Zusammenfassung
Fragestellung
Schwere Thoraxverletzungen sind bei mehrfach verletzten Patienten mit einer hohen Mortalität und Morbidität behaftet und bedürfen häufig einer notfallmäßigen operativen Versorgung. Diese Übersicht analysiert das operative Vorgehen beim polytraumatisierten Patienten mit Thoraxverletzungen insbesondere im Hinblick auf die Dringlichkeit der operativen Maßnahmen.
Methodik
Klinische Studien wurden über eine systematische Literatursuchen (Medline, Cochrane und Handsuchen) identifiziert. Von 618 gefundenen Artikeln wurden 46 detailliert bewertet und nach Evidenzgüte (Level 1–5 nach Oxforder Schema) eingeteilt.
Ergebnisse
Penetrierende Thoraxverletzungen beim instabilen Patienten bedürfen einer sofortigen operativen Therapie. Eine Thorakotomie sollte ebenfalls bei einem größeren Blutverlust (>1500 ml) aus der Thoraxdrainage durchgeführt werden. Aortenrupturen können entweder durch offene direkte Naht oder beim Borderline-Patienten auch mittels endovaskulärem Stenting versorgt werden. Im Einzelfall ist beim hämodynamisch stabilen Patienten eine sekundäre Versorgung möglich. Bei Läsionen des Tracheobronchialsystems ist die notfallmäßige Versorgung mit primärer Naht oder Patchplastik indiziert. Traumatische Zwerchfellrupturen sollten zügig verschlossen werden. Eine operative Versorgung von Rippenserienfrakturen mit instabilem Thorax verkürzt die Beatmungsdauer und den Intensivaufenthalt.
Schlussfolgerungen
Die operative Versorgung von Thoraxverletzungen begründet sich zum Großteil aus der Abwendung unmittelbar lebensbedrohlicher Zustände (Evidenzlevel 1c). Zum relativen Stellenwert der operativen Verfahren sind bisher keine randomisierten und nur wenige vergleichende Studien durchgeführt worden. Insbesondere zum endovaskulären Therapie der Aortenruptur fehlen Langzeitergebnisse.
Abstract
Objective
Severe chest injuries are still associated with significant morbidity and mortality. This systematic review assesses the early operative management of severe chest trauma in multi injured patients with special regard to the priority of the operative therapy.
Methods
Clinical trials were systematically sought and collected (MEDLINE, Cochrane and hand searches). Of 618 abstracts, 46 articles were selected for detailed appraisal and were classified into evidence levels (1 to 5 according to the Oxford system).
Results
Penetrating chest injuries in haemodynamically instable patients require emergency operative therapy. A thoracotomy is also indicated in excessive chest tube output (>1500 ml). An aortic rupture can be treated either by open suture or—in borderline patients—by endovascular stenting. In selected haemodynamically stable patients delayed treatment is also possible. Lesions of the tracheobronchial system should be treated urgently with primary surgical repair. Diaphragmatic ruptures should be closed urgently. Surgical stabilisation of rib fractures with an associated flail chest reduces the ventilator days and the length of intensive care unit stay.
Conclusion
A large part of early surgery for chest injuries is justified because it averts immediate threats to life (level 1c evidence). No randomised and only a few controlled trials have examined the relative value of the different surgical options so far. Long-term data are lacking especially on the safety of endovascular stenting.
Hinweis
Dieser Beitrag ist Teil des Themenheftes „Polytrauma – operative Versorgungsstrategien“ (s. Unfallchirurg 10/05).
In Deutschland erleiden jedes Jahr >20.000 Personen ein schweres Thoraxtrauma („abbreviated injury scale“, AIS>3), [25]. Die Relevanz der Brustkorbverletzung zeigt sich auch am Verletzungsmuster schwer Mehrfachverletzter. So erleiden polytraumatisierte Patienten am häufigsten Kombinationsverletzungen des Schädels und des Thorax gefolgt von Thoraxtraumen in Kombination mit Extremitätenverletzungen [6, 25]. In der chirurgischen Behandlung schwer mehrfachverletzter Patienten ist die Kenntnis, welche Verletzungen notfallmäßig behandelt werden müssen und welche sekundär versorgt werden können, unerlässlich, da eine zu aggressive primär definitive Versorgung aller Verletzungen die Prognose nachweislich negativ beeinflussen kann, wenn die physiologischen Grenzen des Patienten überschritten werden [45, 46].
Ziel dieser systematischen Übersicht war daher eine Durchsicht der relevanten Literatur, um daraus Empfehlungen für die Behandlung schwer mehrfachverletzter Patienten mit Verletzungen des Thorax abzuleiten. Besonderes Augenmerk wurde auf Untersuchungen gelegt, aus denen sich die Dringlichkeit chirurgischer Maßnahmen ableiten lässt.
Material und Methoden
Zu den verschiedenen Teilaspekten des Themas erfolgten Literaturrecherchen in „Medline“ und der „Cochrane Library“ (Tab. 1). Nach Durchsicht der Abstracts wurden potenziell relevante Artikel in Kopie beschafft. Inhaltlich relevante Artikel wurden entsprechend ihres Studiendesigns ein Evidenzlevel (EL) zugeordnet. Die Graduierung erfolgte nach dem Schema des „Centre for Evidence-based Medicine“ in Oxford (http://www.cebm.net/levels_of_evidence.asp) durch die beiden Autoren U.C.L. und S.S.. Die Festlegung der EL bezog auch die inhaltliche Relevanz der Studien mit ein.
Ergänzt wurde die Recherche durch eine Handsuche nicht datenbankindexierter Zeitschriften und Bücher. Ferner wurden die Literaturverzeichnisse aller potenziell relevanten Artikel durchgesehen.
Ergebnisse
Penetrierende Thoraxverletzungen
Den Thorax penetrierende Fremdkörper dürfen, sobald eine Perforation des Thorax anzunehmen ist, aufgrund eines möglichen Tamponadeeffekts nicht von außen entfernt werden. Immer erfolgt die Entfernung im Operationssaal (OP) über eine explorative Thorakotomie. Auch ist das luftdichte Verschließen oder Verbinden von Einstichöffnungen kontraindiziert, da die Öffnungen eine Akutentlastung der Pleurahöhle ermöglichen können. Zur Vermeidung von septischen Komplikationen sollte bei komplizierten Verletzungen ein zweizeitiger Verschluss der Thoraxwand nach einer gründlichen Lavage und einem großzügigem Wunddébridement angestrebt werden (EL 4 [39, 45]).
Fazit
Einliegende Fremdköper dürfen beim Vorliegen von perforierenden Thoraxverletzungen erst unter kontrollierten Bedingungen im OP von außen entfernt werden.
Indikation zur Thorakotomie
Die Indikation zur sofortigen Thorakotomie bei penetrierenden Verletzungen ergibt sich bei schweren hämodynamischen Schockzuständen, Zeichen einer Perikardtamponade, diffusen Blutungen und der Abwesenheit peripherer Pulse sowie bei Herz-Kreislauf-Stillstand zum Zeitpunkt der Aufnahme im Schockraum (EL 2b [3, 4]; EL 3b [8, 24]; EL 4 [15, 30, 45]). Hämodynamisch stabile Patienten können nach Anlage einer Thoraxdrainage überwacht bzw. weiterer Diagnostik wie Spiral-Computertomographie (-CT) zugeführt werden (EL 5 [7, 12].
Durch Untersuchungen während des Vietnamkriegs konnte bei überwiegend penetrierenden Verletzungen eine Reduktion der Mortalität und der Komplikationsrate bei einer Thorakotomie ab einem Blutverlust von initial >1500 ml bzw. >500 ml in der 1. Stunde nach Thoarxdrainageanlage gezeigt werden (EL 3b [29]). In einer multizentrischen Untersuchung wurde ebenfalls die Abhängigkeit der Mortalität vom thorakalen Blutverlust unabhängig vom Unfallmechanismus (stumpf vs. penetrierend) nachgewiesen. Die Mortalität stieg hierbei um den Faktor 3,2 in der Gruppe mit einem Blutverlust von >1500 ml in den ersten 24 h, verglichen mit einem Blutverlust aus der Thoraxdrainage von 500 ml/24 h. Die Thorakotomie erfolgte hierbei im Mittel 2,4±5,4 h nach Aufnahme (EL 3b [21]). Dem Konzept eine Thorakotomie bei stumpfen oder penetrierenden Verletzungen ab einem initialen Blutverlust von 1500 ml, bzw. bei einer kontinuierlichen Blutung von 250 ml/h über 3 h durchzuführen folgen ebenfalls weitere Autoren (EL 3b [11, 24, 27, 41]; EL 5 [12]). Aufgrund der vorliegenden Literatur wird der Empfehlung des NATO-Handbooks gefolgt, eine Thorakotomie ab einem Blutverlust von >250 ml über 4 h durchzuführen (EL 5 [7]).
Wird die Drainagemenge pro Zeiteinheit als Indikationskriterium zur Thorakotomie herangezogen, muss auf eine korrekte Platzierung der Drainage und auf einen möglichen Verschluss durch Blutkoagel geachtet werden (EL 3b [1, 21]). Im Falle einer thorakalen Kombinationsverletzung mit großem Blutverlust und einer ausgeprägten metabolischen Derangierung kann nach einer Akutversorgung mit Blutungskontrolle ein temporärer Thoraxverschluss im Sinne einer „damage control surgery“ durchgeführt werden. Nach intensivmedizinischer Stabilisierung des Patienten erfolgt dann die definitive operative Versorgung und der Verschluss des Thorax im Intervall (EL 4 [40, 45]).
Fazit
Jede penetrierende Thoraxverletzung stellt beim hämodynamisch instabilen Patienten eine Indikation zur sofortigen explorativen Thorakotomie dar. Eine Thorakotomie sollte bei einem initialen Blutverlust von >1500 ml aus der Thoraxdrainage oder kann bei einem fortwährenden Blutverlust von >250 ml über >4 h erfolgen.
Verletzungen der Lunge
Lungenparenchymverletzungen bei einem penetrierenden oder stumpfem Thoraxtrauma mit persistierender Blutung und/oder Luftleckage bedürfen der chirurgischen Versorgung (EL 3b [11, 17, 19, 41]; EL 4 [15, 30, 45]). Gegenüber parenchymsparenden Operationsverfahren wie der Übernähung, einer Traktotomie oder der extraanatomischen Keilresektion sind die Lobektomie und Pneumonektomie mit einer höheren Komplikations- und Mortalitätsrate behaftet (EL 3b [11, 17, 19, 41]).
Fazit
Je nach Ausmaß und Lokalisation der Lungenverletzungen sind eine Traktotomie, extraanatomische Keilresektion, Lobektomie oder Pneumektomie durchzuführen, wobei parenchymsparende Operationsverfahren eine niedrige Mortalität aufweisen.
Verletzungen der großen Gefäße
Die Therapie der Aortenruptur besteht traditionell aus einer Aortenrekonstruktion mit Abklemmen der Aorta bzw. unter Verwendung von verschiedenen Bypassverfahren zur Perfusion der unteren Körperhälfte und des Rückenmarks während der Klemmphase (Linksherzbypass, Gott-Shunt, Herz-Lungen-Maschine; EL 2b [14]; EL 3b [8, 10, 31]; EL 4 [22, 26, 35, 44].
Aktuelle Studien identifizieren das akute Stenting bei Aortenrupturen als eine minimal-invasive, zeitsparende therapeutische Option mit geringem Zugangsschaden und geringer Komplikationsrate bei einem selektiven Patientengut mit erheblichen Begleitverletzungen oder limitierenden Grunderkrankungen, deren Effektivität allerdings noch in großen Studien bewiesen werden muss (EL 2b [2]; EL 4 [16, 28, 32, 47]).
Die Komplikationen wie Paraplegie und das akute Nierenversagen resultieren aus der operativ bedingten Ischämie. Die Komplikationsrate korreliert hierbei mit der Abklemmdauer der Aorta (EL 2b [14]; EL 3b [36]). Wird statt dem Abklemmen der Aorta die Perfusion während der Operation durch Bypassverfahren aufrechterhalten reduziert sich die Komplikationsrate (Paraplegie, Nierenversagen; EL 2a [20]; EL 2b [14]; EL 3b [10, 31]).
Der Zeitpunkt der Versorgung der Aortenruptur orientiert sich am hämodynamischen Zustand der Patienten zum Zeitpunkt der Aufnahme. Patienten, die sich in einem hämodynamisch instabilen Zustand bzw. in extremis befinden, werden sofort einer chirurgischen Therapie zugeführt, wobei in diesem Kollektiv die Mortalität der Verletzung bis zu 100% beträgt (EL 3b [9]). In einer Serie von 395 Patienten konnten Camp et al. [9] zeigen, dass sich bei hämodynamisch stabilen Patienten die Mortalität bei nicht notfallmäßiger (>4 h) bzw. verzögerter Operation (>24 h) im Gegensatz zur notfallmäßigen Operation (<4 h) nicht signifikant erhöht (EL 3b [9]).
Wird die operative Therapie nicht notfallmäßig durchgeführt, ist eine strenge pharmakologische Blutdruckeinstellung (systolischer Blutdruck zwischen 90 und 120 mmHg bzw. Herzfrequenz <100/min) mit β-Blockern und Vasodilatatoren durchzuführen. Die Versorgung dieser hämodynamisch stabilen Patienten im Intervall ist nach einer aggressiven Blutdruckkontrolle nicht mit einer höheren Letalitäts- und Komplikationsrate behaftet als eine sofortige operative Versorgung (EL 2b [13, 14] bzw. EL 3b [7, 36]).
Bei Patienten mit begleitenden Schädel-Hirn-Traumen, schweren abdominellen oder skelettalen Verletzungen, welche einer sofortigen operativen Intervention bedürfen und beim alten Patienten mit erheblichen kardialen und pulmonalen Komorbiditäten kann daher eine Versorgung der Aortenverletzung nach der Therapie lebensbedrohlicher Zusatzverletzungen bzw. nach Stabilisierung im Intervall angestrebt werden (EL 3b [9, 18, 36]; EL 4 [26]).
Eine intrathorakale Verletzung der V. cava inferior verursacht häufig eine Perikardtamponade und ist daher mir einer hohen Mortalität behaftet. Die operative Versorgung der Vene erfolgt nach einer Perikardentlastung über den rechten Vorhof mittels direkter Naht oder mit einem Patchverschluss unter Verwendung der extrakorporalen Zirkulation (EL 4 [38, 39, 44, 45]).
Verletzungen der rechten A. und V. subclavia werden über eine mediane Sternotomie mit zervikaler Erweiterung versorgt. Linksseitig wird über eine hohe anterolaterale Thorakotomie (3. Interkostalraum) und bei Bedarf über einen zusätzlichen supraklavikulären Zugang vorgegangen. Arterielle Gefäßläsionen werden durch eine Naht, Graftinterposition oder durch endovaskuläres Stenting, venöse Läsionen werden durch Naht oder Ligatur versorgt (EL 4 [39, 44, 45, 48]).
Fazit
Die operative Therapie der Aortenruptur besteht aus einer Aortenrekonstruktion mit Abklemmen der Aorta oder unter Verwendung eines Bypassverfahrens.
Endovaskuläres Stenting stellt in der Versorgung der traumatischen Aortenruptur eine Therapieoption dar, welche v. a. bei Patienten mit erheblichen Begleitverletzungen durchgeführt werden kann, die eine zusätzliche große Operation nicht tolerieren würden.
Kann eine sofortige Aortenrekonstruktion aufgrund von erheblichen Begleitverletzungen nicht durchgeführt werden, ist bis zur verzögerten Versorgung oder bei konservativem Management eine strenge Blutdruckeinstellung durchzuführen.
Verletzungen der intraperikardial gelegenen V. cava inferior verursachen häufig eine Perikardtamponade und bedürfen ebenfalls einer Naht.
Verletzungen des Herzens
Lebensbedrohliche Verletzungen des Herzens entstehen in erster Linie durch penetrierende Traumen. Hier sind insbesondere Verletzungen mehrerer Kammern mit einer hohen Mortalität behaftet (EL 2b [3, 4]; EL 4 [15, 45]).
Der Zugang erfolgt über eine mediane Sternotomie oder aus Zeitgründen durch eine linke anterolaterale Thorakotomie. Nach einer Entlastung der in mehr als der Hälfte vorliegenden Herzbeuteltamponade über eine Längsinzision des Perikards muss eine schnelle Kontrolle der Blutung durch Staples oder Naht ggf. mit Augmentation durchgeführt werden. Abschließend erfolgt eine Adaptation des inzidierten Herzbeutels ohne einen kompletten Verschluss, um eine Retamponade zu vermeiden (EL 2b [3, 4]; EL 4 [15, 45]).
Proximale Läsionen der Herzkranzgefäße müssen rekonstruiert oder notfallmäßig mit einem aortokoronaren Bypass unter Verwendung einer Herz-Lungen-Maschine versorgt werden. Distale Läsionen der Koronarien können ligiert werden (EL 4 [15, 45]).
Von prognostischer Bedeutung sind die Rhythmusverhältnisse und die kardiorespiratorische Funktion bei Ankunft im Schockraum (EL 2b [3, 4]). Zu jeder Zeit muss daher versucht werden, die Pumpfunktion des Herzens aufrechtzuerhalten und Herzrhythmusstörungen zu behandeln, da dieses die Mortalität senkt (EL 2b [3, 4]).
Fazit
Die operative Versorgung penetrierender und stumpfer Herzverletzungen besteht in einer sofortigen Entlastung der Perikardtamponade, einer schnellen Kontrolle der Blutung und einem Verschluss der Herzwunde. Die Pumpfunktion des Herzens muss aufrechterhalten werden und akute Herzrhythmusstörungen müssen unverzüglich therapiert werden.
Verletzungen des Tracheobronchialsystems
Die operative Versorgung des Tracheobronchialsystems sollte notfallmäßig (<2 h) erfolgen, da eine spätere Versorgung (>2 h) mit einer erhöhten Komplikationsrate verbunden ist (EL 4 [5]). Als Zugang wird für intrathorakale Tracheaverletzungen eine mediane Sternotomie und für Bronchusverletzungen eine posterolaterale Thorakotomie auf der betroffenen Seite gewählt (EL 4 [5]). Bei einfachen Querrissen erfolgt nach einer Bronchusmobilisation und ggf. einer Knorpelspangenresektion die spannungsfreie End-zu-End-Naht des Bronchus. Längsrisse mit Defektbildung der Paries membranaceus werden mit einem Patch verschlossen, um Bronchusstenosierungen zu vermeiden (EL 4 [5, 39]).
Die chirurgische Behandlung begleitende Lungenparenchymverletzungen richtete sich wie bereits beschrieben nach Art und Ausmaß der Parenchymdestruktion (EL 4 [11, 17, 19, 41, 45]).
Fazit
Traumatische Verletzungen des Tracheobronchialsystems sollten durch einfache End-zu-End-Naht oder Patchverschluss notfallmäßig operativ versorgt werden.
Verletzungen des Zwerchfells
Eine bei stumpfen Verletzungen in bis zu 1,6% der Fälle vorliegende Zwerchfellruptur wird meist bei Verkehrsunfällen durch einen seitlichen Aufprall hervorgerufen und betrifft überwiegende die linke Zwerchfellseite (links:rechts = 5:1; EL 4 [23]). Aufgrund der mit steigender Dauer der Herniation und Strangulation verbundenen Prognoseverschlechterung sollte die Zwerchfellruptur zügig operativ versorgt werden (EL 4 [23]).
Der operative Zugang erfolgt beim Fehlen wesentlicher thorakaler Läsionen wegen der in 60–80% der Fällen vorliegenden intraabdominellen Begleitverletzungen meist über einen transabdominellen Zugang (EL 4 [23, 33]). Bei gesicherten Kombinationsverletzungen bzw. technisch schwer durchzuführender Naht wird ein thorakoabdominaler Zugang verwendet (EL 4 [23, 34]). Andere Autoren empfehlen bei linksseitigen Zwerchfellverletzungen einen abdominellen Zugang und bei rechtsseitigen Läsionen einen abdominellen oder thorakalen Zugang (EL 4 [39]).
Sofern die Zwerchfellruptur erst intraoperativ festgestellt wird, sollte sie über den jeweiligen primären Zugang versorgt werden (thorakal oder abdominell). Der Zwerchfelldefekt kann meist mittels direkter Naht verschlossen werden, nur selten ist eine plastische Defektdeckung notwendig (EL 4 [23, 39].
Fazit
Traumatische Zwerchfellrupturen sollten zügig operativ verschlossen werden.
Verletzungen des knöchernen Thorax (ohne Wirbelsäule)
Bei isolierten Rippenserienfrakturen oder Rippenserienfrakturen ohne Instabilität des Thorax sollte eine konservative Therapie angestrebt werden (EL 5 [12]). Die operative Versorgung von Rippenserienfrakturen beim stabilen und instabilen Thorax mit Pendelbewegungen der Thoraxwand und paradoxer Atmung wird weiterhin kontrovers diskutiert (EL 3b [20]).
Voggenreiter et al. [43] konnten zeigen, dass eine primäre operative Stabilisierung von Rippenserienfrakturen mit einem instabilen Thorax und respiratorischer Insuffizienz ohne Lungenkontusion bessere Ergebnisse mit einer kürzeren Beatmungsdauer oder niedriger Komplikationsrate aufweist als eine konservative Therapie. Patienten mit einer ausgeprägten Lungenkontusion profitieren aber nicht von einer operativen Stabilisierung des knöchernen Thorax (EL 3b [43]).
Tanaka et al. [37] wiesen in einer prospektiv randomisierten Studie operativ versorgter Rippenserienfrakturen bei Patienten mit instabilem Thorax und respiratorischer Insuffizienz eine kürzere Beatmungszeit, einen kürzeren Intensivstationsaufenthalt sowie eine niedrigere Komplikationsrate der mit Judet-Klammern operativ stabilisierten Gruppe gegenüber der intern pneumatisch geschienten Kontrollgruppe nach (EL 1b [37]).
Indikationen für eine chirurgische Stabilisierung sind weiterhin massive Impressionen von Rippenfragmenten, die durch eine innere pneumatische Schienung nicht beherrscht werden können und begleitende innere Thoraxverletzungen. Eine operative Stabilisierung beim Vorliegen von ausgeprägten Thoraxwandhämatomen sollte aufgrund der Gefahr von Thoraxwandphlegmonen vermieden werden (EL 5 [39, 45]).
Fazit
Bei isolierten Rippenfrakturen oder Rippenserienfrakturen ohne Instabilität des Thorax sollte eine konservative Therapie angestrebt werden. Bei Rippenserienfrakturen mit instabilem Thorax aber ohne größere Lungenkontusion sollte eine operative Stabilisierung angestrebt werden, wenn die Begleitverletzungen dies zulassen.
Fazit für die Praxis
Bei der Durchsicht der Literatur war festzustellen, dass nur wenige prospektive Untersuchungen zu Verletzungen des Thorax vorliegen. Aus diesem Grund musste die überwiegende Anzahl der Arbeiten als EL 3 klassifiziert werden. Zusätzlich handelt es sich bei den größeren Untersuchungen insbesondere aus dem angelsächsischen Sprachraum um Patientenserien mit einer hohen Anzahl an penetrierenden Verletzungen, welche an sich eine bessere Prognose als stumpfe Traumen aufweisen. Die Übertragung der dort gewonnenen Ergebnisse auf europäische Verhältnisse ist daher nur eingeschränkt möglich.
Neue Aspekte der Behandlung schwer Thoraxverletzter ergeben sich aus dem Transfer der ursprünglich für schwere abdominelle Verletzungen entwickelten Behandlungsstrategien der „damage control surgery“. Diese betreffen insbesondere Parenchym sparenden Resektionsverfahren nach Lungenverletzungen die im Vergleich mit der Lobektomie mit einer geringeren Komplikationsrate verbunden sind.
Die endovaskuläre Behandlung der Aortenruptur mit Stents stellt ebenfalls eine neues zeitsparendes Therapieverfahren dar, das mit einem geringem Zugangsschaden und geringer Komplikationsrate verbunden ist, dessen Stellenwert aber noch in größeren Studien bewiesen werden muss.
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Liener, U.C., Sauerland, S., Knöferl, M.W. et al. Operative Versorgung von Thoraxverletzungen innerhalb der ersten Operationsphase. Unfallchirurg 109, 447–452 (2006). https://doi.org/10.1007/s00113-005-1048-3
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