literature research from June to August 2018 using the electronic database PubMed to investigate the effect of smartphone apps on risk factor control for secondary stroke prevention as well as feasibility and patient satisfaction with mobile health. Studies evaluating interventions by smartphone or tablet devices in stroke patients and reported results regarding risk factors, feasibility or patient satisfaction were considered (n = 10). Identified data showed significant improvement regarding the control of risk factors hypertension and diabetes as well as significant improvements of the lifestyle risk factors physical inactivity and obesity. Stroke patients perceive smartphone apps mostly as useful and are open-minded regarding mHealth, provided that these complement rather than replace personal medical care.
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Einleitung
Neurologische Erkrankungen stellten im Jahr 2015 weltweit die zweithäufigste Todesursache und die häufigste Ursache für ein Leben mit Beeinträchtigung (gemessen anhand sogenannter „disability-adjusted life years“, kurz: DALYs) dar. Zwei Drittel der Tode durch neurologische Erkrankungen und knapp die Hälfte der DALYs werden durch Schlaganfälle bedingt [1]. In Österreich hatten 2011 rund 20.000 Menschen erstmals einen ischämischen Schlaganfall und ähnlich wie im globalen Trend ist auch in Österreich seit 2008 ein leichter Anstieg der Inzidenzrate (jährlich um ca. 3 %) zu erkennen [2].
Im Rahmen der INTERSTROKE Studie [3] aus dem Jahr 2010 wurden zehn beeinflussbare Risikofaktoren genannt, die laut Angaben der Studie circa 90 % des Risikos für ischämische und intrazerebral hämorrhagische Schlaganfälle erklären. Sowohl die vaskulären Risikofaktoren Bluthochdruck, Diabetes, Cholesterin und Vorhofflimmern/koronare Herzerkrankung, als auch die Lebensstil Risikofaktoren Rauchen, Alkohol, Übergewicht, mangelnde Bewegung, ungesunde Ernährung und Stress/Depression sind Ansatzmöglichkeiten zur primären und sekundären Schlaganfallprävention. Da sich die in der INTERSTROKE Studie behandelten Risikofaktoren mit den Inhalten der in weiterer Folge näher beleuchteten Apps decken, orientiert sich auch der Aufbau dieses Übersichtsartikels an dieser Struktur.
Eine leicht umsetzbare und kostengünstige Möglichkeit, besonders junge Menschen mit Schlaganfall zu erreichen und zu unterstützen, ist „mobile Health (mHealth)“. „Junge“ Schlaganfall PatientInnen (häufig definiert als Schlaganfall PatientInnen im Alter zwischen 18 und 54 Jahren [4, 5]) sind eine besonders relevante Zielgruppe, da diese statistisch gesehen noch eine lange Lebenserwartung und oftmals familiäre und berufliche Verpflichtungen haben. Die Inzidenzrate junger Schlaganfall PatientInnen liegt etwa zwischen zehn und 15 %, wobei sie in der westlichen Welt ansteigt [4]. Eine Erklärung für diesen Trend könnte die Zunahme an Adipositas auf Grund mangelnder Bewegung sowie ungesunder Ernährung und daraus resultierenden Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus und Fettstoffwechselstörungen sein. Als mHealth wird die Unterstützung von medizinischen Verfahren der Gesundheitsfürsorge durch elektronische Geräte wie Smartphones oder Tablets bezeichnet [6]. Zwei Drittel der ÖsterreicherInnen besitzen ein Smartphone. Bei den unter 55-jährigen sind es sogar über 80 % und immerhin jede(r) Dritte der „Generation 55+“ in Österreich verwendet ein Smartphone [7]. Auf Grund dieser hohen Verbreitung scheint die Verwendung von mHealth eine geeignete Strategie sowohl zur primären als auch zur sekundären Prävention von Schlaganfall, wobei der Fokus dieser Arbeit auf der Sekundärprävention liegt. Primärprävention bedeutet in diesem Kontext Vorbeugung eines Schlaganfalls, während sich die Sekundärprävention auf die Verhinderung eines weiteren Schlaganfalls bezieht [8,9,10,11]. Unterstützung bei der regelmäßigen Medikamenteneinnahme zur Minimierung der vaskulären Risikofaktoren und Hilfe bei der Änderung von negativen Lebensgewohnheiten könnte bei Schlaganfall PatientInnen das Risiko für einen weiteren Schlaganfall verringern.
Ziel dieses Übersichtsartikels ist es daher: 1. einen Überblick existierender Smartphone Applikationen (Apps) zur Sekundärprävention nach Schlaganfall zu geben, 2. die Inhalte und Umsetzung dieser Apps darzustellen, 3. die Effektivität der Smartphone Apps in Bezug auf die für Schlaganfall relevanten Risikofaktoren zu analysieren und 4. die Einstellung von Schlaganfall PatientInnen gegenüber mHealth und die Zufriedenheit und Akzeptanz für Smartphone Apps zur Sekundärprävention nach Schlaganfall zu ermitteln.
Methodik
Von Juni bis August 2018 wurde eine systematische Literaturrecherche in der elektronischen Datenbank PubMed (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed) durchgeführt. Die folgenden Kombinationen aus Schlüsselwörtern wurden für die Suche nach relevanten Artikeln verwendet: „stroke AND smartphone AND secondary prevention“, „stroke AND secondary prevention AND mobile Health“, „stroke AND secondary prevention AND mHealth“, „stroke AND smartphone app“, „stroke AND risk factor AND mobile health“, „stroke AND risk factor AND app“, „stroke AND rehabilitation AND app“ und „stroke AND rehabilitation AND mobile health“. Berücksichtigt wurden alle englischsprachigen Artikel der letzten 10 Jahre. Insgesamt wurden mit oben beschriebenen Suchkriterien 251 Artikel ausfindig gemacht.
Eingeschlossen wurden Originalstudien, bei denen Smartphone oder Tablet Apps, beziehungsweise App-ähnliche Interventionen (automatisierte SMS oder Telefonanrufe) an Schlaganfall PatientInnen getestet wurden. Außerdem musste in den Ergebnisvariablen mindestens ein Risikofaktor aus der INTERSTROKE Studie vorkommen oder Ergebnisse zu Umsetzbarkeit und Zufriedenheit mit der App genannt werden. Ausgeschlossen wurden Studienprotokolle ohne konkrete Ergebnisse.
Von den ursprünglich 251 identifizierten Studien aus PubMed wurden, basierend auf diesen Ein- und Ausschlusskriterien, letztlich 10 Studien für diesen Übersichtsartikel herangezogen und analysiert (Abb. 1).
Ergebnisse
Smartphone Apps zur Sekundärprävention nach Schlaganfall und deren Inhalte
Ein Überblick der Studien bezüglich Stichprobengröße, Alter der PatientInnen, Vorhandensein einer Kontrollgruppe, Art des Schlaganfalls, Intervention, untersuchten Ergebnisvariablen und Ergebnissen wird in Tab. 1 und 2 dargestellt. Das mittlere Alter der Schlaganfall PatientInnen liegt in diesen Studien zwischen 50 und 60 Jahren. In Tab. 1 werden die Studien genannt, die sich im Sinne der Sekundärprävention mit Risikofaktorenmanagement befassen. In Tab. 2 werden jene Studien aufgelistet, die primär Umsetzbarkeit und Zufriedenheit mit Apps an Schlaganfall PatientInnen untersucht haben.
Primär auf Informationsvermittlung ausgerichtete Apps
Smartphone Apps, die hauptsächlich Informationen zum Thema Schlaganfall (Risikofaktoren, persönliches Risiko) bereitstellen und somit sowohl für gesunde Personen als auch für Schlaganfall PatientInnen interessant sein könnten, sind die „Stroke RiskometerTM App“ [12,13,14] und die „ICTUS3R App“ [15]. Die Stroke RiskometerTM App ermöglicht anhand von 20 Fragen zu nicht modifizierbaren Faktoren wie Alter, Geschlecht, Ethnizität, etc. sowie modifizierbaren Faktoren wie Rauchen, Bluthochdruck etc. eine Einschätzung des eigenen Schlaganfallrisikos innerhalb der nächsten fünf und zehn Jahre. Zusätzlich werden Informationen zu den persönlichen Risikofaktoren und Möglichkeiten zur Gesundheitsförderung zur Verfügung gestellt. Eine Validierung des Algorithmus an 9501 Personen (davon 752 Schlaganfall Ereignisse) hat allerdings gezeigt, dass die vorhergesagten Risikowerte der App nicht mit den tatsächlich beobachteten Werten übereinstimmen (p < 0,006) und eine Überarbeitung des Algorithmus notwendig ist [14]. Die ICTUS3R App ist eine italienische Smartphone App, die – ähnlich wie die Stroke RiskometerTM App – Informationen zu Schlaganfall und dessen Risikofaktoren zur Verfügung stellt und die Berechnung des persönlichen Schlaganfallrisikos ermöglicht.
Komplexere, personalisierte Apps zur Verminderung der Risikofaktoren
Eine sehr vielseitige, koreanische Smartphone App zur sekundären Schlaganfallprävention, welche die Risikofaktoren Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht, Rauchen und mangelnde Bewegung abdeckt und zusätzlich die korrekte Einnahme verschriebener Medikamente überprüft, ist die „Korea University Health Monitoring System for Stroke App (KUHMS2)“ [16]. Diese App bietet die Möglichkeit, entsprechend dem persönlichen Risikoprofil der Schlaganfall PatientInnen einzelne Funktionen freizuschalten und dadurch eine personalisierte App zu schaffen, die auf das eigene Risikoprofil angepasst ist. Die PatientInnen werden angehalten, ihre Vitalparameter, Anzahl gerauchter Zigaretten, Bewegung und eingenommene Medikamente täglich in der App einzutragen. Werden vordefinierte Bereiche bei den Werten über- oder unterschritten, sendet KUHMS2 automatisch eine Warnung sowohl an die PatientInnen als auch die behandelnden ÄrztInnen. Zusätzlich gibt es für die PatientInnen die Möglichkeit, ihre gesamten Parameter auf einer Website einzusehen und so einen Überblick über ihre Vitalparameter und Veränderungen in Lebensgewohnheiten zu bekommen. Ähnlich wie die KUHMS2 App zielt das „Prevent 2nd Stroke Program“ [17] auf die veränderbaren Risikofaktoren Bluthochdruck, Rauchen, Alkohol, mangelnde Bewegung, Ernährung und Stimmung/Gefühle ab. Das Programm arbeitet mit persönlicher Zielsetzung, Feedback, sowie Informationen und Strategien zur Verhaltensänderung.
Apps mit Spiel‑/Animationselementen (Gamification)
Zwei Smartphone Apps zur sekundären Schlaganfallprävention, die den Fokus primär auf Bewegung gelegt haben, sind die „9zest Stroke Rehab App®“ [18] und die „STARFISH App“ [19]. Die 9zest Stroke Rehab App® kombiniert Übungen aus der Ergotherapie zur Verbesserung der Feinmotorik, Sprachtherapie und Entspannungsverfahren wie Yoga und Meditation mit einem Bewegungsprogramm zum Aufbau von Kraft, Ausdauer und Gleichgewichtssinn. Die STARFISH App motiviert PatientInnen auf spielerische Weise mittels positiver Verstärkung und sozialer Unterstützung zu mehr Bewegung. Alle PatientInnen werden in dieser App durch bunte Fische in einem Tank repräsentiert, wobei man in der App sowohl den eigenen Fisch als auch die Fische der anderen PatientInnen sehen kann. Wenn man Bewegung macht, fängt der eigene Fisch an zu schwimmen und zu blubbern, was wiederum alle Teilnehmer sehen können. Erreicht eine Person ihr individuelles Ziel, wird sie belohnt, indem ihrem Fisch Flossen wachsen. Erreichen alle PatientInnen ihre jeweiligen Ziele, bekommt der Tank als Belohnung ein zusätzliches Meerestier.
App-ähnliche Interventionen am Smartphone
Fünf Studien [20,21,22,23,24] haben App-ähnliche Interventionen am Smartphone verwendet, die ebenfalls die Wirksamkeit von automatisierten, technischen Interventionen zur sekundären Schlaganfallprävention zeigen. Sarfo et al. [23], Kamal et al. [20] und Ovbiagele et al. [21] haben in ihren Studien personalisierte, automatisierte Erinnerungs-SMS zur korrekten Medikamenteneinnahme und Blutdruckmessung bei Schlaganfall PatientInnen verwendet. Außerdem wurden automatisierte SMS zur Bereitstellung von Gesundheitsinformationen und Feedback eingesetzt. Ebenfalls mit personalisierten und automatisierten Erinnerungs-SMS bei Schlaganfall PatientInnen haben Kamwesiga et al. [24] gearbeitet. Hier wurden die PatientInnen allerdings täglich an die Durchführung individuell gewählter Ziele und die Bewertung des Erreichens dieser Ziele erinnert. Da sich sowohl Erinnerungsfunktionen als auch das Bereitstellen von Informationen in Apps umsetzen lassen würden, sind diese Interventionen mit App-Interventionen vergleichbar. Das „Stroke CarePartner Depression Program“ [22] verwendet automatisierte Telefonanrufe mit vorgegebenen Fragen zu depressiver Symptomatik, regelmäßiger Medikamenteneinnahme und Nebenwirkungen. Abhängig von den Antworten bekommen die Schlaganfall PatientInnen ein automatisches Feedback, außerdem werden bei kritischen Antworten (Suizidalität, eigenmächtiges Absetzen der Medikamente) eine Bezugsperson und der behandelnde Arzt informiert.
Effektivität der Apps in Bezug auf Risikofaktoren bei Schlaganfall PatientInnen
Um die vaskulären Schlaganfall Risikofaktoren Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Cholesterin und Vorhofflimmern/koronare Herzerkrankung zu kontrollieren, ist eine regelmäßige und korrekte Medikamenteneinnahme notwendig. Seo et al. [16], Sarfo et al. [23] und Kamal et al. [20] haben Erinnerungsfunktionen zur regelmäßigen Medikamenteneinnahme auf die Compliance der Schlaganfall PatientInnen überprüft. Bei Verwendung der KUHMS2-App in der Studie von Seo et al. [16] wurde an durchschnittlich 29 Tagen im Monat eine korrekte Medikamenteneinnahme berichtet. Sarfo et al. konnten zeigen, dass unterstützende SMS abhängig vom Protokoll der Medikamenteneinnahme in der Interventionsgruppe zu einer signifikant höheren Rate an pünktlicher Medikamenteneinnahme führten als in der Kontrollgruppe (p = 0,03) [23]. Kamal et al. berichteten, dass personalisierte, tägliche Erinnerungs-SMS zur Medikamenteneinnahme in der Interventionsgruppe zu einer signifikant größeren Verbesserung in der Morisky Medication Adherence Scale als in der Kontrollgruppe (p < 0,01) führten [20]. Die Adhärenz der Medikamenteneinnahme scheint dementsprechend durch Apps und Erinnerungen positiv beeinflussbar.
Seo et al. [16] konnten sowohl im systolischen Blutdruck (p = 0,002) als auch im diastolischen Blutdruck (p = 0,011) signifikante Verbesserungen nach der Intervention feststellen. Kamal et al. [20] fanden nach der Intervention in der Interventionsgruppe tendenziell niedrigere Werte im diastolischen Blutdruck als in der Kontrollgruppe (p = 0,06) und Ovbiagele et al. [21] stellten durch die automatisierte Erinnerungen in der Interventionsgruppe eine stärkere Reduktion des systolischen Blutdrucks als in der Kontrollgruppe fest. Paul et al. [19] fanden sowohl in der Interventionsgruppe als auch in der Kontrollgruppe signifikante Verbesserungen im systolischen Blutdruck (p = 0,001, η2 = 0,390) unabhängig von der Nutzung der STARFISH App und keine Veränderungen im diastolischen Blutdruck. In der Studie von Sarfo et al. [23] wurde nach der Intervention zwischen den PatientInnen aus der Interventionsgruppe und den PatientInnen aus der Kontrollgruppe kein Unterschied im systolischen Blutdruck <140 mm Hg gefunden (p = 0,12).
Nur die Studie von Seo et al. [16] hat den Risikofaktor Diabetes mellitus bei Schlaganfall PatientInnen untersucht und durch die Verwendung der KUHMS2-App eine signifikante Verbesserung im Glykohämoglobin Wert (HbA1c) gefunden (p = 0,012). Übereinstimmend mit diesen Befunden hat eine Metaanalyse von Liu et al. [25] an 663 Diabetes PatientInnen, die allerdings noch keinen Schlaganfall erlitten hatten, gezeigt, dass App Interventionen zur Medikamenteneinnahme oder/und Ernährung nach sechs Monaten zu einer stärkeren HbA1c Reduktion im Vergleich zu einer Kontrollgruppe führen (SMD: −0,44; 95 % CI: [−0,82, −0,06], p = 0,02). Keine der gefundenen Studien hat explizit Ergebnisse zu Cholesterin oder Vorhofflimmern/koronare Herzerkrankung berichtet.
Neben der regelmäßigen Medikamenteneinnahme zum Management der vaskulären Risikofaktoren ist eine Veränderung der Lebensgewohnheiten in Richtung eines gesünderen Lebensstils für die sekundäre Schlaganfallprävention von zentraler Bedeutung. Drei der 10 gefundenen Studien [16, 19, 22] haben sich mit den Lebensstil-Risikofaktoren Rauchen, Stress/Depression, mangelnde Bewegung und Übergewicht beschäftigt, zu den Risikofaktoren Alkohol und ungesunde Ernährung wurden keine expliziten Ergebnisse berichtet.
Seo et al. [16] haben den Einfluss der KUHMS2-App auf das Rauchverhalten von Schlaganfall PatientInnen getestet und keine signifikante Verbesserung gefunden. Im Gegensatz dazu wurde in einer Metaanalyse von Liu et al. [25] an einer Stichprobe von 9514 Rauchern, die allerdings noch keinen Schlaganfall erlitten hatten, festgestellt, dass Rauchentwöhnungsprogramme am Smartphone verglichen mit einer Kontrollgruppe nach sechs Monaten zu einer signifikant höheren Rauchabstinenz führen (OR: 1,54; 95 % CI: [1,24, 1,90], p < 0,0001).
Skolarus et al. [22] untersuchten, ob der Verlauf von Depression nach Schlaganfall durch das „Stroke CarePartner Depression Program“ positiv beeinflusst werden kann. Die AutorInnen berichteten einen Trend in Richtung geringerer depressiver Belastung im Patient Health Questionnaire (Baseline: M = 11, IQR = 7–13; Follow-Up: M = 4, IQR = 1–7; p = 0,11), wobei diese Interpretation bei einem p-Wert von 0,11 kritisch zu betrachten ist. Außerdem ist diese Studie durch eine geringe Stichprobengröße (N = 13) und eine hohe Ausfallsquote (N = 6) limitiert. Ebert et al. [26] konnten in ihrer Metaanalyse ebenfalls die Wirksamkeit psychologischer mHealth Interventionen bei Depression zeigen, wobei diese Personen noch keinen Schlaganfall hatten. Weitere Forschung zum Thema mHealth bei Schlaganfall PatientInnen mit Depression ist notwendig, um valide Aussagen zur Wirksamkeit in dieser speziellen Population treffen zu können.
Paul et al. [19] konnten anhand von 23 Schlaganfall PatientInnen zeigen, dass sich durch die Verwendung der STARFISH App die Anzahl der Schritte (p = 0,005, η2 = 0,314) und die allgemeine Gehzeit (p = 0,002, η2 = 0,381) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe signifikant erhöhen lässt. Weitere populäre Bewegungs-Apps, deren Wirksamkeit aber noch nicht an Schlaganfall PatientInnen überprüft wurde, sind beispielsweise die „Runtastic Laufen & Fitness App“ [27], die per GPS die zurückgelegte Strecke, Geschwindigkeit und verbrauchten Kalorien aufzeichnet, die „Fit2Go App“ [28], die dazu motivieren soll, innerhalb von 42 Tagen an mindestens 20 Tagen für 30 min Bewegung zu machen, oder die „Seven – 7 min Training App“ [29], die auf hochintensivem Intervall-Training basiert.
Der Risikofaktor Übergewicht hängt direkt mit den Risikofaktoren mangelnde Bewegung und ungesunde Ernährung zusammen. Obwohl Paul et al. [19] mit ihrer STARFISH App die körperliche Aktivität der Schlaganfall PatientInnen signifikant erhöhen konnten, wurde keine signifikante Veränderung im Body Mass Index (BMI) festgestellt. Allerdings betrug die Dauer zwischen der Baseline Messung und der Follow-Up Messung nur sechs Wochen, was möglicherweise ein zu kurzer Zeitraum ist, um signifikante Veränderungen im BMI zu erfassen. Seo et al. [16] verwendeten in ihrer Studie die KUHMS2-App, die ebenfalls die körperliche Aktivität von Schlaganfall PatientInnen erhöhen sollte, für sechs Monate. Nach Verwendung der KUHMS2-App wurden signifikante Verbesserungen im Taillenumfang (p = 0,001) und im BMI (p < 0,001) festgestellt.
Keine der für diesen Übersichtsartikel herangezogenen Studien (Tab. 1) hat die Risikofaktoren ungesunde Ernährung und Alkohol bei Schlaganfall PatientInnen untersucht. Auf dem Markt gibt es zahlreiche Apps, die Menschen bei gesunder Ernährung und Alkoholabstinenz unterstützen sollen. Beispiele für Ernährungs-Apps wären die „Kochplaner App“ [30], die einen Wochenplan mit sieben gesunden Gerichten samt sortierter Einkaufsliste erstellt, die „Food Navi App“ [31], die auf Grundlage eines persönlichen Profils die eigene Ernährung anhand des Healthy-Eating Index des Verbands für Unabhängige Gesundheitsberatung (UGB) [32] bewertet, oder die „IRRTÜMER RUND UMS ESSEN App“ [33], die weit verbreitete Mythen über Nahrungsmittel und gesunde Ernährung aufklärt. Ein Beispiel für eine kostenlose App zur Kontrolle des Alkoholkonsums wäre die „EasyQuit App“ [34], welche mit motivierenden Funktionen wie „eingespartes Geld“ oder „Gesundheitsstatistiken über die Regeneration des Körpers mit und ohne Alkohol“ dabei hilft, mit dem Trinken aufzuhören. Der Effekt dieser Ernährungs- und Alkoholabstinenz-Apps auf das Gesundheitsverhalten wurde bislang nicht an Schlaganfall PatientInnen überprüft. Da ungesunde Ernährung und Alkohol zwei der Hauptrisikofaktoren für Schlaganfall darstellen, [3] wäre es in Folgestudien interessant, die Effekte von mHealth bei Schlaganfall PatientInnen auch in Hinblick auf diese Faktoren zu untersuchen. 2016 wurden im iTunes Store rund 1,2 Mio. downloadbare Gesundheits-Apps zur Verfügung gestellt [35]. Die Vielfalt an Gesundheits-Apps auf dem Markt zeigt das große Interesse und Potential solcher Interventionen. Bisher werden diese Apps hauptsächlich gesunden Menschen zur Verfügung gestellt. In einem zweiten Schritt müssten die Gesundheits-Apps nun an Schlaganfall PatientInnen getestet werden, um die Wirksamkeit und notwendige Adaptionen feststellen zu können. Vielversprechend ist die große Anzahl an Studienprotokollen [36,37,38,39,40,41,42,43], die sich genau mit diesen Fragestellungen beschäftigen.
Studienprotokoll zur Implementierung der Smartphone App „PRESTRO – Prevent Stroke“ bei jungen Schlaganfall PatientInnen
Eine Studie zur sekundären Schlaganfall Prävention mittels Smartphone App wird derzeit an der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Graz durchgeführt. Das Projekt findet in Kooperation mit dem Arbeitsbereich Gesundheitspsychologie der Karl-Franzens-Universität Graz und der Softwareentwicklungsfirma EVOLARIS GmbH Graz statt und wird vom Land Steiermark im Rahmen des Projekts „Schlaganfallfolgen im jungen Erwachsenenalter – Einfluss von sozioökonomischem Status und Bildung als Chance!“ gefördert. Das Ziel dieser Studie ist die Evaluierung der neu entwickelten Smartphone App „PRESTRO – Prevent Stroke“ in Hinblick auf Risikofaktorenmanagement, Anwendbarkeit und Zufriedenheit bei jungen Schlaganfall PatientInnen im Alter zwischen 18 und 54 Jahren. Wesentliche Bestandteile der App sind die Erinnerungsfunktion für Medikamenteneinnahme und Blutdruckmessung, Schlaganfall Edukation mit besonderem Fokus auf die Zusammenhänge zwischen Risikofaktoren und Entstehen eines Schlaganfalls und Unterstützung für gesünderen Lebensstil. Angepasst an die persönlichen Risikofaktoren können die Ziele „Regelmäßige Medikamenteneinnahme“, „Blutdruck senken“, „Mehr Bewegung“, „Gesündere Ernährung“, „Gewichtsreduktion“ und „Rauchen aufhören“ ausgewählt werden.
Die PRESTRO App bietet den PatientInnen einen virtuellen Medizinschrank (Abb. 2, Onlinematerial), in dem sie aus einer Liste häufig verschriebener Medikamente aus den Gruppen Blutplättchenhemmer, Blutgerinnungshemmer, Blutdrucksenker, Cholesterinsenker und Antidiabetika die ihnen verschriebenen Medikamente auswählen können. Die Schlaganfall PatientInnen erhalten in ihrem Medizinschrank eine Übersicht über die eigenen Medikamente, kurze Einnahmeempfehlungen, sowie Erklärungen, was die Medikamente bewirken und wie sie dabei unterstützen, einen weiteren Schlaganfall zu verhindern. Es wird betont, dass die Medikamente stets nach ärztlicher Verordnung einzunehmen sind und die App nicht das Lesen des Beipackzettels ersetzen kann. Zu individuell gewählten Zeiten erhalten die Schlaganfall PatientInnen eine Erinnerung an die Medikamenteneinnahme, wobei sie anschließend die erfolgreiche Einnahme in der App abhaken können. Ähnlich funktioniert die Erinnerung an die Blutdruckmessung, bei der die Schlaganfall PatientInnen zu individuell gewählten Zeiten von der App gebeten werden, systolischen und diastolischen Blutdruck sowie gegebenenfalls Puls und Gewicht selbstständig zu messen und in der App einzutragen. Die App stellt die eingetragenen Messwerte in Graphiken übersichtlich dar.
Besonderen Fokus legt die App auf die Entwicklung eines gesünderen Lebensstils. Auf Basis psychologischer Theorien wie Selbstwirksamkeitserwartung [44], Handlungsergebniserwartung [45], Verstärkertheorien [46], Habits Theorien [47], Stimulus Kontrolle [48], Umgang mit Barrieren [49] und SMARTer Zielsetzung [50] wurden 42 Bewegungstipps, 42 Ernährungstipps und 42 Rauchstopptipps generiert. Die Schlaganfall PatientInnen bekommen bei Wahl des entsprechenden Ziels pro Woche je drei Bewegungs- und Ernährungstipps als „Push Notification“, die neben allgemeinen Informationen und konkreten Handlungsideen die Motivation für eine Verhaltensänderung erhöhen sollen. Bei „Push Notifications“ handelt es sich um Nachrichten, die von der App ähnlich wie SMS gesendet werden und am Display des Smartphones erscheinen, unabhängig davon, ob die App oder das Handy gerade verwendet werden. Um die PatientInnen aktiv einzubeziehen, werden sie zusätzlich angehalten, sich persönliche Wochenziele in Bezug auf Bewegung und Ernährung zu überlegen (Abb. 3, Onlinematerial). Damit auch jene PatientInnen, die nicht vertraut im Umgang mit Apps sind, von PRESTRO profitieren können, wurde zusätzlich ein Nutzerhandbuch für die App erstellt. In diesem Nutzerhandbuch werden alle Funktionen der App, Symbole und Navigation anhand von detaillieren Screenshots (Abb. 4, Onlinematerial) erklärt.
Ischämische Schlaganfall PatientInnen im Alter zwischen 18 und 54 Jahren, die im Besitz eines Smartphones mit Android Betriebssystem sind, werden eingeladen, an dieser Studie teilzunehmen. Zu Beginn erhalten die PatientInnen eine ausführliche Erklärung zum Ablauf und Nutzen der Studie. Besonderer Fokus in dieser Aufklärung wird auf den Datenschutz der PatientInnen gelegt. Die PRESTRO App beschränkt sich auf das Lesen und Speichern von Daten. Bei der Entwicklung wurde sichergestellt, dass die App nicht auf Daten des Smartphones (Kalender, Standort, etc.) zugreifen kann, mit Ausnahme jener Daten, die von der App selbst erfasst werden. Diese Daten werden in anonymisierter Form auf einen gesicherten Server der Medizinischen Universität Graz übertragen. Nach Unterzeichnung der Einwilligungserklärung bekommen StudienteilnehmerInnen Benutzername und Passwort für den Login in die PRESTRO App.
Neben der klinischen und neuropsychologischen Untersuchung werden bei den Schlaganfall PatientInnen während des stationären Aufenthalts die Risikofaktoren Blutdruck, Body-Mass-Index (BMI), Anzahl Zigaretten pro Tag, depressive Symptomatik, körperliche Aktivität und Ernährungsgewohnheiten erfasst. Des Weiteren werden in einem Fragebogen allgemeine Erfahrungen mit Apps, persönliche Erwartungen an PRESTRO und die Selbstwirksamkeit erhoben. Nach dreimonatiger App-Verwendung werden die gleichen Parameter erneut erhoben und zusätzlich mittels Fragebogen das Nutzungsverhalten und die subjektive Nützlichkeit von PRESTRO abgefragt. Die Daten werden in Bezug auf Risikofaktorenmanagement, Krankheitsverlauf und Zufriedenheit der PatientInnen evaluiert. Diese Studie soll weitere Informationen über die Auswirkung einer wissenschaftlich fundierten und theoriegeleiteten Smartphone App zur sekundären Schlaganfall Prävention auf die Risikofaktoren sowie die PatientInnenzufriedenheit und Akzeptanz der App liefern.
App-Zufriedenheit der PatientInnen und Einstellung gegenüber mHealth
Sechs der in diesem Review Artikel inkludierten Studien haben die App-Zufriedenheit der PatientInnen mittels Fragebögen und Likert-Skalen erhoben. Besonders positiv wurden von den Schlaganfall PatientInnen die 9zest Stroke App® [18], automatisierte Erinnerungs-SMS zur Medikamenteneinnahme und Blutdruckmessung [20, 21], das „Stroke CarePartner Depression Program“ [22] und die Care for Stroke App [51] bewertet. 100 % (N = 20) der PatientInnen würden die 9zest Stroke App® wiederverwenden, alle PatientInnen und Bezugspersonen haben das „Stroke CarePartner Depression Program“ als „gut“ oder „exzellent“ bewertet und 96 % der PatientInnen empfinden die Care for Stroke App als „sehr nützlich“ oder „exzellent“. Knapp die Hälfte der Schlaganfall PatientInnen beurteilt das „Prevent 2nd Stroke Program“ als hilfreiches Mittel zur Veränderung von Lebensgewohnheiten [17] und durch die F@ceTM Intervention wurde die subjektiv wahrgenommene Selbstwirksamkeit im Vergleich zu einer Kontrollgruppe signifikant verbessert [24]. Auch in der Rehabilitation werden Apps für Schlaganfall PatientInnen verwendet, wobei auch hier die Reaktionen der PatientInnen eher positiv sind. Zum Beispiel waren 64 % der Schlaganfall PatientInnen mit der RecoverNow App zur Sprachtherapie im Akutsetting „sehr zufrieden“ oder „extrem zufrieden“ [52] und iPad Apps zum Training der Feinmotorik wurden auf einer 5‑stufigen Likert Skala durchschnittlich mit 3,6 beurteilt [53]. Dubey et al. [54] identifizierten 93 Schlaganfall-Apps im Apple iTunes Store und Google Play Store. 92 % dieser Apps wurden von den Usern als nützlich eingestuft, wobei kein Zusammenhang zwischen den Kosten der App, wissenschaftlicher Fundiertheit und wahrgenommener Nützlichkeit gefunden wurde.
Um die allgemeine Einstellung von Schlaganfall PatientInnen gegenüber mHealth zu erfahren, wurden Betroffene gefragt, in welchen Bereichen mHealth ihrer Meinung nach eingesetzt werden sollte [55]. Ein Großteil der befragten Schlaganfall PatientInnen könnte sich mHealth im Rahmen von Edukation und Trainingsprogrammen vorstellen, allerdings wurde betont, dass dies eine Erweiterung zur klassischen Behandlung darstellen sollte und mHealth kein Ersatz für persönliche, medizinische Betreuung werden dürfe. Ebenfalls wird die Blutdruckkontrolle bei Schlaganfall PatientInnen mittels mHealth als sinnvoll erachtet [56]. Im Rahmen von Fokusgruppen wurde von Schlaganfall PatientInnen und deren Angehörigen besonders der Wunsch nach konkreten Informationen zum Risikofaktoren-Management geäußert und 28 von 33 TeilnehmerInnen haben angegeben, Technologie zu diesem Zweck zu verwenden [57]. Darüber hinaus sind Smartphones generell für Schlaganfall PatientInnen und deren Angehörige von großer Bedeutung, da sie PatientInnen bei der Strukturierung ihrer Tagesroutine unterstützen, soziale Beziehungen aufrechterhalten und eine Reintegration in ihren Alltag erleichtern. Angehörigen bieten Smartphones Sicherheit, da sie jederzeit mit den PatientInnen Kontakt aufnehmen können [58]. Die größten Barrieren bei der erfolgreichen Anwendung von Apps im Rahmen von mHealth sind komplizierte Instruktionen, mangelnde Feinmotorik zur App Bedienung und fehlende Internet Verfügbarkeit [59].
Limitationen
Dieser Überblicksartikel orientiert sich in seinem Aufbau und den analysierten Risikofaktoren an der INTERSTROKE Studie [3]. Im Rahmen einer kritischen Korrespondenz wurde in Frage gestellt, ob diese Studie die Varianzaufklärung der zehn oben genannten beeinflussbaren Risikofaktoren auf Grund eines Durchführungsbias (z. B. Recall-Bias zum Ernährungsverhalten) möglicherweise überschätzt [60]. Des Weiteren existieren nicht-beeinflussbare relevante Risikofaktoren (z. B. Alter, Geschlecht, Ethnizität, Genetik, Hormonlevel [61]) für Schlaganfall, welche aufgrund unseres Fokus auf potentiell veränderbare und durch Apps modifizierbare Risikofaktoren in diesem Überblicksartikel nicht berücksichtigt wurden.
Bei der Interpretation der in diesem Übersichtsartikel analysierten Studien sollte die Heterogenität und teilweise kleine Stichprobengröße, sowie das Fehlen einer Kontrollgruppe und potentielle Einflüsse kultureller oder sprachlicher Unterschiede beachtet werden. Die momentane Studienanzahl im Bereich der App-gestützten Sekundärprävention bei Schlaganfall PatientInnen ist sehr gering und anhand der eher kleinen Fallzahlen dieser Studien lassen sich noch keine allgemein gültigen Aussagen bezüglich Nützlichkeit von Apps zur Sekundärprävention bei Schlaganfall treffen. Auf Grund der meist exemplarischen Darstellung der Apps ist auch die Beurteilung der wissenschaftlichen Qualität der Inhalte und in weiterer Folge die Vergleichbarkeit und Generalisierbarkeit zum aktuellen Zeitpunkt sehr schwierig. Ebenfalls auf Grund der geringen Datenlage wurden Apps unterschiedlicher Sprachen eingeschlossen, die auch in unterschiedlichen Kulturen Anwendung gefunden haben. Inwieweit sprachliche und kulturelle Aspekte Einfluss auf die App-gestützte Sekundärprävention bei Schlaganfall PatientInnen haben, lässt sich mit der gegenwärtigen Datenlage nicht beurteilen.
Schlussfolgerung und Ausblick
In diesem systematischen Übersichtsartikel wurden Inhalte und Umsetzung von Smartphone Apps zur Sekundärprävention nach Schlaganfall herausgearbeitet, die Effektivität dieser Apps in Bezug auf relevante Risikofaktoren bei jüngeren Schlaganfall PatientInnen analysiert und die Akzeptanz und Einstellung von jüngeren Schlaganfall PatientInnen (im Mittel 50–60 Jahre) gegenüber mHealth ermittelt. Inhalte dieser Apps waren die Erstellung von persönlichen Risikoprofilen, Übersichten über Vitalparameter (z. B. Blutdruck) und Lebensgewohnheiten (z. B. Rauchen), Alarmfunktionen bei kritischen Werten, Erinnerungsfunktionen für Medikamenteneinnahme und Messungen sowie körperliche Aktivität. Die Apps vermittelten Gesundheitsinformationen, gaben individuelles Feedback zu eingetragenen Werten, stellten Vitalparameter in Graphiken dar und erhöhten die Motivation mittels spielerischer Elemente und sozialer Unterstützung durch andere PatientInnen. Als besonders hilfreich hat sich die Erinnerungsfunktion an Medikamenteneinnahme und Blutdruckmessungen erwiesen, was sich in einer höheren Compliance [16, 20, 23] zur regelmäßigen Medikamenteneinnahme dieser jüngeren Schlaganfall PatientInnen gezeigt hat. Besonders die vaskulären Risikofaktoren Bluthochdruck und Diabetes mellitus scheinen durch Smartphone Apps positiv beeinflussbar zu sein. Bezüglich Lebensstil-Risikofaktoren lassen sich Smartphone Apps effektiv für ein höheres Ausmaß an körperlicher Aktivität einsetzen. Jüngere Schlaganfall PatientInnen empfinden Smartphone Apps größtenteils als nützlich und sind gegenüber mHealth positiv eingestellt, solange diese Maßnahmen eine Ergänzung und keinen Ersatz für persönliche, medizinische Betreuung darstellen.
Keine der gefundenen Studien hat sich mit ungesunder Ernährung und Alkoholkonsum beschäftigt, obwohl diese zwei der Hauptrisikofaktoren für Schlaganfall darstellen und Ernährung nahezu alle anderen Schlaganfall Risikofaktoren beeinflusst [62, 63]. Möglicherweise liegt das an der Komplexität, valide Daten über die Ernährung von PatientInnen zu erheben. Alkoholkonsum wird möglicherweise nicht berücksichtigt, da PatientInnen mit Alkoholabhängigkeit einer professionellen Therapie, wie zum Beispiel dem „Ambulanten Gruppenprogramm zum kontrollierten Trinken (AkT)“ [64] bedürfen, die nicht durch mHealth ersetzt werden kann. Außerdem werden von PatientInnen häufig keine Angaben zum Trinkverhalten gemacht, was auch hier die Erhebung valider Daten erschwert.
In Summe haben die wenigen Studien, die Smartphone Apps oder App-ähnliche Sekundärprävention für jüngere Schlaganfall PatientInnen getestet haben, ein großes Potential zur Verbesserung der Risikofaktoren gezeigt. Bereits kleine Verbesserungen im Risikofaktoren-Profil von Schlaganfall PatientInnen durch Smartphone Apps könnten, wenn flächendeckend angewendet, insgesamt zu großen Effekten in der Reduzierung von weiteren Schlaganfällen führen und somit die Gesundheitskosten senken [65]. Ein weiterer Vorteil wäre die Möglichkeit, Vitalparameter und andere kritische Werte direkt an den Hausarzt zu übermitteln. Dadurch wäre eine engmaschige Betreuung der PatientInnen möglich und bei Bedarf könnte sofort gehandelt werden. So alarmieren beispielsweise die KUHMS2 App [16] und das „Stroke CarePartner Depression Program“ [22] automatisch den behandelnden Arzt sowie eine Bezugsperson, wenn Vitalparameter außerhalb eines definierten Bereichs liegen oder Suizidalität vorliegt. Kritisch zu betrachten ist diese Vernetzung allerdings in Hinblick auf Datenschutz und Privatsphäre der PatientInnen.
Obwohl mHealth bislang keinen Teil der standardmäßigen medizinischen Versorgung darstellt [66], könnte es besonders für jüngere PatientInnen eine praktische, lebensnahe und kostengünstige Ergänzung zur Standardbehandlung darstellen. Weitere Studien im deutschsprachigen Raum mit größeren Fallzahlen und wissenschaftlich fundierten Schlaganfall Apps sind notwendig, um detailliertere Aussagen zur Nützlichkeit von Smartphone Apps in der Sekundärprävention von Schlaganfall treffen zu können. In Anbetracht der aktuellen Studienlage und unter Berücksichtigung des primär positiven Feedbacks der PatientInnen scheint mHealth jedoch eine vielversprechende Option zur Unterstützung der Gesundheitsförderung bei jüngeren Schlaganfall PatientInnen darzustellen.
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Förderung
Die Entwicklung der Smartphone App zur sekundären Schlaganfall Prävention aus der aktuellen Studie wird vom Land Steiermark im Rahmen des Projekts „Schlaganfallfolgen im jungen Erwachsenenalter – Einfluss von sozioökonomischem Status und Bildung als Chance!“ (ABT08-119893/2017) gefördert.
Funding
Open access funding provided by Medical University of Graz.
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Fruhwirth, V., Enzinger, C., Weiss, E. et al. Apps in der Sekundärprävention nach Schlaganfall. Wien Med Wochenschr 170, 41–54 (2020). https://doi.org/10.1007/s10354-019-00707-3
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