Psychother Psychosom Med Psychol 2005; 55(8): 357
DOI: 10.1055/s-2005-866960
Nachruf
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Klaus Grawe (29.4.1943 - 10.7.2005)

Klaus Grawe (29.4.1943 - 10.7.2005)Bernhard  Strauß1
  • 1Universitätsklinikum Jena, Institut für Medizinische Psychologie
Further Information

Publication History

Publication Date:
28 July 2005 (online)

Am 10. Juli 2005 verstarb Klaus Grawe im Alter von 62 Jahren. Die Nachricht von seinem Tod kam völlig unerwartet und wird nicht nur diejenigen, die ihm persönlich und beruflich nahe standen, erschüttern.

Klaus Grawe war seit vielen Jahren einer der einflussreichsten und prominentesten Psychotherapieforscher, keineswegs nur im deutschsprachigen Raum.

Nach seinem Studium der Psychologie an den Universitäten Freiburg und Hamburg war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Psychiatrischen und Nervenklinik des Universitätskrankenhauses Eppendorf, wo er u. a. an der Gründung einer Psychotherapiestation beteiligt war, in der simultan Konzepte gesprächspsychotherapeutischer, verhaltenstherapeutischer und psychodynamischer Ausrichtung praktiziert und wichtige Projekte der vergleichenden Psychotherapieforschung initiiert wurden.

Im Jahr 1978, noch vor Abschluss seiner Habilitation, wurde Klaus Grawe auf den Lehrstuhl für Klinische Psychologie an der Universität Bern berufen, wo er bis zuletzt wirkte.

Er konnte in Bern eine ganze Reihe bahnbrechender Forschungsprojekte realisieren, die den Diskurs um die Wirksamkeit der Psychotherapie, um den Sinn und Unsinn therapeutischer „Konfessionen” und ein allgemeinpsychologisches Verständnis psychotherapeutischen Handelns maßgeblich beeinflusst haben. Kürzlich hat er als einer der ersten die Möglichkeiten und Impulse neurowissenschaftlicher Forschungsparadigmen für die Psychotherapie in seinem 2004 erschienenen Buch „Neuropsychotherapie” systematisch dargelegt.

Es gäbe viel zu seiner Person und zu seinem Wirken zu sagen und zu erinnern, wie seine Beteiligung an dem Forschungsgutachten zu Fragen eines Psychotherapeutengesetzes im Auftrag der Bundesregierung, seine viel diskutierte Metaanalyse aus dem Jahr 1994, seine Theorien der allgemeinen und der konsistenztheoretisch fundierten Psychotherapie, sein Wirken als European und General President der Society for Psychotherapy Research (SPR), seine erfolgreichen Bemühungen um eine therapieschulenunabhängige, empirisch fundierte Psychotherapieausbildung und vieles andere mehr.

Menschen, die mit Klaus Grawe Kontakt hatten, werden ihn als äußerst vitalen, kreativen, humorvollen und genussfähigen Menschen in Erinnerung behalten, dem seine Familie, seine Frau Mariann und seine fünf Kinder, alles bedeutete.

Im wissenschaftlichen Feld war er immer ein - manchmal recht unbequemer - Impulsgeber. Erst kürzlich, anlässlich der Jahrestagung der SPR in Montreal, bei der er sich begeistert und voller Tatendrang zeigte, sagte Klaus Grawe: „Wenn ich etwas bewirken wollte, war es nach meiner Erfahrung immer am effektivsten, zu provozieren”.

Die Utopien, die Klaus Grawe entwickelt und zum Teil schon realisiert hat, werden die psychotherapeutische Welt noch lange beschäftigen und dafür sorgen, dass er noch sehr lange präsent bleiben wird.

Bernhard Strauß für die Herausgeber der PPmP

Prof. Dr. phil. Bernhard Strauß

Universitätsklinikum Jena · Institut für Medizinische Psychologie

Stoystraße 3

07740 Jena

Email: bernhard.strauss@med.uni-jena.de

    >