Psychiatr Prax 2008; 35(4): 203-204
DOI: 10.1055/s-2008-1079344
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Diagnostik von Ressourcen

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Publication Date:
10 June 2008 (online)

 

Schon 1986 hatte die WHO in der Ottawa-Charta Gesundheit ganzheitlich und positiv als Ergebnis individueller wie gesellschaftlicher Anstrengung bestimmt, was die Stärkung von sozialen Netzwerken und Bewältigungsmöglichkeiten einschloss. Die "Europäische Erklärung zur psychischen Gesundheit" forderte in Helsinki am 15.01.2005, situationsspezifische Umgangs- und Bewältigungsmöglichkeiten sowie Kompetenzen von Angehörigen und Betreuenden zu verbessern und diese in die Versorgungsplanung einzubeziehen. Die sozialökologische Perspektive der WHO-Gesundheitsförderungsstrategie fragt somit nicht mehr, wie man Krankheit vermeiden kann. Wie die Gesundheitspsychologie an die salutogenetische Orientierung Antonovkys anknüpfte, wächst insbesondere in der Psychiatrie die Aufmerksamkeit für Widerstandsfähigkeit und Recovery. Die traditionelle Rollenverteilung zwischen passivem Patient und aktivem Behandler sowie eine einseitige Problem- und Defizitorientierung in der psychiatrischen Diagnostik und Behandlung werden wieder hinterfragt.

Vor diesem Hintergrund entwickelten KÜFNER et al. mit PREDI (Psychosoziale Ressourcenorientierte Diagnostik) ein lösungsorientiertes, schulenübergreifendes Erfassungsinstrument für die Hilfeplanung in der psychosozialen Arbeit, Psychotherapie und Rehabilitation. Es setzt an den Ressourcen im Sinne der gesunden Anteile bzw. der erfolgreichen Bewältigung psychosozialer Aufgaben einer Person an und bezieht die konkrete Lebenssituation der "Expertinnen und Experten in eigener Sache" umfassend ein.

Ziel der Autoren war, die aktuelle Lebenslage und subjektive Bewertung der individuellen Problemlagen und Veränderungspotentiale eines Patienten einbeziehend, Diagnostiksysteme wie ICD-10 oder DSM-IV um ein Instrument für die psychosoziale Hilfegestaltung zu erweitern. PREDI erfasst retrospektiv für den Zeitraum von 12 Monaten die neun Lebensbereiche Alltag, Wohnen, Finanzen, Arbeit, Sozialkontakte und Partnerschaft/Familie, rechtliche Situation sowie körperliche und psychische Befindlichkeit unter den Aspekten Problem-, Ressourcenbeurteilung und Veränderungsmotivation. Die Ressourcenbeurteilung z.B. stützt sich auf die konkrete Nutzererfahrung personaler und materieller Ressourcen und nicht auf potenziell zur Verfügung stehende Ressourcen. Sie erfolgt über ein halbstrukturiertes Interview, eine Checkliste oder einen Selbstbeurteilungsbogen.

Fazit: PREDI ist zweifellos ein interessanter und für den Versorgungsalltag überfälliger Ansatz - die vorgelegten psychometrischen Angaben sind allerdings unzureichend und seine Durchführung setzt ein wiederholtes Training voraus.

Hasso Klimitz, Berlin

Email: h.klimitz@alexius.de

Küfner H, Coenen M, Indlekofer W. PREDI - Psychosoziale ressourcenorientierte Diagnostik. Lengerich: Pabst, 2006

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