NOTARZT 2008; 24(4): 140-141
DOI: 10.1055/s-2008-1067376
Fortbildung
Der toxikologische Notfall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Lebensmüde

F.  Martens1
  • 1Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin (Direktor: Prof. Dr. Ulrich Frei), Berlin
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Publication Date:
04 August 2008 (online)

Fall 1

Unter dem Stichwort „Plötzliche Bewusstlosigkeit” wird die Notärztin gegen Mitternacht in ein größeres Mietshaus alarmiert. Ein junger Mann hatte den Rettungsdienst gerufen, weil er seine Freundin nicht erwecken konnte. Er berichtete zudem von einem abendlichen Streit, nach dem er die Wohnung für einige Stunden verlassen hatte.

Die etwa 30-jährige Patientin liegt auf einem Sofa, nur mit Unterwäsche bekleidet. Auf einem Tischchen steht eine halbleere Weinflasche. Lediglich auf kräftige Schmerzreize kommt es zu seitenentsprechenden Abwehrbewegungen. Beide Pupillen sind stecknadelkopfgroß. Weiterhin auffällig sind eine deutliche Hypotonie von 70/40 mm Hg und eine Bradykardie um 45/min. Die pulsoxymetrische Sättigung liegt bei 92 %. Zwischenzeitlich wurde der Blutzucker mit 150 mg/dl bestimmt.

Nach Anlage zweier peripherer Verweilkanülen infundiert die Notärztin Ringerlösung im Schuss und gibt bei Verdacht einer Opiatvergiftung fraktioniert 0,8 mg Naloxon intravenös. Darunter kommt es jedoch zu keiner überzeugenden Vigilanzänderung. Wegen der fortbestehenden Bradykardie gibt sie insgesamt 1 mg Atropin. Dies führt zu einer Frequenzanhebung auf 68/min, der Blutdruck bleibt trotz rascher Infusion von inzwischen 800 ml Elektrolytlösung bei 75/40 mm Hg. Erst nach Zugabe von Dopamin mit 20 mg/h steigt der Blutdruck auf 100/65 mm Hg an.

Da der Freund der Patientin einen Drogenabusus kategorisch ausschließt, andererseits der Partnerkonflikt und die plötzliche Erkrankung einen Suzidversuch nahe legt, wird die Wohnung nach etwaigen Ursachen durchsucht. Dabei finden sich angebrochene Packungen von Metoprolol, Furosemid, Clonidin und von Ramipril. Zur Herkunft der Medikamente berichtet der Freund der Patientin schließlich, dass seine Freundin an einer Nierenschwäche und Bluthochdruck leide.

Letzlich wird die soporöse Patientin unter Fortführung der eingeleiteten Therapie in ein größeres Krankenhaus auf die dortige Intensivstation eingeliefert. Dort kommt es in den folgenden zwölf Stunden zu einer langsamen Vigilanzzunahme und konsekutiv zu einem Blutdruckanstieg, sodass die Dopamingabe beendet werden kann. Schließlich gibt die Patientin zu, nach dem häuslichen Streit eine größere Menge ihrer Clonidintabletten genommen zu haben.

Literatur

  • 1 Seger D L. Clonidine toxicity revisited.  J Toxicol Clin Toxicol. 2002;  40 (2) 45-155
  • 2 Baselt R C, Cravey R H. Disposition of toxic drugs and chemicals in man. 3. Aufl. Chicago, London, BocaRaton, Littleton; Year Book Medical Publishers 1990
  • 3 Anderson R J, Hart G R, Crumpler C P, Lerman M J. Clonidine overdose: report of six cases and review of the literature.  Ann Emerg Med. 1981;  10 (2) 107-112
  • 4 Dire D J, Kuhns D W. The use of sublingual nifedipine in a patient with a clonidine overdose.  J Emerg Med. 1988;  6 (2) 125-128

Priv.-Doz. Dr. Frank Martens

Charité, Campus Virchow Klinikum, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin

Augustenburger Platz 1

13353 Berlin

Email: frank.martens@charite.de

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